
Vor pastellfarbenen Sommervillen leuchten blau-weiße Badekabinen. Dahinter: ein breiter Strand und ein bewegtes Meer. Mal funkelt es silbrig. Dann changiert seine Farbe von irisierendem Blau zum mystischen Grün.

Genauso dieses Farbenspiel inspirierte den Maler Edouard Lévêque 1911 zum Namen Côte Opale für den 140 km langen Küstenstreifen zwischen Calais und der Authie-Mündung.

Die Kreideküste von Calais
Die weiße Kreideküste von Dover lernte jedes Schulkind spätestens im Lehrbuch Learning English bei einem Text kennen, der seit den 1960er-Jahren dort zu finden ist: 1066. William the Conqueror!
Dass es auf der anderen Seite des Ärmelkanals ein ebenso beeindruckendes französisches Pendant zu findet ist, wird mit keinem Wort erwähnt.

Auch nicht im Schulbuch Études Françaises, in dem Monsieur und Madame Leroc Land und Leute den Deutschen näher bringen. Sie reisen ans Mittelmeer, wandern durch die Alpen, entdecken Paris – aber die Opalküste kennen sie nicht.

Und so ist die Küste von Berck-sur-Mer bis Calais zwar Belgiern und Holländern gut bekannt. Deutsche findet man meist nur vereinzelt als Wohnmobilisten oder auf der Durchreise nach England.

Calais ist rund um die Uhr das Sprungbrett zur Insel. Fort, denkt da die Karawane am Kai. Ein Fehler, finde ich.

Fischerdörfer & Badeorte
Denn die Opalküste ist eine Naturküste, die Freiheit und Weite atmet. Sie bläst Stress mit jodhaltiger Frische weg, und empfängt euch in stilvollen Badeorten und authentischen Fischerstädtchen mit offenen Armen.

International und elegant wie Le Touquet, von bunten Badehäuschen gesäumt wie Malo-les-Bains bei Dunkerque. Oder familienfreundlich wie Wimereux, wo die Fischer mit offenen flobarts Plattfische und Krabben fangen.

Wilde Klippen & weite Strände
Immer wieder unterbrechen Dünen und kleine Flussmündungen die Klippen, Kaps und Strände. 145 m hoch reckt das Cap Blanc-Nez seine Kreidenase in den Ärmelkanal.
Stolz schaut es auf seine kleine Schwester Gris-Nez herab, von deren Spitze ein Leuchtturm Schiffe den Weg durch die viel befahrene Seestraße weist. Gemeinsam bilden sie als Les Deux Caps seit mehr zehn Jahren einen Grand Site de France.

In Wimereux säumen große Kiesel den Strand. Wuchtig brandet das Meer gegen den Schutzwall aus Beton, auf dem die Strandpromenade La Digue verläuft.
Oder lauft vorbei an den Dünen von Slack nach Ambleteuse mit seinem wehrhaften Fort an der Wasserkante! Mit den Gezeiten wechselt das Licht, weicht sanfter Seenebel goldgelben Sonnenstrahlen.

Morgens lässt die Sonne die Kreideküste leuchten. Abends verabschiedet sich der Tag mit einem Sonnenuntergang vor der Britannien, das schemenhaft sich am Horizont abzeichnet. Auf der Strandpromenade wird der Aperitif serviert.

Sightjogging oder Strandsegeln?
Wer das Meer in all seinen Facetten liebt und gerne aktiv ist, findet an der Opalküste ein schier grenzenloses Terrain.
Im Laufschritt geht’s beim Sightjogging durch Badeorte wie Le Touquet, beim Trail de la Côte d’Opale durch eine Naturküste mit Klippen, Kaps und sanften Dünen.

Die breiten, weiten Strände begeistern Strandsegler und Sonnenanbeter, die beste Brandung Segler, Katamaran- und Kitesurfer – wie’s gelingt, verrät Marc Hocquet im Kite Camp. Direkt vom Bett geht’s ab aufs Brett! In Merlimont stellen sich die Stand-Up-Paddler aufs Board und gleiten stehend durch das Meer.

Walking mit Paddel
Bei der Ganzkörperfitness Longe Côte, 2005 an der Opalküste erfunden wurde, wird auf Sentiers Bleu-Wasserwanderwegen mit oder ohne Paddel im brusttiefen Meer marschiert. Besonders nachts, wenn Mond und Sterne leuchten, oder beim Tanz der Winterflocken ein unvergessliches Erlebnis!

So wie Ausritte am Strand oder durch das grüne Hinterland, wo Golfplätze wie der Green von Wimereux locken, seit 1901 ein veritabler Links Course.
Und der Parcours des Pins von Hardelot, der wie der Parcours de la Mer zu den Top 100-Plätzen Europas gehört.

Vom Cap Blanc-Nez segeln Gleitschirmflieger im Küstenwind bis zu 100 Kilometer pro Stunde schnell über weites Land und offenes Meer.
In Berck-sur-Mer tummeln sich Hunderte bunter Drachen beim alljährlichen Festival Rencontres Internationales de Cerfs Volants (April) am hohen Himmel. Alles zu sportlich? Dann lasst euch in den Spas der Opalküste mit Thalasso, Massagen und mehr ganz entspannen verwöhnen!

Fisch satt
In Boulogne-sur-Mer liegt Frankreichs größte Fischereiflotte am Kai. Fangfrisch serviert Sternekoch Tony Lestienne im La Matelote ihren Fang. Was noch alles in den Ozeanen tummelt, verrät das nationale Meereszentrum Nausicaá, das mit 36.000 Tieren in über 40 Becken zu größten Aquarien Europas gehört. Hier habe ich es im Blog vorgestellt.

Der Brotfisch der Küste ist der Hering. Viele Jahrhunderte sicherte er das Überleben der ärmeren Bevölkerungsgruppen. Zu Hungerszeiten wurde er so hoch gehandelt, dass er sogar als Zahlungsmittel diente.

Die Hochsaison für den silbrig schimmernden Fisch beginnt im November, wenn er in Boulogne-sur-Mer und Étaples-sur-Mer massenhaft in die Netze der Hochseefischer wandert. 35.000 Tonnen sind es jedes Jahr, begrenzt durch die Fangquoten der EU.
Mit zwei großen Volksfesten wird der Hering bis heute in Boulogne und Étaples im November groß gefeiert. Gegrillt oder geräuchert, zu Kaffee oder Glühwein, kommt der Hering im Hafen auf den Tisch, begleitet von Seemannsgesang und Markttreiben.
Stände unterhalten mit traditionellen Gesellschaftsspielen, alten Berufen und maritimem Vermächtnis.
Auf den Ruinen einer mittelalterlichen Kirche ließ im 19. Jahrhundert Abt Haffreingue die Notre-Dame-Basilika in Boulogne-sur-Mer errichten. Und befall, sämtlichen Bauschutt zu entfernen. Was er dabei entdeckte: eine Kaverne, 100 m lange, mit Nebenräumen, Fresken und Säulen aus römischer
Zeit! Jahrelang restauriert, zeigt die längste Krypta Frankreichs heute Schätze sakraler Kunst und weltliches Erbe: Kanonenkugeln und goldene Kronen, eine Emaillereliquie mit dem Blut Christi – und eine schwarze Madonna im weißen Gewand. Im Jahr 636 soll sie, stehend im Boot, einen Engelschor nach Boulogne geleitet haben.

Im Hinterland der Opalküste
Mit jeder Tide wechselt die Opalküste ihr Antlitz. Rollt die Flut heran, taucht Seenebel das sanft gewellte Land in einen feinen Schleier, verschwinden die alten granitenen Hofanlagen, die Steinmäuerchen, Felskaps und Fischteiche im Dunst. Bei Ebbe reißt der Himmel auf. Am Horizont funkelt la Manche, der Ärmelkanal.
„Ich brauche den weiten Blick, die Freiheit ringsum, diese Weite“, sagte Jean-Pierre Larive und streckt seine Arme aus, als wolle er das Land umfassen. Jean-Pierre lebt in Bazinghen, einem Bauerndorf im Hinterland der Opalküste. Durch die Arbeit an den Ärmelkanal kam Jean-Pierre in die Region und baute als Elektroingenieur am Eurotunnel mit.

Stolz hängt ein Großfoto des Bauprojektes, das seit 1993 Britannien mit Frankreich verbindet, in seiner Werkstatt. Seit ein paar Jahren Rentner, holt er sich mit dem charmanten Chambre d’hôte Les Collines de la Mer die Welt ins Haus.
Bazinghen liegt hoch über dem Tal der Slack. Eine markante Kirchturmspitze prägt das Örtchen. In seinem Herzen finden ihr den Estaminet Le Saint-Eloi . Véronique und Christophe Thomas, ein Paar aus Montreuillois, servieren dort auch ein ganz typisches Gericht aus Nordfrankreich. Dazu gehört auch der Potjevlesch, eine Art Sülze mit drei bis vier hellen Fleischsorten in Weißwein. Unbedingt probieren!

Opalküste: meine Reise-Infos
Les Collines de la Mer
• 244, rue de l’Église, F – 62250 Bazinghen, Tel. 03 21 91 59 47, www.chambresdhotes.org/Detailed/58378.html

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Ich war 2018 eingeladen nach Stella-Plage.. eine wunderschöne und ruhige Gegend, ideal für Entspannung und lange Spaziergänge
Danke für den Tipp, Dirk!
Die Region kommt auf jeden Fall mit auf die Wunschliste!
Bei mir war es anders rum: Ich kannte Wissant und die Opalküste bevor ich andere Teile Frankreichs entdeckte. 🙂
Hallo Jörg, schön! Ich bin immer noch am Entdecken… :-)). Schönen Sonntagabend! Hilke
schoene Fotos!
Danke Yves, ich fotografiere leidenschaftlich gerne!