La Guinelle: Essig unter freiem Himmel
Weit weg vom Badetrubel in Banyuls an der Côte Vermeille wachsen auf steinigen, steilen Hügeln im Vorland der Grenzberge zu Spanien weit verstreut Grenache-Reben. Inmitten der Rebgärten, die den Rohstoff für den roten Banyuls-Wein liefern, steht die Vinaigrerie La Guinelle.
Arrivée informiert ein Holzschild an einem Baum denjenigen, der auf schmalen Landstraßen die steilen Hänge der Purpurküste der Ostpyrenäen zu Frankreichs letzter Freiluft-Essig-Manufaktur hinaufgekurvt ist.
1999 wagte Nathalie Lefort mit der Essigfabrikation den Sprung in die Selbstständigkeit – und machte La Guinelle über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Im Frühjahr 2022 verkaufte sie an Chandra Brune.
Die Deutsch-Katalanin war als 19-Jährige zu Nathalie gekommen und hatte dort vor vielen Jahren das Handwerk von der Pike auf von Nathalie erlernt. Stolz und voller Ideen führt Chandra ihr Erbe fort. Bereits im ersten Jahr brachte die Nachfolgerin ihren ersten eigenen Essig auf den Markt: La Dame. Auf Youtube stellt France 3 die neue Essig-Zauberin von Port-Vendres vor.
Was die Luft zaubert
Ursprünglich wollte Nathalie nur für die Touristen ein wenig Essig herstellen und damit die Einkünfte aus dem Weinbau aufbessern, die kontinuierlich sanken. Heute ist La Guinelle die letzte Freiluftmanufaktur für Essig. Gearbeitet wird dort traditionell und, anders als bei anderen Essig-Machern, ohne Essigmutter.
Bei La Guinelle wird Essig ganz und gar bio mit doppelter Alkoholgärung und der essigsauren Gärung produziert. Den Rohstoff liefern Winzer wie die Domaine Claire Mayol oder die Genossenschaft Cave Coopérative Le Dominicain.
Essig der Sonne
Unter der warmen mediterranen Sonne altern die Essige bis zur perfekten Reifung. Als Nathalie 1999 mit der Essigproduktion begann, wartete sie zunächst 14 Monate vergeblich, dass sich etwas in ihrem ersten Barriquefass für Essig tun würde.
Erst nach einem Besuch in der Region rund um Orléans, die für ihre Essighersteller berühmt ist, wusste sie: Der Wein darf keinen Schwefel enthalten – sonst wird daraus kein Essig.
Die ersten Abfüllungen folgten, das erste Lob – und der Besuch von drei Küchenchefs aus Paris: Yves Camdeborde, Thierry Breton und Christian Etchebest öffneten den Essigen von La Guinelle die Türen zur Haute Cuisine.
40 Aromen für Entdecker
Heute reifen – hoch über der Bucht von Paulilles – in 40 Barriquefässern ihre Essige. Zum Sortiment gehören heute auch aromatisierte Sorten wie der Vinaigre de Banyuls mit Safran – und ein Banyuls-Essig mit Zimt und Nelken versetzt. 45.000 Marie-Jeanne-Glasballons mit ihren Essigen verlassen jährlich die Manufaktur. Ihre Säure beträgt sechs Prozent; ihr Alkoholgehalt ein bis zwei Promille.
Auch ein Aceto Balsamico gehört inzwischen zum Sortiment. Er ist ein perfekter Begleiter zu Käsesorten wie Comté oder Parmigiano.
Essig in Frankreich
Französischer Essig, im Französischen vinaigre genannt, ist berühmt für seine vielfältigen Geschmacksrichtungen.
Weinessig, oder vinaigre de vin, entsteht durch die Gärung von Wein. Daher gab es einst in allen großen Weinbaugebieten von Bordeaux bis Burgund auch immer eine Essigfabrikation. Alle Farben wurden verarbeitet: Rot-, Rosé- und Weißweine – und sogar Champagner!
Zu den bekanntesten Herstellern von Weinessig gehört neben La Guinelle die Vinaigerie Martin Pouret, die bereits seit 1797 Essig und verwandte Produkte wie Senf und Cornichons, kleine Gewürzgurken, herstellte. Auch die Huilerie Beaujolaise, die in erster Linie eine Ölmühle ist, stellt hervorragende Essige her.
Die Bretagne und die Normandie wie auch das Baskenland sind Hochburgen für Apfelessig, wo der vinaigre de cidre durch die Gärung von Apfelwein entsteht. Er hat einen ausgeprägten Fruchtgeschmack und besitzt eine deutlich mildere Säure.
La Guinelle
Essigfabrik
• Hameau de Cosprons, 66660 Port-Vendres, Tel. 04 68 98 01 76, nur werktags
Ladengeschäft
• 20, rue Saint-Sébastien, 66650 Banyuls-sur-Mer, Tel. 04 68 85 54 12, Di. – So. mittags
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