Das Schloss von Harcourt liegt inmitten eines uralten Arboretums. Foto: Hilke Maunder
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Château d’Harcourt: Was für Bäume!

Eine Burg und uralte Bäume aus aller Welt: Die Domaine d’Harcourt verbindet Kultur, Geschichte und Natur im normannischen Département Eure.

Fast 500 Baumarten präsentiert dort Frankreichs zweitältestes Aboretum rund um ein Schloss aus dem 14. Jahrhundert. Im jardin clos ist Kunst zu sehen. Im Privatwald duftet es nach Moos und Pilzen. Das Laub raschelt, und jeder Schritt federt weich.

Das Wächterhaus a, Eingang des Arboretum von Schloss Harcourt. Foto: Hilke Maunder
Das Wächterhaus a, Eingang des Arboretum von Schloss Harcourt. Foto: Hilke Maunder

Das Château d’Harcourt

Am Eingang des Arboretums erheben sich riesige Zedern neben dem kleinen Pavillon der einstigen Wache. Foto: Hilke Maunder

Ein 15 Meter tiefer Graben und eine Festungsmauer mit mächtigen Wehrtürmen und Wall schützen das Château d’Harcourt am Rande des gleichnamigen Dorfes.

Das mittelalterliche Schloss. Foto: Hilke Maunder
Das mittelalterliche Schloss. Foto: Hilke Maunder

Der einstige Stammsitz der Familie d’Harcourt ist ein typischer Wehrbau des Mittelalters. Das französische Adelsgeschlecht leitet seine Ursprünge angeblich von Bernhard dem Dänen ab.

Wie in der Normandie üblich, begann sein Bau zunächst mit der Errichtung eines quadratischen Wehrturms, dem donjon. Im 13. Jahrhundert folgte der Burgwall, im 14. Jahrhundert weitere Verteidigungsanlagen. Drei Jahrhunderte später nutzlos geworden, ließ Françoise de Brancas die Burg zu einem Herrenhaus umbauen.

Doch nicht einmal 100 Jahre später wurde die adlige Familie von ihrem Stammsitz verjagt, ihr Schloss konfisziert und 1802 an einen Anwalt aus Paris verkauft.

Die Schlossmauern. Foto: Hilke Maunder
Die Schlossmauern. Foto: Hilke Maunder

Frankreichs zweitältestes Aboretum

Louis-Gervais Delamare ließ auf 200 Hektar Kiefern pflanzen. 1828 verkaufte er sein Land an die Académie d’agriculture de France, die ab 1833 auf dem Anwesen ein elf Hektar großes Arboretum einrichtete.

Es ist damit das zweitälteste Arboretum Frankreichs. Noch älter ist nur das Arboretum de Balaine. Bereits 1804 legte Aglaé Adanson es in Villeneuve-sur-Allier an.

1852 wurde der Baumpark erweitert. 1855-1860 gesellten sich europäische und asiatische Arten hinzu. Seit 1999 ist das Arboretum Eigentum des Generalrats des Départements Eure. Es enthält inzwischen 2.900 Bäume aus 486 Arten und 56 Familien auf seinen elf Hektar.

Überall im Arboretum laden Bänke zum stillen Schauen ein. Foto: Hilke Maunder
Überall im Arboretum laden Bänke zum stillen Schauen ein. Foto: Hilke Maunder

Exotische Riesen

Douglasien, mehr als 40 Meter hoch, recken sich im Wald in den Himmel. Auf mehr als 30 Meter Höhe bringen es die Zedern.  Zu den Baumriesen des Arboretums gehört auch ein rund 150 bis 170 Jahre alter Riesenmammutbaum.

In den USA wird er wegen seiner weichen, flauschigen Rinde, die als Punchingball verwendet werden kann, auch Boxerbaum genannt.

Rotbuchen und Süntel-Buchen, Hängefichten und Nordmanntannen gehören ebenfalls zu den Stars des Aboretums. Mitten hindurch führt ein Rundweg als begehbare Enzyklopädie der Baumarten von fünf Kontinenten.

Im Jardin clos des Schlosses wird im Sommer Kunst gezeigt. Foto: Hilke Maunder
Im Jardin clos des Schlosses wird im Sommer Kunst gezeigt. Foto: Hilke Maunder

Die sammelnde Fee

Mehrmals im Jahr führt Julie als la fée cueillante Besucher durch das Arboretum und verrät, was die Bäume neben Holz noch dem Menschen geben.

Julie lässt ihre Gruppe am stark duftenden Schwarzen Holunder riechen, aus dem Sirup hergestellt wird. Danach fordert sie auf, Blätter zu sammeln – vom Ginkgo biloba, der Linde, von Efeu und Salbei, Pfefferminze und Ananasminze.

In einer Lichtung in der Mitte des elf Hektar großen Arboretums ist ein Tisch aufgestellt. Scheren liegen bereit. Nun werden die Blätter sortiert, klein geschnitten und in Teebeutel gefüllt. Julie kommt mit heißem Wasser.

Ein Aufguss, etwas ziehen lassen. Und Staunen: Aus so vielen Blättern lässt sich Tee aus der Natur zubereiten? Jedes Jahr zieht Julie von April bis Oktober so durch das Arboretum.

Im Sommer blühen die Rhododendren im Arboretum von Schloss Harcourt. Foto: Hilke Maunder
Im Sommer blühen die Rhododendren im Arboretum von Schloss Harcourt. Foto: Hilke Maunder

Tee-Vielfalt der Natur

Ihre Aktivitäten wechseln mit dem Lauf der Jahreszeiten. Kräutertee, Balsam oder Sirup: Über das Programm entscheidet die Natur! Julie hat ihr Wirken als Erntefee zum Hauptberuf gemacht. In der Boutique von Schloss Harcourt verkauft sie einige ihrer Produkte.

Im Angebot sind Kräutertees mit einem Mix aus Linde, Klatschmohn und Kamille oder Weißdorn, Damaszener-Rose und Melisse. Hinzu kommen sortenreine Sirups mit Löwenzahn, Melisse, Minze, Feige und Fliederbeere, mit Minze, Borretsch oder Zitrone, aromatisierte Öle sowie Essig mit Erdbeeraromen.

Scheint immer wieder durch das Grün: die Burg von Harcourt. Foto: Hilke Maunder
Scheint immer wieder durch das Grün: die Burg von Harcourt. Foto: Hilke Maunder

Kosmetik aus der Natur

Ihre Gesichts- und Körperbalsame werden aus einem Mazerat hergestellt, das aus Bio-Olivenöl und frischen oder getrockneten Pflanzen (Blüten oder Blätter) besteht.

Die Pflanzen werden in das Mazerat eingetaucht und in einem Glasgefäß etwa drei Wochen lang der Sonne ausgesetzt. Die Solarisation erhitzt die Mischung auf natürliche Weise und extrahiert alle Wirkstoffe.

Nach drei Wochen fügt Julie Bienenwachs und einige Tropfen ätherischer Bio-Öle hinzu, die sie je nach gewünschter Wirkung auswählt. Auch, wie solch eine Naturkosmetik leicht zu Hause herzustellen ist, verrät sie in ihren Kursen.

Der tiefe Wald

Der Wald des Château d'Harcourt. Foto: Hilke Maunder
Der Wald des Château d’Harcourt. Foto: Hilke Maunder

Neben dem Arboretum beginnt, ebenfalls noch auf dem Schlossgelände, ein rund einen Quadratkilometer großer Wald mit Polnischen Lärchen und anderen einheimischen und exotischen Arten.

Nach der Lehrstunde im Arboretum kannst du dort noch tiefer eindringen in das grüne Paradies von Château d’Harcourt. Seit 2004 ist es vom französischen Kulturministerium im Jahr 2004 als „bemerkenswerter Garten“ (jardin remarquable) ausgezeichnet.

Auch Kunst aus Holz versteckt sich im Wald – wie dieser geschnitzte Specht. Foto: Hilke Maunder
Auch Kunst aus Holz versteckt sich im Wald. Foto: Hilke Maunder

Das Arboretum: die Highlights

Der Park von Harcourt besteht, genau genommen, aus zwei Arboreten. Das Baum-Museum dient vor allem der Bewahrung und Erforschung des weltweiten Pflanzenerbes.

Die forstwissenschaftliche Sammlung besteht aus monospezifischen Arten. Sie wurden aufgrund der Qualität ihres Holzes ausgesucht und werden nun in Einheiten von jeweils 25 bis 30 Stück kultiviert. Dabei wird vor allem ihre Eignung bei der Wiederaufforstung der französischen Wälder erforscht.

Libanon-Zeder (Cedrus libani)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Syrien, Türkei, Libanon
  • Lebensdauer: bis zu 2.000 Jahre
  • Höhe: bis zu 40 Meter – im Arboretum von Harcourt sind die Bäume 30 – 34 m hoch

Die riesige Zeder am Eingang der Domäne von Harbourt wurde vermutlich 1810 von L. G. Delamarre gepflanzt.

Sägekunst im Wald: der Specht von Harcourt. Foto: Hilke Maunder
Sägekunst im Wald: der Specht von Harcourt. Foto: Hilke Maunder

Ahornblättrige Platane (Platanus x acerifolia)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Europa
  • Höhe: 38 Meter

Europäische Lärche (Larix decidua)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Alpen, Karparten
  • Lebensdauer: 300 Jahre
  • Höhe: maximal 40 Meter

Die Lärche ist eine Pionierpflanze bei der Besiedlung vegetationsarmer Flächen mit Wäldern.

Gingko Biloba

  • Ursprünglicher Lebensraum: China
  • Lebensdauer: mehr als 2.000 Jahre in Asien
  • Höhe: 20 – 35 Meter

Seit mehr als 160 Millionen Jahren besiedelt der Gingko die Erde. Im Arboretum von Harcourt wächst er seit 500 Jahren.

Auch neben einer riesigen Thuja steht eine Ruhebank. Foto: Hilke Maunder
Auch neben einer riesigen Thuja steht eine Ruhebank. Foto: Hilke Maunder

Echte Sumpfzypresse (Taxodium distichum)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Südosten der USA
  • Lebensdauer:  40 – 50 Jahre
  • Höhe:  40 – 50 Meter

Gewöhnliche Douglasie (Pseudotsuga menziesii)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Nordamerika
  • Lebensdauer: 500 Jahre
  • Höhe: 44 Meter in Harcourt

Diese 1854 eingeführte Douglasie war eine der ersten, die nach Frankreich importiert wurden.

Sahara-Zypresse (Cupressu dupreziana)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Sahara
  • Lebensdauer:  mehr als 2.000 Jahre
  • Höhe: maximal 20 Meter

Diese Zypressenart gehört zu den zwölf meistbedrohten Arten der Welt. 2022 gab es von ihr gerade mal rund 20 Exemplare.

Tulpenbaum (Liriodendron tulipifera)

  • Ursprünglicher Lebensraum: USA
  • Höhe: 0 – 60 Meter

Sein Holz wird für Intarsien geschätzt!

Jede Baumart trägt ein Namensschild. Foto: Hilke Maunder

Schwarznuss (Juglans nigra)

  • Ursprünglicher Lebensraum:  Osten der USA
  • Höhe:  bis zu 30 Meter

Riesen-Lebensbaum (Thuya plicata)

  • Ursprünglicher Lebensraum:
  • Lebensdauer: 300 – 1.000 Jahre
  • Höhe: 50 – 60 Meter

In seinen bislang 150 Lebensjahren hat der Baum zehn Ableger gebildet.

Eine japanische Esskastanie. Foto: Hilke Maunder
Eine japanische Esskastanie. Foto: Hilke Maunder

Steineiche (Quercus ilex)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Mittelmeerraum
  • Lebensdauer: 1.500 Jahre:
  • Höhe: 15 Meter

Diese Eiche stammt ursprünglich aus Südfrankreich, und wird aufgrund ihrer immergrünen Blätter auch Grüneiche genannt.

Korkeiche (Quercus pseudosuber)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Mittelmeerraum
  • Lebensdauer:  150 – 200 Jahre; Rekord derzeit: 800 Jahre
  • Höhe: 20 – 25 Meter

Mammutbaum (Metasequoia glyptostroboides)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Zentralchina
  • Höhe: 23 Meter in Harcourt

Der lange als ausgestorben angesehene Mammutbaum wurde 1941 in China wiederentdeckt  – ein wahrhaft lebendes Fossil!

Süntel-Buche (Fagus sylvatica tortuosa)

  • Ursprünglicher Lebensraum: Westeuropa
  • Höhe: 5 bis 6 Meter
  • Lebensdauer: 300 – 500 Jahre

Sie haben Legenden geprägt und sind von Geheimnissen umweht: die Süntel-Buchen.

Die erstaunliche Süntel-Buche des jardin clos. Foto: Hilke Maunder
Die erstaunliche Süntel-Buche des jardin clos. Foto: Hilke Maunder

Château d’Harcourt: meine Reisetipps

Hinkommen

Das Burgschloss samt Arboretum liegt in der Campagne du Neubourg, etwa 35 Kilometer nordwestlich von Évreux, der Hauptstadt des Départements Eure.
• Château d’Harcourt: 13, Rue du Château, 27800 Harcourt, Tel. 02 32 46 29 70, www.harcourt-normandie.fr, www.sites.google.com/view/la-fee-cueillette; 1. März – 15. November

Achtung

Die Innenräume des Château d’Harcourt werden seit 2021 saniert und können daher nicht besichtigt werden.

Bus

Linie 380 Évreux – Honfleur

Aktivitäten

Les Médiévales : Mittelalterfest (Mitte Juli)

Le mystère de l’arboretum: Outdoor Escape Game, mehrere Termine

Séances buissonières: Straßenkunst unter den Bäumen (jeden Sonntag im Sommer)

Schlemmen und genießen

Au Vieux Cadran

Blick auf das Herrenhaus mit den beiden Gästezimmern. Foto: Hilke Maunder
Blick auf das Herrenhaus mit den beiden Gästezimmern. Foto: Hilke Maunder

Dieser typisch normannische Fachwerkhof ist mehr als ein Café. Im Innern der einstigen Scheune sind die Tische mitten hineingestellt in einen charmanten Trödelmarkt mit vielen Objekten von einst (keine Waffen) und lokalen Spezialitäten. Der einstige Gutshof mit Fachwerk in Schwarz-weiß birgt heute zwei kuschelige Gästezimmer mit Blick auf den Garten.
• 12, Rue de la Libération Août 1944, 27800 Harcourt, Tel. 06 27 79 34 45, www.auvieuxccadran.fr

Die Boutique des Cafés. Foto: Hilke Maunder
Die Boutique des Cafés. Foto: Hilke Maunder

Le Comptoir de l’Arbortum

Beste lokale Bistroküche in einem gemütlich-modernen Ambiente.
• 1, Place du Général Chrétien, 27800 Harcourt, Tel. 02 27 19 12 79, www.lecomptoirdelarboretum.com

Beliebt und zentral: Le Comptoir de l'Aboretum. Foto: Hilke Maunder
Beliebt und zentral: Le Comptoir de l’Aboretum. Foto: Hilke Maunder

Schlafen

Le Clos de la Risle

Auf den Höhen des Risle-Tals bietet das zwei Hektar große Anwesen mit vielen Apfelbäumen gleich mehrere ungewöhnliche Unterkünfte: zwei Roulottes (Pferdewagen), eine normannische Bauernwohnung oder eine Höhlenwohnung.
• 2, Chemin du Clos Philippot, 27800 Calleville, Tel. 02 32 45 91 90, www.insolite-normandie.com

Noch mehr Betten*
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Der Blick auf Harcourt mit seiner Dorfkirche. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf Harcourt mit seiner Dorfkirche. Foto: Hilke Maunder

Weiterlesen

Im Blog

Die Normandie gilt als „Garten am Meer“ – und besitzt unzählige faszinierende Gärten. Einige haben ich im Blog bereits vorgestellt.  Einer davon ist der Jardin Shamrock in Seine-Maritime.

In Le Havre wandelte sich ein einstiges Fort in einen Gartenreich der fünf Kontinente.

Ebenfalls in Le Havre findet ihr diesen Garten der Stille.

Im Buch

Normandie: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Hilke Maunder_Normandie_Abseits

Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Garantiert keine Massen trefft ihr bei meinen 50 Tipps. Sie sind allesamt insolite, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön.

Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern der Vallée du Dun, zu zottigen Bisons und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie.

Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter chaumières, und Störche brüten im Marais Vernier. Von den Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz und bis zur Mündung des Couesnan an der Grenze zur Bretagne. Hier* gibt es den Führer!

Glücksorte in der Normandie*

Steile Klippen und weite Sandstrände, bizarre Felslandschaften und verwunschene Wälder, romantische Fachwerkstädtchen und moderne Architektur – die Normandie hat unzählige Glücksorte zu bieten.

Gemeinsam mit meiner Freundin Barbara Kettl-Römer stelle ich sie euch in diesem Taschenbuch vor. Wir verraten, wo die schönste Strandbar an der Seine liegt, für welche Brioches es sich lohnt, ins Tal der Saire zu fahren, und wo noch echter Camembert aus Rohmilch hergestellt wird.

Unser Gemeinschaftswerk stellt euch insgesamt 80 einzigartige Orte vor, die oftmals abseits der eingetretenen Pfade liegen. Wer mag, kann es hier* bestellen.

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