
„Ach, mein kleines Uzès! Lägest du in Umbrien, dann würden die Touristen aus Paris angereist kommen, um dich zu sehen!“ …
… schwärmte André Gide 1926 über den Ort, an dem die Römer einst zum Schutz der Eure-Quelle ihr Militärlager Castrum Uticense errichtet hatten.

Ein zweiter berühmter Schriftsteller Frankreichs war bereits im Herbst 1661 in das Languedoc-Städtchen gekommen, hatte dort bei seinem Onkel Antoine Sconin gewohnt und Theologie studiert: Jean Racine.
Seine „Briefe aus Uzès“ an die Pariser geben ein Zeugnis vom damaligen Leben in Uzès, von den Bräuchen, aber auch von politischen und religiösen Verwicklungen.

Weltliche Macht
Uzès war 1632 zur „Premier Duché de France“ ernannt worden, nachdem dem Herzog von Uzès die Vorrechte des 1. Herzogs von Frankreich zugefallen waren. Dies nutzt die Tourismuswerbung geschickt beim Stadtmarketing.

Ist die Herzog mit seiner Familie in der Stadt, weht hoch im Wind der Banner des Adligen. Die Besichtigung des Burgschlosses muss euch es wert sein – der Herzog lässt sich den Besuch teuer bezahlen.
Sein verwinkelter wie wehrhafter Palast bildet das Herz der Altstadt. Sie hat hinter einem Boulevardring ihr mittelalterliches Gepräge fast vollständig bewahrt
Geistliche Macht

Gegenüber der Krone: der Klerus. Ihre Cathédrale Saint-Théodorit (1090) birgt im Innern eine der schönsten Orgeln Frankreichs.

Ihr aschgraues, teilweise vergoldete und fein geschnitztes Orgelgehäuse mit 44 Register und 2.722 Orgelpfeifen wurde ab 1660 erbaut und von Läden umrahmt.

Jene wurden einst während der Fastenzeit zugeklappt, denn das Orgelspiel war in dieser Zeit des liturgischen Jahres nicht erlaubt.
Ein blau-goldenes Gewölbe schmückt die Marienkapelle. Für mich gehört sie zu den schönsten, die ich kenne. Wer Musik liebt, sollte die Nuits Musicales in der Kathedrale nicht verpassen!

Ungewöhnlich ist auch die Tour Fenestrelle (11./12. Jh.) des Gotteshauses. Sie erhebt sich rund und mit Bogengängen versehen auf einem quadratischen Sockel – wie ein italienischer Campanile.
Vor dem Glockenturm eröffnen sich von einem sandigen Platz weite Ausblicke auf das Tal der Eure.

Das Flair des Midi
Über kopfsteingepflasterte Gassen streunen Katzen. In den Stadtpalästen aus Renaissance und Klassizismus verkaufen Aussteiger, Antiquitätenhändler, Künstler und Kunsthandwerker das Lebensgefühl des Südens – Schmuck, Mode und Ambiente im Flair des Midi.

Place aux Herbes: Was für eine Kulisse!
Die Platanen bestandenen Place aux Herbes mit ihren Arkaden ist euch vielleicht schon aus dem Kino bekannt.Hier wurde unter anderem „Der Cyrano von Bergerac“ mit Gérard Depardieu gedreht.

Markt ist immer mittwochs und sonnabends ab 7.30 Uhr. Von Ostern bis Oktober findet zudem sonntags von 9 bis 19 Uhr ein Kunsthandwerkermarkt auf dem Platz statt.

Mittags lässt es sich ganz vorzüglich – und authentisch – bei Les Terroirs schlemmen. Die Wein- und Delikatessenhandlung samt Bistro zelebriert stylisch den Geschmack des Südens.

Rundblick auf die Altstadt
100 Stufen führen hinauf zu dem schönsten Aussichtspunkt über Uzès: die Tour du Roi aus dem 14. Jahrhundert. Von oben: nur alte Häuser, so weit man sieht.

Die gesamte Altstadt von Uzès steht unter Denkmalschutz . Wird gebaut, sind Farben und Materialien genau festgelegt.

Der 1972 gegründete Haras National ist das einzige französische Staatsgestüt im Mittelmeerraum. Während des Sommers könnt ihr zwei Stunden lang hinter die Kulissen der Hengstzucht schauen und das 16 Hektar große Gelände entdecken.

Und bei Regenwetter?
Dann besucht doch einmal die Sammlungen zur Volkskunst, Stadtgeschichte und Keramiktradition, die das Musée Municipal George Borias im alten Bischofspalast zeigt.

Etwas außerhalb gründete Henri Laffont 1862 das Lakritzwerk ZAN, das seit 1985 zur Haribo-Gruppe gehört. Die Geschichte der südfranzösischen Süßwarenindustrie dokumentiert ganzjährig das Haribo Musée du Bonbon an der Pont des Charrettes.
Die Weine von Uzès
Rund um Uzès erstrecken sich die Weingärten der wohl unbekanntesten Appellation des südlichen Rhônetales: die AOC Duché d’Uzès. 11.000 Hektoliter produziert sie jährlich zwischen dem Pont du Gard und den Ausläufern der Cevennen. Davon sind 25 Prozent Weißwein, 25 Prozent Roséwein und 50 Prozent Rotwein.
Wer neugierig ist auf die Weiß-, Rose- und Rotweine, sollte mal diese Tropfen kosten
• den Weißwein „Orenia Reserve 2015“ von Philippe Nusswitz aus dem Elsass, der heute in Durfort und Saint-Martin seine Tropfen vinifiziert, bei der Orenia mit 50% Viognier, 30% Grenache blanc, 10% Roussanne und 10% Marsanne.
• den Rosé Duché d’Uzès, Jahrgang 2016, von Mathilde Chapoutier Sélection, der mit Grenache noir und Syrah Eleganz und Komplexität vereint.
• den roten Duché 2013 von der Domaine Les Lys, der aus Syrah (45%) und Grenache (55 %) komponiert wurde und in altem Holz gereift ist.
• den roten Duché d’Uzès 2015 von La Tour de Gatigne aus Saint-Chaptes, den es früher nur als vrac gab – eine traumhaft runde, kraftvolle Komposition aus 70% Syrah und 30% Grenache noir.
Uzès: meine Reise-Infos
Schlafen & schlemmen
Hôtel d’Entraigues*
Sehr beliebt ist ein Sommer-Dinner im Hôtel d’Entraigues. Vom Terrassenrestaurant Les Jardins de Castille blickt ihr auf auf die Kathedrale.
• Place de l’Evêché, Tel. 04 66 22 32 68, www.hotel-entraigues.com
L’Hostellerie Provençale*
Neun nostalgische Zimmer im Herzen der alten Stadt und das Schlemmerlokal Parenthèse – perfekt!
• 1, Rue Grande Bourgade, 30700 Uzès, Tel. 04 66 22 11 06, www.hostellerieprovencale.com
Noch mehr Betten*
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Aktiv
Paddeln auf dem Gardon
Ein Spaziergang über den weltberühmten Pont du Gard gehört zum Standardprogramm. Viel spannender ist es, sich in Collias ein Kanu oder Kajak zu mieten und auf dem Gardon unter den historischen Brückenbogen hindurch zu gleiten.
Für kleine Adrenalinkicks sorgen Wirbel, Schwälle und im Wasser aufragende Äste oder Stämme, für Abkühlung ein Sprung ins kühle Nass des naturbelassenen Flusses. Am Ende der Paddeltour geht es im Bus zurück zum Start. Leihboote gibt es u. a. bei Kajak Vert, Tel. 04 66 22 80 76, www.canoe-france.com.
Ein paar Impressionen gibt es in diesem Blogbeitrag.

Nicht verpassen
Das Töpferdorf Saint-Quentin-la-Poterie, 4 km nördlich, veranstaltet jährlich das Festival Européen des Arts Céramiques.

Erlesene Keramikkunst des 18. – 21. Jahrhunderts präsentiert das Musée de la Poterie Mediterranéenne in der Rue de la Fontaine 14. Wie sich ein Klumpen Ton in kunstvolle Keramik verwandelt, zeigen mehr als 20 Kunsthandwerker in ihren Ateliers.
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MARCO POLO Languedoc-Roussillon/Cevennen*
Diesen Titel habe ich nach Axel Patitz und Peter Bausch inzwischen seit sechs Ausgaben umfangreich erweitert und aktualisiert.
Strandvergnügen und Kultur, quirlige Städte und wildromantische Landschaften: Von den Cevennen über das Languedoc bis hin zum Roussillon findet ihr dort Highlights und Kleinode, Tipps für Entdecken und Sparfüchse – und Adressen, die ich neu entdeckt und getestet haben. Denn dieser Landstrich ist seit 2014 meine zweite Heimat.
Wandert rund um den Mont Lozére, radelt durch die Petite Camargue, schippert im Hausboot auf dem Canal du Midi, taucht mit der Zahnradbahn in die faszinierende Tropfsteinwelt der Cevennen ein oder entdeckt die Côte Vermeille bei einer Schnorchelwanderung. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.
Der Reisebegleiter vor Ort: Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*
Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2021 in 9. Auflage erschienen.
Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.
Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.
Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
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Ein wunderbarer Bericht aus der Nimes-Gegend, danke liebe Hilke!
Hier ringsum sind wir seit 34 Jahren in unserem Haus in Courry.
Im Töpferdorf Saint-Quentin-la-Poterie ist im Gegensatz zum Ton, der hier überall in winzigen Läden verarbeitet wird, Joseph Monier geboren, ein französischer Gärtner, Erfinder und Unternehmer. Er gilt als der Erfinder des Eisenbetons, vielen ist er sicher bekannt, der (deutsche) Fachausdruck „Moniereisen“. Ein kleines Schaufenster hierzu findet man gerade um die Ecke des Musee de la poterie méditerranéenne. Viel schöner als dieses Museum ist natürlich das auf/suchen der vielen kleinen Töpferläden und Höfen.
Und in Nimes gibt es tatsächlich noch ein riesengroßes Tuchgeschäft in dem man die zum Teil originalen „provenzalischen“ Stoffe finden kann. Aber die Adresse verrate ich nicht. Muss man selbst suchen.
Herzlich
Dieter/Didier
Lieber Dieter-Didier,
ja, Saint-Quentin-la-Poterie… das durfte ich im letzten Sommer entdecken, als meine Freunde mich für ein paar Tage in ihr dortiges Feriendomizil einluden. Und darüber muss ich auch unbedingt noch einen Bericht verfassen, auch jenseits des bekannten Marktes und Museums. Danke für den Tipp zu Monier, das wusste ich nicht! Wenn Du weiter stöbern möchtest: Nîmes ist gerade frisch aktualisiert (war gerade dort wieder einmal gewesen) – und Lussan kennst Du ja bestimmt auch! Einfach im Blog oben in der Suche eingeben oder auf der Startseite schauen auf der großen Karte, die sich zoomen lässt. Herzliche Grüße! Hilke
Danke für den Beitrag über Uzes. Habe richtig Fernweh bekommen. So oft sind wir schon durch die verwinkelten Gassen gebummelt und über den Markt. Ich liebe diese Stadt. Anfang der 90er sah es allerdings noch schlimm dort aus. Mittlerweile ist die Stadt wunderbar restauriert. Leider habe ich damals keine Fotos gemacht.
Liebe Grüße
Renate
Hallo Renate, ich habe auch Dauerfernweh… Viele Grüße, Hilke
Vielen Dank für den Beitrag über Uzès. Mir hat der vor einem Jahr verstorbene deutsche Schriftsteller Peter Kurzeck, der zeitweise in Uzès gelebt und darüber sehr schöne Texte geschrieben hat, die Stadt nahe gebracht.
Oh, danke für den Tipp! Kannst Du einen Titel besonders empfehlen?