Im Lauf der Sonne spiegeln sich die Wörter auf den Fassaden im Foyer der Cité Internationale de la Langue Française. Foto: Hilke Maunder
|

Die Cité Internationale de la Langue Française: Sprach-Reich!

Mit der Cité Internationale de la Langue Française in Villers-Cotterêts hat sich Frankreich eine prachtvolle wie erlebsreiche Heimstatt für die französische Sprache und die Frankophonie geschenkt.

Eine Unterschrift beendete die Vielfalt: 1539 wurde auf dem Schloss von Villers-Cotterêts ein Dekret unterzeichnet, das Französisch zur offiziellen Sprache des Königreichs Frankreich machte. Alle Gerichtsakten, Urkunden und andere offizielle Dokumente müssen seitdem in französischer Sprache abgefasst werden. Okzitanisch, Provenzalisch, Bretonisch und all die anderen Sprachen und Dialekten, die im heutigen Frankreich damals gesprochen wurden, wurden durch die Ordonnance de Villers-Cotterêts ab August 1539 verboten.

Frankreichs Sprachen. Foto: Hilke Maunder
Frankreichs Sprachen, ausgestellt auf einer Infowand in der Cité Internationale de la Langue Française. Foto: Hilke Maunder

Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts wurde die Verordnung von Villers-Cotterêts immer strenger durchgesetzt. Drei Jahrhunderte später war Französisch schließlich zur dominanten Sprache in Frankreich. „Le Français s’est libéré de la France et devenue une langue universelle„, sagt heute Paul Rondin, Leiter der Cité Internationale de la Langue Française im Château de Villers-Cotterêts. „Das Französische hat sich von Frankreich befreit und ist eine Weltsprache“.

Man lebt nicht in einem Land, sondern in ener Sprache, zeigt diese Wand mit Französischsprechenden aus aller Welt. Foto: Hilke Maunder
Man lebt nicht in einem Land, sondern in einer Sprache, zeigt diese Wand mit Französischsprechenden aus aller Welt. Foto: Hilke Maunder

Davon zeugt die Cité Internationale de la Langue Française, die Internationale Stadt der französischen Sprache, im Schloss von Villers-Cotterêts. Am 30. Oktober 2023 eröffnete Staatspräsident Emmanuel Macron sie als lebendiges Zentrum der Frankophonie in all ihren Facetten.

Der Eingang zur Cité internationale de la Langue Française. Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zur Cité internationale de la Langue Française von Villers-Cotterêts. Foto: Hilke Maunder

La Cité Internationale de la Langue Française:
Das erwartet euch

In der 1.200 Quadratmeter großen Dauerausstellung der Cité Internationale de la Langue Française könnt ihr die Geschichte des Schlosses hautnah nacherleben und die französische Sprache, ihre Entwicklungen, ihre Interaktionen mit anderen Sprachen und ihre Beziehung zum Staat entdecken.

Was vielleicht langweilig klingt, inszeniert die Cité Internationale de la Langue Française als spannenden interaktiven Parcours. Spielerisch und lehrreich zugleich blättert er die Themen auf – und überrascht in jedem neuen Saal mit innovativen Inszenierungen und interaktiven Exponaten.

Ein digiclip übersetzt sämtliche Texte per Near Field Communication (NFC) automatisch in die gewünschte Sprache, falls sie nicht in den gedruckten Erklärungen an den Exponaten oder Wänden zu finden sind. Dort könnt ihr sie dreisprachig lesen – auch auf Deutsch!

In einem interaktiven Quiz könnt ihr in derCité Internationale de la Langue Française euren Wunschtitel unter den Neuerscheinungen finden oder mit wenigen Cursor-Klicks herausfinden, wie viel Arabisch oder Deutsch im Französischen steckt.

Zauberchip dank NFC: Mit dem Digicode erhalten auch Filme automatisch eine Übersetzung im Untertitel. Foto: Hilke Maunder
Zauberchip: Mit dem Digicode erhalten auch Filme in der Cité Internationale de la Langue Française dank der kontaktlosen Near Field Communication (NFC) automatisch eine Übersetzung im Untertitel. Foto: Hilke Maunder

Wer sich fit fühlt im Französischen, kann im virtuellen Diktat auf drei Niveaus seine Sprachkenntnisse überprüfen. Und feststellen: Trotz aller Regeln kennt das Französische auch Ausnahmen – und Ausnahmen von den Ausnahmen …

Ausstellungen, Shows, Filme und Debatten vermitteln im Kulturprogramm den Reichtum und die Vielfalt der Kreationen aus der französischsprachigen Welt.

Weltreise auf den Spuren des Französischen, Foto: Hilke Maunder
Weltreise auf den Spuren des Französischen in einem Saal der Cité Internationale de la Langue Française. Foto: Hilke Maunder

Wer vor Ort arbeiten und schreiben möchte, kann sich um eine der zwölf Residenzen für Künstler, Schriftsteller, Forscher und Unternehmer bewerben.

Als Bildungsstätte veranstaltet die Cité Internationale de la Langue Française auch Französischkurse für Anfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene. Als Innovationszentrum fungiert das lebendige Zentrum der Frankophonie auch als ein Labor für neue Sprachtechnologien.

Das Jagdschloss von Villers-Cotterêts

Der Innenhof des Schlosses von Villers-Cotterêts. Foto: Hilke Maunder
Der Innenhof des Schlosses von Villers-Cotterêts. Foto: Hilke Maunder

Die Cité Internationale de la Langue Française residiert in einem imposanten freiflügeligen Schloss in Hufeisenform inmitten einer 23.000 Quadratmeter großen Domäne, deren formeller französischer Schlosspark in den Wald von Retz übergeht. In derForêt de Retz, die Villers-Cotterêts als Halbmond umgibt, jagte bereits Dagobert I. im Jahr 632 und ließ dazu ein erstes einfaches Jagdschloss errichten.

Die große Geschichte des Schlosses von Villers-Cotterêts begann mit Franz I., der im zarten Alter von drei Jahren das Herzogtum Valois und das Schloss von seinem Cousin König Ludwig XII. erhielt. Auch Franz I. jagte leidenschaftlich gerne.

Mitten in der Forêt de Retz ließ er das damals größte Jagdschloss Frankreichs errichten. Als Zeichen der royalen Macht findet ihr allerorten im Schloss in den Decken- und Wandreliefs Embleme von König Franz I. – den Salamander, die Lilie und gekrönte Initialen.

Voller Symbole: die Decke des Schlosses von Villers-Cotterêts. Foto: Hilke Maunder
Voller Symbole: die Decke des Schlosses von Villers-Cotterêts. Foto: Hilke Maunder

Villers-Cotterêts, damals nur ein bescheidenes Dorf, bildete das geografische Herz des Herzogtums Valois – und damit aus jener Dynastie, aus der Franz I. stammte. Auch spätere Monarchen jagten dort ausgiebig. Von Heinrich II. wird berichtet, er habe dort sieben oder acht Stunden lang Hirsche gejagt.

Die Französische Revolution beendete die prunkvollen Jagden, Feste und Gelage. Das Schloss von Villers-Cotterêts wurde Staatseigentum, kurzfristig Kaserne für die republikanische Armee und 1808 ein Armenhaus. Um die bis zu 1.800 Bedürftigen unterzubringen, wich das prachtvolle Dekor einem funktionellen Umbau für Refektorium, Krankenstation und Schlafsäle.

Armenhaus und Altenheim

Die Schlosskapelle. Foto: Hilke Maunder
Die Schlosskapelle von Villers-Cotterêts. Foto: Hilke Maunder

Die Männer erhielten ihren Schlafsaal im ehemaligen Louis-Philippe-Theater, die Frauen in der ehemaligen königlichen Kapelle. Um große Räume für die bessere Überwachung zu schaffen, wurden zahlreiche Wände abgerissen und Gitter an den Fenstern angebracht, die Fluchtversuche verhindern sollten. Von 1889 bis 2014 diente das Schloss als Altersheim. Über dem Portal der Cité Internationale de la Langue Française verkündet dies bis heute ein Schriftzug.

Wie durch ein Wunder blieb das Schloss, obgleich es nahe der Front lag, im Ersten Weltkrieg nahezu unbeschädigt. Nur ein paar zerbrochene Fensterscheiben, mehrere fehlende Glühbirnen, ein herausgerissenes Oberlicht im zweiten Stock und eine zerstörte Decke im Flur vor der Kapelle führt das Kriegsschadensdokument auf. Ähnlich glücklich überlebte das Schloss den Zweiten Weltkrieg.

2017 begann die Sanierung des Schlosses als Cité Internationale de la Langue Française. 185 Millionen Euro investierte der französische Staat in das Vorzeigeprojet der Frankophonie. 55 Millionen Euro kamen vom Kulturministerium, 30 Milliionen Euro kamen aus dem Zukunftsprogramm, 100 Millionen Euro aus dem Sanierungsplan 2021-2022. Auch die Region Hauts-de-France und das Département Aisne finanzierten das Vorhaben.

Der Innenhof des Schlosses von Villers-Cotterêts. Foto: Hilke Maunder
Der Innenhof des Schlosses von Villers-Cotterêts. Foto: Hilke Maunder

Leuchtturmprojekt für Sprache und Wirtschaft

Ihr gemeinsames Ziel weist weit über das Leuchtturmsprojekt zur französischen Sprache hinaus. Wer vom Parkplatz zur Cité Internationale de la Langue Française spaziert, sieht auf den ersten Blick: Villers-Cotterêts hat mit einigen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Die Arbeitslosenquote liegt über dem nationalen Durchschnitt. Zahlreiche junge Menschen wandern ab, um in größeren Städten Lohn und Brot oder eine Ausbildung zu finden. Wer arbeitet, schraubt vor Ort bei Volkswagen Transporter und Elektrofahrzeuge zusammen oder pendelt zum Flughafen Roissy-Paris Charles de Gaulle, dem größten Arbeitgeber der Region.

Zahlreiche Pleiten, Wegzüge und Liquidationen haben die Wirtschaft seit der Jahrtausendwende gebeutelt. 2013 löste sich die Obstbau-Kooperative Les fruits du Valois auf. 2022 schloss mit der 1951 gegründeten Sciérie Pigoni das letzte Sägewerk von Villers-Cotterêts. 2023 wurden elf klein- und mittelständische Unternehmen liquidiert.

Das durchschnittliche Einkommen in Villers-Cotterêts liegt deutlich unter dem nationalen Durchschnitt. 2023 betrug es laut dem nationalen Statistikamt INSEE gerademal 20.000 Euro pro Jahr. Dies ist deutlich niedriger als der nationale Durchschnitt von 35.000 Euro pro Jahr.

Die Sanierung des Schlosses und Eröffnung als Cité Internationale de la Langue Française besitzt daher eine Signalwirkung für Stadt und Umland. Bereits in den ersten beiden Monaten nach der offiziellen Eröffnung zählte die Cité Internationale de la Langue Française mehr als 53.000 Besucher, nach vier Monaten schon 80.000 Gäste, die das Reich der Sprache erlebten. Ungebrochen klettern die Zahlen weiter nach oben –  auch, weil es ein attraktives Kombiangebot bei der Anreise mit der Bahn gibt: Ticket und TER zum Vorzugspreis. Auch der Bus vom nahen Bahnhof ist mit dabei, wie auch die kostenlose Fahrradmitnahme im Lokalzug der SNCF.

Das Spiel der Worte auf der Fassade. Foto: Hilke Maunder
Das Spiel der Worte auf der Fassade der Cité Internationale de la Langue Française. Foto: Hilke Maunder

Villers-Cotterêts: meine Reisetipps

Hinkommen

Adresse

Cité internationale de la langue française – Château de Villers-Cotterêts
• 1, place Aristide Briand, 02600 Villers-Cotterêts, Tel. 03 64 92 43 43, www.cite-langue-francaise.fr

Bahn

Gare de Villers-Cotterêts: Bahnhof an der TER-Lokalzuglinie Paris – Crépy-en-Valois; 1 km zu Fuß

Schlemmen und genießen

Chez Alexandre

Drinnen und draußen könnt dienstags bis sonntags ihr eine kleine Genusspause im Café Alexandre der Cité einlegen. Auf der Karte stehen mittags lokale Klassiker wie Ficelles, gefüllte Pfannkuchen der Picardie.
• 1, place Aristide Briand, 02600 Villers-Cotterêts, https://chezalexandrecafe.com

La Tulipe

Salate, Pizza, Burger und köstliche Desserts im Herzen von Villers-Cotterêts, zum Genießen vor Ort in der gepflegten Bar-Brasserie oder zum Mitnehmen.
• 16, rue du Général Mangin, 02600 Villers-Cotterêts, Tel. 03 23 54 83 54, www.restaurant-la-tulipe.com

Nicht verpassen

Musée Alexandre Dumas

1802 wurde Alexandre Dumas (1802-1870) in Villers-Cotterêts geboren. Das Museum zeigt. Manuskripte, Briefe, Gemälde, Möbel und andere persönliche Gegenstände von Alexandre Dumas und seiner Familie. Ausgestellt sind auch einige Erstausgaben von Dumas‘ Werken, darunter „Die drei Musketiere“, „Der Graf von Monte Christo“ und „Die Kameliendame“.
• 24, rue Demoustier, 02600 Villers-Cotterêts, Tel. 03 23 96 23 30, www.webmuseo.com

In der Nähe

Über La Ferté-Milon, dem Geburtsort von Jean Racine im Süden des nordfranzösischen Département Aisne, thront eine wahrhaft gigantische Burgruine hoch über der Ourcq. Ein Meuchelmord beendete das Megaprojekt. Erfahrt hier mehr!

Hier könnt ihr schlafen*

 

Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld. Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu. Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert. Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterlesen

Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Aisne vereint diese Kategorie.

Im Buch

Georg Renöckl, 111 Orte in NordfrankreichGeorg Renöckel, 111 Orte, die man in Nordfrankreich gesehen haben muss*

Wisst ihr, wo Banksy an Nordfrankreichs Küste seine stencils hinterlassen hat? Wo ihr am besten salicornes sammeln könnt? Oder wo bis heute die Zeitung im Bleisatz gesetzt wird? Georg Renöckel kennt die ungewöhnlichsten, überraschendsten und außergewöhnlichsten Orte im Norden von Frankreich. 111 davon hat der Wiener Journalist (Jg. 1976), der u.a. in Paris studiert hat, für seinen Reiseführer 111 Orte, die man in Nordfrankreich gesehen haben muss* ausgesucht. Auch für Insider und gute Kenner der Region hält er noch so manche Entdeckung bereit. Wer ausgiebig darin stöbert, erfährt auch, warum ein Zwerg die einst mächtigste Ritterburg der Welt zerstörte. Auf der Suche nach historischen, kulturellen und legendären Orten hat Georg Renöckl nicht nur die Picardie, das französische Flandern, den Hennegau und den Artois besucht, sondern auch die Île-de-France. Heraus kam ein lesenswerter Band, der Lust macht auf Entdeckungen abseits eingetretener Pfade. Wer mag, kann den Reiseführer hier*online bestellen.

* Mit dem Kauf über einen Partner-Link, den dieses Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert