
Im Süden der Côtes du Rhône ist die Vielfalt der Appellationen anfangs ziemlich verwirrend. Im Norden der Côtes du Rhône ist es einfacher. Zwischen Valence und Vienne sind rund 95 Prozent Rotweine aus Syrah. Sie ist die einzige zugelassene Rebsorte. Bei den – wenigen – Weißweinen dominieren Roussanne, Marsanne und Viognier.
Kleine, feine Spitzenweine
Vom Volumen her fällt die Nord-Rhône mit rund zehn Prozent beim Gesamtvolumen der Côtes du Rhône kaum ins Gewicht. Umso mehr jedoch bei der Qualität. Was hier an oft sehr steilen Hängen auf Gneis, Granit oder Glimmerschiefer gedeiht, gehört zu den weltbesten Gewächsen. Neugierig geworden?
Dann entdeckt diese herrlichen Terroirs! Beim Wandern, auf Ausflügen. Oder beim Radeln auf der ViaRhôna, die alle Lagen berührt.

Die crus des nördlichen Côtes du Rhône
Condrieu
„Es ist ganz einfach – entweder mag man Condrieu. Oder nicht“, hörte ich bei der Weinfachmesse in Ampuis immer wieder. Ich gehöre zu den Fans der Weißweine, die am rechten Ufer der Rhône aus einer einzigen Rebsorte gekeltert werden: dem Viognier.
In Condrieu liegt seine Wiege, hier reift er zu einem erst blumigen, im Alter komplexen, voll und rund werdenden Weißwein heran. Pures Gold…

Meine Empfehlung: Lionel Faury, Condrieu, La Berne 2015
Mein absoluter Lieblingswein! Seine Trauben wachsen an einem Süd/Südosthang mit 55% Gefälle, werden per Hand geerntet und sanft gepresst. Nach der Fermentation in Stahltank geht es für den Rebensaft erst ins Holzfass, dann in 2800 Flaschen. Und dann ins Glass, wo er die Nase mit Vanillenoten betört. Und den Gaumen als fetter, komplexer, reicher Weißer verzaubert.
Meine Empfehlung: Jean-Michel Gérin, La Loye, Condrieu 2015
In fünfter Generation ist Jean-Michel Gérin Winzer der Familiendomäne, die auf steilen Terrassen neben acht Hektar Syrah auch auf zwei Hektar für den Viognier reserviert hat. Dort zeigt die Rebe ein ganz anderes Gesicht: Bei ihm dominieren fruchtige Noten und Honigaromen.
In Condrieu gibt es zwei wunderschöne Hotel-Restaurants, die beide regionale Küche und allerfeinste Tropfen aus dem nördlichen Rhônetal führen: das Hôtel Le Beau Rivage und das Hôtel Bellevue am anderen Ufer in Les Roches-de-Condrieu.

Château-Grillet
Ein Besitzer, ein Weingut, eine Appellation: Château-Grillet besitzt einen ungewöhnlichen Sonderstation im Bereich von Condrieu. Das Weingut, das der französische Großindustrielle François Pinault über Artemis gekauft hat, ist zugleich eine eigene Appellation. Mit drei Hektar gehört sie zu den kleinsten Frankreichs.
Zu den Fans des Weinbergs mit extrem steilen Terrassen gehörten einst der Mathematiker Blaise Pascal und der US-Präsident Thomas Jefferson. Damals wurde der Viognier jedoch als schwerer Süßwein ausgebaut.

Cornas
„Verbrannte Erde“ bedeutet Cornas auf Keltisch. Die Rebhänge an den östlichen Ausläufern des Zentralmassive haben alle Südlage. Hier reift der Syrah früher als in den anderen Lagen der nördlichen Côtes du Rhône. Und wird die Lese als erstes begonnen. Auch hier sind die Terrassen sehr schmal, steil. Und ziemlich instabil…. Typisch für Cornas sind auch die „chaillées“, die Trockensteinmauern.

Côte Rôtie
Neben Hermitage gehören die Crus aus der Côte-Rôtie zu den edelsten und teuersten Weinen der nördlichen Côtes du Rhône. Der „gegrillte“ Weinberg ist zudem die einzige Rotweinlage im Norden der Rhône, die auch perfekte Voraussetzungen für Weiße anbietet: Syrah und Viognier teilen sich hier das Terroir. Neben Gneis und Glimmerschiefer wachsen die Reben hier auf eisenhaltigem Lehm (Côte Brune) und Kalk (Côte Blonde). Die 291 Hektar große Produktionsfläche ist aufgeteilt in 73 (!) klassifizierte Einzellagen.
Meine Empfehlung: E. Guigal, Brune et Blonde 2010
Ein Klassiker, der Robert Parker schwärmen lässt – bis 2030 ist er ein Hochgenuss, meint der Weinpapst:
Fully blended and about to be bottled, the 2010 Cote Rotie Brune et Blonde is more serious, with obvious structure and density. Fabulously perfumed, with violets, black pepper, bacon fat, coffee bean and striking minerality, this medium to full-bodied effort is concentrated, layered and brilliantly focused, with fine tannin lending edge and cut through the finish. Give it another 3-4 years in the cellar and enjoy it through 2030. 93+/100

Crozes-Hermitage
Größtes Anbaugebiet der nördlichen Rhône ist das 1633 Hektar große Terrain von Crozes-Hermitage, das am 45. Breitengrad elf Gemeinden der Drôme am linken Ufer der Rhône rund um Tain-l’Hermitage umfasst. Gekeltert werden der rote Syrah und die weißen Roussanne und Marsanne.
Meine Empfehlung: Georges Lelektsoglou, Crozes-Hermitage Vieilles Vignes de Gervans 2015
Eigentlich ist Georges – wie auch sein Sohn – Weinhändler. Seine „Compagnie de L’Hermitage“ findet ihr an der zentralen Place de Taurobole von Tain.. Doch die Leidenschaft des gebürtigen Griechen für Wein ist so groß, dass er aus den Reben mehr als 85 Jahre alter Syrah-Stöcke einen Roten vinifiziert, der mein Hauswein werden könnte: kraftvoll, mit Tiefe, und perfekt ausbalanciert zwischen Frucht und Würze.

Meine Empfehlung: Cave de Tain, Crozes-Hermitage 2010
Auf den sonnenreichen Terrassen aus verwitterten Granitboden findet der Syrah ein perfektes Terrain. Gut die Hälfte des hier erzeugten Rebensaftes verarbeitet die Genossenschaftskellerei Cave de Tain zu vollmundigen Rotweinen, die frisch und fruchtig daherkommen und herrlich auf Orient- und Vanillenoten enden. Für den Jahrgang 2010 gab es dafür beim Concours General Agricole in Paris 2012 und der Wine Challenge Orange 2012 jeweils eine Goldmedaille.

Hermitage
Sie ist ein legendärer Mythos: 2017 feiert die berühmte Appellation der drei Gemeinden Tain-l’Hermitage, Larnage und Crozes-Hermitage ihr 80-jähriges Bestehen. Auf dem sehr geologisch sehr vielfältigen Weinberg beweist der Syrah, dem bis zu 15 Prozent Marsanne oder Rousanne beigemischt werden dürfen, mit herrlichen Grand Cru seine große Vielfalt.
Welche Genüsse noch in Tain-l’Hermitage auf euch warten, verrate ich hier. Und auch Europas Marktführer für Syrah, die Cave de Tain aus dem gleichnamigen Ort, habe ich euch bereits hier vorgestellt.

Meine Empfehlung: Cave de Tain, Gambert de Loche 2015
„Diese Genossenschaftskellerei … erzeugt einige der erstaunlichsten Weine des nördlichen Rhônetals. Die Qualität hat mich umgehauen…“ schwärmte Weinjournalist Robert Parker im Dezember 2012 in „The Wine Advocate“ über die Winery of the Year 2011. Mit dem elegant-kraftvollen Gambert de Loche huldigt der Keller seinem Gründer Louis Gambert de Loche (1884-1967).

Meine Empfehlung: M. Chapoutier, Le Méal Ermitage 2007
Die Lage Le Méal gehört zum „goldenen Dreieck“ des Hermitage-Hügels. Hier wachsen mehr als 50 Jahre alte Syrah-Reben, die Michel Chapoutier heute biodynamisch bewirtschaftet. Sie liefern den Rohstoff für eine Rotwein, der das berühmte Terroir widerspiegelt.
Üppig und elegant zugleich, riecht ihr zunächst Noten von Brombeeren, Cassis und Kaffee. Dann entfaltet sich im Gaumen sich ein genussreiches Kaleidoskop. Süßholz, dunkle Früchten, rauchige Aromen und feine Tannine: ein Traum!

Saint-Joseph
Was für eine schmale, lange Lage: Mehr als 50 km lang zieht sich die AOC von Chavanay im Norden bis Guilherand im Süden über 26 Gemeinden am rechten Ufer der Rhône hin! Im Norden dominiert kontinentales Klima, im Süden weht noch ein mediterraner Hauch. Früher hieß der hier produzierte Wein „Vin de Mauves“, und Victor Hugo verewigt ihn literarisch. Im Roman Les Miserables (Die Elenden) schreibt der Nationaldichter:
Mein Vater schenkte ihm ein wenig von diesem köstlichen Wein aus Mauves ein, den er selbst nicht trinkt, denn er sagt, er sei sehr teuer.
Königs- und Fürstenhäuser schätzten den Vin de Mauves. Und Ludwig X II. ließ sich sogar einen eigenen umfriedeten Weinberg (clos) anlegen. Seinen heutigen Namen Saint-Joseph die Weinregion erst im 17. Jahrhundert von den Jesuiten.

Meine Empfehlung: Jean Louis Chave, Saint-Joseph 2012
Seit 1481 ist die Familie Chave im Weinbau tätig. Einst nur in Hermitage, seit 1990 auch in Saint-Joseph. 2009 kaufte dort Jean Louis Chave am Ortsausgang von Mauves den einzigen umfriedeten Weinberg der Appellation: den clos Florentin. Die dortigen Syrah-Reben verarbeitet er ganz traditionell zu einem Roten, der alles vereint, was die Appellation ausmacht: Eleganz, Tiefe und schwarze Früchte.

Meine Empfehlung: Laurent Habrard, Saint-Joseph 2015
Er sei „Un Vigneron Heureux“, schreibt er auf dem Etikett. Der Sproß in 5. Generation der alteingesessenen Winzerfamilie hat 2008 das Weingut mit 15 Hektar Anbaufläche auf bio umgestellt. Sein Syrah gibt sich fruchtbetont, rund und fein ausgewogenen ohne zu große Schwere.
Meine Empfehlung: Pierre Gonon, Saint Joseph 2015
Im alten Kerngebiet von Saint-Joseph bewirtschaftet die Winzerfamilie vier Lagen: „Saint-Jean“ mit mehr als 50 Jahre alten Syrah-Stöcken, „La Croix de Peygros“ oberhalb von Tournon, „La Montchaude“ an der Stadtgrenze von Tournon sowie
„Coteau des Oliviers“. Vor 1956 waren deren Weine als Cru „Vin des Oliviers“ im Handel. Seit 2004 sind die Weinberge bio. Ihre Syrah sind elegante, runde Tropfen mit 12,8 Vol.% – und damit deutlich leichter als die schweren Syrah-Weine aus dem Languedoc.

Saint-Péray
Der südlichste Cru der nördlichen Rhône fällt aus dem Rahmen: Hier dominieren nicht die Roten, sondern laufen die Weißen zu Höchstform auf. Entdeckt hier die alte Rebe Roussanne – als stillen Weißwein oder prickelnden Schaumwein!
Meine Empfehlung: Domaine du Tunnel, Saint-Péray 2011
Leichter im Anbau und ergiebiger, hat die Marsanne die alte, schwierigere Sorte Roussane in den Hintergrund gedrängt. Umso mehr gefällt mir der sortenreine St-Péray Roussanne von Stephane Robert, der durch Finesse und klare Frucht besticht.
Die Weine der südlichen Côtes du Rhône habe ich euch hier vorgestellt.

Tipp
Dieses 100 Seiten dickte Heft sorgt für Durchblick. Sehr übersichtlich listet es Trauben, Geschichte und die einzelnen Gebiete auf.
Die kleine, kompakte Enzyklopädie zu all den herrlichen Weinen, die aus dem nach Bordeaux zweitgrößten Weinbaugebiet Frankreichs stammen, gibt es kostenlos beim Marketingverband Inter-Rhône.

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Das Südfrankreich-Reise-Kochbuch: Le Midi*
Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.
Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.
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