Béziers: Blick vom Aussichtspunkt an der Kathedrale auf den Orb. Foto: Hilke Maunder
| |

Im Tal von Orb und Jaur

Die Départementstraße D14 von Béziers Richtung Olargues folgt einem wildromantischen Flusstal, das auch im Winter voller Charme ist: die Vallée de l’Orb. Nach der Schneeschmelze tummeln sich Kanuten auf dem Orb, der sich dann als Wildwasser gebiert.

Jetzt schlängelt sich der Fluss, der in den Cevennen entspringt und nach 136 Kilometern bei Valras-Plage ins Mittelmeer mündet, ganz gemächlich durch weite Auen und Schieferböden. Doch er gilt als kapriziös und launisch unter den Kanuten. Und kann mitunter mehr Wasser führen als die Seine bei Paris!

Roquebrun

Das Tal des Orb bei Roquebrun. Foto: Hilke Maunder
Das Tal des Orb bei Roquebrun. Foto: Hilke Maunder

Rund 30 Kilometer nordwestlich von Béziers schmiegt sich Roquebrun an einen Südhang am Lauf des Orb. Das Dorf am Eingang des Regionalen Naturparks Haut-Languedoc nennt sich stolz „das kleine Nizza des Languedoc“.

Das Nizza des Languedoc

Die Berge ringsum schützen das Dorf vor kühlen Winden aus dem Norden, die Brise vom Mittelmeer verhindert im Sommer eine zu hohe Hitze.  Roquebrun besitzt so ein ganz besonders mildes Mikroklima. Es lässt ringsum Orangen, Zitronen, Lorbeer und Mimosen gedeihen.

Als Schaufenster dieser ungewöhnlichen Flora eröffnete der Verein C.A.D.E. Collectif Agricole pour le Développement et l’Environnement 1985 seinen Jardin Méditerranéan. Er präsentiert neben der mediterranen Flora von Roquebrun und Kakteen und Zitrusfrüchten als Exoten auch ein Konservatorium für lokale, vom Aussterben bedrohte Obstsorten.

Das Licht des Midi

Selbst im Winter leuchtet Roquebrun mit seinen hellen Fassaden und den roten Ziegeldächern. Rund ein Dutzend Mühlen drehten sich einst am Fluss. Im Foulon, einer Walkmühle, wurden einst Ginsterstengel geschlagen und zerquetscht, um Fasern für Seile, Säcke für die Landwirtschaft und rustikale Haushaltswäsche zu gewinnen. Die Ölmühle lieferte dem Dorf Olivenöl, ein moulin à grain das Mehl zum Brotbacken.

Durch mittelalterliche Gassen geht es bergauf zum Fuß des karolingischen Turms, der über Roquebrun thront und weite Blicke über das Tal des Orb eröffnen. Tief unten überspannt eine Steinbrücke mit vielen Bögen den Orb. Als sie 1870 endlich fertiggestellt war, sollen die Arbeiter mit den Dorfbewohnern vier Tage und vier Nächte dort getanzt haben, erzählt der Volksmund.

Roquebrun am Orb. Foto: Hilke Maunder
Roquebrun am Orb bekrönt ein Turm aus der Zeit der Karolinger. Foto: Hilke Maunder

Die Weine von Roquebrun

Le raisin mûrit même la nuit (die Traube reift sogar nachts) sagten die Winzer von Roquebrun. Die schwarzen Felsen der Roches Noires bestehen hauptsächlich aus Schiefer. Er besitzt zwei Eigenschaften, die die Winzer enorm schätzen: Er kann Wasser und Wärme speichern und langsam wieder abgeben.

Der König der Weinberge am Ufer des Orb ist der Carignan. Zur Abrundung werden die traditionellen mediterranen Rebsorten Grenache, Mourvèdre und Syrah angebaut.

Die Trauben werden allesamt per Hand gepflückt. Das ist Pflicht in der AOC Saint-Chinian, zu der Roquebrun gehört. Seine Genossenschaftskellerei Cave de Roquebrun produziert hauptsächlich rote AOC Saint-Chinian-Roquebrun, rote, roséfarbene und weiße AOC Saint-Chinian und AOC Languedoc, aber auch rote IGP Haute-Vallée de l’Orb, rote, roséfarbene und weiße IGP Oc sowie den Aperitifwein Cartagène.

Zu den unabhängigen Winzern gehört die Domaine du Vieux Chai, bei der Freiwillige als vendageur d’un jour einen Tag bei der Lese mit anpacken können.

Aus den Trauben des Roches-Noires-Rotweins wird ein Weinbrand hergestellt, der neun Jahre im Eichenfass reift: die Roche Brune XO Eau de vie du Languedoc.

Die Schluchten des Orb

Immer enger werden die Schleifen flussaufwärts vom Orb, immer höher die Bögen seiner Brücken. Bis nach Tarassac durchquert der Orb die Gorges de l’Orb. 200 Meter hoch ragen die Felswände an einigen Stellen der zwölf Kilometer langen Schlucht auf.  Sie trennt die Weinberge der AOP von Faugères und Saint-Chinian.

Bienvenue, Jaur!

Die Hängebrücke über den Orb bei Tarassac. Foto: Hilke Maunder
Die Hängebrücke über den Orb bei Tarassac. Foto: Hilke Maunder

Kurz vor Tarassac mündet der Jaur in den Orb ein. Bachforellen tummeln sich in seinen Fluten und huschen zwischen Steinen umher. Nur 30 Kilometer lang ist der Bergfluss, der in den Monts de l’Espinouse in einer Felshöhe bei Saint-Pons-de-Thomières entspringt.

Am schönsten ist es am Jaur im Frühjahr – dann blühen dort die Kirschbäume und legen einen weißen Blütenschleier über die sonst recht raue Landschaft.

Zwischen Tarassac und Saint-Martin-de-l’Arçon überspannt eine einspurige Hängebrücke den Fluss, die seit der Renovierung wieder mit blauen Pylonen und leuchtend gelben Seilen aus der Landschaft heraussticht.

Der Orb wendet sich dort gen Osten, füllt zwischen Ceilhes-et-Rocozels und Avène den See des Staudamms der Monts d’Orb. Und erreicht, würden wir ihm weiter flussaufwärts folgen, seine Quelle bei Le Clavier in den Monts de l’Escandorgue, wo er am Mont Bouviala im Aveyron auf 884 Metern Höhe empor sprudelt.

Die Gorges d’Héric

Bei Tarassac fließt der Héric in den Orb. Der 14 Kilometer lange Bergbach hat flussaufwärts vier Kilometer lang die Gorges d’Héric in die Südflanke der Monts de l’Espinousse gefräst – mit dramatischen Steilwänden und imposanten Felsnadeln, türkisfarbenen Gumpen und Wasserfällen.

Immergrüne Steineichen krallen sich an den Fels. Flechten setzen auf dem Gneise leuchtend orange-grün-gelbe Tupfer. Die Schlucht gehört zu den schönsten Zielen im Haut-Languedoc –  zum Baden, Picknicken, Wandern und zum Staunen. Wie der Fluss, der in Kaskaden herabstürzt, heißt auch der kleine Ort, der sich in der Schlucht versteckt: Héric“, ein Weiler aus einer Handvoll Häusern – pittoresk!

Olargues: Juwel am Jaur

Olargues am Jaur. Foto: Hilke Maunder
Olargues am Jaur. Foto: Hilke Maunder

Doch in Tarassac zweigt kurz nach der Brücke die D 908 gen Westen ab und leitet zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs: Olargues.

Am Fuße des Caroux-Gebirges verabschiedet sich der Midi und beginnt das Massif Central. Das zeigen auch die Pflanzen: Hier noch Weinreben und Olivenbäume, dort Kastanien- und Kirschbäume.

Kalt sind die Fluten des Jaur. Doch noch lässt auch im Winter die Sonne die Natursteinfassaden der alten Festungsstadt mit ihren calade, den Kieselstein-gepflasterten Gassen, und überdachten Durchgängen leuchten.

Olargues im Winter. Foto: Hilke Maunder
Olargues im Winter. Foto: Hilke Maunder

Der Pont du diable

Wahrzeichen des 600-Einwohner-Dorfes im Regionalen Naturpark Haut-Languedoc ist die Teufelsbrücke, die seit dem Mittelalter den Jaur überspannt.

Zehn Meter hoch und 30 Meter lang ist ihr hoher Bogen über den Jaur. Der Volksmund erklärt ihren Namen. Der Teufel höchstpersönlich soll den Bauarbeitern geholfen haben, die Brücke in nur einer Nacht zu bauen.

Die Teufelsbrücke über den Jaur. Foto: Hilke Maunder
Die Teufelsbrücke über den Jaur. Foto: Hilke Maunder

Olargues ist ein Bilderbuchdorf aus uraltem Stein und verzaubert das ganze Jahr hindurch mit seinem Charme. Mitten im Ort überlebte die einstige Kommandatur des Hospitaliterordens mit ihrer Minikirche die Läufte der Zeit.

Im alten Ortskern von Olargues. Foto: Hilke Maunder
Im alten Ortskern von Olargues. Foto: Hilke Maunder

Typisch für das mittelalterliche Olargues sind die pontets. Diese Torhäuser haben ein Tor im Erdgeschoss und einen Übergang zum gegenüberliegenden Nachbarhaus. In der eng bebauten Altstadt boten pontets nicht nur zusätzlichhen Wochen- und Arbeitsraum, sondern dienten auch als wetterunabhängige Transportwege.

Eine alte Gasse in Olargues mit einem <em>pontet</em>. Foto: Hilke Maunder
Eine alte Gasse in Olargues mit einem pontet. Foto: Hilke Maunder

Tipp: Bardou

1965 zeigte Klaus Erhardt seiner amerikanischen Frau Sète und das Orb-Tal. Sie verliebten sich sehr schnell in die Region und ließen sich zunächst in Le Lau, in der Nähe von Vieussan, nieder. Im Jahr 1967 entdeckten sie auf einer Wanderung Bardou, das zu dieser Zeit bereits verlassen war, abgesehen von einem alten Mann, der dort immer noch seine Gärten bewirtschaftete, aber in Mons wohnte.

Dieser Mann, Achille Bonnet, bot ihnen an, seinen Besitz (mehrere Häuser und Grundstücke) zu verkaufen. Nach und nach boten andere Hausbesitzer an, ihre Häuser zu verkaufen, und es dauerte einige Jahre, bis Klaus und Jean den Weiler kauften. Zu dieser Zeit hatte der Weiler nur vier Häuser, deren Dächer in gutem Zustand waren. In den folgenden 50 Jahren bauten sie den Weiler nach und nach wieder auf.

Ihr Ziel war es, in einer natürlichen und gesunden Umgebung zu leben und ihre Kinder großzuziehen. Es war ein Abenteuer, da es weder fließendes Wasser noch Strom gab und die Straße nur schwer passierbar war. Sie installierten das Wasser selbst, da sie über Quellen verfügten, kämpften aber jahrelang um Strom und eine befahrbare Straße.

Sie renovierten die Häuser und bepflanzten die Gärten, in denen sie Obst und Gemüse anbauten. Sie züchteten reinrassige Bizet-Schafe, für die sie viele Preise gewannen. Sie hielten auch andere Tiere wie Enten, Gänse, Pfauen und Hühner, betrieben eine Border-Collie-Zucht, stellten oft selbst Brot und Marmelade her und kochten ihr Obst und Gemüse für den Winter in Gläsern ein. Lange bevor dies zum Zeitgeist wurde, wollten sie dort ein nachhaltiges und umweltbewusstes Leben führen und setzten sich für den Schutz der Natur ein.

Als Liebhaber der klassischen Musik ließen Jean und Klaus ganze Orchester mit klassischen Musikern einfliegen und veranstalteten jeden Sommer zwischen 20 und 30 Konzerte in der Region.

Das Ehepaar Erhardt lebte bis zu ihrem Tod in Bardou. Klaus Erhardt starb 2009, Jean Erhardt 2016. Beide sind in Bardou in einer Gruft oberhalb des Weilers begraben.

Als Jean starb, übernahmen ihre  Tochter Elizabeth und ihr Mann Brian die Leitung des Weilers und führen ihn auf sehr ähnliche Weise fort.

Sein Buch Bardou – Une vie die pionnier dans le Haut Languedoc* hält das Werk der Familie Erhardt lebendig.

Im Tal des Gravezon

Landschaft bei Lunas. Foto: Hilke Maunder
Landschaft bei Lunas. Foto: Hilke Maunder

Einen Abstecher wert ist am Oberlauf des Orb bei Saint-Martin d’Orb das Tal des Gravezon. Der Gravezon entspringt in 725 Metern Höhe in der Nähe des Col Rouge auf dem Plateau de l’Escandorgue bei Joncels. Nach nur 13 Kilometern mündet er bei Bousquet-d’Orb in den Orb.

An seinem Unterlauf liegt Lunas malerisch inmitten von Felsen, die den alten Ort einrahmen. Eine altertümliche Brücke führt über den Nebenfluss des Orb hinein ins alte Herz des 650 Einwohner großen Dorfes.

In den Fluten spiegelt sich ein stattliches Herrenhaus: das Château de Lunas. Im Erdgeschoss birgt es ein Feinschmeckerrestaurant, das direkt an den jadefarbenen Fluss grenzt. Dieses idyllische Plätzchen für ein Mahl oder einen Apéro ist nur 14 Kilometer von Lodève entfernt –  und damit nur einen Katzensprung von der Autobahn A 75 La Méridienne !

Einen Schlenker wert: das Schlossrestaurant von Lunas. Foto: Hilke Maunder
Einen Schlenker wert: das Schlossrestaurant von Lunas. Im Ort vereinigen sich die Flüsse Gravezon und Nize, die nach drei Kilometern in den Orb münden. Foto: Hilke Maunder

Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.

Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterlesen

Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Hérault, die ich für den Blog verfasst habe, findest Du in dieser Kategorie.

Im Buch

Der Reisebegleiter vor Ort: Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*

Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2021 in 9. Auflage erschienen.

Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

 * Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

7 Kommentare

  1. Bonjour Hilke
    Wenn wir gewusst hätten dass sie auf Entdeckungsreise in unserer Region sind, hätten wir sie gerne auf einen Kaffee eingeladen !Danke für diesen Bericht , wir wohnen in dieser herrlichen Gegend nicht weit weg vom Gorges d’Heric.
    Herzliche Grüße

    1. Liebe Gerda, wie schön – und herzlichen Dank für die Einladung! Es ist eine traumhafte schöne Ecke! Ich habe bei meinen Recherchen in „Ihrer“ Ecke auch noch die Steinadler an den Falaises d’Orque besucht: https://meinfrankreich.com/falaises-dorque-steinadler. Leider ist aber meine Linse des Fotoapparats zu schwach, um die Adler dort richtig schön zu fotografieren. Ein herrliches Wandergebiet! Die Gorges d’Héric stehen auch noch auf meiner Wunschliste.

      Viele Grüße aus dem Fenouillèdes in den Ostpyrenäen! Hilke Maunder

    2. Hallo Frau Gerda Hufler-Storz, bin hier auf Ihren Namen gestoßen – herrliche Landschaft!!
      Suche aber etwas ganz anderes, nämlich meine Schulkameradin Ingrid Müller-Welt. Falls Sie aus Backnang sind,
      Geben Sie bitte Ingrid meine Mail-Adresse weiter. Wollte einfach mal wissen, wie es ihr geht.
      Sie müssten mich dann auch kennen, habe in der Sulzbacher Str. Und danach in der Königsberger Str. gewohnt
      Helga Lutz geb. Bohnert. 71522 Backnang, Winzergarten 18. TEL. 07191 85555
      Entschuldigen Sie die Email falls ich falsch bin. Danke und viele Grüße aus dem Schwobaländle

  2. Liebe Hilke,
    vielen Dank für die schönen Fotos aus dem Languedoc-Roussillon. Zwei Mal war ich für mehrere Wochen in Olargues und kann nur bestätigen, wie wunderschön es dort ist.
    Herzliche Grüße aus Köln
    Franz-Josef Cornelius

    1. Lieber Franz-Cornelius, danke! Ich war erstaunt und begeistert, wie schön es dort mitten im Winter im Januar sein kann. Das Licht und die Orte: eine einzige Wohltat! Herzliche Grüße & bonne et belle année! Hilke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert