
Turenne! Zehn Jahrhunderte war dies eine mächtige vicomté, die über das Limousin, das Périgord und das Quercy herrschte. Was vom Stammsitz der Vizegrafen erhalten blieb, thront heute auf einem Felskegel über einem Dorf, das bereits aus der Ferne ein Hingucker ist.

Alte Steinhäuser aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, die mit Türmchen oder Wachtürmen verziert sind, klettern den Hang empor. Dann wieder säumen einfache Wohnhäuser mit schiefergedeckten Dächern die alten Gassen. Nur selten ist Fachwerk zu sehen.

Den einzigen Zugang zur Burg gewährt die Tour de la Poudrière. Heute verschließt sie eine alte Holztür. Auf mein Klingeln öffnet sie Monsieur aus der Ferne. Mit Schlapphut, Eimer und Handschaufel kommt er mir entgegen: Camille Zambaux (75), der Schlossher von Turenne.

Ein hochgewachsener Franzose mit wachen Augen, verschmitztem Lächeln und ganz bürgerlichem Hintergrund. Camille war Englischlehrer an einem Gymnasium in Paris, als seine Großeltern vor 20 Jahren starben – und er das Burgschloss von Turenne erbte. Seitdem zeigt er Gästen den Donjon, den Burgturm und den Garten, den er liebevoll pflegt.

Stammsitz auf der Spitze
Die Burg von Turenne wurde erstmals im 8. Jahrhundert n. Chr. vom fränkischen König Pippin dem Kurzen erwähnt. Letzterer vermachte das Schloss dem ersten Grafen von Quercy, Immon. Der Sohn des Grafen, Raoul de Quercy, und seine Frau Aiga übernahmen das Schloss nach dem Tod seines Vaters.

Im 9. Jahrhundert wurde die Burg, die damals von König Pippin II. von Aquitanien bewohnt wurde, von dem Sohn Karls des Großen, dem neuen König der Franken, Ludwig dem Frommen, erobert.
Zur gleichen Zeit wurden die Reliquien des Heiligen Martial, des Schutzpatrons von Limoges, in die Burg gebracht, um sie vor den Angriffen der Wikinger zu schützen.

Ende des 9. Jahrhunderts ging die Burg in den Besitz der Grafen von Turenne über. Damit begann die Jahrhunderte lange Herrschaft der Vizegrafen von Turenne, die ihren Stammsitz immer wieder den wechselnden Bedürfnissen anpasste.
Mächtige Vizegrafen

Besonders Raymond I. de Turenne baute die Verteidigungsarchitektur des Schlosses massiv aus und verwandelte es in eine mächtige mittelalterliche Festung. Der Vizegraf führte auch die Münzproduktion ein, eine Tätigkeit, die die Grafen von Turenne fast drei Jahrhunderte lang fortsetzten!

Während des Mittelalters wurde die Vicomté de Turenne dank der Kreuzzüge und des Konflikts zwischen den Kapetingern und den Plantagenets zu einem echten Feudalstaat und einer Großmacht in Frankreich, die völlig autonom und frei von der französischen Königsmacht war.

Die Grafen von Turenne zahlten keine Steuern an den König und handelten als Herrscher über ihre Ländereien. Sie erhoben Steuern, prägten Münzen und regierten einen Staat im Staat, der völlig autonom und unabhängig war.
Konflikte mit dem König

Trotz dieser Autonomie von der königlichen Macht gab es reichlich Turbulenzen und Konflikte. Ende des 13. Jahrhunderts wurde daher die Vizegrafschaft von Turenne vom König in zwei Gebiete aufgeteilt.

Die Tochter von Raymond IV. erhielt den westlichen Teil. Ihrem Neffen wurde der östliche Teil zugeteilt, zu dem auch Turenne und seine Burg gehörten. Erst Ende des 15. Jahrhunderts wurden die beiden Territorien wieder vereinigt.
Nachdem die Grafschaft Turenne fast 700 Jahre lang frei gewesen war, wurde sie 1738 zusammen mit dem Schloss an die französische Krone verkauft. Ludwig XV. ordnete schließlich den Abriss an. 1753 begann er.

Imposantes Trio
Von dem einst so majestätischen Bauwerk sind daher heute nur noch die Grundmauern und drei imposante Türme erhalten. Am Burgaufgang steht bis heute die Tour de la Poudrière.
Der runde Nordturm Tour César stammt aus dem 13. Jahrhundert. Im Innern führt eine schmale Wendeltreppe hinauf aufs Dach. Aus 20 Meter Höhe eröffnet der einstige Wachtturm weite Blicke über die Turenne.

Zeitreise im Bergfried
Im Süden der Burg wurde im 14. Jahrhundert der Donjon, auch Tour du Trésor oder Tour de l’Horloge genannt, erbaut. Flankiert von dicken Strebepfeilern, ist die Wachstube erhalten geblieben, die von einem imposanten Spitztonnengewölbe überragt wird. Heute könnt ihr dort eine Sammlung von Salztruhen aus der Zeit Ludwigs XIII. und von Möbeln aus dieser Zeit entdecken.
Blütenträume

Das einst große wie prächtige Hauptgebäude ist nicht mehr erhalten. Auf seinen Ruinen entstand ein prächtiger französischer Garten mit einem Parterre im englischen Stil.

Turenne: meine Reise-Infos
Ansehen
Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten führt ein markierter Stadtrundgang. An zehn Stationen präsentiert euch der circuit du patrimoine die Geschichte des Ortes. Unterwegs eröffnen sich immer wieder schöne Ausblicke.

Schlemmen
La Vicomté
Typische französische Gerichte in gemütlichem Ambiente mit Holztischen und -stühlen und Kamin im Winter, im Sommer auch draußen auf der Terrasse.
• Place de la Halle, 19500 Turenne, Tel. 035 55 85 91 32, www.lavicomte.com
Café Raymond
Hier trifft sich Turenne vom ersten Kaffee bis zum letzten Absacker.
• Rue Commandant Charollais,19500 Turenne, Tel. 05 55 85 92 99,
Schlafen

La Maison des Chanoines
Sprossenfenster, Wendeltreppe und Wasserspeier: Dieses Stadtpalais aus dem 16. Jahrhundert hat das Erbe von einst mit dem Komfort von heute vereint. Seit vier Jahrzehnten führen Chantal und Claude Cheyroux im Haus ihrer Großeltern dieses charmante Hotel mit geräumigen Zimmern und guter Küche. Wer mindestens zwei Nächte bleibt, kann in ihrer Ferienwohnung die Infrarotsauna und das nordische Bad genießen.
• 29, Rue Joseph Rouveyrol, 19500 Turenne, Tel. 05 55 85 93 43, www.maison-des-chanoines.com
Le Clos Marnis
In einem schönen Natursteingebäude, das die Confrèrie des pénitents blancs im Jahr 1711 am Rande des Dorfes erbaute, hat Isabelle Crouchet fünf Gästezimmer für ein bis drei Personen geschmackvoll eingerichtet – und verwöhnt sie abends mit köstlicher Küche bei der table d’hôte. Eigene Parkplätze.
• Bourg, 19500 Turenne, Tel. 05 55 22 05 28, http://closmarnis.online.fr

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Im Buch
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