Die Weine der nördlichen Côtes du Rhône
Im Süden der Côtes du Rhône ist die Vielfalt der Appellationen anfangs ziemlich verwirrend. Im Norden der Côtes du Rhône ist es einfacher.
Zwischen Valence und Vienne werden zu rund 83 Prozent Rotweine erzeugt und zwar aus Syrah, der einzigen zugelassenen roten Rebsorte. Bei den – wenigen – Weißweinen dominieren Roussanne, Marsanne und Viognier. Früher waren es noch 95 Prozent. Doch Weißweine sind weltweit auf dem Vormarsch. Das sorgt besonders in traditionsreichen Rotweingebieten wie Bordeaux oder Rhône für Probleme.
Kleine, feine Spitzenweine
Vom Volumen her fällt die nördliche Rhône mit weniger als zehn Prozent des Gesamtvolumens der Côtes du Rhône kaum ins Gewicht. Umso mehr jedoch bei der Qualität. Was hier an oft sehr steilen Hängen auf Gneis, Granit oder Glimmerschiefer gedeiht, gehört zu den weltbesten Gewächsen. Neugierig geworden?
Dann entdeckt diese herrlichen Terroirs! Beim Wandern, auf Ausflügen. Oder beim Radeln auf der ViaRhôna, die alle Lagen berührt.
Die Crus der nördlichen Côtes du Rhône
Condrieu
„Es ist ganz einfach: Entweder mag man Condrieu – oder nicht“, hörte ich bei der Weinfachmesse in Ampuis immer wieder. Ich gehöre zu den Fans der Weißweine, die am rechten Ufer der Rhône aus einer einzigen Rebsorte gekeltert werden: Viognier.
In Condrieu liegt seine Wiege, hier reift er zu einem erst blumigen, im Alter komplexen, voll und rund werdenden Weißwein heran. Pures Gold!
Und ein wunderbarer Speisenbegleiter, der es sogar mit kräftigen Fleischgerichten wie Lamm oder Wildgeflügel aufnehmen kann.
Meine Empfehlung: Wein Lionel Faury, Condrieu, La Berne
Ein Geheimtipp in der Region. La Berne ist mein absoluter Lieblingswein! Seine Trauben wachsen an über 40-jährigen Rebstöcken in Südost-Lage mit 55 %-igem Gefälle, werden per Hand geerntet und sanft gepresst. Nach der Fermentation im Stahltank geht es für einen Teil des Rebensaftes ins Holzfass, Erst- bis Viertbelegung, dann in 2800 Flaschen. Und dann ins Glas, wo er die Nase mit Vanille-, Aprikosen- und Pfirsichnoten betört. Und den Gaumen als fetter, komplexer, reicher Weißer verzaubert.
Meine Empfehlung: Jean-Michel Gérin, La Loye, AOP Condrieu 2015
In fünfter Generation ist Jean-Michel Gérin Winzer der Familiendomäne, die auf steilen Terrassen neben acht Hektar Syrah auch zwei Hektar für den Viognier reserviert hat. Dort zeigt die Rebe ein ganz anderes Gesicht: Bei ihm dominieren fruchtige Noten und Honigaromen. Wie viele andere Erzeuger an der Rhône befindet sich auch dieses Weingut in Umstellung auf biologischen Anbau.
In Condrieu gibt es zwei wunderschöne Hotel-Restaurants, die beide regionale Küche und allerfeinste Tropfen aus dem nördlichen Rhônetal führen: das Hôtel Le Beau Rivage und das Hôtel Bellevue am anderen Ufer in Les Roches-de-Condrieu.
Château-Grillet
Ein Besitzer, ein Weingut, eine Appellation: Das Château-Grillet besitzt einen ungewöhnlichen Sonderstatus im Bereich Condrieu. Das Weingut, das der französische Großindustrielle François Pinault über Artemis gekauft hat, ist zugleich eine eigene Appellation. Mit 3,5 Hektar gehört sie zu den kleinsten Frankreichs.
Zu den Fans des Weinbergs mit extrem steilen Terrassen gehörten einst der Mathematiker Blaise Pascal und der US-Präsident Thomas Jefferson. Damals wurde der Viognier jedoch als schwerer Süßwein ausgebaut.
Cornas
„Verbrannte Erde“ bedeutet Cornas auf Keltisch. Die Rebhänge an den östlichen Ausläufern des Zentralmassivs haben alle Südlage. Hier reift der Syrah früher als in den anderen Lagen der nördlichen Côtes du Rhône. Deshalb wird hier die Lese als Erstes begonnen. Auch hier sind die Terrassen sehr schmal, steil und ziemlich instabil. Typisch für Cornas sind auch die chaillées, die Trockensteinmauern.
Côte-Rôtie
Neben Hermitage gehören die Crus aus der Côte-Rôtie zu den edelsten und teuersten Weinen der nördlichen Côtes du Rhône. Der „verbrannte“ Weinberg ist zudem die einzige Rotweinlage im Norden der Rhône, die auch perfekte Voraussetzungen für Weiße anbietet: Syrah und Viognier teilen sich hier das Terroir. Neben Gneis und Glimmerschiefer wachsen die Reben hier auf eisenhaltigem Lehm (Côte Brune) und Kalk (Côte Blonde). Die 291 Hektar große Produktionsfläche ist aufgeteilt in 73 (!) klassifizierte Einzellagen.
Meine Empfehlung: Weingut und Weinhandelshaus E. Guigal, Ampuis, AOP Côte-Rôtie
Seit 1971 leitet das Weingut Marcel Guigal, einer der Pioniere der Region. Die herausragenden Bewertungen durch Robert Parker in den 1980-er Jahren haben dazu geführt, dass das Weingut internationalen Ruf erlangte. Mein Favorit ist der Brune et Blonde, der Urtyp eines Syrah von der nördlichen Rhône.
Crozes-Hermitage
Größtes Anbaugebiet der nördlichen Rhône ist das 1633 Hektar große Terrain von Crozes-Hermitage, das am 45. Breitengrad elf Gemeinden der Drôme am linken Ufer der Rhône rund um Tain-l’Hermitage umfasst. Gekeltert werden der rote Syrah und die weißen Roussanne und Marsanne.
Meine Empfehlung: Domaines Georges Lelektsoglou, Vieilles Vignes de Gervans
Eigentlich ist Georges – wie auch sein Sohn – Weinhändler. Seine Compagnie de L’Hermitage findet ihr an der zentralen Place de Taurobole von Tain-l’Hermitage. Doch die Leidenschaft des gebürtigen Griechen für Wein ist so groß, dass er aus den Reben der mehr als 85 Jahre alter Syrah-Stöcke einen Roten vinifiziert, der mein Hauswein werden könnte: kraftvoll, mit Tiefe und perfekt ausbalanciert zwischen Frucht und Würze.
Meine Empfehlung: Cave de Tain, Crozes-Hermitage
In den internationalen Vergleichen der besten Weinkooperativen belegt sie regelmäßig Plätze auf dem Treppchen, die Winzergenossenschaft der Stadt Tain l‘Hermitage. Bereits seit 2009 für den nachhaltigen Anbau zertifiziert, befinden sich aktuell etliche der Flächen in Umstellung auf den biologischen oder biodynamischen Anbau. Auf den sonnenreichen Terrassen aus verwitterten Granitboden findet der Syrah ein perfektes Terrain. Gut die Hälfte des hier erzeugten Rebensaftes verarbeitet die Genossenschaftskellerei Cave de Tain zu vollmundigen Rotweinen.
Kein Wunder, dass auch Weinkritiker Robert Parker ins Schwärmen gerät: „Diese Genossenschaftskellerei … erzeugt einige der erstaunlichsten Weine des nördlichen Rhônetals. Die Qualität hat mich umgehauen…“ so beurteilte er im Dezember 2012 in „The Wine Advocate“ die Winery of the Year 2011. Mit dem elegant-kraftvollen Gambert de Loche huldigt der Keller seinem Gründer, Louis Gambert de Loche (1884-1967).
Meine Empfehlung: Domaines Les Bruyères David Reynaud, Beaumont-Monteux, AOP Crozes-Hermitage
Zwar liegt das Weingut im Herzen der Appellation Crozes-Hermitage, doch mir hat es ganz besonders sein Cornas mit dem Namen „Rebelle“ angetan. Die Trauben liefern mehr als 70 Jahre alte Syrah-Rebstöcke. Der Ertrag ist auf 16 Hektoliter pro Hektar limitiert. Der Most vergärt erst rund 30 Tage lang im traditionellen Betonbehälter, bevor er 24 Monate im Barrique reift und für weitere zwölf Monate in den Beton zurückkehrt. Auch Tropfen, die schon zwölf Jahre alt sind , bewahren ihre jugendliche Frische, sind konzentriert und begeistern mit pfeffriger Würze, beerigen Noten, Tanninen und Röstaromen Nase und Gaumen. Seit 2005 arbeitet der Betrieb komplett biodynamisch.
Meine Empfehlung: Domaine des Remizières, Mercurol, AOP Crozes-Hermitage
Das Familienweingut leiten heute die Geschwister Emilie und Christophe Desmeure. Die 35 Hektar Rebfläche verteilen sich auf sieben Gemeinden der AOP Hermitage, Crozes-Hermitage und Saint-Joseph. Ihre Weine müssen sich hinter den berühmten Namen der Appellationen nicht verstecken. Ihr Cuvée Emilie passt als eleganter roter Hermitage zu Wildgerichten. Der Cuvée Christophe, ein opulenter weißer Crozes-Hermitage, wird rund zehn Monate im Barrique ausgebaut, davon 30 % Erstbelegung. Er begleitet gegrillten Fisch oder ein Trüffel-Risotto.
Hermitage
Legende und Mythos: 2017 feierte die berühmte Appellation der drei Gemeinden Tain-l’Hermitage, Larnage und Crozes-Hermitage ihr 80-jähriges Bestehen. Auf dem geologisch sehr vielfältigen Weinberg beweist der Syrah, dem bis zu 15 Prozent Marsanne oder Rousanne beigemischt werden dürfen, mit herrlichen Grand Crus seine große Vielfalt.
Welche Genüsse noch in Tain-l’Hermitage auf euch warten, verrate ich hier. Europas Marktführer für Syrah, den Cave de Tain aus dem gleichnamigen Ort, habe ich euch hier vorgestellt.
Meine Empfehlung: Maison M. Chapoutier, Le Méal
Schon von weitem künden große Tafeln an der nördlichen Rhône von den berühmten Weingütern im Rhônetal. In Tain-l’Hermitage ist geradezu ein Wettstreit zwischen den Namenszügen im Weinberg entbrannt. Neben Jaboulet und der Cave de Tain hat sich auch die Maison M. Chapoutier so verewigt, die am Hauptsitz in Tain-l’Hermitage ebenfalls zur Verkostung lädt.
Das berühmte Haus führen heute in siebter Generation Marc und Michel Chapoutier. Ihr Unternehmen bewirtschaftet insgesamt 85 Hektar an der nördlichen und der südlichen Rhône und erzeugt hoch konzentrierte, opulente Weine. Kein Wunder, wurde doch seit Ende der 1980er-Jahre so stark reduziert, dass sich die Produktionsmenge halbierte. Mitte der 1990er-Jahre stellten Marc und Michel Chapoutier ihr Haus konsequent auf biodynamischen Weinbau um.
Wer sich einen wirklich herausragenden Tropfen der AOP Hermitage gönnen will, wählt einen Wein aus der Lage Le Méal, die zum „goldenen Dreieck“ des Hermitage-Hügels gehört. Hier wachsen 50 bis 70 Jahre alte Syrah-Reben und liefern den Rohstoff für einen Rotwein, der das berühmte Terroir widerspiegelt.
Üppig und elegant zugleich, riecht ihr zunächst Noten von Brombeeren, Cassis und Kaffee. Dann entfalten sich im Gaumen Süßholz, dunkle Früchte, rauchige Aromen und feine Tannine: ein Traum! Je nach Jahrgang müsst ihr allerdings 250 bis 350 Euro für eine Flasche investieren.
Saint-Joseph
Was für eine schmale, lange Lage: Mehr als 50 km lang zieht sich die AOP von Chavanay im Norden bis Guilherand im Süden über 26 Gemeinden am rechten Ufer der Rhône hin! Im Norden dominiert kontinentales Klima, im Süden weht noch ein mediterraner Hauch. Früher hieß der hier produzierte Wein Vin de Mauves, und Victor Hugo verewigt ihn literarisch. Im Roman Les Miserables (Die Elenden) schreibt der Nationaldichter:
Mein Vater schenkte ihm ein wenig von diesem köstlichen Wein aus Mauves ein, den er selbst nicht trinkt, denn er sagt, er sei sehr teuer.
Königs- und Fürstenhäuser schätzten den Vin de Mauves. Und Ludwig X II. ließ sich sogar einen eigenen umfriedeten Weinberg (clos) anlegen. Ihren heutigen Namen Saint-Joseph erhielt die Weinregion erst im 17. Jahrhundert von den Jesuiten.
Meine Empfehlung: Jean Louis Chave, Mauves, AOP Saint-Joseph
Seit 1481 ist die Familie Chave im Weinbau tätig. Einst nur in Hermitage, seit 1990 auch in Saint-Joseph. 2009 kaufte dort Jean Louis Chave am Ortsausgang von Mauves den einzigen umfriedeten Weinberg der Appellation: den clos Florentin. Die dortigen Syrah-Reben verarbeitet er ganz traditionell zu einem Roten, der alles vereint, was die Appellation ausmacht: Eleganz, Tiefe und schwarze Früchte.
Meine Empfehlung: Laurent Habrard, AOP Saint-Joseph
Er sei „Un Vigneron Heureux„, schreibt er auf dem Etikett. Der Spross in der fünften Generation der alteingesessenen Winzerfamilie hat 2008 das Weingut mit 15 Hektar Anbaufläche auf bio umgestellt. Sein Syrah gibt sich fruchtbetont, rund und fein ausgewogenen ohne zu große Schwere.
2019 lancierte er ein neues Projekt: den Rosé Dame Nature. In dieser Region sind Rosés eher selten. 2019 aber war die Natur so großzügig zu Laurent, dass er nicht allen Most für seine Rotweine verwenden wollte und deshalb diese Neuheit auf den Markt gebracht hat. Mit dem Erlös aus den rund 2000 Flaschen unterstützt er seitdem die ASPAS Association pour la Protection des Animaux Sauvages. Die Organisation hat sich dem Schutz von Wildtieren und der Biodiversität verschrieben.
Meine Empfehlung: Pierre Gonon, Mauves, AOP Saint Joseph
Im alten Kerngebiet von Saint-Joseph bewirtschaftet die Winzerfamilie vier Lagen: Saint-Jean mit mehr als 50 Jahre alten Syrah-Stöcken, La Croix de Peygros oberhalb von Tournon, La Montchaude an der Stadtgrenze von Tournon sowie
Coteau des Oliviers. Vor 1956 waren deren Weine als Cru Vin des Oliviers im Handel. Seit 2004 sind die Weinberge bio. Die Syrah-Weine sind elegante, runde Tropfen mit 13 Vol.% – und damit deutlich leichter als die schweren Syrah-Weine aus dem Languedoc.
Saint-Péray
Der südlichste Cru der nördlichen Rhône fällt aus dem Rahmen: Hier dominieren nicht die Roten, sondern laufen die Weißen zu Höchstform auf. Entdeckt hier die alte Rebe Roussanne – als stillen Weißwein oder prickelnden Schaumwein!
Meine Empfehlung: Domaine du Tunnel, Saint-Péray
Stéphane Robert hat sich den reinsortigen Weinen verschrieben: Natürlich hat er auch die übliche Cuvée aus Marsanne und Roussanne im Sortiment, baut aber beide Rebsorten auch einzeln aus. Ergänzt wird das Weißweinangebot durch seinen reinsortigen Viognier aus dem Condrieu. Mein Lieblingswein von Stéphane ist der sortenreine Saint-Péray Roussanne, der durch Finesse und klare Frucht besticht.
Die Weine der südlichen Côtes du Rhône habe ich euch hier vorgestellt.
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Das nach Bordeaux zweitgrößte Weinbaugebiet Frankreichs stellt der Marketingverband Inter-Rhône vor.
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Hilke Maunder, Le Midi*
Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.
Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.
Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportraits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.
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Der Viognier ist seit einigen Jahren auch weiter südlich im Languedoc heimisch geworden. Besonders in der Region um Roquebrun, nordwestlich von Beziers. Mein Favorit allerdings der vom Cave de la Madeleine St. Jean am alten Fischereihafen von Marseillan. Klein aber fein…
Lieber Rolf, ganz herzlichen Dank für Deine Tipps. Herzliche Grüße, Hilke