Jedem, der den Veilchenkahn betritt, werden Veilchenbonbons zum Probieren angeboten. Foto: Hilke Maunder

Die Veilchen von Toulouse

Veilchen, kleine Tochter und Schmuck von Toulouse,
komm und hülle mich in deinen Duft.
Südwinde streicheln dich und die, die ich am meisten liebe
kann mich nicht mehr verzaubern als dein frisches, sanftes Wesen.

Aus einem Veilchenlied von Pierre Goudouli

In Toulouse blühen im Frühling lauter lila Blüten. Jedes Jahr im Februar feierte die südfranzösische Metropole auf der Place du Capitole seine Fête de la Violette. Die berühmten Veilchen werden seit mehr als 150 Jahren an der Garonne kultiviert und auf fast allen Toulouser Märkten angeboten – als Topfpflanze, kugelige Bouquets oder kandiert.

Wie das Veilchen nach Toulouse kam

Veilchen sind schon seit der Antike bekannt. Bereits die Griechen, aber auch die Römer, wussten um seine Heilkräfte. Im Mittelalter diente es als Zierpflanze, wurde aber auch zur Körperpflege benutzt. In der Französischen Revolution mit Steuern belegt, fand es 1854 seine Wahlheimat in den Feldern der Gemüsegärtner im Norden von Toulouse.

Mehr als ein Jahrhundert lang wurde dort eine besondere Veilchenvariante gezüchtet. Ihr betörender Duft wehte durch die Toulouser Stadtviertel Ginestous, Trois-Cocus, aber auch die Vororte von Aucamville, Saint-Alban, Castelginest und Saint-Jory.

Der Lastkahn "Maison de la Violette" ist am Canal du Midi vertäut. Foto: Hilke Maunder
Der Lastkahn Maison de la Violette ist am Canal du Midi vertäut. Foto: Hilke Maunder

Trendblume in Bedrängnis

Mehr als 100 Jahre waren Veilchen groß in Mode. Die Blüten wurden zu Sträußen gebunden oder zu Konfekt verarbeitet. Die Blätter waren bei der Parfümfertigung gefragt. Die gesamte Pflanze fand Eingang bei der Herstellung von Kräutertees und Arzneien. Noch bis in die 1950er-Jahre war es bei verliebten Herren Brauch, ihrer Angebeteten einen Veilchenstrauß zu überreichen.

Der harte Winter 1956 wurde jedoch den zarten Pflänzchen zum Verhängnis. Damals litt die gesamte Vegetation unter der ungewöhnlich heftigen, lang andauernden Kälte. Die Gemüsepreise stiegen proportional zur Dauer des Frostes. Die meisten Gärtner gaben damals die Veilchenzucht auf. Die Absatzmöglichkeiten der zur Winterszeit nicht einfach zu kultivierenden Pflanzen waren ohnehin geringer geworden.

Ein neuer Frühling für das Veilchen

So geriet die Jahrhundertfeier zu Ehren des Toulouser Veilchens im Jahr 1960 eher zu einer Totenmesse. Mittlerweile jedoch haben Züchter, Biologen und Gartenbauingenieure wie Adrien Roucolle sich der Pflanze besonnen. Ihrer Initiative ist ein 1986 begonnenes Projekt zur Wiederbelebung der Veilchenzucht zu verdanken.

Ab 1988 unterstützte der ehemalige Conseil Général von Midi-Pyrénées ihr Vorhaben. Bereits 1982 hatte es der Toulouser Gärtner Jean Colombié gewagt, wieder Veilchen in seine Gewächshäuser aufzunehmen. Nach einigen Monaten angespannten Wartens konnte er zu Weihnachten die ersten 92 Sträuße verkaufen.

Veilchen-Produkte der Maison de la Violette. Foto: Hilke Maunder
Veilchen-Produkte der Maison de la Violette. Foto: Hilke Maunder

Von Toulouse nach Ouagadougou

Der von Jean und seiner Frau Michelle bewirtschaftete Gartenbaubetrieb an der Rue de Launaguet 209 war seit der Gründung von der Urgroßmutter Marie Castagnie nahezu unverändert.  Auch in seinem Gewächshaus waren bis 2005 wieder viele Töpfe mit Veilchen bepflanzt.

Sie standen auf einem breiten Bord und waren untereinander mit einem computergesteuerten Tropfsystem verbunden. 2005 gab das Paar aus Altersgründen auf. Ihre Gewächshäuser wollten sie jedoch nicht zerstören. Sie stehen heute in Burkina Faso, wo die Bauern von Ouagadougou in ihnen heute ihr Gemüse züchten.

In ihre Fußstapfen ist die Ferme des Violettes getreten, die 80 örtliche Produzenten beliefern. Anfang Juni ausgesetzt, blühen die Veilchen von September bis April. Die Hauptverkaufszeiten sind Allerheiligen, Weihnachten und Valentinstag.

Ein Blick aufs Sortiment. Foto: Hilke Maunder
Ein Blick aufs Sortiment. Foto: Hilke Maunder

Veilchenduft in vielen Variationen

Weil die Toulouser Veilchenkultur auch außerhalb der ville rose Nachahmer findet, steht der Parfümerie Berdoues in Cugnaux (Haute Garonne) auch endlich wieder genügend heimischer Rohstoff für die Duftherstellung zur Verfügung.

Das 1902 gegründete Großhandelsunternehmen hat daher ein Parfüm wieder auf den Markt gebracht, das ihm schon einmal Berühmtheit gebracht hatte: Violettes de Toulouse. Firmengründer Henri Berdoues hatte es 1936 als Liebesbotschaft für seine Herzdame komponiert.

Bis heute werden jährlich rund 500.000 Flakons seines Veilchenwassers in alle Welt verkauft. Das Aroma liefert nicht die Blüte, sondern das Blatt: Für einen Liter reine Essenz werden 2500 Kilogramm Veilchenblätter verarbeitet.

Die große Vielfalt des Veilchens: la maison de la violette. Foto: Hilke Maunder
La maison de la violette: große Vielfalt in Lila. Foto: Hilke Maunder

Liköre und andere Leckereien

Alles rund um das berühmte Veilchen von Toulouse gibt es auch bei Hélène Vié. Auf ihrem schwimmenden Lastkahn La Maison de la Violette am Beginn des Boulevard de Bonrepos auf dem Canal du Midi stapeln sich Seifen und Cremes, Parfüms, Bonbons und Veilchen-Liköre.

Der russische Zar soll, so erzählt man sich, beim Genuss von Kaviar stets zwischen Wodka und Veilchenlikör gewechselt haben. Wer es ihm nachtun möchte, kann sich den 25-prozentigen Blütenlikör aus den Destillaten von Veilchenwurzeln und anderen Pflanzenextrakten sowie Armagnac und Zuckersirup bei Benoit Serres besorgen.

Seit 1818 interessiert sich auch Candiflor für das Toulouse Veilchen. Seit mehr als 200 Jahren hüllt der Süßwarenhersteller die natürlichen Veilchenblüten in Kandiszucker. Köstlich!

Maison de la Violette: Auch Keramik und Kerzen gehören zum Angebot. Foto: Hilke Maunder
Auch Keramik und Kerzen gehören zum Angebot. Foto: Hilke Maunder

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Der andere Stadtführer

In der Reihe “111 Orte” des emons-Verlags habe ich so viele Kilometer durch Toulouse zu Fuß zurückgelegt, dass meine Lieblingsschuhe danach reif für die Tonne waren. Bei meinen Recherchen entdeckte ich viele Stätten, die Öffnungszeiten ausgeliefert sind – und einfach einzigartig sind.

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4 Kommentare

  1. Das ist ja grandios, was ihr hier zusammengetragen habt!
    Jede Menge Inspirationen für eine Südfrankreichreise😇…..vielen herzlichen Dank!
    Als ehemaliger Biologielehrer bin ich ohnehin an Botanik interessiert, zumal die Veilchen im Frühling auch den Kaisermantelraupen als Futterpflanze dienen und ich seit meiner Kindheit sie im Auge habe🍀🍀🦋🦋

    1. Hallo Martin, ich mache den Blog ganz alleine – mit Hubert als Korrekturleser meiner Beiträge. Warum und wieso ich blogge und wer ich bin, steht hier: https://meinfrankreich.com/cest-moi_hilke_maunder_reisejournalistin_frankreich-expertin_france_journaliste_journalist/.

      Ich freue mich, dass MeinFrankreich Dir gefällt! Es ist ein Herzblutprojekt von mir. Das nächste Veilchenfest findet überigens in Toulouse am 6.2. 2023 statt. Und falls Du Lust hast, mal Frankreichs wilde Natur zu entdecken, dann schau doch mal hier: https://meinfrankreich.com/martinique_wild_natur.
      Viele Grüße! Hilke

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