Fleur de sel: weißes Gold vom Mittelmeer

Die Salzstadt Aigues-Mortes. Foto: Hilke Maunder
Die Salzstadt Aigues-Mortes. Foto: Hilke Maunder

Sie ist ein ganz eigenes Terrain, ganz anders als die Provence: die Camargue  – eine riesige Sumpflandschaft südlich von Arles zwischen Grand Rhône und Petit Rhône, durchzogen von Kanälen und Lagunen, Dünen und Sandbänken.

In der Camargue werden Stiere gezüchtet auf Höfen, die sich Manade nennen. Foto: Hilke Maunder
Manade nennen sich die Höfe, auf denen die Stiere der Camargue gezüchtet werden. Foto: Hilke Maunder

Auf ihren weiten Salzsteppen grasen halbwilde Pferde und schwarze Stiere. Bei den Ferias messen sie zu den Klängen von Carmen im Zweikampf mit dem Torero. Auf ihren Sandböden wächst vin de sable, Sandwein, ein leichter, heller Sommerwein.

Hier wachsen die Trauben für den Vin de Sables. Foto: Hilke Maunder
Hier wachsen die Trauben für den vin de sable</em). Foto: Hilke Maunder

Natur pur

Flamingos, Säbelschnäbler und Seidenreiher brüten im Schilfrohr. Hellgrün wiegen sich Reisfelder in der sanften Brise, die vom Mittelmeer hinüber weht Seine Gestade säumt eine fast unwirkliche Landschaft. Weiße Hügel ragen dort viele Meter hoch in den Himmel.

Flamingos seht ihr in der Camrgue nur in der warmen Jahreszeit.Foto: Hilke Maunder
Flamingos seht ihr in der Camrgue nur in der warmen Jahreszeit.Foto: Hilke Maunder

Flache Becken schimmern von rosa bis violett. Die Landschaft flirrt im Licht der Hitze. Der Duft der Kräuter mengt sich mit der salzigen Würze des Meeres. Ihr seid in den marais salants der Camargue. Sie sind die Heimat der fleur de sel, der Salzblume.

Schon die Römer gewannen in der Camargue ihr Salz. Über die Via Salaria, die Salzstraße, konnten sie die entlegensten Garnisonen versorgen. Im Mittelalter wurden hier noch 17 Salinen betrieben und das weiße Gold über die Rhône verschifft. 1286 entdeckte Philipp IV. das Salz der Camargue als idealen Stoff für eine neue Steuer und führte die gabelle ein.

Bis an den Horizont erstrecken sich die Reisfelder. Foto: Hilke Maunder
Bis an den Horizont erstrecken sich die Reisfelder. Foto: Hilke Maunder

Kaufzwang für Salz!

Diese Salzsteuer zwang jeden Franzosen, der älter als acht Jahre war, wöchentlich eine Minimalmenge an Salz zu einem festgesetzten Preis zu kaufen; die Produzenten hingegen durften ihr Salz nicht mehr direkt verkaufen, sondern mussten es an die greniers à sel liefern.

Diese „Salzkammern“ brachten es zu einem deutlich höheren Kurs in den Handel. Erst 1790 wurde das Staatsmonopol auf Salz durch ein Dekret der Assemblée Constituante während der Französischen Revolution abgeschafft.

Industrieller Salzabbau bei Salin-de-Giraud. Foto: Hilke Maunder
Industrieller Salzabbau bei Salin-de-Giraud. Foto: Hilke Maunder

Weiße Berge

Heute liegt die Salzgewinnung der Camargue in den Händen der Salins du Midi, deren strahlend weißen Salzberge sich bei Aigues-Mortes in der flachen Lagune spiegeln.

Vor der alten Festungsstadt, die Ludwig der Heilige als königlichen und damals einzigen Mittelmeerhafen seines Reichs im Jahr 1248 angelegt hat, wurden 5.000 Hektar zur Salzgewinnung eingedeicht. Von der mittelalterlichen Stadtmauer, die die gesamte Altstadt umschließt, ein imposanter Anblick! Seit 2016 könnt ihr sogar einen Salzkegel besteigen!

Aigues-Mortes, Blick von der nördlichen Stadtmauer auf die südliche Stadtmauer und die Salzgewinnung der Saline du Midi. Foto: Hilke Maunder
Aigues-Mortes, Blick von der nördlichen Stadtmauer auf die südliche Stadtmauer und die Salzgewinnung der Saline du Midi. Foto: Hilke Maunder

Antikes Handwerk

Produziert jedoch wird nicht industriell, sondern noch immer genauso handwerklich wie vor 2.000 Jahren: Beteiligt an der Salzherstellung sind nur das Meer, die Sonne und der Mensch.

Anders als den Salzgärten am Atlantik, die vom Wechselspiel der Gezeiten profitieren, wird in der Camargue über ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem ab März das Meerwasser aus dem Mittelmeer in die Salzpfannen gepumpt.

Zwischen Aigues-Morte und La Palme finden ihr an der Mittelmeerküste immer wieder Salinen, in denen wie einst das Salz handwerklich gewonnen wird. Foto: Hilke Maunder
Zwischen Aigues-Morte und La Palme finden ihr an der Mittelmeerküste immer wieder Salinen, in denen wie einst das Salz handwerklich gewonnen wird. Foto: Hilke Maunder

Ein Werk von Wind und Sonne

In der starken Sonne und bei den steten Mistralwinden, die im  April/Mai über die Becken fegen, verdunstet es rasch. Im Sommer legt sich der Wind. Dann steigt die Hitze an einigen Tagen auf mehr als 40 Grad Celsius.

Jetzt kristallisieren an der Oberfläche dieser œillets genannten Becken feinste Kristalle. Sie sind milder und mineralreicher, knuspriger und zugleich feuchter als gewöhnliches Tafelsalz.

Die Salins du Midi bei Salin-de-Giraud. Foto: Hilke Maunder
Die Salins du Midi bei Salin-de-Giraud. Foto: Hilke Maunder

Salzige Blume

Diese hauchdünne Schicht aus unterschiedlich großen Kristallen von ungleichmäßiger Struktur lässt Sterneköche und Gourmets schwärmen: Sie bildet die fleur de sel, die besonders aromatische Salz„blume“.

In der Kühle des Morgens erntet sie der Saunier, der Salzbauer, behutsam mit einer lousse, einer Art Schaumlöffel, legt sie vorsichtig in Hand geflochtene Körbe und lässt sie auf natürliche Weise trocknen.

Sel Gris: Die graue Schwester

Verpasst jedoch der Saunier zwischen Juni und September den richtigen Zeitpunkt, wachsen die Salzkristalle weiter, werden schwerer und sinken zu Boden, wo sie mit der ételle, einem Brettchen am Ende eines langen Holzstiel, zusammengekratzt und abgeerntet werden.

Dieses deutlich gröbere Meersalz nennt der Saunier sel gris, graues Salz – hat es doch während der Reifung am Boden des Beckens nicht nur Sedimente aufgenommen, sondern auch Schwebeteilchen der Alge Dunaliella salina.

Salz-Gewinnung bei den Salins du Midi. Foto: Hilke Maunder
Salzgewinnung bei den Salins du Midi. Foto: Hilke Maunder

Die Rosamacherin

Die Alge ist für ür die Rosafärbung der Salzseen verantwortlich.  Die Dualiella salina kommt in den Salzgärten unterhalb eines bestimmten Salzgehalts vor und wird von Artemia salina, einer winzigen Garnelenart, als Hauptmahlzeit verzehrt.

Wenn der Salzgehalt der Teiche steigt, verschwindet die kleine Garnele und die Alge wuchert, bis sie einen roten Schlamm bildet. Nach der Ernte des fleur de sel wird die Alge aus den Salzgärten entnommen, damit das graue Meersalz geerntet werden kann. Die Rosafärbung lässt sich besonders im Hochsommer beobachten. Im Juli und August lässt sie in Aigues-Mortes in der Camargue und in Gruissan an der Languedocküste die Salzbecken leuchten.

Das Duo für die Küche

Auch das sel gris weist  dadurch einen höheren Gehalt an Spurenelementen und Mineralstoffen auf als gewöhnliches Bergsalz. Bei der Führung durch die Salzgärten der Salins du Midi bei Aigues-Mortes greift der Führer plötzlich in den Hügel.

Bis zu zehn Meter hoch ragen die Salzkegel am Rand der Saline auf. Er streut etwas Salz in die Handflächen: „Voilà, reiben Sie mal.“ In der linken Hand sind die Flocken so fein, dass kaum grobe Körner zu spüren sind: allerbestes fleur de sel. In der rechten Hand wird das Reiben zum Peeling: Grobes sel gris das Grundsalz der Küche, fleur de sel die Kür!

Aigues-Mortes, Blick von der Stadtmauer auf die <em>Saline du Midi</em>. Foto: Hilke Maunder
Aigues-Mortes, Blick von der Stadtmauer auf die Saline du Midi. Foto: Hilke Maunder

Salz erleben:  meine Tipp

Salzige Aussichten

Der Salzberg von Aigues-Mortes

Seit 1. März 2016 könnt ihr auch einen der Salzkegel besteigen und von oben die Aussicht genießen – mit 60.000 Tonnen Salz unter euren Füßen! Der Aufstieg mit 15 Prozent Steigung hinauf auf die gut 20 m hohe Kuppe wird euch im Sommer allerdings etwas aus der Puste bringen.

Was ihr von dort droben seht? Die Stadtmauer von Aigues-Mortes, die Salinen und Lagunen der Camargue – und den Pic Saint-Loup. Die Salzberg-Besteigung ist die neueste Attraktion der Salins du Midi und wird während der Rundfahrt mit dem Petit Train angeboten.
• Les Salins du Midi, Aigues-Mortes, an der RD 979 Richtung Grau-du-Roi, www.visitesalinsdecamargue.com/acces

Salz-Rundfahrten

Bis in die Antike führt die Salzrundfahrt zu den Salzpfannen von Rassuen und Estomac, wo bereits die Römer von der Gewinnung und dem Handel mit Salz lebten.
• Info/Anmeldung: Office de Tourisme, 30, Allée Jean Jaurès, F–13800 Istres, Tel. 04 42 55 51 15, www.istres.fr

Die großen Salzgärten der Salins du Midi lassen sich von März bis November im Mini-Zug besichtigen, von Juni bis September auch im Allradwagen.
• Compagnie des Salins du Midi, Route du Grau-du-Roi (RD 979), F–30220 Aigues-Mortes, Tel. 04 66 73 40 24, www.visitesalinsdecamargue.com

Salz-Geschichte

Das Salzmuseum von Istres ist leider geschlossen. Spannende Salzmuseen findet ihr hier:

Merci fürs Teilen!

5 Kommentare

  1. Ich habe verschiedene Meersalze zu Hause,sie schmecken alle verschieden.Meine Region ist die Bretagne, also der Atlantik.Man sollte verschiedene Salze aus verschiedenen Regionen verwenden.Es ist kein Vergleich mit der Mittelmeerregion. Dies ist auch mit den Menschen so, rau aber herzlich. jede Region hat ihren eigenen Reiz.

    • Lieber Richard, das stimmt – und ist eine mehr als gute Idee. Ich habe daheim Meersalz von der Guérande und der Île d’Oléron, sie sind würziger als die Camargue-Salze.

  2. Sehr interessant! Fleur de Sel gehört zur aromatischen Grundausstattung meiner Küche. Dass dahinter so viel liebevolles Handwerk steckt, wusste ich nicht!

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