Die Gabares von Saint-Simon
Von Bourg-Charente nach Saint-Simeux: Unser sechster Tag beim Hausboot-Törn auf der Charente.
„Wenn wir unser Kulturerbe vergessen, verlieren wir unsere Identität“, sagt Jean-Jacques Delâge. Für Saint-Simon heißt das: la gabare. Seit vier Dekaden engagiert sich der Bürgermeister des kleinen Flussschifferdorfes auf halbem Weg zwischen Cognac und Angoulême für die Boote, die Jahrhunderte lang die Schifffahrt auf der Charente prägten.
Im 17. Jahrhundert war das ganze linke Ufer mit Bau- und Reparaturwerkstätten für die Lastschiffe belegt. Alle Handwerksberufe des Schiffbaus waren im Ort vertreten, vom Schmied bis zum Zimmermann, vom Segelmacher bis zum Brettschneider. 15 bis 20 Mann waren beim Bau eines Bootes beschäftigt.
Die Schiffe, die sie auf den Kiel legten, waren einfach und zweckorientiert und perfekt abgestimmt auf die Charente. Der angehobene Bug erleichterte die Passage der Schiffsdurchlässe, der schlichte Mast in der Mitte das Treideln. Für die Mannschaft gab es am Heck eine einfache Holzkabine.
Schiff im Wandel: die Gabare de Saint-Simon
Die letzte gabare de Saint-Simon wurde Ende des 19. Jahrhunderts gebaut. Sie war deutlich ausgeklügelter. Sie besaß die ausladende Form eines Küstenschiffes. Dank ihrer zwei Segelmasten konnte sie auch im Mündungsbereich der Charente, der dem Einfluss der Tiden ausgesetzt war, navigieren.
Der geräumige Lagerraum nutzte die Größe der neuen Kammerschleusen voll aus. Mit der Bahn begann der Niedergang der Binnenschifffahrt.
1906 lief die letzte gabare de Saint-Simon vom Stapel. Eine ganze Industrie, die seit dem Mittelalter für Wohlstand gesorgt hatte, fand ein Ende. Der Ort verarmte, die Bevölkerung wanderte ab.
Rurale Renaissance dank Tourismus
„Heute leben nur noch 207 Menschen in Saint-Simon“, erzählt mir Bürgermeister Jean-Jacques Delâge und schließt die Tür zu einem Eckhaus auf. Maison des Gabarriers steht auf der Fassade.
Drinnen animieren Ton und Film eine Sammlung, die Monsieur le maire in den letzten 30 Jahren zusammengetragen hat: Baupläne, Modelle und Fotos von den Charente-Schiffen sind dort zu sehen, Werkzeug und Alltagsgeräte aus dem Leben der Flussschiffer.
„Wir haben inzwischen jährlich mehr als 13.000 Besucher“, sagt der Bürgermeister stolz, der dafür gesorgt hat, dass die Spuren der Flussschifffahrt heute nicht nur im Museum, sondern ganz aktiv und anschaulich vor Ort erlebt werden kann.
Spurensuche an Land
Direkt am Kai der Hausboot-Kapitäne, die heute in Saint-Simon immer häufiger anlegen, führt ein markierter Stadtrundgang durch die Gassen.
Dort könnt ihr zwar nicht mehr das Hämmern in den Werkstätten jener Zeit hören, aber noch zahlreiche Giebelinschriften und Handwerksschilder verweisen noch auf den Hafen, die Werften und die damalige Blüte der Binnenschifffahrt.
Das Erbe der Gabare
Von April bis Oktober könnt ihr an Bord des Ausflugsschiffes La Charente eine kommentierte Flussfahrt machen – ein wunderschöner Törn, entspannend und unterhaltsam zugleich! La Charente ist eine zeitgenössische Neuinterpretation einer Gabare aus dem späten 19. Jahrhundert.
Die Gabare La Renaissance, die zuvor solche Fahrten anbot, ist heute fest am Kai vertäut – als Bateau-Musée von Saint-Simon. Der Denkmalschutzverein, den Jean-Jacques Delâge gegründet hat, hatte das Schiff nach Vorbild eines Lastkahns aus dem 18. Jahrhundert originalgetreu nachgebaut.
Schlemmerpause am Stadtplatz
Und danach könntet ihr im Café-Restaurant La P’tite Garbarre draußen im Freien an einem neu angelegten Platz neben der Kirche noch einen Apéro oder leckere, bodenständige Küche aus Frankreich genießen.
Bei unserem Besuch gab es Schinken als Vorspeise, Magret de Canard und ein hausgemachtes Dessert als menu du jour. Und davor zum apéro noch einen letzten Pineau auf der Heckterrasse unseres Hausbootes.
Offenlegung
Für den Hausboot-Törn auf der Charente stellte mir Nicols Hausboote das Hausboot kostenfrei zur Verfügung. Dem Unternehmen und dem Team des Partner-Unternehmens Inter-Croisières in Sireuil sagte ich dafür merci und herzlichen Dank.
Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt. Sämtliche Bootstypen im Programm von Nicols findet ihr hier.
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Im Blog
Meinen ersten Tag an Bord der MS Malvy habe ich hier vorgestellt. Wie der Hausboot-Törn am zweiten Tag weiter ging, verrate ich euch hier.
Neugierig auf Tag drei bei Mitterrand? Dann klickt hier. Mehr zu Cognac, wo wir am vierten Tag gesalzene Leichen entdeckten, gibt es hier. Am Tag fünf war Bourg-Charente mit seiner Rue de Fleurs unser Ziel – bitte einmal hier weiterlesen! Ganz in der Nähe entdecken wir noch zweites grünes Paradies: den Jardin Respectueux von Châteaubernard.
Am 7. Tag ging es zurück zum Ausgangspunkt unseres Hausboottörns auf der Charente, Sireuil. Wer jetzt Lust bekommen hat, selbst einmal als Skipper die Charente im Hausboot zu befahren, findet hier alle wichtigen Infos und viele Tipps.
Liebe Antje, ja, auf der Charente ist es wirklich sehr entspannend! Vor allem, da es viel weniger Schleusen gibt als – zum Beispiel – auf dem Canal du Midi. Besonders nach Bourg-Charente kannst Du lange Zeit ohne Schleusen ganz entspannt über das Wasser gleiten. Wenn es spiegelglatt ist, schwebst Du fast… sehr meditativ! Bises! Hilke