Sonntagsvergnügen: der Marché Saint-Aubin in Toulouse. Foto: Hilke Maunder
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Die schönsten Märkte von Toulouse

Die Märkte von Toulouse sind Schlemmertempel des Südens und reinste Verführung. Hier könnt ihr das einzigartige savoir-vivre des Midi erleben und kosten. Voilà meine Lieblinge.

Der Marché Victor Hugo

Toulouse: Marché Victor Hugo. Foto: Hilke Maunder
Schinkenspezailitäten aus dem ganzen Land stapeln sich an den Ständen des Marché Victor Hugo. Foto: Hilke Maunder

Der Marché Victor Hugo ist seit 1896 der Bauch von Toulouse: ein Schlaraffenland des Südwestens. Im Erdgeschoss eines Parkhauses der 1970er-Jahre berauscht er die Sinne. Schwarze Trüffel aus dem Quercy, Foie Gras aus dem Gers, weiße Bohnen aus dem Lauragais für das traditionsreiche Cassoulet

Cassoulet aus Toulouse, gefunden im Marché Victor Hugo. Foto: Hilke Maunder
Cassoulet gibt es auch fertig in der Dose – oder im Glas. Foto: Hilke Maunder

Wurstwaren und köstliche Käsesorten stapeln sich dort. Das Marktcafé serviert schnelle Koffeinkicks, eine buvette schon am Morgen Weine aus dem Frontonnais. Einheimische und Touristen drängen sich durch die Gassen.

Toulouse: Die Käseauswahl in der Markthalle Victor Hugo. Foto: Hilke Maunder
Käse-Träume der zentralen Markthalle von Toulouse. Foto: Hilke Maunder

Doch nur die wenigsten öffnen an den Seiteneingängen des Marktes die Tür und steigen ein schmuddeliges Treppenhaus hinauf. Auch auf der Webseite, die den Markt vorstellt, fehlen jegliche Informationen zum Obergeschoss.

Der Eingang zum Treppenhaus des Marché Victor Hugo lässt kaum ahnen, welche Genüsse einen oben erwarten. Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zum Treppenhaus des Marché Victor Hugo lässt kaum ahnen, welche Genüsse einen oben erwarten. Foto: Hilke Maunder

Denn dort liegt das Mittagsparadies der Marktbeschicker. Nur wenige Einheimische kennen diese Schlemmeroase. Fünf Lokale servieren dort oben drinnen und draußen auf der schmalen Galerie an der Längsseite des Marktes authentische lokale Küche.

Die Küchenchefs bei der Zigarettenpause. Foto: Hilke Maunder
Die Küchenchefs bei der Zigarettenpause. Foto: Hilke Maunder

Den schönsten Blick – und Sonne aus Süden – gibt es gratis zum Cassoulet bei  Ginette, Martine und Emma, die seit 1985 im L’Impériale frische Marktküche servieren. Ihr Restaurant ist das vorderste der schmalen Brüstung. Chez Attila lockt dahinter mit Seafood und Meeresküche. Crevetten, Tintenfisch, loup de mer und Seeteufel wandern dort in die Fisch-Parrillada.

Paul Azoulay, Küchenchef des Magret, hat für den Toulouser Sterne- Koch Michel Sarran gearbeitet, der Stammgast auf dem Markt ist. Bei Azoulay kommt vor allem Ente auf den Teller.

Die Restauranttherrasse des <em>Impériale</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Restaurantterrasse des Impériale. Foto: Hilke Maunder

Fleischliebhaber zieht es zu Le Louchebem, wo Mathieu als maître restaurateur das Fleisch selbst zerlegt, ehe es in die saucisse de Toulouse wandert oder aus Entrecôte in der Pfanne brutzelt. Au Bon Graillou beendet die Gastrozeile mit Steak und Fisch vom Grill.
www.facebook.com

Der Marché des Carmes

Markt, Parkhaus und Büros: Das Frankreich der 1960er-Jahre liebte funktionelle Bauten. Sie galten als modern und zeitgemäß. So verschwand die gusseiserne Markthalle, die Joseph Galinier 1892 auf der Place des Carmes errichtet hatte. Ein gleiches Schicksal erlitt die alte Halle des Marché Victor Hugo in Toulouse.

Ursprünglich hatten auf dem Platz die Karmeliter ab dem 13. Jahrhundert ein Kloster betrieben. Als während der Revolution die Kirche, der Kreuzgang und andere Gebäude nationales Eigentum wurden, wollte die Stadtverwaltung dort einen Weizenmarkt einrichten.

Mehr als sechs Monate als ist der Camembert von <em>Chez Betty</emY im </em><em>Marché des Carmes</em>. Foto: Hilke Maunder
Mehr als sechs Monate alt ist der Camembert von Chez Betty im Marché des Carmes. Foto: Hilke Maunder

Doch das Projekt scheiterte. Die Gebäude wurden abgerissen. Nur drei monumentale Terrakottastatuen des Bildhauers Marc Arcis und Grabplatten des Klosters wurden gerettet und wanderten ins Musée des Augustins von Toulouse.

1813 bauten Händler Holzbaracken und machten die Freifläche in der Stadt zum Markt für Kräuter und mehr. Den Stadtvätern war das Treiben ein Dorn im Auge. Sie planten eine überdachte Markthalle, sauber und ordentlich.

1826 stellte Honoré Eudel (1777 – 1833) dem Stadtrat seine achteckige Halle vor. Als Material für das Gerüst empfahl er Eisen. Damit könne sich Toulouse profilieren, wurde doch Eisen damals nur selten für große Konstruktionen verwendet. Seine imposante Markthalle mit Turm stand bis 1963. Dann ersetzte das Architektenteam Candilis-Josic-Woods sie durch einen Bau in Beton.

Der Metzger des <em>Marché des Carmes</em>. Foto. Hilke Maunder
Der Metzger des Marché des Carmes. Foto. Hilke Maunder

Er stellt zwei geometrische Figuren gegenüber: einen Zylinder mit Markt und Parkhaus und ein Parallelepiped mit Büros auf sechs Stockwerken, das in seiner Form die Struktur von Kalkspat aufgreift. Als Schüler von Le Corbusier hatten die Architekten beim Bau der Cité Radieuse von Marseille mitgewirkt und waren zu Spezialisten für Großsiedlungen aufgestiegen.

Toulouse hatten sie zuvor schon mit der Trabantenstadt Le Mirail beglückt. Das Volk war weniger begeistert. Zur Eröffnung des Marché aux Carmes flogen den Verantwortlichen Tomaten an die Köpfe.
https://marche-des-carmes.fr

Der Marché Saint-Cyprien

Die Markthalle von Saint-Cyrien. Foto: Hilke Maunder
Die Markthalle von Saint-Cyprien. Foto: Hilke Maunder

An der rive gauche, auf dem Südufer der Garonne, findet ihr diesen kleinen, feinen Stadtteilmarkt in einer Markthalle mit einem einzigen Gang. Sie ist die einzige überdachte Markthalle in Toulouse, die ihren ursprünglichen Zustand bewahrt hat.

Diese Besonderheit verleiht dem Ort eine volkstümliche, gesellige Atmosphäre und sorgt für einen Charme, der an den spanischen Einfluss der Stadt erinnert.

Rund 30 Aussteller bieten eine große Auswahl an frischen Produkten an: Obst und Gemüse, Fleisch- und Wurstwaren, Käse, Fisch, Meeresfrüchte, Brot oder auch Stände mit Gewürzen und Oliven.

Cafés umgeben die Markthalle. Foto: Hilke Maunder
Cafés umgeben die Markthalle. Foto: Hilke Maunder

Auch am Montag, dem Ruhetag des Wochenmarktes, lohnt sich ein Besuch. Dann beherbergt die Markthalle den ganzen Tag über unter ihren Vordächern einen Büchermarkt.
www.facebook.com/MarcheSaintCyprien

Der Marché de Saint-Aubin

Amaretti könnt ihr hier kosten. Foto: Hilke Maunder
Amaretti könnt ihr hier kosten. Foto: Hilke Maunder

Amaretti sind in Italien kleine knusprige Plätzchen aus luftigem Eischnee, Zucker und gemahlenen Mandeln, die vor dem Backen mit Amaretto-Likör verfeinert werden. Auf dem Sonntagsmarkt von Saint-Aubin kommen sie als handflächengroße Küchlein daher.

Der Bäcker der Marché Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder
Der Bäcker des Marché Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder

Auf Holzkisten hat Vincent Bataille von der Biscuiterie & Pâtisserie Boudiou Frères aus Saix seine übergroßen Kekse in Körben aus Rohr gestapelt. Er reicht den Passanten Kostproben in vielen Geschmacksrichtungen entgegen: „Zitrone, Himbeere oder Orangenblüte, Pistazie, Vanille oder Kaffee, was möchten Sie probieren?“

Kosten, kaufen, klönen

Erst kosten, dann kaufen, das ist bei vielen Ständen des Marktes üblich, der jeden Sonntag die sonst so stillen Flächen um die Église Saint-Aubin erobert, in der Gotik, Romanik und neobyzantinische Einflüsse verschmelzen.

Der Gewürzhändler der Marché Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder
Der Gewürzhändler des Marché Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder

Obst und Gemüse, aber auch Wurstwaren, Käse, Brot, Gebäck, Schmuck, Keramik, Haushaltswaren und Blumen verkaufen die rund 50 Händler. Je nach Saison wechselt das Angebot, schwankt die Zahl der Stände. Doch immer sind das Fachsimpeln und Begutachten der Ware Teil der Zeremonie vor dem Zücken des Portemonnaies.

Toulouse, Marché Saint-Aubin. Foto: Hilke Maunder
Auch selbstgemachter Schmuck wird auf dem Markt von Saint-Aubin verkauft. Foto: Hilke Maunder

Zum Marktbummel gehört auch die Geselligkeit, ein Kaffee mit der Nachbarin, ein Gläschen mit Freunden. Gemeinsam mit den Marktbeschickern hocken sich die Toulouser auf die Stufen des streng wirkenden Gotteshauses, halten einen Schwatz, knabbern zum Wein vom mobilen Imbiss an der Biersalami oder stärken sich mit indischen Spezialitäten wie den Samosas-Teigtaschen oder pikanten Curries, ehe sie den Marktbesuch fortsetzen.

Und wieder kosten, ehe sie kaufen. Oder zuhören, wie mitten im Marktgewühl eine Frau Flöte spielt, ein Mann zur Gitarre singt oder ein Straßenkünstler Keulen jongliert. Früher war der Markt volkstümlich wie das Viertel. Heute ist er bio und die bobos, die Bohémiens-Bourgeois, haben sich unter die Arbeiter und Kleinbürger gemischt. Auch das Toulouser Viertel Saint-Aubin steckt im Sog der Gentrifizierung.
www.facebook.com/saintaubinmarche

Der Marché aux Livres

Auf dem Büchermarkt . Foto: Hilke Maunder
Auf dem Büchermarkt . Foto: Hilke Maunder

Einige sind mehr auf Philosophie spezialisiert, andere auf Geschichte, Comics aus aller Welt, alte Bücher oder Taschenbücher. Buchliebhaber finden fast an jedem Tag der Woche einen Freiluftmarkt in Toulouse. Der schönste bibliophile Stöbertreff ist der kleinste und neueste. Sieben Händler, jeder mit eigenem Profil, verwandeln seit Oktober 2017 jeden Freitag die Place Saint-Pierre in einen kleinen, feinen Büchermarkt unter freiem Himmel. Ebenfalls mit dabei ist ein Plattenladen mit CDs, DVDs und Vinylplatten.

Alle Händler sind auch auf dem berühmten Büchermarkt auf der Place Arnaud-Bernard anzutreffen. Schuld daran ist ein Schachzug der Stadtväter. Sie koppelten die Genehmigung für den Handel mit alten und neuen Büchern auf der Place Saint-Pierre an eine Präsenz auf der Place Arnaud Bertrand. Seit 1988 findet dort ebenfalls ein Büchermarkt statt. Seit einigen Jahren jedoch fühlen sich die Buchhändler an diesem Standort immer weniger wohl.

Die Probleme der Bouquinisten

„Eine Hauptursache war der Handel mit Zigaretten und Drogen. Es ist eine Schande, weil es eine schöne Nachbarschaft ist, die dort lebt. Es gibt Nachbarschaftsfestivals, aber Bücher haben dort Schwierigkeiten, ihren Platz zu finden“, sagt Aurélien Duchène, Präsident der Bouquinistes de Saint-Pierre.

Die Stadtväter begrüßen den Marché aux Livres auf der Place Saint-Pierre und in der nahen Rue Pargaminières. Er passt perfekt in das Quartiersentwicklungskonzept, das den Platanenplatz zu einem kulturellen Treffpunkt des Stadtteils ausbauen möchte.

Der Platz liegt auf der direkten Achse zwischen dem Capitole und der Garonne. Ihn umgeben die Gebäude der Universität Toulouse I, zahlreiche lycées und weitere Schulen und Hochschulen sowie Studentenwohnheime. Die Schüler und Studierenden sind Stammkunden der bouquinistes auf der Place Saint-Pierre. Ein weiterer Büchermarkt gastiert gelegentlich in der Rue du Taur.

Noch mehr Märkte

"Zum kleinen Paradies": Grün heißt meist auch bio in Toulouse. Foto: Hilke Maunder
„Zum kleinen Paradies“: Grün heißt meist auch bio in Toulouse. Foto: Hilke Maunder

Marché bio du Capitole

Der 1980 gegründete Biomarkt auf dem großen Platz vor der Stadtverwaltung gilt als ältester Biomarkt Frankreichs – und gehört zu den schönsten seiner Art im Land. Das Angebot ist sehr vielfältig. Es reicht von Geflügel und Käse über Honig bis hin zu Blumenhändlern mit Pflanzen und Setzlingen sowie Winzern. Er findet immer dienstags und samstags statt.
www.marchebiotoulouse.org/about

Marché de l’Étoile de Belfort

Im Matabiau-Viertel findet immer donnerstags von 16 – 21 Uhr dieser Nachtmarkt statt. Neben Obst und Gemüse, Honig und Marmelade, Gebäck und Brot ist der Markt  besonders für Fleisch und Käse bekannt. Für internationales Flair sorgt Street Food mit argentinischen Empanadas oder Samosas.

Marché Cristal

Ein wundervoller Morgenmarkt ist der Marché Cristal auf dem Boulevard Strasbourg im Stadtviertel Les Chalets nördlich des Stadtzentrums.

Karotten in bunter Vielfalt. Foto: Hilke Maunder
Karotten in bunter Vielfalt. Foto: Hilke Maunder

Brocante des Allées François Verdier

Von Freitag bis Sonntag verwandeln sich die Allées François Verdier in einen beliebten Flohmarkt. Neben einer großen Auswahl an Antiquitäten und Trödel zu gehobenen Preisen gibt es auch Mode, Schmuck, Kunst und , mit etwas Glück, das eine oder andere Schnäppchen.

Brocante des Allées François Verdier

Donnerstags und samstag morgens gastiert ein Produzentenmarkt im gleichnamigen Viertel.
www.facebook.com

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Im Blog

Ein Wochenende in … Toulouse

Im Buch

111 Orte Toulouse111 Orte: Toulouse

In der Reihe “111 Orte” des emons-Verlags habe ich so viele Kilometer durch Toulouse zu Fuß zurückgelegt, dass meine Lieblingsschuhe danach reif für die Tonne waren. Bei meinen Recherchen entdeckte ich viele Stätten, die unerwartet, überraschend, unbeachtet  – und einfach einzigartig sind.

Mein Stadtführer stellt sie vor. Er ist nicht nur auf Deutsch erhältlich, sondern auch in einer Ausgabe auf Französisch. Auf seinen 240 Seiten findet ihr 111 Orte und Adressen, die selbst eingefleischte Toulouse-Kenner vermutlich noch nicht kennen. Stadtperlen, zu denen keine Hinweisschilder führen. Kleinode, die noch ein kleines Geheimnis bergen.

Kapitale Bilderwelten im Rathaus, Gespensterhäuser, Schlösser des Grauens und lauschige Stätten mit Savoir-vivre und südlicher Lebenslust. Wer mag, kann die deutsche Fassung hier* bestellen, die französische Fassung hier*.

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