Vendée: tolle Entdeckungen im Binnenland
La Vendée: Ihre Küste ist eine beliebte Urlaubsregion. Ihr Binnenland indes ist doch recht unbekannt. Lasst euch hier inspirieren!
Château de Tiffauges: zu Besuch bei Blaubart
Krieg, Plünderung, die Pest und das Schisma, die Kirchenspaltung, prägten seine Jugend, der herrische, gewalttätige Großvater seine Erziehung: Wie wäre wohl das Leben von Gilles de Rais zu anderen Zeiten verlaufen?
Doch er wurde im ausgehenden Spätmittelalter geboren, 1404 im Herzogtum Anjou an der Grenze zur Bretagne. 1440, 36 Jahre jung, starb er als pädophiler Serienmörder am Strang.
Kriegsheld und Kinderkiller
Herausgekommen waren seine Verbrechen durch einen fatalen Fehler. 1440 ließ der gefeierte Held des Hundertjährigen Krieges und Weggefährte Jeanne d’Arcs, der einst zu den reichsten Männern des Landes gehört hatte, aus Geldsorgen den Priester Jean le Ferron in der Kirche festnehmen, da dessen Bruder ihm Geld schuldete.
Mit diesem Übergriff machte er sich den einflussreichen Bischof von Nantes zum Feind. Dieser ging nun den nicht verstummen wollenden Gerüchten nach. Sie besagten, dass auf Gilles de Rais‘ Burgen Kinder verschwünden. Im September 1440 begann das förmliche Verfahren gegen Rais.
Massenmörder des Mittelalters
Zunächst lautete der Vorwurf nur „Verletzung der Kirche“. Doch dann wurden die Inquisitoren auf der Burg von Tiffauges fündig: Sie entdeckten Dutzende Schädel und Skelette von kleinen Kindern.
Am 21. Oktober gestand Gilles de Rais – aus freien Stücken, ohne Folter – seine Taten in der Sprache des Volkes, auf Französisch statt Latein: Hunderte Massenmorde, geopfert einer perversen pädophilen Lust und der Suche nach Gold.
140 Morde
140 Morde konnte das Gericht Gilles de Rais nachweisen. Fast 400 Taten werden mit seinem Namen verbunden. Am 26. Oktober 1440 wurde der Unhold gehängt und sein Körper verbrannt – und dann dennoch aus den Flammen gerissen und von adeligen Damen ordentlich bestattet. Sein Leben indes inspirierte die Kunst.
Gilles de Rais wurde zum sagenhaften Blaubart und sein Schloss zur Topattraktion der Vendée. Jeden Sommer wird dort das Leben von Gilles de Rais und das Leben in jener Zeit mit einem prall gefüllten Programm von Präsentationen wieder lebendig.
Château Tiffauges
• 85130 Tiffauges, Tel. 02 51 65 70 51, www.sitesculturels.vendee.fr/Chateau-de-Tiffauges
Château de Bois-Chevalier: Rendez-vous mit Künstlern
Im Grenzland der Départements Vendée und Loire-Atlantique hat Paul de Brancion seinen Alterssitz gefunden. Es ist das Château de Bois-Chevalier fünf Kilometer südlich von Rocheservière.
Der Herrensitz wurde 1655 für Olivier du Bois Chevalier errichtet. Später war es Wohnsitz des Bürgermeisters von Nantes und Refugium der Royalisten der Vendée um Général de Charette.
Paul de Brancion hat mit dem Kauf des denkmalgeschützten Châteaus die Familiengeschichte reaktiviert. Einige Jahrhundert zuvor waren einige seiner Vorfahren ebenfalls dort Schlossherr bzw. gern gesehene Gäste gewesen.
Hinter seiner Renaissance-Fassade lebt im Innern der Geist vergangener Epochen weiter. Dieses Ambiente inspiriert bis heute Paul de Brancion.
Der Romancier und Poet arbeitet seit 2003 beim Erstellen seiner Lyrik gerne mit Komponisten zusammen. Auf dem Piano im bereits restaurierten Salon des Schlosses lag ein Gemeinschaftswerk mit dem zeitgenössischen Komponisten Jean-Paul Petit.
Kulisse für großes Kino
Mit dem Schloss verbunden ist der Name eines zweiten berühmten Künstlers Frankreichs, der Kinogeschichte schrieb: Jean Gabin (1904 – 1976).
1965 wurden in den Innenräumen des Schlosses und seiner sehr eindrucksvollen Treppe im Innern Szenen des Films Le Tonnerre de Dieu gedreht.
Treffpunkt von Künstlern
Alljährlich im Juni ist seit 2010 das Schloss Begegnungsstätte von Schriftstellern, Musikern und anderen Künstlern. Zu den Rendez-vous du Bois-Chevalier, organisiert von Paul de Brancion, Philippe Dossal und Jean-Marc Devanne, gehört auch ein Lyrikwettbewerb.
Besichtigen könnt ihr das Schloss von Anfang Juli bis Anfang August über das örtliche Office de Tourisme sowie bei den Journées du Patrimoine im September. Zum Schloss, einst von 200 Hektar Land umgeben, gehören heute noch 70 Hektar Wald, Wiesen und Felder, die Pächter bearbeiten.
Château du Bois-Chevalier
Paul de Brancion: http://brancion.paris
Les Rendez-vous du Bois-Chevalier: www.rendez-vous-du-bois-chevalier.com
Apremont: filmreif!
Die Wirtin der Crêperie im Schatten der Burg von Apremont im Département Vendée (Pays de la Loire) ist bis heute sichtlich stolz: „Das bin ich“, sagt sie und zeigt auf ein verblichenes Foto. „Da, das junge blonde Mädchen gleich neben Jean Gabin!“
1960 durfte sie als junge Schülerin in dem Schwarzweißstreifen „Der Himmel ist schon ausverkauft“ (Les vieux de la vieille) an der Seite des berühmten französischen Charakterschauspielers mitwirken.
Heute erinnert an jene Zeit nicht nur der Name der Crêperie, die den Filmtitel trägt, sondern auch eine liebevoll zusammengestellte Infowand auf der Terrasse mit Szenenfotos des Kinofilms.
Neben Jean Gabin spielten unter der Regie von Gilles Grangier auch Pierre Fresnay und Noël-Noël an der charmanten Tragikomödie mit. Zweiter Drehort des beliebten Streifens war La Chaize-le-Vicomte.
Eine Petite Cité de Caractère
Apremont gehört zu einer Handvoll von cités de caractère, wie ihr sie in der Vendée findet. Ein markierter Pfad führt zu ihren schönsten Ecken.
Er durchquert enge Gassen, berührt den Waschplatz, die gallo-romanische Brücke und eine Kirche aus dem 20. Jahrhundert. Und natürlich auch das Schloss, von dessen Türmen ihr tolle Ausblicke auf die Kleinstadt und das Umland habt!
Ebenfalls zu den Kleinstädten und Dörfern, die über ein besonderes architektonisches Kulturerbe inmitten schöner Landschaften verfügen, gehören Mallièvre und Mouchamps.
Beide liegen in der Knicklandschaft der bocage. Und auch Vouvant, Faymoreau, Foussais-Payré und Nieul-sur-l’Autise im Süden der Vendée gehören zu den cités de caractère dort.
Die Burg von Apremont
Apremont findet ihr rund 20 Kilometer von der Küste entfernt. Aus dem zerklüfteten Relief, den die Vie durchfließt, ragen schon von weitem die beiden Türme des Renaissance-Schlosses im Ortszentrum auf. Auch das Schloss war Drehort einiger Szenen von Les Vieux de la Vieille.
Das Château d’Apremont gehört zu den ältesten Wehrbauten der Vendée. Seine Rundtürme mit ihren meterdicken Mauern verraten noch das mittelalterliche Militärerbe.
Ein Unikum ist der Fries, der die Außenwände des Schlosses schmückt. Er zeigt Anker! Denn der Erbauer des Schlosses war ein Admiral – und ist doch nie zur See gefahren.
1733 beschloss der letzte Schlossherr, die Residenz abzureißen. Die Steine verkaufte er. Einige kamen beim Bau der ehemaligen Pirmil-Brücke in Nantes zum Einsatz.
So ist das Schloss heute eine Ruine. Doch erhalten sind neben der Kapelle und einer Rampe die beiden Rundtürme. Von oben hat ihr eine herrliche Aussicht!
Apremont: die Reise-Infos
Schlemmen
Les Vieux de la Vieille
Riesige Pizzen, Muscheln in vielen Angeboten, im Sommer mit Terrasse: das filmreife Lokal!
• 1, place du Calvaire, 85220 Apremont, Tel. 02 28 10 21 72, www.facebook.com
Le Cabanon
Das einzige Restaurant direkt am See von Apremont ist vom Ambiente her modern, von der Karte her gutbürgerlich – ihr findet dort Fisch- und Fleischgerichte ebenso wie Burger, Pizza und ein gutes wie günstiges Dreigängemenü.
• am Seeufer, 85220 Apremont, Tel. 02 51 55 72 13, https://restaurant-le-cabanon.fr
Erleben
Zu gleich drei Schlössern führt der Circuit des trois châteaux.
Mouchamps
In Mouchamps, einer petite cité de caractère, liegt einer der bis heute beliebtesten Politiker Frankreichs begraben: Georges Clemenceau.
Der Premierminister Frankreichs im Ersten Weltkrieg wurde nur wenige Kilometer von Mouchamps entfernt geboren. 1841 erblickte er in Mouilleron-en-Pareds das Licht der Welt.
Clemenceau verbrachte einen Großteil seiner Kindheit in der Vendée und entwickelte eine tiefe Liebe zu den Naturschönheiten und den Menschen dieser Region. Er besuchte oft Mouchamps und andere nahe gelegene Orte und blieb zeitlebens der Region verbunden.
Als Politiker setzte er sich entschieden für die Belange der Vendée bei der Regierung ein. So war er maßgeblich daran beteiligt, Finanzmittel für die wirtschaftliche Entwicklung der Vendée zu sichern und das kulturelle Erbe der Region zu fördern.
Der Tiger
Le Tigre nannten ihn die Franzosen wegen seiner wilden und kompromisslosen Persönlichkeit, insbesondere während seiner Zeit als Premierminister Frankreichs im Ersten Weltkrieg. Clemenceau war damals entschlossen, den Krieg um jeden Preis zu gewinnen. Er scheute sich nicht, kühne und aggressive Maßnahmen zu ergreifen und war bereit, schwierige Entscheidungen zu treffen, vor denen andere Staatsoberhäupter vielleicht zurückgeschreckt wären.
Clemenceaus Spitzname Le Tigre war auch eine Anspielung auf sein Äußeres. Er hatte eine markante Nase und einen dicken, buschigen Schnurrbart, was ihm ein etwas katzenhaftes Aussehen verlieh. Mitten in der Natur, die Clemenceau so liebte, ruht er seit 1929 neben seinem Vater Benjamin im Bois du Colombier.
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Im Blog
Die Hauptstadt der Sardine
Ebenfalls an der Vie liegte Saint-Gilles-Croix-de-Vie, Frankreichs Hauptstadt der Sardine.
Im Buch
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
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