Olivenbaum. Foto: Hilke Maunder
| | | |

Frankreichs kleine Oliven-Kunde

So sehr ich Oliven auch liebe: Was da auf den französischen Märkten an verschiedenen Sorten und Zubereitungen die Sinne verführt, übersteigt alles, was ich bislang kannte. Und zu kennen glaubte. Besonders im Département Bouches-du-Rhône, der Nummer eins in Frankreich für Olivenöl.

985.000 Bäume wachsen dort in 107 Gemeinden auf 7.400 Hektar. 23 Mühlen oder Genossenschaften verarbeiten die Früchte zu 1000 Tonnen Öl. Zahlen, die jedes Museum dort stolz nennt. Und auch verrät, dass Franzosen durchschnittlich jedes Jahr 3,5 Liter Olivenöl verzehren.

Alljährlich im November beginnt in den Bouches-du-Rhône die Olivenernte. Wenig später folgen die Alpes-Maritimes und die Haute-Provence mit ihren olivades. Im Dezember schließlich beginnt die Ernte in der Drôme provençale, dem nördlichsten Oliven-Anbaugebiet.

Die alte Ölmühle von Nyons. Foto: Hilke Maunder
Die alte Ölmühle von Nyons. Foto: Hilke Maunder

Die schwarzen Perlen von Nyons

Rund 260.000 Olivenbäume der Sorte Tanche wachsen rund um Nyons. Rund 400 Tonnen Oliven werden dort jährlich – meist per Hand – geerntet. Und das bis in den Januar hinein, bei kühlen, mitunter frostigen Temperaturen. Das sorgt dafür, dass die Oliven hier überreif vom Baum fallen – und so für ein ganz besonderes Aroma sorgen.

Die großen Früchte werden für sechs Monate in eine Öl-Wasser-Lake eingelegt und danach zum Aperitif serviert. Nur aus den kleinen Oliven wird das kostbare Huile d’Olives de Nyons AOC hergestellt. Mehr zu den schwarzen Perlen aus Nyons erfahrt ihr hier

Ausgezeichnet: das Olivenöl von Nyons. Foto: Hilke Maunder
Ausgezeichnet: das Olivenöl von Nyons. Foto: Hilke Maunder

Vom Wein verdrängt

Erst im Januar beginnt bei uns im Tal des Agly die Olivenernte. Bis ins frühe 20. Jahrhundert war die Olive die vorherrschende Frucht. Doch kalte Winter und Krankheiten zerstörten die Haine. Nur wenige überlebten. Heute ist Wein dort das wirtschaftliche Standbein. Und die Olive die kleine, feine Frucht.

Ob in der Provence oder in Okzitanien, in der Drôme oder den Pyrénées-Orientales: Fast immer wird nicht maschinell geerntet. Sondern wie seit der Antike manuell oder mit einem Rechen, der die Oliven von den Zweigen streift. So fallen sie auf Tücher oder Netze, die am Boden liegen oder aufgespannt sind. Und längst ist Olive hier nicht Olive.

Die Oliven der Alpilles gehören zu den besten Frankreichs. Foto: Hilke Maunder
Die Oliven der Alpilles gehören zu den besten Frankreichs. Foto: Hilke Maunder

Große Sortenvielfalt

Fast 2.000 Ölbaum-Arten gibt es weltweit. Die meisten Sorten sind endemisch. Sie wachsen nur in einem mehr oder weniger großen Gebiet. Nur wenige Sorten haben es wegen ihrer Anpassungsfähigkeit geschafft, sich überregional zu verbreiten. Dazu gehören Picual, Hojiblanca und Arbequina. Große Früchte werden so genossen.

Drôme

Aus der Drôme kommt la perle noire, die schwarze, fleischige Tanche.

Alpes Maritimes

Ebenfalls dunkel ist die Olive Cailletier, die hauptsächlich in den Alpes Maritimes angebaut wird und der salade niçoise ihren Namen gibt. Und seinen Geschmack – sie ist sehr würzig und leicht nussig. Sie ist auch die einzige Olivenart, aus der das Öl AOP Olive de Nice gepresst werden darf. Nur 20 Tonnen beträgt die Jahresproduktion dieses weichen Olivenöls, das fast gar keine Schärfe oder bittere Noten besitzt.

Provence

Im Var  ist rund um Aups die grüne, fruchtige Bouteillan-Olive daheim, die dort auch als Redounan, Plant d’Aups und Plant de Salerne angebaut wird. In das Huile d’Olive de Provence AOP wandern die Olivensorten Salonenque, Aglandau, Bouteillan und Cayon. Es hat für mich den ursprünglichsten Geschmack, ist weder fruchtig noch bitter, sondern sehr ausgewogen.

Oliven-Ernte mit Netz. Foto: Hilke Maunder
In diesem Oliven-Hain erfolgt die Ernte mit Netz. Foto: Hilke Maunder

Bouches-du-Rhône

Sechs Sorten werden im Département Bouches-du-Rhône kultiviert – von der kleinen länglichen Picholine mit kräftig grüner, glatter Haut und festem Fleisch bis zur runden, fruchtig zarten Grossane, die schnell reift und mit Salz pikiert wird.

Die grüne, birnenförmige Salonenque mit ihrem typischen Wulst an den Seiten ist die Frucht für olives cassées, gebrochene Oliven. Typisch für die länglich zugespitzte, dunkelgrüne Lucques sind die Höcker an der Krümmung ihrer glatten Haut. Das Grün der Verdale zieren weiße Punkten.

Vorwiegend zur Ölherstellung wird die fruchtige Bérruguette genutzt, die in den Alpes de Haute-Provence, Var und Vaucluse auch Aglandou heißt. Ihr Olivenöl hat einen sehr intensiven Geschmack und nach den frischen Aromen von Apfel und Gras einen etwas würzigen, leicht bitteren Abgang. Die Jahresproduktion beträgt rund 60 Tonnen. Seit 1999 trägt es die geschützte Herkunftsbezeichnung AOP.

Okzitanien

Hauptsächlich im Languedoc-Roussillon gedeiht die Olivensorte Olivière. Sie landet meist in der Ölmühle, seltener als Frucht auf dem Tisch. Schade – denn auch sie ist sehr schmackhaft mit ihren frischen Aromen.

Typisch für die Olivensorte Olivière ist ihre kleine Spitze. Foto: Hilke Maunder
Typisch für die Olivensorte Olivière ist ihre kleine Spitze. Foto: Hilke Maunder

Die ersten Oliven des Jahres

Als erste Olive des Jahres wird die gebrochene Olive des Vallée des Baux für den Verzehr zubereitet. Dazu wird sie erst kalibriert, dann gebrochen. Was in der Fachsprache nichts anderes heißt, das sie mit Stöcken vom Baum geschlagen wird. Danach wird das  Fruchtfleisch mit einem Holzschlägel gebrochen, ohne den Kern zu beschädigen.

Danach wird die als AOP geschützte olive cassée für mehrere Monate in eine mit Fenchel, Dill, Zitrone, Anis und Meersalz gewürzte Lake  eingelegt, dann mehrmals mit frischem Wasser gespült. Die Bitterstoffe werden so ausgeschwemmt, das salzige Aroma bleibt dabei jedoch erhalten.

Zum Abschluss wird sie mit Knoblauch, und mitunter auch frischen Kräutern, verfeinert. Der große Nachteil der gebrochenen Olive: Sie ist ein Saisonprodukt. Und gibt es nur im September und Oktober.

In der Altstadt von Nyons entdeckt: diese Haustür eines kleinen Produzenten von Olivenöl. Charmant! Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Nyons entdeckt: diese Haustür eines kleinen Produzenten von Olivenöl. Charmant! Foto: Hilke Maunder

Ganz besondere Oliven

Seit Jahrhunderten ein Klassiker sind die Olives à la Picholine. Dazu werden die Picholine-Oliven erst mehrere Tage  in eine Holzaschepaste gepackt, ehe man sie in Wasser einweicht und in einer Salzlake haltbar macht. So halten sie sie zwar bis Ostern, müssen aber vor dem Genuss abgespült werden.

Ebenfalls ein Klassiker sind die Olives à la Grecque. Ihr Name weckt falsche Assoziationen. Auch diese Oliven stammen aus Südfrankreich (oder Marokko), aber nicht aus Griechenland. Typisch für diese schwarzen Früchte ist ihr schrumpeliges Aussehen.

Damit die schwarzen Oliven so faltig werden, werden sie sofort nach der Ernte mehrfach eingestochen, gesalzen und trocken vergoren. Das entzieht den Früchten das Wasser – und konzentriert die Aromen. Sie passen so perfekt zum Aperitif!

Auf dem Markt von Annecy entdeckt: Picholine-Oliven. Foto: Hilke Maunder
Auf dem Markt von Annecy entdeckt: Picholine-Oliven. Foto: Hilke Maunder

Jahrelang haltbar dank Salz

Ebenfalls gründlich gespült werden vor dem Essen müssen schwarze Oliven in Salzlake. Die schönsten glatten Früchte kommen dafür in ein Gefäß aus Glas oder Sandstein, wo sie vier bis fünf Monate in einer zehnprozentigen Salzlake reifen, die mit einem Strauß Lorbeerblätter parfümiert wird. So halten sie sich jahrelang. Unter Wasser gespült, werden sie mit etwas Olivenöl und einer zerkleinerten Knoblauchzehe auf einem Lorbeerblatt serviert.

Narbonne: Olivenparadies - der Stand von Gaillard in der Markthalle. Foto: Hilke Maunder
Narbonne: Olivenparadies – der Stand von Gaillard in der Markthalle. Foto: Hilke Maunder

Spülen & schütteln

Für pikierte Oliven (olives piquées) nimmt man schwarze Oliven, die bereits runzelig werden und sticht sie mit Nadeln an. Danach wendet man sie in einem Gefäß mit feinem Salz, bis sie rundum mit Salz gespickt sind und hängt sie in einem luftigen Korb zwischen die Fensterscheiben und Fensterläden, wo sie zwei bis drei Tage trocknen. Diese Oliven dürft ihr keinesfalls spülen – schüttelt nur das Salz ab.

Oliven in der Küche

Wie werden Oliven richtig verwendet? Das ist für Franzosen ein Glaubenfrage, die je nach Region und Sorte anders beantwortet ist. Wichtig ist: Nicht jede Sorte eignet sich zum Kochen und Braten. Manche Öle vertragen keine Hitze und sollten daher nur zum Aromatisieren von Salat und Rohkost oder in Dips verwendet werden.

Marseille, Noailles. Auf welche Oliven habt ihr Appetit? Foto: Hilke Maunder
Auf welche Oliven habt ihr Appetit? Foto: Hilke Maunder

Natives Olivenöl könnt ihr in der Küche zum Garen und Dünsten, Backen und Braten nach Herzenslust verwenden, wenn ihr euch an eine goldene Regel haltet: niemals über 180 °Celsius. Dann könnt ihr sicher sein, dass das native Olivenöl keine chemischen Veränderungen zeigt. Ohnehin schmeckt langsam gegartes Essen köstlicher, da sich die Aromen besser entfalten können.

Oliven: salzig… oder süß?

Neugierig? Dann kostet diese Oliven bei der Fête des Olives Piquées im Dezember in Nyons, der Olivenhauptstadt der Drôme. Bereits im Oktober feiert Marseille ein Olivenfest, Anfang des Monats auch Ollioules im Var.

Dort wird per Hand mit dem Mörser eine kulinarische Spezialität hergestellt, die ihr vielleicht schon einmal gekostet habt. Oliven, Sardellen und Kapern werden dazu fein zerkleinert und mit Senf und Olivenöl fein vermischt. Dann wird die Paste auf ein frisch getoastetes Scheibchen Baguette gestrichen: köstliche Tapenade, perfekt zum kühlen Rosé!

Ihr wollt lieber naschen? Wie gut, dass es seit 1980 auch süße Oliven gibt – aus Saint-Chamas. In der Heimat der Picholine erfand ein Zuckerbäcker die süße Version der Olive, und schuf sie aus Marzipan, weiße Schokolader und Pistazien….

La Milhauque: Gérard Barbouteau bereitet den Apéro vor. Foto: Hilke Maunder
Gérard Barbouteau bereitet den Apéro vor – natürlich mit schwarzer Tapenade auf krossem Baguette. Foto: Hilke Maunder

Oliven: meine Rezepte

Oliven einlegen

Ganz begeistert von der Olivenpracht, pflückte ich eine Olive und steckte sie in den Mund. Das war keine angenehme Überraschung! Bitter und hart schmeckte die Frucht. Schnell merkte ich: Oliven vom Baum essen? Das vertragen nur ganz hartgesottene Zeitgenossen.

Zutaten (für 1 kg schwarze Oliven)

  • 4 l Wasser
  • 400 g Salz ( = 100g Salz pro 1l Wasser)
  • 1 Thymian-Zweig
  • 3 Lorbeerblätter
  • 1 Fenchelblüte
  • eine Prise Koriander

Zubereitung

  • Die Oliven vorsichtig mit der Hand ernten, ohne dass sie zerstört werden (Sauerstoff lässt Oliven oxidieren), säubern und nach Größe kalibrieren.
  • Es empfiehlt es sich, die Oliven vor dem Einlegen zu ritzen oder leicht einzuschneiden. Durch das Anritzen der Schale (meistens längs und nur bis zum Stein, typischerweise 2–4 Schnitte pro Olive) verlieren die Früchte ihre Bitterstoffe deutlich schneller beim Wässern. Auch dringen die Aromen der Gewürze besser in die Frucht ein.
  • Die frisch gepflückten Oliven mit Kern 10-12 Tage in kaltem Wasser ruhen lassen, das Wasser dabei täglich umrühren.
  • Für die Lake Wasser und Salz 15 Minuten lang kochen lassen, Kräuter und Gewürz hinzugeben und vollständig abkühlen lassen
  • Erst dann in ein großes Weckglas oder einen anderen verschließbaren Behälter die Lake einfüllen und die Oliven hinzugeben. Sie müssen vollständig von Lake bedeckt sein. Die Lake sollte bis 2 cm unter den Deckel reichen. Verschließen und zwei bis drei Wochen ziehen lassen.
aix & terra: Marina Alibert bei der Herstellung von ihren Dips und Tapenaden. Foto: Hilke Maunder
Marina Alibert bei der Herstellung von schwarzer Tapenade. Foto: Hilke Maunder

Schwarze Tapenade

Zutaten

  • 200 g Fruchtfleisch schwarzer Oliven
  • 100 g Sardellenfilets
  • 200 g Kapern
  • 2 Deziliter feines Olivenöl

Zubereitung

  • Kapern heißen auf Provenzalisch tapéno – sie haben der Olivenpaste ihren Namen gegeben.
  • Zerkleinert alles, drückt alles durch ein Sieb und arbeitet mit dem Rührstab oder Schneebesen Olivenöl, Gewürze, Pfeffer und ein oder zwei kleine Gläschen Cognac ein.
  • In einem geschlossenen Glas hält sich die Tapenade einige Wochen. Köstlich schmeckt es auch, wenn ihr der Tapenade marinierten Thunfisch und einen Esslöffel Senf hinzufügt.
Mehrere Jahrhunderte alt ist dieser Olivenbaum am Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder
Mehrere Jahrhunderte alt ist dieser Olivenbaum am Pont du Gard. Foto: Hilke Maunder

Hintergrund

Olivenöl aus Frankreich: die geschützten Ursprungsbezeichnungen

Huile d’olive d’Aix-en-Provence g.U.
• Huile d’olive de Corse – Oliu di Corsica g.U.
• Huile d’olive de Haute-Provence g.U.
• Huile d’olive de Nice g.U.
• Huile d’olive de Nîmes g.U.
• Huile d’olive de Nyons g.U.
• Huile d’olive de Provence g.U.
• Huile d’olive de la Vallée des-Baux-de-Provence g.U.

Frankreichs Olivenöl-Produktion

• 8 Olivenöle mit g.U.
• 6 Oliven mit g.U.
• 1 Olivenpaste mit g.U.
• 1.312.000 Olivenbäume
• 3.150 Produzenten
•  mehr als 80 Ölmühlen

Zutritt nur für Mönche: der Olivenhain von Saint-Honorat. Foto: Hilke Maunder
Zutritt nur für Mönche: der Olivenhain von Saint-Honorat. Foto: Hilke Maunder

Weiterlesen

Im Blog

Im Luberon durfte ich hautnah hinter die Kulissen der Olivenölherstellung blicken und lernte mit Carine und Roland zwei Menschen kennen, die mit der Mühle ihren Lebenstraum leben. Klickt mal hier!

Im Buch

Hilke Maunder, Le Midi*

Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportraits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

 * Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !