Am Busbahnhof von Cannes erzählen Wandbilder vom Kino. Foto: Hilke Maunder
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Großes Kino: Film-Land Frankreich

Film-Land Frankreich: Das Hexagon inspiriert die Filmemacher. Und dies seit zwei Jahrhunderten. 1895 filmten die Brüder Lumière einen Zug bei der Einfahrt in den Bahnhof von La Ciotat – und machten Südfrankreich zum Vorreiter der Filmgeschichte.

Pagnol, Truffaut, Godard und Vadim und andere legendäre französische Regisseure wählten Städte und Dörfer zu Schauplätzen ihrer Meisterwerke. Schauspieler wie Brigitte Bardot und Jean Dujardin machten dort großes Kino.

Doch nicht nur dort wurde Filmgeschichte geschrieben. Und entstand so manch ein Lieblingsfilm. Voilà eine völlig subjektive, willkürliche und unvollständige Filmreise durchs Land, das Action und Romanze, Historie und Herz auf die Leinwand bringt.

Provence & Côte d’Azur

In den 1920er-Jahren war Nizza Hauptstadt des französischen Kinos. Binnen eines Jahrzehnts entstanden in den Studios de la Victorine rund 200 Filme. Die azurblaue Küste war das Mekka von Schauspielern und Regisseuren, die im Stummfilm und frühem Tonfilm ihr Glück versuchten.

1955 spielte der US-amerikanische Filmstar Grace Kelly an der Seite von Cary Grant in Alfred Hitchcocks Über den Dächern von Nizza*. Während der Dreharbeiten lernte sie Fürst Rainier III. kennen  und lieben.

Sie tauschte das Leinwand-Leben ein gegen den Jet-Set von Monaco und ging ganz und gar in der Rolle als Fürstin, Gattin und Mutter auf. 1982 verstarb sie bei einem tragischen Autounfall auf der Moyenne Corniche.

Glamour am Strand

Ihr Leben wurde eine Legende. Und mit Grace of Monaco* 2014 von Olivier Dahan 2014 mit Nicole Kidman in der Titelrolle an die Fürstin zum Leinwandhit. Die benachbarte Corniche Littorale von Nizza nach Cannes war 1973 Kulisse für die Verfilmung von Frederick Forsyths Der Schakal*.

Eine zweite Ikone der Côte ist Brigitte Bardot. In der Komödie Le Trou Normand* von Jean Boyer gab sie ihr Leinwanddebüt. 18 Jahre jung war sie damals. Und heiratete noch im selben Jahr den Regisseur Roger Vadim.

1956 folgte mit Und immer lockt das Weib* der internationale Durchbruch. Ihr erotischer Spaziergang in Saint-Tropez machte BB und das Hafenstädtchen weltberühmt. Das Time Magazine berichtete:

Brigitte Bardot verströmte eine sorglos-naive Sexualität, die dem französischen Film ein ganz neues Publikum bescherte.

Der Hafen von Saint-Tropez. Foto: Hilke Maunder
Der Hafen von Saint-Tropez. Foto: Hilke Maunder

Mit Der Gendarm von Saint-Tropez* stieg Louis de Funès im Sommer 1964 zu Frankreichs Comic-Star Nummer eins auf. Zumal innerhalb von vier Monaten im gleichen Jahr noch zwei weitere Kassenknüller folgten: Fantomas*, in dem Louis de Funès die zweite Hauptrolle neben Jean Marais innehatte, und Louis, das Schlitzohr* mit Funès als Co-Star von Bourvil.

Eine Ikone der Filmgeschichte der Côte ist auch die Verfilmung von F. Scott Fitzgeralds autobiografischem Roman Zärtlich ist die Nacht* (1962). Er blickt zurück auf die 1920er- und 1930er-Jahre, als Zelda und Scott Fitzgerald im luxuriösen Hôtel du Cap Eden Roc am Cap d’Antibes ihren Hedonismus unbekümmert auslebten.

Drehtermin in Cannes: Ein junges Team filmt an der Croisette. Foto: Hilke Maunder
Drehtermin in Cannes: Ein junges Team filmt an der Croisette. Foto: Hilke Maunder

Nostalgische Landträume

Ganz großes Kino mit viel nostalgischem Frankreich-Flair sind auch die Verfilmungen von Marcel Pagnols Romanen. In seinen Werken lebt die ländliche Provence im Hinterland von Marseille und Aubagne fort. Folgt seinen Spuren hier.

1935 gründete Pagnol in Marseille seine Produktionsfirma mit eigenen Studios. Le Château de ma mère*, La gloire de mon père*, Jean Florette* und Manon des Sources* sind bis heute Klassiker, die jeder Franzose kennt.

Auch im dritten Millennium begeistert die französische Riviera als Film Set. Ridley Scotts ließ sich von Peter Mayles Romanen inspirieren und schildert in Ein gutes Jahr*, wie ein arroganter Londoner Banker den Job in der City und das schnelle Sein in der Metropole aufgibt für ein Leben voller Liebe in der Sonne des Südens.

Abenddämmerung am Strand, Blick gen Westen. Foto: Hilke Maunder
Abenddämmerung am Strand von Nizza, Blick gen Westen. Foto: Hilke Maunder

Internationale Stars

Die Verfilmung von Patrick Süskinds Bestseller Das Parfüm*  glorifizierte Grasse 2006 als Heiligen Gral des Parfüms. Weitere Kassenschlager folgten. Von Mr. Bean macht Ferien* (2007) mit Rowan Atkinson über Vanessa Paradis und Romain Duris in Der Auftragslover (L’Arnacœur, 2010) bis Der Geschmack von Rost und Knochen* (De rouille et d’os, 2012) von Jacques Audiard mit Marion Cotillard  in der Hauptrolle.

2013 drehte Woody Allen im Eden-Roc Hotel von Antibes sowie in Menton, Nizza, Grasse und Vence Szenen von Magic in the Moonlight. Angelina Jolie und Brad Pitt ließen sich für ihren Film By the Sea* 2015 von einer abgelegenen Bucht im Osten von Marseille inspirieren, mitten in den Calanques.

2017 war die Rivieraküste Kulisse für den dritten Teil der Erotik-Trilogie Fifty Shades of Grey – Befreite Lust*. Als Honeymoon-Hotelzimmer von Christian und Ana Grey diente das Musée des Beaux-Arts Museum in Menton. Weitere Drehorte waren Nizza, Saint-Jean-Cap-Ferrat und Roquebrune-Cap-Martin.

Warten auf die Stars: der berühmte rote Teppich von Cannes. Foto: Hilke Maunder
Warten auf die Stars: der berühmte rote Teppich von Cannes. Foto: Hilke Maunder

Okzitanien

Sie war die femme fatale der 1980er-Jahre: Béatrice Dalle. Als Betty, maßlos schön, maßlos sinnlich, maßlos verliebt in Zorg. Und doch einsam. Und so wütend, dass sie ein Haus abfackelt in Gruissan.

Der Film Betty Blue, 37,2 Grad am Morgen* von Jean-Jacques Beineix nach einem Roman von Philippe Dijan ist Kult in Frankreich.

Und führt auch in die Cevennen, hin zum befestigten Städtchen Marjevol im Tal der Colagne. Im Film haben die beiden Protagonisten ein Klaviergeschäft übernommen. Ihr findet den Drehort an der Place Henri Cordesse 4.

Die Hafenstadt Sète bildet die Kulisse von Couscous mit Fisch* (2007). Der preisgekrönte Film von Abdellatif Kechiche erzählt die bewegende Geschichte eines tunesischen Einwanderers, der vom eigenen Restaurant träumt.

Der Hauptkanal von Sète. Foto: Hilke Maunder
Am Hauptkanal von Sète. Foto: Hilke Maunder

Nouvelle-Aquitaine

Aquitanien hat sich als die Kulisse für erfolgreiche Sommer-Ferien-Filme bewährt. So auch 2009. Sommer am Cap Ferret. Wie jedes Jahr hat der gestresste Restaurantbesitzer Max seine Freunde in sein Strandhaus eingeladen. Freunde, von denen er vieles weiß, aber einiges nicht wahrhaben will.

Da ist zum Beispiel der Chiropraktiker Vincent, der vor Kurzem festgestellt hat, dass er in Max verliebt ist. Oder Antoine, der unermüdlich von seiner Ex redet und allen damit ganz schön auf die Nerven geht.

Ferien unter Freunden – doch einer fehlt

Und Eric, der auch mit Mitte 30 noch immer meint, jede ins Bett kriegen zu können. Marie, die hofft, sich hier vor einem hartnäckigen Pariser Verehrer verstecken zu können. Und Max‘ Ehefrau Vero, die sich für alle verantwortlich fühlt, vor allem wenn es um die biodynamisch richtige Ernährung geht.

Nicht zu vergessen die besonders nachts aktiven Marder, die die Stimmung im Haus an den Rand der Explosion bringen. Ein Urlaub unter Freunden mit Gruppendynamik pur. Doch die Fassade, hinter der sich jeder Einzelne zu verstecken sucht, beginnt zu bröckeln, als sie die Realität einholt.

Denn ein Freund fehlt – Ludo. Nach einem schweren Unfall liegt er im Krankenhaus. Die Freunde müssen nun überlegen, wie sie mit dieser außergewöhnlichen Situation umgehen sollen.

Der Lac de Hourtin-Carcans. Foto: Hilke Maunder
Der Lac de Hourtin-Carcans. Foto: Hilke Maunder

Mit viel Witz, Ironie und Charme schildert Regisseur Guillaume Canet in seinem dritten Film Les Petits Mouchoirs* (Kleine wahre Lügen*) das sommerliche, aber keinesfalls konfliktfreie Wiedersehen einer Gruppe von Freunden. Die beeindruckend besetzte, mitreißende Komödie begeisterte mehr als fünf Millionen Zuschauer in Frankreich.

Unter dem Schauspielern mit dabei: Valérie Bonneton (Véronique), die mit der preisgekrönten Fernsehserie Fais pas si, fais pas ça in Frankreich zum Superstar aufstieg. Für ihren Part in Kleine wahre Lügen wurde sie 2011 als beste Nebendarstellerin für den César nominiert.

Sie spielt an der Seite von François Cluzet (Max), dem Vater ihrer beiden Kinder, von dem sie sich nach 13 Jahren Partnerschaft im vergangenen Herbst getrennt hat. Bonneton spielte auch in „Sie sind ein schöner Mann“ mit. Zur hochkarätigen Besetzung des Sommerfilms gehören ferner die Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard (La Vie en Rose, Interception), Jean Dujardin  (39,90) und Benoît Magimel (Die Brautjungfer).

Carcans-Plage. Foto: Hilke Maunder
Der Weg hinab zum Paradies: Carcans-Plage. Foto: Hilke Maunder

Camping!

Echte Urlaubslaune versprüht auch die Sommerkomödie Camping aus dem WM-Jahr 2006. 5,5 Millionen verfolgten begeistert die turbulente Handlung auf dem Campingplatz “Les flots bleus” bei Arcachon. Dort verlaufen die grandes vacances ganz anders als geplant.

Durch einen Computerfehler müssen Stammgast Jacky Pic (Claude Brasseur) und seine Frau auf ihren lieb gewonnenen Stellplatz verzichten. Mit allen Mitteln versucht er, ihn wiederzugewinnen. Doch alle Plätze sind vergeben. Auch der elitäre Pariser Schönheitschirurg Michel Saint Josse (Gérard Lanvin)  findet mit seiner Tochter nicht die gewünschte Unterkunft. Und muss sich das Zeit mit Patrick (Franck Dubosc) teilen.

Es wird geflirtet und gezankt, getrunken und getanzt, das Leben in Höhen und Tiefen erlebt – und immer wieder herzlich gelacht. 2008 folgte Camping 2*, 2015 Camping 3*.

Auvergne-Rhône-Alpes

Auvergne: Unterwegs im Cantal bei Apchon. Foto: Hilke Maunder
Auvergne: Unterwegs im Cantal bei Apchon. Foto: Hilke Maunder

Mit 8,7 Millionen begeisterten Zuschauern war der Musikfilm Les Choristes (Die Kinder des Monsieur Mathieu*) von Christophe Barratier der Kassenknüller des Jahres 2004 in Frankreich.

Die Macht der Musik

Die Franco-Schweizer Co-Produktion greift auf den 1945 gedrehten Films La cage aux rossignols* (Der Nachtigallenkäfig) als Vorlage zurück. Und erzählt vom arbeitslosen Musiker Clément Mathieu (Gérard Jugnot), der als Hilfslehrer in einem Internat für schwer erziehbare Kinder angestellt wird.

Den unfairen, oft brutalen Erziehungsmethoden nach dem Motto „Aktion-Reaktion“ des Direktors Rachin (François Berléand) setzt er Sanftheit und Verständnis entgegen und gewinnt so das Vertrauen der Schüler.

Um Licht in ihr Leben zu bringen, gründet er einen Schulchor, der mit den außergewöhnlichen Stimmen der Kinder die Zuhörer fesselt. Als ein Feuer jedoch große Teile des Internats zerstört, wird Mathieu für schuldig erklärt und muss die Schule verlassen.

Doch am Tor erwartet ihn eine Überraschung. Sie erklärt, warum die Geschichte des Jahres 1949  aus der Retrospektive eines Chorjungen von damals erzählt wird, Pierre Morhange (als Kind: Jean-Baptiste Maunier, als Erwachsener: Jacques Perrin).

Als Kulisse für das Internat Fond de l’étang diente von Mai bis September 2003 das Château de Ravel, eine königliche Festung aus dem 12. Jahrhundert, die sich mit wuchtigen Zinnen und Mauern über dem gleichnamigen Örtchen in der Auvergne erhebt. Die Musikaufnahmen sang der Kinderchor Les Petits Chanteurs de St-Marc aus Lyon ein.

Bauer sucht Frau

Die Berge des Vercors in der Drôme bilden die Kulisse für zwei weitere Kassenknüller. Dort lebt auch Aymé, ein  Bauer. Mit seiner Frau, kratzbürstig und wortkarg wie er, bewirtschaftet er einen Bauernhof in den Bergen. Nach einem kurzen Wortgefecht tötet ein Kurzschluss an Melkmaschine seine Frau, die er schon lange nicht mehr liebt.

Doch statt erlöst zu sein, erkennt er schnell: Er kann den Alltag nicht allein bewältigen – eine neue Frau muss her. Aymé schaltet eine Heiratsvermittlerin ein. Sie empfiehlt ihm eine Frau aus Europas Osten, und schickt Aymé nach Rumänien.

Um sein Ansinnen vor der Verwandtschaft zu vertuschen, erklärt der Bauer, er fahre zu einer Landwirtschaftsmesse nach Hannover. Elena, die er aus Rumänien mitbringt, präsentiert er als Tochter eines entfernt Verwandten, die bei ihm auf dem Hof ein Praktikum mache. Doch zurück in Frankreich, entwickeln sich die Dinge anders, als Aymé erwartet hat – samt überraschendem Happyend.

Mehr als drei Millionen Franzosen begeisterte die Komödie mit Michel Blanc (Aymé) und Medee Marinescu (Elena) in den Hauptrollen, die 2005 in die Kinos kam.

Die Regisseurin Isabelle Mergaut (geb. 1958), zuvor als Schauspielerin erfolgreich, kassierte mit ihrem Erstlingswerk Je vous trouve très beau* (Sie sind ein schöner Mann*) zudem gleich Frankreichs prestigeträchtigsten Filmpreis – den César für den „besten Film“.

Drehorte waren Bukarest, der Flughafen von Valence, in Montélimar und das Dörfchen La Répara-Auriples 28 km nordöstlich von Montélimar.

Wandbilder erinnern an die große Nougat-Tradition von Montélimar. Foto: Hilke Maunder
Wandbilder erinnern an die große Nougat-Tradition von Montélimar. Foto: Hilke Maunder

Ebenfalls von ihr ist der Film Enfin Veuve (Endlich Witwe*), mit dem sie 2008 ebenfalls einen Kassenknüller landete. 2010 folgte mit Donnant, Donnant* ihr bislang letzter Kinofilm als Regisseurin.

Papillon, das US-amerikanische Gefangenendrama nach der Autobiografie von Henri Charrière aus dem Jahr 1973, kennt wohl jeder, doch Le Papillon*? Der Schmetterling (2002) ist ein cineastisches Kleinod von Philippe Muyl, der in Frankreich mehr als eine Million Zuschauer anrührte.

Beide Kinofilme drehen sich um das Motiv des Schmetterlings. Henri Charrière trägt ihn eintätowiert auf der Brust, Julien (Michel Serrault) ist den Tieren in Sammelleidenschaft verfallen. Eines Tages bricht der alte, vereinsamte Senior aus Paris auf, um Isabelle zu suchen – einen Nachtfalter, so schön wie selten.

Aber er hat die Rechnung ohne Elisa (Claire Bouanich) gemacht, einem jungen, zu oft allein gelassenen Mädchen gemacht. Es war das Leinwanddebüt für das Mädchen, das damals genauso alt war wie im Film dargestellt.

Die Achtjährige versteckt sich heimlich in Juliens Wagen, bringt den Grantler dazu, sie nicht an der Polizeistation abzuliefern, und begibt sich mit ihm in den französischen Alpen auf die Suche nach dem Falter. Und wie die Schmetterlinge entledigen die Großstadtmenschen bei ihrer Odyssee durch die Natur ihrer zu eng gewordenen Alltags-Haut, „entpuppen“ und öffnen sich.

Der Sonderling verdrängt nicht länger seine Gefühle, sondern erzählt vom Tod seines Sohnes, vom Schmerz des Lebens. Die sommersprossige Elise indes gibt preis, dass sie sich ungeliebt fühle, da ihre Mutter sie hatte abtreiben wollen.

Gedreht wurde der sanfte, poetische Familienfilm in den Bergen des Parc naturel régional du Vercors rund um die Orte Villard de Lans, Autrans, Lans-en-Vercors, Corrençon, Chatelus und Rencurel.

Île de France

Der Blick vom Pont Alexandre Richtung Eiffelturm. Foto: Hilke Maunder
Der Blick vom Pont Alexandre III Richtung Eiffelturm. Foto: Hilke Maunder

Auch in Frankreich hat das Kochen das Fernsehen erobert. Seit einigen Jahren wogt die Kochwelle auch in den französischen Kinos. Nach dem Animationsfilm Ratatouille* über eine kochbegeisterte Ratte in Paris gibt es aus dem Mutterland der Gourmets mit Daniel Cohens Comme un chef (Kochen ist Chefsache*) eine Komödie, die vor allem durch die mitfühlende Darstellung ihrer Charaktere und viel Charme besticht.

Und dem wieder einmal wundervollen Jean Reno. Er spielt  Alexandre Lagarde, Frankreichs berühmtesten Sternekoch – bewundert, erfolgreich, eine Legende. Seit Kurzem muss er sich aber vor allem mit Stanislas Matter (Julien Boisselier) herumschlagen, dem neuen Boss der Finanzgruppe, der sein Gourmetrestaurant angehört.

Stanislas will Alexandre durch den jungen britischen Cyril Boss (James Gerard) ersetzen. Jenem liegt allerdings die Edelgastronomie weniger am Herzen als die Molekularküche im Reagenzglas.

Dass dem alten Hasen die kulinarischen Ideen ausgehen, ist jedoch fast noch schlimmer. Schließlich muss er ein sagenhaftes neues Menü kreieren, um den Gastro-Kritiker vom Guide Michelin zu überzeugen.

Da läuft ihm Jacky Bonnot (Michëal Youn) über den Weg – jung und hitzköpfig, aber ein echter Könner am Kochtopf, der sein Talent bisher in lausigen Bistrojobs und als Maler vergeudete.

Es scheint, als hätte Alexandre mit Jacky den idealen Komplizen gefunden. Bei allem Humor berührt der Film ein Thema, das in Frankreich in den letzten Jahren immer wieder seinen Niederschlag fand.

Hochdekorierte Spitzenköche wie Bernard Loiseau, Alain Senderens, Marc Veyrat, Michel Bras und Olivier Rollinger aus Cancale haben in Frankreich ihre Sterne zurückgegeben, um wieder ohne Druck, aber mit viel Freude zu kochen oder einfach nur entspannter das Leben zu genießen.

Gedreht wurde in der Kochschule Cuisine Grégoire Ferrandi Dort lernten die Schauspieler binnen einer Woche das wahre Leben eines Spitzenkochs kennen. Ihr Lehrherr: Alain Ducasse. In Frankreich war am 7. März 2012 Kinostart.

Zwei Wochen später dokumentierte mit nüchternem Blick Paul Lacoste mit Entre les Bras* den Alltag in einem Gourmetrestaurant, das von Vater und Sohn betrieben wird.

Bretagne

Côtes-d'Armor: Bei Saint-Lunaire. Foto: Hilke Maunder
Bei Saint-Lunaire. Foto: Hilke Maunder

Im 19. Jahrhundert entdeckten die Maler den rauen Charme der Bretagne. Im 20. Jahrhundert folgten die Filmemacher: Jean Epstein, Claude Chabrol, Raoul Walsh, Roman Polanski, René Vautier, Jean Becker und viele andere sind in den äußersten Nordwesten Frankreichs gekommen, angezogen vom Licht, der Natur, den Dörfern und Städten, den Traditionen und den Mythen, die in der Bretagne reicher und lebendiger sind als anderenorts.

Gut 300 Mal war die Bretagne in den letzten 100 Jahren Kulisse für großes Kino. Dominierten zunächst Produktionen berühmter Regisseure und Vertretern der Nouvelle Vague wie Resnais, Rohmer, Tati und Chabrol, lockt Breizh seit den 1980er-Jahren auch junge Filmschaffende, die sich in der Bretagne besonders im Kurz- und Dokumentarfilm erste Sporen verdienen.

Wer sich jedoch genauer anschaut, wohin es die Filmemacher zog und zieht, erkennt schnell: Beliebt ist Armor, das „Land am Meer“ – Argoat, das „Land der Wälder“, führt bei Film- und Fernsehproduktionen ein Schattendasein.

Zu den berühmtesten Drehorten der Bretagne gehört das Fort la Latte im Département Côtes d’Armor. Ganz großes Gefühlskino erlebt ihr auf den Inseln der Bretagne. Zu meinen Lieblingsfilmen gehört L’Équipier (Die Frau des Leuchtturmwärters*). Mehr zu den filmreifen Inseln der Liebe und Leidenschaft erfahrt ihr hier.

Nicht in Südengland, wo die Handlung spielt, sondern im mittelalterlichen bretonischen Städtchen Locronan fand Roman Polanski 1979 die perfekte Kulisse für die Außenaufnahmen von Tess*. Die Verfilmung von Thomas Hardys Roman Tess of the d’Urbervilles machte Nastassja Kinski zum Weltstar.

Côtes d'Armor: Saint-Cast-le-Guildo. Foto: Hilke Maunder
Strandparadies: Saint-Cast-le-Guildo. Foto: Hilke Maunder

Ein beliebtes wie erfolgreiches Sujet war auch ein Badeurlaub in der Bretagne, der humorvoll, frivol oder satirisch in Szene gesetzt wurde. Zum Kultfilm wurde Les Vacances de Monsieur Hulot* (Die Ferien des Monsieur Hulot*), die Jacques Tati 1955 am Strand von Saint-Marc-sur-Mer drehte. Damals gehörte das Familienbad noch zur Bretagne – 1964 wurde es jedoch bei der Verwaltungsreform Loire-Atlantique zugeschlagen.

Michael Lang zog es an die rosa Granitküste. 1978 dreht der Erfolgsregisseur von Her mit den kleinen Engländerinnen* dort die Sommerkomödie L’Hôtel de la plage (Das Strandhotel) mit Anne Parillaud als Estelle, die dank ihrer freizügigen Auftritte dem Liebesfilm zum Erfolg verhalf. Als Kulisse diente das „Grand Hôtel des Bains“ an den feinsandigen Stränden von Locquirec rund 25 km nordöstlich von Morlaix.

Das „Eis am Stil“ für Intellektuelle drehte Éric Rohmer 1996 am Strand von Dinard mit dem Teenie-Film Conte d’été (Sommer). Wie in den anderen Werken von Rohmer fesseln im dritten Film des Jahreszeiten-Zyklus nicht die Handlung, sondern die Worte.

Im Seelengemälde konfrontiert Rohmer seine Hauptfigur Gaspard mit drei Frauen, die sich für ihn interessieren – die kapriziöse Lena, die rassige Solène und die unauffällige Margot. Doch der schüchterne Mathematikstudent will sich nicht festlegen, sucht sich noch selbst: „Da mich niemand liebt, liebe ich auch niemanden“.

Ganz anders ergeht es dem 18-jährigen Mathieu. Für ihn werden die Sommerferien zum Coming-Out. Am Strand von Pornichet lernt er den gleichaltrigen Cédric kennen, verliebt sich, zieht zu ihm und muss im Winter erkennen: Von der ersten großen Liebe ist fast nichts geblieben. Presque Rien* (Sommer wie Winter) nannte daher der Sébastien Lifshitz seinen viel beachteten Gay-Film, der im Jahr 2000 in die Kinos kam.

Normandie

Die Bucht von Étretat säumt Kieselstrand. Foto: Hilke Maunder
Die Bucht von Étretat säumt Kieselstrand. Foto: Hilke Maunder

Für Coco Chanel* von Anne Fontaine diente die Côte Fleurie als Kulisse. Vom Waisenhaus zum Weltimperium: Das Leben der französischen Designerin bietet Stoff für Legenden.

1838 in Saumur an der Loire als Tochter eines Hausierers geboren, wird sie mit elf Jahren in ein Waisenhaus abgeschoben, erhält dort Nähunterricht – und findet genau dort die Wurzeln ihres Stils. Die weißen Hauben und schwarzen Roben der Ordensschwestern sind Vorboten einer neuen Ästhetik, mit der Coco die Modewelt umkrempelt.

Dieser frühen Coco Chanel, der ihr Liebhaber Boy Capelin Deauville die erste Boutique kaufte, hat Anne Fontaine mit Coco avant Chanel* (Coco Chanel – Beginn einer Leidenschaft*) ein cineastisches Denkmal gesetzt. In der Titelrolle wandelt Audrey Tautou diesmal nicht durch Amélies Pariser Traumwelt, sondern besucht die Seebäder der Côte Fleurie.

Gedreht wurde nicht in Deauville, sondern im benachbarten Trouville, am Strand von Merville-Franceville und in Cabourg, wo Marcel Proust sich 100 Jahre zuvor auf die Suche nach der verlorenen Zeit begeben hatte. Vorlage für den Film war das Buch Irrégulière ou mon Itinéraire Chanel*, das Edmonde Charles-Roux 1974 über die Designerin verfasst hatte.

Wahrzeichen von Hauts-de-France: die Fördertürme von Zechen wie hier von der Grube Delloye von Lewarde, heute Teil des größten Bergbaumuseums Frankreichs. Foto: Hilke Maunder
Wahrzeichen von Hauts-de-France: die Fördertürme von Zechen wie hier von der Grube Delloye von Lewarde, heute Teil des größten Bergbaumuseums Frankreichs. Foto: Hilke Maunder

Hauts-de-France

Auch im Norden von Frankreich sind einige der besten Komödien des Landes entstanden.

Lachen im Land der Sch’tis

Allen voran Bienvenue chez les Ch’tis* (Willkommen bei den Sch’tis*) mit Danny Boon. Folgt den Spuren dieser Kultkomödie im Städtchen Bergues !

Mit Rien à déclarer* (Nichts zu verzollen, 2010) drehte Boon einen Erfolgsfilm, der mit Humor die franco-belgische Zusammenarbeit an der Grenze auf die Schippe nahm. Gedreht wurde rund um den Grenzübergang Hirson, wo heute Poster an die Bedeutung als Drehort erinnern.

Der Grenzübergang von HIrson war Drehort. Foto: Hilke Maunder
Der Grenzübergang von HIrson war Drehort. Foto: Hilke Maunder

Schmuckstück Deneuve

Sie war das amerikanische Chanel-Gesicht, 1985 Modell für das Antlitz der Nationalfigur Marianne und steht seit mehr als 50 Jahren im Rampenlicht: Catherine Deneuve.

Vor 43 Jahren besuchte sie zum ersten Mal als Hauptdarstellerin in Luis Buñuels Kultstreifen Belle du Jour* den Lido zur Festspielzeit. 2010 wurde sie wieder in Venedig gefeiert – als Hauptdarstellerin in Frank Ozons Filmkomödie Potiche* (Das Schmuckstück*).

1984 hatte bereits Dominique Giuliani mit Jacqueline Maillan, Jacques Jouanneau, und Patricia Karim  das Bühnenstück von Pierre Barillet und Jean-Pierre Grédy im Théatre du Gymnase von Paris auf Zelluloid gebannt.

Nicht minder frivol kommt Ozons Komödie um die Fabrikantengattin Suzanne Pujol (Catherine Deneuve) daher, die als potiche ihre Ehe führte, als madamiges Ausstellungsstück ohne eigene Meinung. Doch dann erleidet ihr erzkonservativer Ehemann (Fabrice Luchini) einen Herzinfarkt.

Suzanne lässt eine frühere Affäre wieder aufleben mit dem heutigen Bürgermeister Maurice Babin (Gérard Depardieu). Beim Engtanz unter der Discokugel jedoch wollen ihre Arme nicht mehr so recht über den inzwischen äußerst stattlichen Bauch ihres einstigen Lovers passen.

Wie in Truffauts Le Dernier Métro* (1980) sind es auch wieder Deneuve und Depardieu, die diese Komödie vor Plattheit bewahren, mit Selbstironie und Augenzwinkern begleiten und dabei durchaus persönliche Bezüge zum Film erkennen. O-Ton der Grande Dame auf der Pressekonferenz der Filmfestspiele von Venedig:

Ich bin im Laufe meiner Karriere ebenfalls mitunter nicht als Person, sondern als Potiche gesehen worden.

Drehort war unter anderem die Ferme du Bois Planté in Ophain-Bois-Seigneur-Isaac.

Ich hoffe, euch hat dieser kleine Rundreise durch Frankreichs Filmgeschichte gefallen und freue mich über eure  Tipps in den Kommentaren. Merci !

2 Kommentare

  1. danke, sehr schön gemacht!
    kannst du eventuell helfen? Ich bin auf der Suche nach einem französischen Fernsehfilm:
    suche Titel eines Französischen (Fernseh)Films: Inhalt: Eine Malerwitwe, die in der französischen Provinz auf dem Land lebt, von ihrer Haushälterin versorgt wird, erhält zu ihrem Geburtstag Besuch ihrer drei erwachsenen Kinder sowie der Enkelkinder. Sie schenken ihr ein schnurloses Telefon, mit dem sie heillos überfordert ist. Der Nachmittag vergeht mit Essen und Gesprächen. Nach einigen Monaten nach dem Tod der Mutter treffen sich die drei Kinder im Landhaus, um die Erbschaft zu regeln. Die Haushälterin, die seit vielen Jahren für die Mutter gearbeitet hat, ist ebenfalls anwesend. Die Kinder streiten sich darüber, ob das Haus im Familienbesitz bleiben soll oder verkauft werden soll. Der älteste Sohn möchte das Haus verkaufen, weil er das Geld für seine eigene Familie braucht. Die älteste Tochter möchte das Haus für die gesamte Familie behalten, weil sie dort ihre Kindheit verbracht hat. Die jüngste Tochter ist unentschieden, hat eigene große Probleme und mengt sich nicht ein. Die anwesende Haushälterin versorgt alle.

    1. Lieber Michael, da muss ich leider passen – aber vielleicht hat ja eine/r der Mitlesenden einen Tipp? Merci!

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