Opoul-Périllos: Grenzfeste & Geisterdorf
Am Rande der Garrigue duckt sich Opoul-Périllos unter der wachsamen Ruine des Château de Salveterra, einer ehemaligen Grenzfeste zwischen Frankreich und Aragón. Opoul hat die Nähe zu Perpignan zu einem beliebten Wohngebiet für Pendler gemacht. Das einst blühende Weindorf Périllos, jahrzehntelang ein Geisterdorf, erwacht heute langsam zu neuem Leben und bewahrt behutsame seine Geschichten und Geheimnisse zwischen zerfallenen Mauern, wilden Kräutern und dem Wind, der über die Corbières pfeift.
Schmal ist die Straße. Ein Asphaltband mit Schlaglöchern. In hellem Grau zieht sie sich zwischen kalkig ausgemergelten Bergen durch die Garrigue. Weit ist die Landschaft, durchsetzt von Fels. Auch im Winter ist der Himmel blau, das Licht hart.
Bei jeder Kurve habe ich Angst, dass mir ein anderes Fahrzeug entgegen kommt. Dann würde ich wieder ein halsbrecherisches Manöver machen müssen, um ihm auszuweichen. Doch es ist Sonntag, Mittagszeit. Und die Franzosen sitzen vermutlich mit der Familie zu Tisch. Und fahren nicht bei eisigem Wind und Minusgraden durch die Corbières.
Weites, wildes Bergland
Einsam ist das Land, ein wilder Westen im Süden von Frankreich. Längst haben sich die Weingärten von Vingrau und Opoul verabschiedet. In eisigen Böen peitscht die Tramontane über das Land.
Rosmarin und Buchsbaum hat sie windschnittig verformt. Auch die Kiefern und die knorrigen Olivenbäume sind windgebeutelte Veteranen. Einzig den Zedern scheint der Sturm nichts anzuhaben. Groß und mächtig erheben sich sich aus dem Boden; Wächter der Natur vor den Schneespitzen der Pyrenäen, die in der Ferne eisig funkeln.
Die Burg von Opoul
Dann ragt, einem Tafelberg gleich, ein Plateau 400 m hoch schroff und steil in den Himmel. Es wird bekrönt von der Ruine einer Burg, die einst ein ganzes Dorf hinter seinen wehrhaften Mauern barg: das Château de Salveterra.
Jakob I. von Aragonien ließ die wehrhafte Burg, im Katalanischen auch Castell d’Òpol genannt, im dreizehnten Jahrhundert an der Grenze zwischen dem Königreich Frankreich und dem Königreich Aragón erbauen.
Die Straße windet sich hinauf. Immer atemberaubender werden die Ausblicke. Vom unbefestigten, geräumigen Parkplatz am linken Straßenrand führen mehrere Wanderwege in 15-30 Minuten hinauf zur Burg.

Oben pfeift der Wind noch mehr. Doch die Aussicht ist grandios. Gen Süden dominieren der Canigou und das Massif du Madrès die Bergkette der Pyrenäen. Im Südosten gehen die Berge über in die Ausläufer der Albères, die sich ins Mittelmeer stürzen.
Der Blick wandert über die weite Schwemmlandebene des Roussillon zu den Lagunenseen von Saint-Cyprien und Leucate-Salses im Osten.
Ihr blickt dann gen Norden auf den Montouillé de Périllos der Corbières. Gen Westen thront auf den Bergkegeln der Corbières der Turm von Tautavel. Ganz in der Ferne folgen dann die ersten Katharerburgen.
Auf der nördlichsten Spitze des Départements erlebt ihr die gesamten Pyrénées-Orientales als 360-Grad-Rundblick!

Dorf und Burg sind heute eindrucksvolle Ruinen inmitten von Buchs, hohen Gräsern und der Steinblume, die zart in Lila und Pink hier blüht.

Im Süden des Plateaus sind die Reste der Burg noch am besten erhalten. Sie bestehen aus einer durch einen Graben geschützten Einfriedung, mehreren gewölbten Räumen, Teilen eines überdachten Weges mit Zinnen und Schießscharten, zwei Zisternen und Überresten eines Turmes, an dem noch die Maschikulis zu sehen sind, durch die heißes Wasser oder Öl auf etwaige Angreifer gegossen werden konnten.
Kleinod am Ende der Straße
Die Straße zur Burg endet an einem Dorf, das als village ruiné in den Karten eingetragen ist. „Das ist so nicht ganz korrekt“, sagt ein bärtiger Franzose mit Strickmütze in Karibikfarben. Er hat seinen Transporter vor einem Natursteinhaus geparkt – und lädt mit seiner Freundin Zementsäcke aus.
„Wir haben das Dorf nie ganz aufgegeben. Ganzjährig lebt niemand mehr hier in Périllos. Aber um die Häuser hier kümmern sich doch immer einige“, erzählt er.
Ganz zaghaft beginnt Périllos (Perellós) wieder zu leben. Hinter der ruralen Renaissance, die 2006 begann, steht der Verein Terre de Pierre. Im Sommer bewirtschaften seine Mitglieder dort einen Gemüsegarten.
Sie laden zu Skulptur-Workshops oder oder zu Apérillos (Aperitifs) in der Buvette Le Lézard, die dann ihre Tische vor dem l’Oustal, dem Hauptplatz des Dorfes aufstellt.
800 Jahre Geschichte
Doch jetzt ist es Winter, und Périllos erinnert an eine schlafende Schönheit. Historische Dokumente erwähnen es erstmals im Jahr 1215. In jener Zeit errichtete die Familie von Périllos dort eine Burg, die ab dem 13. Jahrhundert als Vorposten für das Château de Salvaterra diente.
1391 stieg das Lehen von Périllos zur Vizegrafschaft auf. Ramon de Périllos wurde Gouverneur von Roussillon, aber auch von Cerdanya, Conflent und Vallespir. Er erbte auch den Titel eines Marschalls von Aragon und Sizilien. Ein paar Jahre später wurde ein anderer Ramon de Périllos Großmeister der Malteserritter.
Das Geschlecht der Périllos endete im 15. Jahrhundert. Eleonora de Perellós starb ohne Erben. Ihr gesamter Besitz ging an ihren Neffen, Bernat-Beranger de Perapertusa. Unter Ludwig XIV. fiel die Vizegrafschaft bis zur Französischen Revolution an den Grafen von Durban-Corbières zurück.

Kriege und Läuse
Eine lange Reihe von Katastrophen führte schließlich zum Niedergang des Dorfes. Die Reblaus vernichtete die wenigen Weinstöcke, die jahrhundertelang für ein karges Auskommen gesorgt hatten. Die Kindersterblichkeit stieg. Der Erste Weltkrieg holte die Männer aus dem Dorf, in dem 1916 das letzte Kind geboren wurde.
Als sie nicht mehr zurückkehrten, die Frauen Witwen wurden, kehrten sie dem Dorf den Rücken und gingen ins zehn Kilometer entfernte Opoul. Dort war das Leben schon damals einfacher, das Klima freundlicher, das Auskommen besser.
Heute wachsen dort kantige Eigenheime aus dem kargen Boden: protzige Anwesen, umgeben von hohen Mauern, gesichert mit Kameras.
Der Zweite Weltkrieg dezimierte die Bevölkerungszahl auf zwölf. 1968 lebten nur vier Menschen im Dorf. Um 1970 verließ mit dem staatlichen Schafhirten, der ebenfalls nach Opoul zog, der letzte ständige Bewohner das Dorf. 1971 wurde Périllos als verlassenes Geisterdorf administrativ Opoul zugeschlagen.
Die rurale Renaissance
Heute ist Périllos ein Dorf im Wiederaufbau. Rund um die Kirche Saint-Michel sind die Häuser inzwischen wieder recht gut erhalten. Auch die Hauptstraße ist saniert.
Der Friedhof erinnert mit Eisenkreuzen an 15 Familien, die hinter der Kapelle oftmals namenslos ihre letzte Ruhestätte fanden. Jetzt zieht hier und da wieder Leben ein in Périllos.
„Seien Sie willkommen, in der Gemeinde, die unseren Vorfahren so teuer war, und denen wir über ihr Grab hinaus Respekt zollen. Wir fordern Sie auf, das zu respektieren, was von der Gemeinde übrig geblieben ist!“
Darum bittet eine Inschrift auf einem der ersten Häuser, die jeder Besucher von Périllos als erstes erblickt. „Seien Sie vorsichtig, die Mauern haben Augen und die Fenster Ohren“.
Périllos: meine Reisetipps
Essen und Trinken
Buvette Le Lézard
Juni bis September
Nicht verpassen
Chapelle Sainte-Barbe (Església de Santa Barbara)
Die kleine Kapelle erhebt sich direkt an der Stichstraße nach Périllos in der Garrigue.
La Caune de Périllos
Das Trou La Caune ist eine fast kreisrunde Höhle mit einem Durchmesser von rund 50 Metern und einer Höhe von 15 Metern. Ein Teil des Gewölbes ist eingestürzt und hat eine Allee gebildet, durch die Tageslicht flutet und die „Lochhöhle“ erhellt.
Montoullié de Périllou
Der Gipfel an der Südflanke des Dorfes Périllos markiert den nördlichsten Punkt des Départements Pyrénées-Orientales und des gesamten katalanischen Landes.
Auf seinem Gipfel könnt ihr vom Dorf aus ein Wetterradar sehen. Es gehört zu den 18 regionalen französischen Radaren, die zur Überwachung von Bränden und Stürmen aufgestellt wurden und jeweils einen Radius von 100 bis 200 Quadratkilometern abdecken.
Wacholder im Weinberg
Der Walcholderbaum im Weinberg von Opoul-Périllos erhielt vom Verband A.R.B.R.E.S. die Auszeichnung als bemerkenswerter Baum Frankreichs. Er ist 17 Jahrhunderte alt und hat einen Umfang von 4,40 Metern. Landesweit tragen rund 350 Bäume diese Auszeichnung, davon sechs in den Pyrénées-Orientales.
Constellation-Stele
Am 11. Januar 1963 kollidierte eine in Toulouse-Francazal stationierte Lockhead L 749 A Constellation des E.A.R.S. (Air Search and Rescue Squadron) bei einem Ausbildungsflug mit dem Mont Plat. Das Flugzeug wartete nach einer Übung vor dem Cap Béar auf einen Höhenwechsel und flog über die Corbières nördlich von Perpignan.
Ein dichter Nebel hüllte an jenem Tag das Massiv ein. Die Constellation explodierte mit einem höllischen Lärm. Die Erde verkohlte. Die Triebwerke und Teile des Rumpfes fanden die Rettungskräfte verstreut im Umkreis von dreihundert Metern. Keiner der zwölf Menschen an Bord überlebte diesen Absturz. Heute erinnert ein Stele an diesen tragischen Tag.
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