Glamping im Test: Le Brasilia
Le Brasilia: Camping auf dem Paradeplatz der Pyrénées-Orientales hat wenig damit zu tun, wie ich es einst als junge Frau erlebt hatte. Camping hieß damals schlicht zelten. Und bedeutete die preiswerteste Form, unterwegs sein Bett aufschlagen zu können.
Zelturlaub 1984
Mein erstes Mal Camping war … 1984. Ein Platz gleich hinter der hohen Dünen der Silberküste von Neu-Aquitanien. Hohe Pinien, Waldboden, ein Zelt, ein Schlafsack, eine dünne, schmale Isomatte.
Gemütlich eng, mein römischer Freund Claudio gleich neben mir. Die Rucksäcke draußen auf dem Gras, denn drinnen war kein Platz. Wir konnten kaum die Köpfe heben, ohne die Plane zu berühren. Und dass durfte auf keinen Fall passieren.
Neben dem Kopf lag griffbereit eine Taschenlampe. Falls man nächtlich mal raus musste… Schlaftrunken stolperte ich zum Sanitärtrakt über Taue, Wurzeln, Taschen.
Ängstlich prüfte ich alle WC-Kabinen, ob da vielleicht jemand wäre, der da nicht hingehörte. Und kroch dann wieder ins Zelt, bis die ersten Sonnenstrahlen unter dem Reißverschluss hervor blinzelten. Das war für mich Camping. Und ohne Claudio nicht recht attraktiv. Ich zog den Komfort von Jugendherbergen und Gästezimmern bei privaten Vermietern vor.
Glamping im Test: Le Brasilia
35 Jahre später stand ich erstaunt bei Canet-Plage in den Pyrénées-Orientales vor einer imposanten Einfahrt mit Kreisel. Le Brasilia verkündet der helle Schriftzug auf trendigem Korstenstahl im Rostlook.
Zwei Damen in weißen Uniformen passen auf, dass nur Gäste den Platz betreten. Jenseits der schicken, modernen Rezeption findet ihr den Dorfplatz. 2018 wurde er im typisch nordkatalanischen Stil errichtet.
Das Shopping-Dorf
Rund um einen offenen Glockenturm säumen mehrere Geschäfte den kleinen Arkadenplatz mit akkurat geschnittenen Olivenbäumen. Im Sommer findet dort regelmäßig ein Wochenmarkt mit lokalen Produkten statt!
Vor der Bäckerei, aus der es verführerisch duftet, hat sich eine kleine Schlange gebildet. Frisches Obst und Gemüse, fast alles aus der Region und meist bio, findet ihr bei Radouane.
Süßweine wie Muscat de Rivesaltes, Banyuls und Maury birgt der Weinkeller von Gilles. Einmal pro Woche lädt er zur Verkostung. Dann entkorkt er auch die trockenen Tropfen der AOC Collioure. Die schweren Roten der AOC Côtes du Roussillon und Côtes du Roussillon village sind süffige Träume aus Grenache.
Christine und Eric versorgen euch in ihrer Boutique mit den gängigsten französischen und europäischen Zeitungen und Zeitschriften, Postkarten und Tabakwaren. In einer Gasse findet ihr weitere Geschäfte – eine Modeboutique, einen Deko-Shop und einen Friseur.
Wellness im Spa
Die Straße führt zu einem architektonischen Hingucker. Seine Bögen aus Stahl erinnern mit ihren filigranen Mustern an typisch arabische Moucharabieh. Wie Kunstwerke rahmt der graue Beton die skurrilen Wuchsformen der exotischen Pflanzen ein.
Drinnen findet ihr im Spa Papillon auf 250 Quadratmetern mehrere Kabinen für Massage- und Kosmetikanwendungen, ein Teehaus, ein Solarium, ein Dampfbad und einen großen Whirlpool, der ausschließlich den Spa-Besuchern vorbehalten ist.
Badespaß im L’Archipel
Jenseits des Spas drängen sich viele weitere Aktiv- und Animationsangebote. Das 6000 Quadrameter große Open-Air-Erlebnisbad L’Archipel weckt tropisches Ferienfeeling.
Große Felsen, sanft abfallende Lagunenbecken mit kristallklarem Wasser, Wasserfälle, Sprudelliegen, Kokospalmen und Tropenblüten: Brasilien zum Baden!
Damit auch der Nachwuchs seinen Spaß hat, gibt es im Wasserpark auch ein beheiztes Planschbecken mit Wasserspielen und ein Spaßbecken mit Wasserrutsche und Wasserrohr.
Aquacyling oder Aquagym?
Eher an Erwachsene wendet sich der zweite, minimalistisch im Cool-Contemporary-Look gestylte Badebereich mit seinen beiden Überlaufbecken: das eine zum Bahnenschwimmen, das zweite für Aquacycling und Aquagym.
Zum Angebot an Aktive gehören ferner ein Fußballplatz mit Naturrasen, ein Beachvolleyballfeld, eine Anlage zum Bogenschießen, ein riesiges Pétanque-Gelände sowie Geräte für Cardiofitness im Indoor-Sportraum.
Wenn ich da an 1984 denke, erinnere ich mich nur an ein Seil, das wir fürs Volleyball-Spielen zwischen zwei Kiefern aufgespannt hatten. Auch das Zelten hat sich mächtig verändert. 705 Stellplätze bietet Le Brasilia, davon 287 zur Miete.
Geschützte Oasen für Zelt und Camper
Alle Unterkünfte erstrecken sich in einem 17 Hektar großen Kiefernwald. In der Wärme duftet er herrlich – und spendet Schatten. Hecken aus Pfaffenhütchen, Pittosporum und Ölweide umgeben die 80-100 qm großen Stellplätze für Zelt, Caravan oder Womo.
Sie verwandeln das Zuhause unter freiem Himmel in gemütliche private Oasen. So seid ihr geschützt vor den Blicken von Gästen oder anderen Besuchern. Wir lagen damals noch allesamt auf dem Präsentierteller. Jeder sah, hörte und erlebte, was der andere gerade machte.
Urwald-Hütte oder Kreolen-Chalet?
Noch etwas gab es damals gar nicht auf unserem Platz: Hütten oder Villen zum Mieten. Hier jedoch wandle ich zwischen den verschiedensten Hüttendörfern umher. Im Okavango Village entdecke ich auf den dunklen Fassaden seiner 27 komfortablen Hütten geschnitzte Masken zwischen dichtem Grün.
Die 22 Cottages Créoles wecken Erinnerungen an die weißen Villen der Karibik. Die zwölf Ferien-Cottages der Îles Marquises entführen euch mit polynesischem Ambiente in den Südpazifik.
In Sonnengelb oder Ockertönen sind die zwölf Häuser des Brasilia Village gehalten. Mit den Cottages PMR bietet Le Brasilia schließlich auch drei barrierefreie und rollstuhlgerechte Glamping-Hütten.
Sämtliche Unterkünfte erstrecken sich zu beiden Seiten der blumengeschmückten Allée de l’histoire. An ihrem Anfang erinnert ein Granitstein inmitten von tropischen Pflanzen an die Gründer der Anlage. Simone und René Pla waren dem Aufruf des damaligen Staatspräsidenten Charles de Gaulle gefolgt.
Mission Racine: das Mega-Projekt am Meer
Er hatte im Juni 1963 mit der Mission Racine (Mission Interministérielle d’Aménagement Touristique du Littoral du Languedoc-Roussillon) die touristische Entwicklung der Küste gestartet. Sie sollte das Languedoc-Roussillon zur Nouvelle Floride, zu Frankreichs Antwort auf Florida, machen.
In der Nähe der wichtigsten Städte der Region – Nîmes, Montpellier, Béziers, Narbonne und Perpignan – entwickelten renommierte französische Architekten sieben Badeorte auf dem Reißbrett: Port-Camargue, La Grande-Motte, Cap d’Agde, Gruissan, Port-Leucate, Port-Barcarès und Saint-Cyprien. Mehr zu dieser Floride Française erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Ein achter Badeort war an der Mündung der Aude geplant. Er wurde aber wegen fehlender Gelder aufgrund der Ölkrise aufgegeben. An der Mündung der Têt erhielt das Ehepaar Pla das Recht, einen Campingplatz zu eröffnen. Im Juni 1964 war Einweihung. Ihr Sohn Roger Pla führt heute ihr Lebenswerk fort.
Wiege der Yelloh! Villages
Er hat den Platz in eine Fünfsterneanlage verwandelt, die zu den besten Glamping-Plätzen Europas gehört. Zusammen mit Bernard Sauvaire (Yelloh! Village la Petite Camargue und Yelloh! Village les Petits Camarguais) und Robert Giner (Yelloh! Village le Club Farret und Yelloh! Village Domaine de Sainte Cécile) vermarktet er sie seit dem Jahr 2000 erfolgreich unter dem Dach der Yelloh! Village-Gruppe. 86 Plätze in Frankreich, Spanien und Portugal gehören mittlerweile dazu.
Statt Verkauf für 70 Millionen…
2013 verstarb Simone Pla. Seitdem wurde Roger Pla, Sohn und einziges Kind der Gründer, immer wieder von Pensionsfonds und Immobilienhaien angesprochen. „Verkaufe!“ bedrängten sie ihn. Erst 40, dann 50 und schließlich sogar 70 Millionen Euro boten sie dem 73-jährigen, kinderlosen Besitzer des riesigen, luxuriösen Campingplatzes Le Brasilia.
Doch statt sich mit den Millionen zur Ruhe zu setzen, gründete Roger lieber eine Stiftung. Für die Fondation Famille Pla spendete er elf Prozent seines Aktienkapitals in den Stiftungsfonds, was einer Summe von 150.000 Euro entspricht. Nach und nach wird die von Roger Pla geleitete Stiftung zum Mehrheitsaktionär des Campingplatzes Le Brasilia werden. So will Pla auch es in seinemTestament vermerken, dass er auf alle seine Gesellschaftsanteile zugunsten dieses Stiftungsfonds verzichte.
… soziales Engagement
Die Stifung soll den Erhalt des Campingplatzes garantieren. Sie soll zudem drei weitere Aufgaben erfüllen: sozial, vermögensrechtlich und ökologisch. Als Vorbild dienen Roger Pla unter anderem die Stiftungen von Ikea, Rolex und der Pierre Fabre Gruppe. In den Pyrénées-Orientales ist diese Initiative eine Premiere.
Besonders am Herzen liegt Roger Pla: Sie soll sich mit Kinderhilfskomitees zusammenschließen, damit auch die am stärksten benachteiligten Kleinen in den Urlaub fahren können.
Auch Kindern aus prekären Verhältnissen oder mit Behinderungen sollen so einmal richtige Ferien erleben. „Viele Kinder im Département waren noch nie am Meer“, so Monsieur Pla. Wohlfahrtsorgane für Kinder unterstützen ihn dabei. Pla ist unter anderem dazu eine Partnerschaft mit dem Secours Populaire eingegangen.
Die zweite Aufgabe der Stifung: Sie soll Canet-en-Roussillon beim Erhalt des Kulturerbes des Badeortes unterstützen – vom Château Vicomtal bis zum Village des Pêcheurs. Und schließlich soll sich die Stiftung auch am Schutz der Mittelmeerküste im Stadtgebiet beteiligen, die von Barcarès bis nach Canet reicht und stark von der Erosion bedroht ist.
Glamping in Frankreich: noch mehr Plätze
Es gibt rund zwei Dutzend weitere Glamping-Plätze in Frankreich. Zu den schönsten Anlagen gehören:
• Les Alicourts* in der Region Centre
• Camping Nature Parc L’Ardéchois in Auverne-Rhône-Alpes
• Le Paradis* in Nouvelle-Aquitaine
• Le Ty Nadan* in der Bretagne und
• Castel Camping Domaine de la Bergerie* in der Provence
• Yelloh Village La Plage in der Bretagne (Penmarc’h)
Glamping in Schlafkugeln
Sehr ungewöhnlich ist eine Nacht in transparenten Zelt-Kugeln. Hier habe ich euch dieses camping à bulles vorgestellt.
Noch mehr Camping
Lust Camping auf einer Naturinsel in der Dordogne? Dann lest hier weiter: Camping im Test: Huttopia Beaulieu
Ein Paradies für Kinder und Eltern gleichermaßen ist der Campingplatz Le Soleil in Argelès-sur-Mer. Eindrücke und Infos gibt es hier.
Sehr beliebt unter Campern ist in Frankreich auch ein FKK-Aufenthalt. Infos dazu findet ihr hier.
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Im Blog
Im Hinterland der Küste, die die Mission Racine touristisch entwickelte, haben die Lagunenseen des Languedoc ihre stille Schönheit bewahrt.
Im Buch
Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.
Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*
Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreich 2024 in der 10. Auflage erschienen.
Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.
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Der Campingplatz ist wirklich wunderschön, sehr sauber und alles wie beschrieben.
NUR leider interessiert es keinen Menschen dort, ob Hunde tatsächlich an der Leine geführt werden. Es gibt einen sehr grossen Bereich, um Hunde spazieren zu führen und ihr Geschäft verrichten zu lassen. Die Menschen sind leider meistens zu faul, dorthin zu gehen und lassen ihre Hunde auf dem Campingplatz das Geschäft verrichten. Auch das interessiert niemand.
Liebe Andrea, danke für Deine Eindrücke, die mich sehr überraschen – ich hatte bei unseren Aufenthalten immer nur angeleinte Hunde gesehen, und ihre crottes (Häufchen) waren von den Haltern in schwarze Säckchen entsorgt worden… vielleicht hattest Du einfach Pech bei Deinem Aufenthalt dort. Bises, Hilke
Erinnert eher an Disneyland als an mein Frankreich.
ja, mag so sein – Frankreich und Camping kennt viele Facetten. Viele Grüße, Hilke