Unterwegs unter Tage - auf der Labouiche könnte ihr durch eine faszinierende Karstwelt schippern! Foto: Hilke Maunder
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Labouiche: Schippern unter Tage

Das Département Ariège birgt zahlreiche Höhlen. Doch die Grotte de Labouiche ist anders als all die anderen Schauhöhlen am Pyrenäenenrand.

200 Stufen auf einer engen Wendeltreppe führen zum Anleger. 50 Meter unter Tage beginnt Sébastien nordwestlich von Foix seinen sportlichen wie ungewöhnlichen Arbeitsalltag. Mit beiden Armen zieht er entlang eines Edelstahlstrangs Ausflügler über den längsten schiffbaren Fluss Europas im Kalkstein der Montagnes du Plantaurel.

Die kleinen Pyrenäen

Kalksteinfalten und Klusen prägen das Massiv von Plantaurel. Es durchzieht das gesamte Département Ariège und schwingt sich beim Pic de l’Aspre in der Gemeinde Soula auf 1011 Meter auf.

Sein Name verrät seine Topografie. Das männliche plà bedeutet im Okzitanischen eine Ebene oder ein Plateau, das weibliche taurel bezeichnet einen Hügel.  Im westlichen Teil wird die Gruppe von Gebirgszügen, die parallel zur Pyrenäenkette verlaufen, auch  Petites Pyrénées genannt.

Sébastien bei der Arbeit. Foto: Hilke Maunder
Sébastien bei der Arbeit. Foto: Hilke Maunder

60 Meter unter Tage

„Ducken“, ruft er plötzlich, und alle legen die Arme schützend über den Kopf und beugen sich tief. Nur wenige Zentimeter trennen die Tropfsteinfalte vom Haupthaar. 900.000 Jahre lang haben die Wasserläufe Labouiche und Fajal ein Wunderland aus Stein geschaffen.

Der Anleger. Bis zu 17 Boote sind auf dem Fluss unterwegs. Foto: Hilke Maunder
Der Anleger. Bis zu 17 Boote sind auf dem Fluss unterwegs. Foto: Hilke Maunder

Die ersten Expeditionen

Im August 1908 begann ein gewisser Doktor Dunac aus der Nähe von Foix die erste ernsthafte Erkundung der Höhle. Seine beiden Söhne und zwei junge Offiziere, Leguiller und Rochette, begleiteten ihn dabei.

Hinein in die Unterwelt im Karst drangen sie dort ein, wo heute immer noch einer der beiden Eingänge der Schauhöhle liegt: am Ayguo Perdent. Verlorenes Wasser heißt übersetzt dieser Ort, denn dort tritt der Fajal, ein kleiner Bach des Plantaurel, aus der Höhle heraus.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Das Quintett folgte dem Flajel rund 600  Meter weit bis zur Mündung – und entdeckte so den unterirdischen Fluss Labouiche. Von ihrer Entdeckungen berichteten sie dem damals in Frankreich bekanntesten Höhlenforscher: Edouard-Alfred Martel (1859-1938).

Schiffbruch im Schlauchboot

Martel kam bereits im Folgemonat. Und erneut im Jahr darauf. Diese Expedition sorgte für Schlagszeilen. Martel, Dunac und weitere passionierte wie neugierige Entdecker wählten diesmal Schlauchboote für die Expedition. Dies sollte sich als eine ziemlich schlechte Idee erweisen. Der Fluss barg zahlreiche scharfe, durch die Erosion entstandene Felskanten, die die Boote durchlöcherten. Eines nach dem anderen ging verloren.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Schließlich erlitt auch Martel Schiffbruch und wäre beinahe ertrunken. Doch glücklicherweise hatte es wenig geregnet, und der Wasserstand im Siphon war niedrig. So konnte die Gruppe noch 150 Meter weiter in die Höhle vordringen bis zu einem zweiten Siphon auf der anderen Seite der Petit Barrage, der „Kleiner Staudamm“ genannten Trockenpassage. Die Entfesselung des Ersten Weltkrieges beendete abrupt die weitere Erforschung des unterirdischen Flusses von Labouiche.

Gefährliche Kletterei

1935 wagte sich der erst 17-jährige Höhlenforscher Jacques Raynald  in die Flusshöhle. Nach einer gefährlichen Kletterpartie entdeckte er einen trockenen Gang mit zahlreichen Höhlenformationen. In Erinnerung an ihn heißt er heute Salle Reynald. Seine Entdeckung lockte erneut Martel. Gemeinsam mit Cremadells und Paul Salette erkundete er weitere neue Gänge. 3.200 Meter unter Tage waren nun bekannt.

Erst viel später wurden bei Ausgrabungen Spuren der Vorzeit und Überreste aus dem Magdalénien entdeckt. Auch einige gallo-römische Überreste, die etwa 2.000 Jahre alt sind, kamen zum Vorschein.

Schauhöhle seit 1938

Zur Touristenattraktion wurde das Höhlensystem 1935. Gemeinsam mit  Crémadells, Norbert Casteret und Joseph Delteil entdeckte Paul Salette insgesamt 3800 Meter der Höhlenwelt, bis sie auf einen zweiten Siphon stießen, der scheinbar unüberwindbar war.

Der 20 Meter tiefe Siphon konnte bis heute nicht erfolgreich betaucht werden. 1949 waren die Tauchversuche des britischen Forschers Davies  fehlgeschlagen. Auch eine anglo-französische Expedition im Jahr 1955 trug keine Früchte. Die Höhle schien sich gegen jegliche weitere Erkundungen zu verschließen. Ein System von Gängen mit einer Gesamtlänge von 3.800 Meter: Mehr gab sie nicht preis.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Paul Salette jedoch erkannte das wirtschaftliche Potenzial und gründete eine Pachtgesellschaft für die touristische Nutzung der Höhle. Sie sorgte für die Elektrifizierung, den Bau von Treppen und Anleger und die Verlegung der Treidelkabel. Seit 1938 führen ihre Guides de la Rivière Souterraine de Labouiche durch das Naturwunder.

Aufgestaut mit Schleusen

Zwei Wehre stauen den unterirdischen Fluss und sorgen dafür, dass der Wasserspiegel konstant bleibt.1,50 Meter ist Standard. Bei starken Regenfällen im Einzugsgebiet kann jedoch der Wasserspiegel stark steigen. Nur sehr selten ist bei Dauerregen der  Flussabschnitt komplett überflutet.

Zweimal wird aufgrund der Wehre bei der Flussfahrt umgestiegen. Zwölf Grad warm ist die Luft, elf Grad das klare Wasser.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Anderthalb Stunden dauert der Törn unter Tage. Bei der 1,5 Kilometer langen Kahnfahrt kommt ihr durch hohe, mal niedrige, mal beleuchtete, mal absichtlich dunkel gelassene Stollen. 17 Schiffe sind in der Hochsaison dort unterwegs. Zwölf Passagiere dürfen maximal in den Kähnen sitzen, die die Fährleute und Führer am Seil durch die Höhle ziehen.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Damit sie sich ausweichen können, beginnen die Touren an beiden Enden des schiffbaren Abschnitts – am Wendeltreppen-Anleger und am natürlichen Eingang der Grotte.

Fantasievolle Felsen

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Weiß, schwarz und in Ockerfarben von Zartgelb über Sonnengold bis Rotbraun leuchtet der Kalk im Licht der Lampe. Strahler setzen besonders schön Stalaktiten und Stalagmiten in Szene. Manche Steine erinnern an Tiere, andere an exotische Blumen. Mit etwas Fantasie lässt sich sogar das Antlitz einer Hexe erkennen.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Langsam wird das leise Plätschern lauter, wächst an – und wird schließlich so tosend, dass es die Stimme des guide übertönt. Vor uns ergießt sich ein unterirdischer Wasserfall über einen glatt polierten Stein.

Der Wasserfall der Labouiche. Foto: HIlke Maunder
Der Wasserfall der Labouiche. Foto: Hilke Maunder

Frankreichs unterirdische Flüsse

Die Labouiche ist nicht der einzige unterirdische Fluss, der in Frankreich unter der Erde strömt. Besonders im Jura-Gebirge und überall dort, wo sich vor Jahrmillionen Karstflächen gebildet haben, ist das Land durchlöchert wie ein Schweizer Käse.

Das Gros der Schauhöhle stellen Tropfsteinhöhlen mit imposanten Stalagmiten, Stalaktiten, Sinterflächen und hier und da auch einem kleinen oder größeren See. Richtige Flüsse könnt ihr in diesen Schauhöhlen bewundern und hautnah erleben!

Le Gouffre de Padirac (Lot)

47 Kilometer südlich von Brive-la-Gaillac hat sich ein unterirdischer Fluss mehr als 100 Meter tief in den karstigen Kalk des  Causse du Gaillarde gegraben, der später in die Dordogne mündet. Der Gouffre von Padirac entstand, als eine hohe, domartige Aushöhlung seiner Flusshöhle einbrach und ein riesiges Loch schuf. Schlund (Gouffre) nannten die Einheimischen diese riesige, 33 Meter breite und 75 Meter tiefe Öffnung im Erdreich.

Hinein wagte sich jener Mann, der später – 1905 – noch die Gorges du Verdon erforschen sollte:  Edouard Alfred Martel. Im Juli 1889 entdeckte er im Gouffre eine Öffnung, die 28 Meter tiefer zu einem unterirdischen Fluss führt. Heute saust ein Aufzug dort hinab. Er hält vor den Booten, die dort von April bis Oktobers zu faszinierenden Törns starten.

Unterwegs kommen an dem 60 Meter großen Stalaktiten La Grande Pendeloque, dem 120 Meter langen See Lac des Gours und am Grand Dôme vorbei, dessen Gewölbe sich 94 Meter hoch über dem Fluss erhebt.

Gouffre Géant de Cabrespine (Aude)

In der Montagne Noire des Départements Aude hat das Wasser mit dem Gouffre Géant de Cabrespine eine der schönsten Höhlen Frankreichs geschaffen. 250 Meter ist er tief. Bei der klassischen, 50-minütigen Tour besichtigt ihr die Höhle auf Glasbalkonen, die 200 Meter hoch über dem Grund liegen, steigt hoch zum Belvédère des Disques und könnt Tausende Aragonitkristalle im Roten Saal bewundern.

Den Fluss, der diese Höhle geschaffen hat, seht ihr nur auf dreistündigen, geführten Touren. Mit Helm und Handschuhen, Klettergurt und Kopfleuchte geht es dabei im Kanu auf Erkundungstour.

Die Grottes de Médous (Hautes-Pyrénées)

Für Norbert Casteret, der diese Höhlen entdeckte, ist Médous ein „Juwel der Pyrenäen“.  Auch diese Schauhöhle bei Aste in den Hautes-Pyrénées könnt ihr per Boot erleben.

Die Grotte de Labeil (Hérault)

Auf dem Plateau von Larzac befindet sich auf 700 Metern Höhe der Eingang zur Grotte von Labeil, einem ehemaligen Roquefort-Keller mit ebenerdigem Zugang zum unterirdischen Flusslauf. Dort könnt ihr am Ufer eines unterirdischen Flusses entlang laufen, der kunstvoll illuminiert ist.

Die Grotte de Baume (Jura)

Kaum ein Gebirge ist so durchlöchert wie die Montagne du Jura mit ihren mehr als 2000 Höhlen, die das Wasser in den kalkhaltigen Untergrund der Jura-Berge gegraben hat. Auch die Höhle von  Baume-les-Messieurs entstand vor 30 Millionen Jahren durch Wasser, das in die Risse des Juraplateaus eindrang.

Stalaktiten und Stalagmiten schmücken die Tropfsteinhöhle, aber auch ein unterirdischer Fluss und ein See. Im Winter ist die Schauhöhle wegen Überflutung geschlossen und dient dann als Zufluchtsort für Fledermäuse.

In diesem Häuschen findet ihr Kasse, Boutique und Toiletten. Foto: Hilke Maunder
In diesem Häuschen findet ihr Kasse, Boutique und Toiletten. Foto: Hilke Maunder

Die Rivière souterraine de Labouiche: meine Reisetipps

Ansehen

Rivière souterraine de Labouiche

09000 Baulou, Tel. 05 61 65 04 11, www.labouiche.com; geöffnet: 1. April – Mitte November, Mo. geschl.

Bitte achtet unbedingt darauf, an welchem Eingang eure Tour beginnt! Es gibt zwei Eingänge.

Der künstliche angelegte Eingang zum unterirdischen Fluss Labouiche. Foto: Hilke Maunder
Der künstlich angelegte Eingang zum unterirdischen Fluss Labouiche. Foto: Hilke Maunder
Der natürliche Eingang zum Fluss. Foto: Hilke Maunder
Der natürliche Eingang zum Fluss. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen und genießen

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Im Blog

13 Kilometer südöstlich findet ihr die Hauptstadt des Départements Ariège. Ihr Wahrzeichen ist eine imposante Burg. Entdeckt Foix in diesem Beitrag.

https://meinfrankreich.com/foix/

Im Buch

Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!

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2 Kommentare

  1. Danke für den Bericht! Wir haben bei unserem Besuch die Höhle am natürlichen Eingang betreten. Allerdings sahen wir weder den Wasserfall noch wurde dabei umgestiegen. Kann es sein, dass es kürzere und längere Fahrten gibt?

    1. Hallo, auch bei Touren mit Eingang durch die natürliche Höhle wird 2x umgestiegen. Allerdings kommt es bei der Hochsaison vor, dass jeder Führer nur sein Revier befährt, sprich, mit jedem Bootswechsel hast Du einen neuen Führer. Die Wehre halten den Wasserstand stabil, dadurch finden immer nur vollständige Fahrten statt – und niemals kürzere oder längere. Ich hatte bei diesem Punkt den Direktor der Anlage befragt, weil ich mich fragte, wie es funktioniert bei langen Trockenperioden oder viel Regen. Viele Grüße, Hilke

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