Postkarte aus … Beaulieu-sur-Dordogne
Riviera des Limousin: So nennt sich stolz die Landschaft, in der sich Beaulieu ans rechte Ufer der Dordogne schmiegt. Sanfte grüne Hügel rahmen das mittelalterliche Städtchen im Süden der Corrèze ein.
Vor mehr als 1000 Jahren hatte es noch einen völlig anderen Namen getragen. Damals wurde das kleine Fischer- und Viehzuchtdorf an einer Flussschleife der Dordogne noch Vellinus genannt.
Ein neuer Name
Seinen heutigen Namen erhielt es von Raimond von Turenne. Der Vizegraf hatte beim Ritt durch seine Ländereien in diesem kleinen Dorf Halt machte. Der Legende nach taufte er das Dorf in Bellus Locus um, was im Lateinischen schöner Ort bedeutet.
Er ließ erst einen Wachtturm, dann eine hölzerne Festung errichten – und beschloss 856, dort eine Benediktinerabtei zu gründen. Sie wurde zur Keimzelle einer Siedlung, die sich rasch zu einem blühenden Städtchen entwickelte. Seine Pilger trugen maßgeblich zur Entwicklung der Region bei.
Die Abtei der Karolinger
Beaulieu und sein Umland erblühten. Eine seiner Töchter, Immena, gründete in einem grünen Tal in Sarrazac ein Benediktinerinnenpriorat. Sein ältester Sohn, der ebenfalls den Vornamen Rudolf trug, verzichtete auf die Nachfolge seines Vaters und entschied sich für ein Leben im Kloster.
Unter der Leitung seines ersten Abtes, Gairulphe de Solignac, erwachte das Kloster zum Leben. Schon bald wurde die erste Kirche in Anwesenheit von Bischöfen, dem Grafen von Toulouse und Robert I., Vicomte von Turenne und jüngerer Bruder von Rudolf, eingeweiht. Um das Kloster herum gruppierten sich Herbergen zur Aufnahme von Pilgern, Geschäfte und Handwerksbetriebe.
Im Schutz von Cluny
Beaulieu war geboren. Doch sein Reichtum zog Begehrlichkeiten auf sich. Erst bedrohten die Normannen das Städtchen und seine Abtei, dann der Baron von Bretenoux. Beaulieu suchte Schutz. Es fand ihn bei der mächtigen Abtei Cluny. Das Kloster Beaulieu wurde angegliedert und zu einer von 1500 Zweigstellen, die die Zisterzienser von Burgund aus europaweit kontrollieren.
1103 kehrte Raimond de Turenne als einer der ersten Kreuzfahrer, die in das befreite Jerusalem eindrangen, von den Kreuzzügen zurück. Den zeitgenössischen Chroniken zufolge hatte Raimond de Turenne im Heiligen Land berühmte Heldentaten vollbracht: Er rettete fränkische Schiffe im Hafen von Jaffa, wehrte einen unerwarteten Angriff ab und riskierte sein Leben, um seine Soldaten zu ernähren.
Zurück in der Heimat, zeigte der als Held gefeierte Ritter Gott seine Dankbarkeit durch zahlreiche gute Werke. Er gründete eine Leprakolonie in der Nähe seiner Burg, ein Hospiz für Pilger und trug viel zum Wiederaufbau des Klosters bei.
Juwel der Romanik
In Beaulieu entstand so mit der Église Saint-Pierre eine der schönsten Abteikirchen Frankreichs. In Erinnerung an die Eroberung Jerusalems entstand die église Saint-Pierre in denselben Proportionen wie der Tempel Salomons: 20 Meter breit, 60 Meter lang und 30 Meter hoch.
Ihr Portal gilt als Meisterwerk der romanischen Kunst und zeigt die Rückkehr Christi am Ende der Zeiten. Typisch für die romanische Kunst ist auch die Statue der majestätischen Jungfrau Maria im Innnern.
Ihre Darstellung entspricht dem sehr genauen theologischen Kodex jener Zeit. Maria hält ihren Sohn auf ihrem rechten Knie und sitzt auf dem Thron der Weisheit. Jesus hat ein erwachsenes Gesicht, da er außerhalb der Zeit steht, Gott und Mensch zugleich. Seine rechte Hand drückt Begrüßung und Segen aus. Die Frucht, die Maria in der Hand hält, symbolisiert Süße und Mutterschaft zugleich.
Zeitreise in der Cité
In den Gassen rund um die Kirche scheint die Zeit stillzustehen. Türmchen und Erker, Medaillons und Engel schmücken die Fassaden. Besonders reich geschmückt ist ein Stadtpalais der Renaissance gegenüber dem Westportal der Abteikirche. Neben Engelchen zeigen die Steinskulpturen auch wilde Männer und sogar eine Meerjungfrau!
In den Porträtmedaillons sind Gilbert de Hautefort und seine zweite Frau Brunette de Cornil zu sehen. Drinnen erzählen liebevoll dekorierte Räume vom Leben des Adels in jener Zeit. Szenen mit lebensgroßen Puppen in prächtigen Kostümen lassen die Renaissance aufleben.
Lasst euch durch die Gassen treiben. Taucht ein in das Mittelalter-Flair der Cité von Beaulieu. Außerhalb der Saison ist die Zeitreise nahezu perfekt, so still und verlassen liegt sie dann da.
Der Boulevard Rodolphe de Turenne umschließt die Altstadt und zeichnet den Verlauf der Stadtmauer nach. Mehrere Tore gewähren Einlass. Mitunter dienen Häuser als Mauer nach außen. Zur Flussseite ist noch ein langes Teilstück der Wehrmauer erhalten.
Am Ufer der Dordogne
In den Fluten der Dordogne spiegelt sich Chapelle des Pénitents mit ihrer Glockenturm-Mauer. Am nahen Anleger ist eine hölzerne gabare vertäut.
Von Mai bis Oktober könnt ihr an Bord des Lastkahns gehen und eintauchen in die Zeit der gabariers, die bis nach Libourne fuhren, um ihre Holzladungen für die Küferei in Bordeaux abzuliefern. Auf dem Rasen des Kais leuchten Kajaks in Gelb und Orange. Wer mag, kann sie leihen oder sich einer geführten Paddeltour anschließen.
Raimond de Turenne hatte dort einst zahlreiche Mühlen für Nussöl und Mehl erbauen lassen. Die Altarme der Dordogne hingeben sind bis heute ein kleines Amazonien: wild, einsam und gerade mystische Rückzugsräume für Biber und Reiher.
Purer Genuss: la gariguette
Auf den Feldern am Fluss, die früher regelmäßig überflutet wurden, wächst la gariguette. Ludovic Pagès erntet die köstliche AOC-Erdbeere auf seinem Acker bei Astallaic. Dort wachsen seine alten Sorten wie einst, ohne Chemie, trocken gelagert auf Stroh.
Ein Site Remarquable du Goût
Während der Saison verkauft er sie auf dem Markt von Beaulieu. Die Erdbeere ist der kulinarische Botschafter von Beaulieau – und sorgte dafür, dass das Städtchen als Sîte du Goût Remarquable erhielt.
Beaulieeu gehört damit zum elitären Kreis der 75 Orte in Frankreich, die Botschafter einer Esskultur sind, die seit 2010 zum Welterbe gehört. Im ganzen Land künden rote-weiß-blaue Schilder von dieser Auszeichnung. Cancale erhielt sie für seine Auster, Nyons für die Tanche-Olive, Fougérolles für seinen Kirsch – und auch die Äpfel aus dem Limousin, der Knoblauch aus Billom und der Käse aus Saint-Nectaire sind als SRG prämiert.
Das Erdbeerfest
Am zweiten Sonntag im Mai feiert das Städtchen seit 1989 seine berühmte Frucht bei der Fête de la Fraise. Das Erdbeerfest lockt mit Bauernmarkt, Gabare-Fahrten und einer riesigen Erdbeertorte. 900 Kilogramm Früchten bringt sie bei einem Durchmesser von acht Metern auf die Waage!
Im Guinness-Buch der Rekorde
Das Erdbeerfest schaffte mit dieser Riesentorte im Jahr 1990 den Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde. 2017 gelang den Konditoren in Teamarbeit ein zweiter Rekord.
Aus 55 Biskuitkuchenplatten, 250 Kilogramm Erdbeeren,und viel Sahne schufen sie eine 32 Meter lange Erdbeerschnitte. 1500 Stücke wurden davon verkauft – und die Einnahmen an wohltätige Organisationen gespendet.
Kleinstadt mit Zukunft
Seit 2021 engagiert sich Beaulieu-sur-Dordogne gemeinsam mit Beynat und Meyssac im Programm der Petites villes de demain (Kleinstädte von morgen). Eines seiner Ziele ist es, das Kulturerbe und das Lebensumwelt über den historischen Kern hinaus aufzuwerten.
Dass diese Arbeit Früchte trägt, zeigte sich bereits im Folgejahr. Im zweiten Anlauf konnte es eine prestigeträchtige Auszeichnung gewinnen, die künftig noch mehr Besucher nach Beaulieu bringen wird. Seit 2022 gehört auch Beaulieu-sur-Dordogne zu den schönsten Dörfer Frankreichs.
Beaulieu-sur-Dordogne: meine Reisetipps
Schlemmen und genießen
pilea.café
Das Ambieten ist cosy und entspannt modern, die Inhaberin Sabrina die beste barista der Stadt. So muss Kaffee schmecken!
• 31, Rue Général de Gaulle, 19120 Beaulieu-sur-Dordogne, Tel. 06 50 45 02 83, https://pilea.cafe
Aktiv
La Corrèze à vélo
Durch das Département Corrèze führen Dutzende markierter Routen. 15 Strecken wurde gezielt für Mountainabiker angelegt. www.correze.fr/velo
Traditions-Törn
Am Ufer der Dordogne ist die letzte Gabare von Beaulieu vertäut. Sie startet während der Saison von Mai bis Oktober zu 45-minütigen Ausflügen auf der Dordogne. Ihr Name „Adele et Clarisse“ ehrt die beiden letzten Fährfrauen, die mit ihrer Fähre bis 1970 von einem Ufer zum anderen übersetzten.
Jahrhunderte lang fuhren die Gabariers von Argentat oder Spontour aus im Herbst und Frühjahr flussabwärts in Richtung Libourne und Bordeaux. Mit ihren flachen Gabares transportierten sie merrains, die zur Herstellung von Fässern dienten, und carassonnes, die zum Stützen von Weinreben dienten.
Später transportierten sie auch Lebensmittel wie Wein oder Käse. Wenn sie einen sicheren Hafen erreichten, verkauften sie ihre Boote als Brennholz und kehrten zu Fuß zurück.
Den Höhepunkt erreichte die Schifffahrt um 1860/70, bevor sie Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Eisenbahn rapide zurückging.
Die heutige Gabare de Beaulieu ist eine Rekonstruktion einer Courau, und damit eines Gabare-Typs, der weiter unten in Richtung Souillac-Bergerac verkehrte. Das Schiff konnte dank eines Treidelpfades die Dordogne hinauf bis nach Souillac fahren.
• 36, Rue de la Chapelle, 19120 Beaulieu-sur-Dordogne, Tel. 06 42 91 75 96, www.vallee-dordogne.com
Hier könnt ihr schlafen
Huttopia
Huttopia ist Frankreichs bekannteste Marke für Naturcamping. In Beaulieu erstreckt sich ihre Anlage auf einer Fluss-Insel – und ist doch ganz nah an der Stadt. Wie ihr hier in Beaulieu campen und urlauben könnt, habe ich hier vorgestellt.
Auberge de Jeunesse
Die Jugendherberge in Beaulieu gehört zu den schönstenin Frankreich. Sie befindet in einem malerischen Haus aus dem 15. Jahrhundert mit Spitzbogenöffnungen und blumengeschmückter Galerie im ersten Stock, an der ein uralter Weinstock entlangläuft. Die Atmosphäre ist familiär, das Angebot ausgerichtet auf Selbstversorger mit Küche und Waschmaschine.
• Place du Monturuc, 19120 Beaulieu-sur-Dordogne, Tel. 05 55 91 13 82, www.hifrance.org
Noch mehr Betten*
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Im Buch
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
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