
Einen Schuhmacher gab es noch. Und eine Näherin. Damals, als Stéphane Bajenoff und Philippe Carrouché 2016 in Pontacq in den Pyrénées-Atlantiques eine fast hundertjährige Werkstatt übernommen hatte.
Drei Generationen hatte sie immer die selbe Familie geführt, ganz in der Nähe der einst vielen Gerbereien, die sich ab dem 16. Jahrhundert in der Nähe des Oussère und Barade angesiedelt hatten.

“Paradis-Pomiès” hieß jene Schuhmacherei, und sie lieferte Lederstiefel mit Nieten, die Hirten, Förster, Jäger und Bauern liebten. Und sogar die Pariser, die sie in edlen Kaufhäusern wie La Samaritaine und Le Bon Marché erwarben und stolz bei Spaziergängen im Bois du Boulogne trugen.

In den 1950er- und 1960er-Jahren sorgte der Sohn des Gründers für überregionale Schlagzeilen, als er für Rugbyspieler wie Pierre Lacaze Schuhe schusterte. Lacaze stammte aus dem Örtchen.

Doch mit der Konzentration und Globalisierung der Schuhindustrie liefen die Geschäfte immer schlechten. Anfang 2016 entschloss sich Joseph Paradis, die Werkstatt zu schließen. 50 Jahre lang hatte er in der Werkstatt gearbeitet. als Senior von 70 Jahren fehlte ihm die Kraft und das Know-How, die Werkstatt auf die neue Zeit auszurichten.

Das gelang zwei Unternehmern mit Marketing-Rüstzeug. Getragen von der Hipster-Welle und der Rückbesinnung auf lokale Werte, definierten sie das Schuhwerk aus Pontacq als Inbegriff des Bearn.
Am 1. April 2016 eröffnete Stéphane, der zuvor 16 Jahre für die Golf-Abteilung von Decathlon gearbeitet hatte, die alte Schuhwerkstatt als trendige Stiefelschmiede unter neuem Namen: Le Soulor.

Anderthalb Jahre später betrat Philippe, Sohn eines Bauern aus Pontarcq und Unternehmer im Ausland, neugierig den neuen Laden in seinem Heimat. Der Manager, der zuvor im Marketing in Malaysia und Singapur gearbeitet hatte, wurde Partner.

Per Crowdfunding beschaffte sich das Duo das Geld für neue Maschinen, intensivierte das Marketing und entwickelte erfolgreiche Werbekooperationen, die allen Beteiligten kaum Geld kostet, aber breite Wirkung zeigte.

So wie der Besuch von Bernard Monforte. Der Schauspieler und Leiter von Theatertruppen in Tarbes und Pau schlüpft bei der jährlichen Fête du Poule au Pot in Pau alljährlich in die Rolle von Heinrich IV, der den sonntäglichen Hühnereintopf für die Untertanen im Béarn zum Regierungsprogramm erhob.
An seinen Füßen trägt Henri XIV. jetzt Stiefel von Le Soulor. Was das kleine Unternehmen so erfolgreich macht, ist die Qualität seiner Produkte.

Bei Le Soulor sind es die Maschinen, die die inzwischen ein Dutzend Handwerker unterstützen, nicht umgekehrt. Ihre Erfahrung, ihr Können sind die Säulen des Betrieb, in dem viel noch Handarbeit ist.
Entwerfen, zuschneiden, nähen: Alles wird vor Ort erledigt, in der kleinen, engen Werkstatt, in der sich die Schuhmodelle aus Holz in den Regalen stapeln und die Luft nach Leder riecht.

Le Soulor fertigt neben Konfektionsware auch Maßschuhe an. Wer übergroße, extrabreite oder ultraschmale Füße hat, einen zu hohen Spann, Knick- oder Spreizfüße, schickt seinen Fußabdruck den Schuhmachern, die dann das Modell entsprechend anpassen.

Alle Materialen für die Schuhe sind 100% französisch. Das Leder liefern die Gerbereien Degermann aus Barr im Elsass und Remy Carriat aus Espelette im Baskenland. Norwegische Nähte sorgen dafür, dass sich das Leder, anders als bei geklebten Nähte, gut dem Fuss anpasst.

Jeden Tag kommt mit Aldo noch immer der einstige Inhaber vorbei und freut sich, dass die Schuhmacherei seines Großvaters neu belebt wurde. Und Aussteller bei der Messe MIFEXPO ist, die alljährlich im November die vielen Facetten von Made in France auf dem Pariser Messegelände in Paris vorstellt.

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Offenlegung
Ich entdeckte die Region Béarn auf einer individuellen Pressereise der Agence d’attractivité et de Développement Touristiques Béarn Pays Basque. Vor Ort unterstützten mich unglaublich kundige wie herzliche Mitarbeiter des Office de Tourisme, Geschäfte, Hotels und Restaurants, Ihnen allen sage ich merci und vielen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

Liebe Hilke Maunders,
wie alle Ihre Berichte ist auch dieser sehr informativ, weil gut recherchiert wurde. Allerdings hätte ich mir auch gewünscht, zu lesen, was denn solche handgefertigten Schuhe kosten, jedenfalls eine Größenordnung, ohne sich dem Verdacht des Merchandizing auszusetzen. Oder habe ich den Artikel nicht aufmerksam genug gelesen?
PS: Freue mich schon auf Ihren nächsten Beitrag.
Uih, Herr Haidt, wenn ich das mache, wäre es Werbung für ein Produkt. Mich interessierten Handwerk und rurale Renaissance, Produkt-PR finde ich gruselig. Daher habe auch alle vermieden, was wie “Verkaufe” aussieht. Die Schuhe sind Handarbeit und daher sicherlich teurer als Fabrikware vom Band, schauen Sie doch einfach mal in der E-Boutique des Schuhbetriebs: https://lesoulor1925.com/boutique. Beste Grüße, Hilke Maunder