Montagne Sainte-Victoire: der Malerberg
Die rund 1000 Meter hohe Montagne Sainte-Victoire erhebt sich mit schroffen weißen Kalkwänden östlich von Aix-en-Provence. In Öl, als Aquarell oder auch nur als schnell hingeworfene Skizze hat Paul Cézanne seinen geliebten Hausberg in immer neuen Variationen festgehalten, wie besessen war er von der Magie des zwölf Kilometer langen Massivs.
1902, mit 63 Jahren, wechselte er zum allerletzten Mal sein Atelier und zog nach Les Lauves, um seinem Lieblingsmotiv noch näher zu sein. Bis zu seinem Tod 1906 arbeitete der Maler in diesem Atelier der Stille und des Lichts. Die berühmtesten Bilder vom schroffen Kalkriegel der Montagne Sainte-Victoire malte Cézanne vom Chemin de la Marguerite auf der Colline des Lauves, zu der er seine 20 kg schweren Malutensilien schleppte.
Morgens hinauf, mittags hinauf, und mitunter nachmittags erneut hinauf und hinab – angesichts seines Alters, seiner Zuckerkrankheit eine beachtliche Leistung. Für Kunstfans hat Aix-en-Provence dort mit Blick auf den markanten Gipfel das Terrain des Peintres gestaltet und neun Reproduktionen der schönsten Bilder der Montagne Sainte-Victoire aufgestellt.
Die Lehre der Montagne Sainte-Victoire
Gleich zweimal wandelte Peter Handke 1979 auf den Spuren des Malers am Berg, erwanderte und umrundete ihn – und erkannte in der Auseinandersetzung mit dem „Menschheitslehrer der Jetztzeit“ (Handke über Cézanne) seine eigene Poetik.
Seine Erkenntnis und Wandlung hielt er in einer dünnen Erzählung fest, die Suhrkamp 1980 verlegte: Die Lehre der Sainte-Victoire*. Gunter Schäble, Literatur-Redakteur beim Baden-Badener Südwestfunk, rezensierte das schmale Werk im Erscheinungsjahr für den Spiegel. Und bemerkt, dass er nicht einmal …
….genau wiedergeben könnte, was drin steht. Auch verstehe ich den Titel nicht und meine immer, das Buch müßte „Wie mir die Lehre der Sainte-Victoire zuteil wurde und ich den Ruf vernahm, sie zu predigen“ heißen oder „Wie ich wieder einmal ein völlig anderes Buch schrieb als alle meine Kollegen“ oder „Wie bei mir Weitgereistheit, umfassende Reflektiertheit, Dichtertum, Erdverbundenheit und Demut eine überaus komplizierte und doch schlichte Verbindung eingingen“.
Hoch hinauf wie Handke
Ohne größere Kletterei führt vom Parkplatz an der D 17 bei Pont de l’Anchois, wo auch der Stadtbus hält, ein alter Steig (12 km) hinauf zum 19 Meter hohen Kreuz auf der Kante des Kalkriegels. Auf einem Feldweg geht es vorbei an der Schutzhütte Refuge Cézanne hin zur Felsrinne Pas du Moine.
Haltet euch beim Durchqueren der wilden Felslandschaft an den Steinen fest! Danach folgt der Weg der Kammlinie zum Prieuré, das die Mühen des Aufstiegs mit einer grandiosen Aussicht von der Terrasse der Kapelle Notre-Dame-de-Victoire belohnt. Der letzte steile Aufstieg – und ihr steht oben auf dem Kreuz der Provence auf dem Gipfel der Montagne Sainte-Victoire, die Alpen im Blick, das Umland von Aix-en-Provence zu Füßen.
Wer noch Kondition hat, wählt den längeren Abstieg über den Westkamm der Costes Chaudes zurück zum Ausgangspunkt. Packt ein Picknick ein und genießt die Aussicht über die Stadt, die Kuppen des Luberon im Norden, die Weingärten und Olivenhaine!
Das Schloss von Picasso
Im September 1958 wählte Pablo Picasso an der Nordflanke seinen Altersruhesitz, ganz in der Nähe seines Idols. „Ich wohne bei Cézanne“, soll der Katalane einmal schelmisch gesagt haben. Doch das raue winterliche Klima, die Feuchte des alten Gemäuers und seine wachsenden Beschwerden lassen den Maler, der 1961 in aller Zurückgezogenheit Jacqueline Roque geheiratet hatte, zurück an die Côte d’Azur flüchten.
Am 8. April 1973 stirbt er dort an den Folgen einer nicht auskurierten Grippe. Seine Gebeine werden zwei Tage später im Garten von Vauvenargues beigesetzt. Eine große Skulptur markiert sein Grab. 13 Jahre lang pilgert Jacqueline dorthin. Unfähig, die Trauer über den Verlust ihres geliebten Mannes zu überwinden, erschießt sie sich dort am 15. Oktober 1986.
2009 öffnete Picassos Stieftochter Catherine Hutin erstmals die Tore des Anwesens für Besucher. Doch das Dorf reagierte mit Druck – und forderte aus Angst vor Massentourismus die Begrenzung der Besucherzahlen. Von Mai bis September durften nur einige Dutzend Gäste jedes Jahr das Gelände besichtigen. Damit ist seit 2014 Schluss. Doch das Mysterium lockt Picasso-Fans noch immer nach Vauvenargues.
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Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire*
2007 erklärte sich Peter Handke mit den Worten: „Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muss durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.“
Eine solche Häutung hat Handke, der nicht nur als Autor und Essayist, sondern auch Lyriker, Drehbuchautor und Regisseur Weltruf erlangte, beim Wandern am Malerberg der Provence erlebt. Und seine Gedanken, Erkenntnisse und Reflexionen in diesem schmalen Bändchen festgehalten. Wer mag, kann das Buch hier* online bestellen.
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Places Frankreich*
Eiffelturm, Lavendelfelder und die Schlösser der Loire sind weltbekannte Ziele in Frankreich. 60 wunderschöne Orte abseits des Trubels stellen Klaus Simon und ich in unserem dritten Gemeinschaftswerk vor.
Die Schluchten von Galamus, die Gärten von Marqueyssac, Saint-Guilhelm-le-Désert, Mers-les-Bains, den Bugey oder die Île d’Yeu: Entdeckt unsere lieux insolites voller Frankreich-Flair! Wer mag, kann den Band hier* online bestellen.
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Danke für den informativen Beitrag 🙂
Ich muss auch mal nach Aix-en-Provence reisen und mir das Atelier von Cézanne anschauen. Wisst ihr, ob man das Atelier überhaupt gegen eine Gebühr betreten darf?
Hallo Rhea, das Atelier kannst Du besichtigen! Im Hochsommer kann es recht voll sein, September und Mai sind da schöner für einen Besuch. Mehr zu Atelier findest Du hier: https://meinfrankreich.com/cezanne, mehr zu Aix-en-Provence hier: https://meinfrankreich.com/aix, mehr zu einer Spurensuche von Cézanne und van Gogh hier: https://meinfrankreich.com/cezanne-van-goghh.
Viele Grüße! Hilke