Rouen: Église Jeanne d'Arc. Foto: Hilke Maunder
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Auf den Spuren von Jeanne d’Arc

Es waren nur vier Monate, in denen Jeanne d’Arc im Jahr 1429 mitten im Hundertjährigen Krieg dem Königreich Frankreich wieder Hoffnung gab und zu einem nationalen Symbol wurde. Zwar dauerte der Krieg gegen die Engländer noch bis 1453, doch Jeanne d’Arc änderte 1429 für kurze Zeit den Blick auf das Geschehen.

Ein Bauernmädchen

Jeanne d’Arc wurde um das Jahr 1412 herum in der zweiten Hälfte des Hundertjährigen Krieges in Domrémy, einem kleinen Dorf an der Maas, in die wohlhabende Bauersfamilie von Isabelle Romée und Jacques Darc (auch Tarc, erst später nobilisiert als d’Arc), geboren. Sie hatte vier Geschwister, konnte kaum lesen und schreiben, soll aber rhetorisch sehr begabt gewesen sein.

Als Jeanne  um die 12, 13 Jahre alt war, begannen ihre Visionen. Zunächst hörte sie nur die Stimme der Heiligen Katharina von Alexandrien. Später gesellten sich die Stimmen von Erzengel Michael und der Heiligen Margareta von Antiochia hinzu. Dieses Trio habe ihr schließlich den Befehl gegeben, Frankreich von den Engländern zu befreien und den Kronprinzen Karl zum Thron zu führen, so die Quellen zu Jeanne d’Arc.

Die Erscheinungen wiederholten sich. Ende Dezember 1428 verließ Jeanne ihr Elternhaus und gehorchte ihren Visionen. Ihr Ziel war die die Festung Vaucouleurs an der Maas. Dort versuchte sie, beim Stadtkommandanten Robert de Baudricourt vorzusprechen. Beim dritten Versuch bekam sie eine Audienz – und schaffte es, Baudricourt zu überzeugen und zum Weggefährten zu machen.

Baudricourt kündigte in einem Empfehlungsschreiben ihren Empfang am französischen Hof an und gab ihr Jean de Metz und Bertrand de Poulengey als Begleiter mit, die Jeanne für die Reise als Mann verkleideten. Am 22. Februar 1429 begann das Trio die Reise zum Dauphin Karl, der in seiner Festung Chinon hoch über dem Tal der Vienne allein gegen alle zu sein schien. Nach elftägigem Ritt durch Feindesland kam Jeanne mit ihrer Eskorte dort am 5. März 1429 an.

Chinon

Loiretal der Schlösser: die Burg von Chinon. Foto: Hilke Maunder
Der Blick von der Burg von Chinon auf die Vienne. Foto: Hilke Maunder

In Chinon könnt ihr noch den monumentalen Kamin des Raums sehen, in dem Johanna den Dauphin und späteren König Karl VII. zum ersten Mal traf. Obwohl Karl keine königlichen Attribute trug, habe Jeanne ihn in der Menge erkannt, erzählt die Legende. Die beliebte und bekannte Szene indes hat sich nie so zugetragen. Sie entspringt der Fantasie des Jesuiten Fronton du Duc, der im 17. Jahrhundert ein Theaterstück über Jeanne d’Arc verfasste.

Der feste Glaube und der Mut des 17-jährigen Mädchens beeindruckten Karl, der bei dieser legendären rencontre 26 Jahre alt und nach dem Tod seines Vaters Karl VI. im Jahr 1422 zum dauphin gekrönt worden war.

Poitiers

Eine Bodenplatte erinnert im einstigen Grafenpalast von Poitiers an Jeanne d'Arc. Foto: Hilke Maunder
Eine Bodenplatte erinnert im einstigen Grafenpalast von Poitiers an Jeanne d’Arc. Foto: Hilke Maunder

Ist Jeanne d’Arc glaubwürdig? Dies sollten im März/April 1429 mehrere Befragungen klären, die der Dauphin im Grafenpalast von Poitiers durchführen ließ. Drei Wochen lang stellten Geistliche und hochgestellte Persönlichkeiten die 17-Jährige auf die Probe, und Hofdamen untersuchten Jeanne d’Arc auf ihre Jungfräulichkeit.

Jeanne bestand die Prüfungen mit Bravour, erhielt vom Kronrat eine maßgeschneiderte Rüstung sowie eine kleine militärische Einheit für ihre erste Operation. Wie groß ihre Truppe genau war, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass sie rund 4.000 bis 6.000 Männer befehligte.

Ihre Armee bestand hauptsächlich aus Söldnern, Adligen und lokalen Freiwilligen. Mit dabei war auch Gilles de Rais, der später als Blaubart und pädophiler Kindermörder  des Mittelalters berühmt wurde.

Orléans

Die Jeanne-d'Arc-Kapelle der Kathedrale von Orléans. Foto: Hilke Maunder
Die Jeanne-d’Arc-Kapelle der Kathedrale von Orléans. Foto: Hilke Maunder

Bereits sechs Monate lang hatten die Engländer mit 5.000 Mann Orléans belagert, als Jeanne d’Arc von Karl den Auftrag erhielt, einen Proviantzug in die Loirestadt zu bringen. Am 29. April erreichte ihr Zug die eingeschlossene Stadt. Auf ihrem weißen Pferd, die weiße Standarte in der Hand, soll Jeanne d’Arc damals durch das Stadttor und die Rue de Bourgogne hinaufgeritten sein.

Beflügelt von diesem Erfolg, wagte Jeanne d’Arc mit ihrer Truppe am 7. Mai 1429 einen Ausfall. Dabei wurde sie von einem Pfeil getroffen und fiel vom Pferd. Dass sie dennoch auf dem Schlachtfeld blieb, beeindruckte ihre Soldaten und steigerte ihre Kampfbereitschaft. Einen Tag später mussten sich die Engländer geschlagen geben und zogen von dannen. Seitdem wird der 8. Mai in Orléans als Tag der Befreiung gefeiert – und ehrt dort eine eigene Kapelle in der Kathedrale die Nationalheldin.

Loches

Loiretal der Schlösser: Im Logis Royal bat Jeanne d'Arc Charles VI::, sich in Reims zum König krönen zu lassen. Diese Gedenktafel erinnert daran. Foto: Hilke Maunder
Im Logis Royal von Loches bat Jeanne d’Arc den Dauphin Charles VII, sich in Reims zum König krönen zu lassen. Diese Gedenktafel erinnert daran. Foto: Hilke Maunder

Nach der Befreiung von Orléans reiste Jeanne d’Arc nach Loches. Ihr Ziel: den Dauphin Karl davon zu überzeugen, sich in Reims zum König Frankreichs krönen zu lassen.

Die Befreiung von Orléans markierte einen Wendepunkt im Hundertjährigen Krieg und führte zu weiteren Erfolgen Frankreichs. Am 18. Juni 1429 zerstörte die Schlacht von Patay den Mythos, die englische Armee mit ihren Langbogen-Schützen sei auf freiem Feld unschlagbar. Englands Vorherrschaft in Frankreich begann zu schwächeln. Der Weg nach Reims war frei. Am 16. Juli 1429 marschierten Karl und Jeanne d’Arc dort ein.

Reims

Die Westfassade der Kathedrale von Reims. Foto: Hilke Maunder
Die Westfassade der Kathedrale von Reims. Foto: Hilke Maunder

Am 17. Juli 1429 wurde der Kronprinz in der Kathedrale von Reims als Karl VII. gesalbt. Jeanne d’Arc nahm an der Feier teil – die Siegesfahne fest umschlossen in der Hand. Die Salbung markierte den Höhepunkt ihrer Karriere.  Zum Zeichen der Dankbarkeit befreite der frisch gekürte König Jeannes Vater von sämtlichen Steuern.

Doch das Schicksal von Jeanne wendete sich. Die königlichen Ratgeber unterminierten ihren Einfluss. Und auch der König wandte sich nach dem gescheiteren Vorstoß auf Paris im September 1429 von ihr ab. Karl VII. wollte lieber Frieden schließen, als die Engländer restlos vom Festland zu vertreiben.

Rouen

Rouen: Église Jeanne d'Arc. Foto: Hilke Maunder
Als umgestürztes Schiff erhebt sich die Église Jeanne d’Arc auf dem alten Marktplatz. Foto: Hilke Maunder

Am 23. Mai 1430 wurde Jeanne d’Arc nach der gescheiterten Befreiung von Paris bei Compiègne von Johann von Luxemburg festgenommen und den Burgundern ausgeliefert, die im Hundertjährigen Krieg die Engländer unterstützten. Jeanne d’Arc versuchte zu fliehen, doch vergeblich.

Nach sieben Monaten Gefangenschaft verkaufte sie der Herzog von Burgund, Philipp III., für 10.000 Franken an John of Lancaster, den Herzog von Bedford, der sie für weitere fünf Monate im Kerker des Château de Bouvreuil gefangen hielt, ehe ihr der Prozess gemacht wurde.

Drei Monate lang dauerte das Gerichtsverfahren. 67 Punkte umfasste die Anklage. In zwölf Punkten fanden am 19. Mai 1431 die Kleriker sie im ersten Inquisitionsprozess für schuldig.

Am Morgen des 30. Mai 1431 wurde Jeanne, 19 Jahre jung,  auf dem Marktplatz von Rouen öffentlich als Ketzerin verbrannt. 1979 wurde dort zu Ehren der Jungfrau die Église Jeanne d’Arc erbaut.

Die Asche von Jeanne wurde in die Seine geworfen. So wollten Kirche und Krone verhindern, dass die Ketzerin zur Märtyrerin wurde. Doch schon zu Lebzeiten hielten viele Franzosen ihren Tod für ungerechtfertigt – und sahen Jeanne d’Arc als Bauernopfer einer  politischen Intrige. Heute gilt ihre Hinrichtung als eines der großen Beispiele für Justizmorde in der Geschichte.

Bis heute ranken sich viele Legenden und Rätsel um Jeanne d’Arc. Wie kam es, dass sie zum Kronprinzen vordringen konnte – war sie vielleicht eine Verwandte, als Bastard bei Bauern versteckt? Und war es tatsächlich Jeanne d’Arc, die 1431 auf dem Scheiterhaufen in Rouen bei lebendigem Leibe verbrannt wurde? Oder vielleicht doch eine andere Johanna?

Das Historial Jeanne d’Arc

Rouen: L'Historial de Jeanne d'Arc. Foto: Hilke Maunder
Das Historial Jeanne d’Arc in Rouen. Foto: Hilke Maunder

Antworten versucht seit März 2015 das Historial Jeanne d‘Arc im ehemaligen erzbischöflichen Palast von Rouen zu geben. An dieser Stelle wurde die französische Nationalheldin 1431 zum Tode verurteilt. 1456 fand hier schließlich ihr Rehabilitationsprozess statt.

Auf fünf Etagen erzählt das Historial auf 1.000 Quadratmetern die Geschichte der Jungfrau von Orléans auf anschauliche und sehr moderne Weise. Audioguides auch in deutscher Sprache machen die Ausstellung noch besser verständlich und erlebbar.

Schicksal & Hintergrund

Im ersten Bereich des Museums taucht ihr in das 15. Jahrhundert ein – und erlebt hautnah das Schicksal der jungen Heldin. Ihr werdet Zeuge eines packenden Gerichtsprozesses und erlebt die Geburt eines historischen Heldenepos, das bis heute die Menschen fesselt. Testimonials von Menschen, die Jeanne d’Arc zu ihren Lebzeiten kannten, und modernste Multimedia lassen die Geschichte lebendig werden. Selbst züngelnde Flammen fehlen nicht!

Innerhalb des zweiten Museumsbereichs geht es sachlicher zu. Dort erfahrt ihr mehr über die geschichtlichen und politischen Kontroversen, die seit 1429 um die Heilige kursieren. Wo sich heute das Historial befindet, wurde sie bei einem Schauprozess als Ketzerin verurteilt. 1431 wurde sie bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen in Rouen verbrannt. Auf Drängen der Mutter kam es 1450 nach veränderten politischen Verhältnissen zur Wiederaufnahme des Prozesses. Jeanne d’Arc wurde nachträglich rehabilitiert. Im 20. Jahrhundert folgte die Heiligsprechung der Nationalheldin.

Seit 1945 instrumentalisiert Frankreichs radikale Rechte die Nationalheldin für ihre Politik. Ihr Widerstand gegen die fremden Besatzer machte sie zur Ikone, die besonders Marine Le Pen vom Rassemblement National  gerne verwendet. Ihre Partei begeht jährlich am 1. Mai in Paris einen eigenen, inoffiziellen Gedenktag für die Jungfrau von Orléans.

Provins: Am Eingang verrät eine Steintafel auf der Fassade: 1429 besuchte Jeanne d'Arc das Chorherrenstift, als sie Charles VII. auf dem Rückweg von seiner Krönung zum König von Frankreich in Reims begleitete. Foto: Hilke Maunder
Am Eingang verrät eine Steintafel auf der Fassade: 1429 besuchte Jeanne d’Arc das Chorherrenstift von Provins, als sie Charles VII. auf dem Rückweg von seiner Krönung zum König von Frankreich in Reims begleitete. Foto: Hilke Maunder

Jeanne d’Arc entdecken: die Infos

Les Fêtes Jeanne d’Arc

Seit 1429 feiert Orléans seine Befreiung  vom 29. April bis 8. Mai mit einem Stadtfest, das zivile, militärische und religiöse Traditionen vereint. Seit 2018 gehört es zum immateriellen Kulturerbe Frankreichs.
www.orleans-metropole.fr/fetes-de-jeanne-d-arc

Historial Jeanne d’Arc

• 7, rue Saint-Romain, 76000 Rouen, Tel. 02 35 52 48 00, www.historial-jeannedarc.fr

Jeanne d’Arc im Film

Das Leben der Jungfrau von Orléans hat Maler und Musiker, Literaten und Regisseure inspiriert. Kultstatus haben diese Filme:

La Passion de Jeanne d’Arc | Die Passion der Jungfrau von Orléans (1928)

  • Regisseur: Carl Theodor Dreyer
  • Hauptdarstellerin: Renée Jeanne Falconetti

Joan of Arc | Johanna von Orleans (1948)

  • Regisseur: Victor Fleming
  • Hauptdarstellerin: Ingrid Bergman

Giovanna d’arco al rogo | Johanna auf dem Scheiterhaufen (1954)

  • Regisseur: Roberto Rossellini
  • Hauptdarstellerin: Ingrid Bergmann

Saint-Joan | Die heilige Joanna (1957)

  • Regisseur: Otto Preminger
  • Hauptdarstellerin: Jean Seberg

Der Prozess der Jeanne d’Arc (1962)

  • Regisseur: Robert Bresson
  • Hauptdarstellerin: Florence Delay

La Journée de Jeanne d’Arc | Johanna, die Jungfrau (1994)

  • Regisseur: Jacques Rivette
  • Hauptdarstellerin: Sandrine Bonnaire

The Messenger: The Story of Joan of Arc | Johanna von Orleans“ (1999)

  • Regisseur: Luc Besson
  • Hauptdarstellerin: Milla Jovovich
1874 enthüllte Emmanuel Frémiet seine vergoldene Bronzestatue von Jeanne d'Arc auf der Place des Pyramides in Paris. Foto: Hilke Maunder
1874 enthüllte Emmanuel Frémiet seine vergoldene Bronzestatue von Jeanne d’Arc auf der Place des Pyramides in Paris. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Euren Reiseplan für ein erlebnisreiches Wochenende  in Rouen gibt es hier.

Orléans könnt ihr in diesem Beitrag im Blog kennenlernen.

Im Buch

Glücksorte in der Normandie*

Gluecksorte Normandie

Steile Klippen und weite Sandstrände, bizarre Felslandschaften und verwunschene Wälder, romantische Fachwerkstädtchen und moderne Architektur – die Normandie hat unzählige Glücksorte zu bieten.

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2 Kommentare

  1. Liebe Frau Maunder!
    Zu Ihren schönen und sehr einfühlsamen Reportagen möchte ich Sie beglückwünschen! Sie beschreiben das Wesentliche in liebevoller und sympathischer Art.
    Ich bin Frankreich-Fan seit 60 Jahren, zuerst als Promi-Chauffeur in Nizza und Paris, später mit meiner Frau privat und beruflich in Paris, Cannes, Biarritz, Beaune, Dijon, Vezelay und Voutenay, Auxerre, Avallon, Ile sur Serrain (das Pot d’Etain hat leider zugemacht!), Bordeaux und Arcachon, auf der Ile d’Oléron, im Elsass (Marechal in Colmar! und in Strassburg), Bergerac (Chateau Raully in Monbazilliac) und an vielen weiteren schönen Orten mit sehr vielen liebenswerten und freundlichen Menschen, viel gutem Wein und ausgezeichnetem Essen in vielen kleinen gemütlichen Brasserien, Bistrots, Landgasthäusern und Fermes.
    Ihrem Blog wünsche ich weiterhin viel Erfolg, Ihnen persönlich von Herzen alles Gute und ein glückliches Neues Jahr,
    Ihr Peter v. Windau

    1. Lieber Herr von Window, ganz herzlichen Dank für Ihre lobenden Worte und die Einblicke in Ihr sicherlich sehr spannendes Leben und die vielen Ecken, die Sie in Frankreich sehr gut zu kennen scheinen. Das klingt nach ganz viel Frankreich-Liebe! Ich hoffe, Sie finden hier und da bei mir im Blog noch einige alte Bekannte und neue Winkel für noch mehr Frankreich in den nächsten Jahren. Auch ich wünsche Ihnen alles Gute zum neuen Jahr und zuvor ein wundervoll harmonisches und frievolles Weihnachtsfest! Ihre Hilke Maunder

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