Das Fassadenmosaik des Fernand-Léger-Nationalmuseums. Foto: Hilke Maunder
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Fernand Léger: Kubismus trifft Pop-Art

Das Licht, die intensiven Farben des Südens und das ungleich mildere Klima am Mittelmeer und haben schon früh die Künstler an die Côte d’Azur gelockt, und auch Fernand Léger gehört zu all denjenigen, die sich ihrem Charme nicht entziehen konnten.

Fernand Léger kam nur wenige Monate vor seinem Tod nach Biot. Am Fuß des Hügels, auf dem der alte bourg thront, erwarb er 1955 ein Landhaus namens Mas Saint André. Am 17. August 1955 verstarb er im Alter von 74 Jahren in Gif-sur-Yvette an den Folgen eines Herzinfarkts. Léger litt seit Jahren an einer Herzerkrankung. Auf dem Friedhof von Biot fand er seine letzte Ruhestätte. Sein Grab schmückt eine Skulptur, die er selbst geschaffen hat.

Ein Pilotprojekt an der Côte d’Azur

Nach seinem Tod beschlossen seine Witwe Nadia Léger und Georges Bauquier, einer seiner engsten Mitarbeiter, auf dem Anwesen zu Ehren von Léger ein Museum zu errichten. Den Auftrag erhielt 1956 der Architekt Paul Nelson. 1957 übernahm André Svétchine die Bauleitung.

Die Architektur des Museums spiegelt mit ihrem modernen Minimalismus die Klarheit und Präzision von Légers Kunst wider. Die Fassade des Museums schmückt ein riesiges Mosaik, das Léger ursprünglich für das Stadion in Hannover vorgesehen hatte, jedoch nie realisiert wurde.

Ein Werk der kubistischen Phase von Fernand Léger. Foto: Hilke Maunder
Ein Werk der kubistischen Phase von Fernand Léger. Foto: Hilke Maunder

Den Park entwarf der Landschaftsarchitekt Henri Fisch als Bühne für den Bau mit großer Rasenfläche, die das Museum und sein Mosaik wirken lässt.

Am 13. Mai 1960 wurde das Fernand-Léger-Museum in Biot eingeweiht. Mehr als fünftausend Gäste strömten zur Eröffnung des ersten monografischen Museums der Region. Mit dabei waren auch Picasso, Braque und Chagall. Um sie herum versammelte sich alles, was damals Rang und Namen hatte in Politik, Wirtschaft, Kunst und Gesellschaft.

Das Fernand-Léger-Museum war ein Leuchtturmprojekt seiner Zeit mit enormer Signalwirkung. Es revolutionierte den Kulturbetrieb seiner Zeit und sorgte dafür, dass in der Nähe kurz darauf weitere Museen für zeitgenössische Kunst entstanden. Am 28. Juli 1964 eröffnete in Saint-Paul-de-Vence die Maeght-Stiftung mit Kunst von Joan Miró, Marc Chagall, Alberto Giacometti und Georges Braque in einem wunderschönen Park mit mediterraner Vegetation. 1969 folgte in Nizza die Eröffnung des Nationalmuseums Marc Chagall.

Kunst und Mode verschmelzen in der Ausstellung des Musée national Fernand Léger. Foto: Hilke Maunder
Kunst und Mode verschmelzen in der Ausstellung des Musée national Fernand Léger. Foto: Hilke Maunder

Fernand Léger und Marc Chagall hatten sich in den 1920er-Jahren in Paris kennengelernt. Sie hatten unterschiedliche künstlerische Stile, aber sie schätzten die Arbeit des anderen. Léger war von Chagalls poetischen und fantasievollen Werken beeindruckt, während Chagall Légers puristische und abstrakte Ästhetik schätzte. In ihren Briefen bringen sie ihre gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck.

1969 schenkten die beiden Gründer das Gebäude, das Grundstück und eine Sammlung von über dreihundert Werken dem französischen Staat. André Malraux, damals Staatsminister für kulturelle Angelegenheiten, dankte ihnen, indem er die Stätte zum Nationalmuseum erhob und die Schenkenden zu Direktoren auf Lebenszeit.

Geometrische Formen und klare Farben: Mode von Fernand Léger. Foto: Hilke Maunder
Geometrische Formen und klare Farben: Mode von Fernand Léger. Foto: Hilke Maunder

1987 wurde das Léger-Museum erweitert. Der neue Flügel nach Plänen von Bernard Schoebel verdoppelte die Ausstellungsfläche. An der Ost- und Westfassade des Neubaus ließ Georges Bauquier bei Heidi Melano monumentale Mosaike auf der Grundlage von Légers Projekten für die Mailänder Triennale (1951) und für die Dekoration der Universität von Caracas (1954) anfertigen. 2004 folgte eine Renovierung, die eine zeitgemäßere Präsentation der ständigen Sammlung ermöglichte.

Heute bilden Museum und Park ein Gesamtkunstwerk, das Fernand Légers Leben und Werk lebendig werden lässt, ohne durch Größe und Fülle zu erschlagen. Der Parcours der Dauerausstellung ist chronologisch angeordnet und stellt die wichtigsten Perioden in der künstlerischen Entwicklung vor.

Kontraste im Léger-Museum. Foto: Hilke Maunder
Kontraste im Léger-Museum. Foto: Hilke Maunder

Rhythmus, Farbe, Lebensfreude

Fernand Léger war der Sohn eines normannischen Viehzüchters, und nichts schien anfangs darauf hinzudeuten, dass er eine Leitfigur der Pariser Avantgarde werden sollte. Léger begann seine Ausbildung bei einem Architekten in Caen. Dort fiel auf, dass der Jugendliche gut zeichnen konnte.

Mit 19 Jahren ging Fernand Léger im Jahr 1900 nach Paris und nahm kostenlosen Unterricht an der École des Beaux-Arts beim Maler Jean-Léon Gérôme. 1907 besuchte Léger eine Retrospektive des Werks von Paul Cézanne, die ihn stark beeinflusste.

Auch im Treppenhaus des Nationalmuseums könnt ihr Kunst von Fernand Leger entdecken. Foto: Hilke Maunder
Auch im Treppenhaus des Nationalmuseums könnt ihr Kunst von Fernand Léger entdecken. Foto: Hilke Maunder

Léger zog es nun in den künstlerischen Trubel von Montparnasse, wo der Bildhauer Alfred Boucher im Jahr 1902 La Ruche als Künstlerkolonie des 15. Arrondissement etabliert hatte – und Gegenstück zum Bateau Lavoir von Montmartre.

Dort freundete sich Léger mit Robert Delaunay, Marc Chagall und Blaise Cendrars an, setzte sich mit dem Kubismus auseinander und fand schnell seinen Stil: dynamisch wirkende Gemälde, die auf Kontrasten von Formen und Farben basierten.

Glaskunst trifft Mode im Léger-Museum. Foto: Hilke Maunder
Glaskunst trifft Mode im Léger-Museum. Foto: Hilke Maunder

Die Großstadt, ihre Menschen und ihre Maschinen faszinierten Léger, der nach Ende des Ersten Weltkriegs einen neuen Realismus propagierte und eine industrielle Zivilisation auf die Leinwand setzt: entsinnlicht, geometrisch, standardisiert wie ein Objekt. Fasziniert war Léger auch vom Kino – und schuf gemeinsam mit Man Ray und Dudley Murphy mit Le Ballet mécanique (1924) den „ersten Film ohne Drehbuch“.

Die Glasfenster von Léger: welch ein Rausch der Farbe! Foto: Hilke Maunder
Die Glasfenster von Léger: welch ein Rausch der Farbe! Foto: Hilke Maunder

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, floh Léger nach New York und erlebt in den USA eine besonders kreative Periode. Aus der Begegnung mit der amerikanischen Kultur entstanden Werke wie „Die vier Radfahrer“. Von Fernand Léger ist dieses Zitat zu ihnen erhalten.

Schlechter Geschmack, kräftige Farben können hier ihre ganze Kraft entfalten … Hätte ich hier nur geschmackvoll gekleidete Mädchen gesehen, hätte ich meine Radfahrerserie nicht gemalt.

Nach Kriegsende kehrte Léger nach Frankreich zurück, trat 1945 in die Kommunistische Partei ein und arbeitete wieder in seiner Werkstatt in der Rue Notre-Dame-des-Champs im 6. Arrondissement von Paris.

Angetrieben vom Ideal der Kunst für alle, nahm Léger in seiner Spätphase zahlreiche monumentale Projekte an, arbeitete für öffentliche Gebäude wie dem UN-Hauptquartier in New York oder an Kirchen und Kapellen wie der Église Sacré-Cœur von Audincourt.

Das Fernand-Leger-Museum liegt auf halber Strecke zwischen dem alten bourg von Biot auf der Spitze eines Hügels inmitten von Mimosen und Olivenbäumen und dem Bahnhof von Biot am Mittelmeer. Mittags, wenn das Land bei Tisch sitzt, ist es auch zur Hauptsaison ruhig – warum also nicht dann die Bilder anschauen und im Garten zuvor oder danach picknicken?
• 255, chemin du Val de Pôme, 06410 Biot, Tel. 04 93 53 87 20, https://musees-nationaux-alpesmaritimes.fr/fleger

Die Heiliggeistkirche von Audincourt mit ihren Glasfenstern von Fernand Léger. Foto: Hilke Maunder
Die Heiliggeistkirche von Audincourt mit ihren Glasfenstern von Fernand Léger. Foto: Hilke Maunder

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