Es grünt und blüht in Fanjeaux. Foto: Hilke Maunder
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Fanjeaux: die Wiege der Dominikaner

360 Meter hoch thront es auf einem Hügel, reckt seine Stiftskirche in den Himmel und überragt eine Ebene mit Sonnenblumenfeldern und Weingärten, durch die sich ein kleiner Fluss schlängelt: Fanjeaux.

Die Falle

Piège heißt das Gewässer. Was für ein ungewöhnlicher Name! Eine Theorie besagt, dass der Name von dem lateinischen Wort picea stammt, was „pechig“ oder „klebrig“ bedeutet und sich auf die sumpfige Beschaffenheit der Flussufer beziehen könnte.

Im Sommer blühen rings um Fanjeaux Sonneblumen auf riesigen Feldern.
Im Sommer blühen rings um Fanjeaux Sonneblumen auf riesigen Feldern.

Eine andere Theorie besagt, dass der Name vom okzitanischen Wort pieja (felsig) stammt und damit das felsige Gelände schreibt, durch das der Fluss fließt.

Die am weitesten verbreitete Theorie besagt jedoch, dass der Name von dem französischen Wort piège stammt, was „Falle“ oder „Schlinge“ bedeutet. Denn einst stellten dort die örtlichen Fischer Fallen oder Schlingen im Fluss auf, um Aale und andere Fische zu fangen, und mit der Zeit wurde die Falle zum Namen des Flusses.

Die Sonnenblumen des Razès im Herbst. Foto: Hilke Maunder
Die Sonnenblumen des Razès im Herbst. Foto: Hilke Maunder

Im Herzen des Razès

Fanjeaux war einst einer der wichtigsten Orte im Razès. Mit sanften Hügeln, Weinbergen und malerischen mittelalterlichen Orten erstreckt sich die historische Region im Herzen des Département Aude von Okzitanien.

Die Hügel gehören zum Massif de Malepère, das den östlichen Teil des Razès einnimmt und an der Aude endet. Erst jenseits des Flusses beginnen die Corbières.

Die Rue des Fargues. Sie führt leicht ansteigend hin zu der Markthalle. Foto; Hilke Maunder
Die Rue des Fargues. Sie führt stetig steigend hin zur Markthalle von Fanjeaux. Foto; Hilke Maunder

Hochburg der Katharer

Fanjeaux lag in gallorömischer Zeit an einem Kreuzpunkt wichtiger Handelswege. Sie sicherte ein Fanum Jovis, ein gallorömischer Tempel für Jupiter, den ein oppidum umgab, eine befestigte Stadt.

Unter dem Vicomte de Trencavel als Seigneur stieg Fanjeaux im 12. Jahrhundert zu einer mächtigen Burgstadt auf. Innerhalb der befestigten Siedlung unterhielt Guilhabert de Castres ein Haus der parfaits, wie sich die Katharer nannten. Im Schatten der Burg betrieben sie mehrere Weber-Werkstätten.

Die Rue des Fargues. Foto: Hilke Maunder
Die Rue des Fargues. Foto: Hilke Maunder

Die katholische Kirche betrachtete die Katharer als Ketzer – sie selbst sich hingegen als bonshommes, als reine, gute Menschen. Ihren Spuren könnt ihr auf dem Katharerweg folgen. Viele Katharerführer wurden damals in Fanjeaux ausgebildet. Ihnen trat ein Geistlicher aus Spanien entgegen, der weltberühmt wurde: der heilige Dominikus.

Der heilige Dominikus

Fassade im Frühling der Place de la Vierge. Foto: Hilke Maunder
Fassade im Frühling an der Place de la Vierge. Foto: Hilke Maunder

Der heilige Dominikus wurde 1170 im Dörfchen Caleruega bei Burgos als Domingo Núñez de Guzmán geboren und starb 1221 in Bologna. Im Jahr 1234 sprach Papst Gregor IX. den Geistlichen heilig.

Im frühen 13. Jahrhundert schickte der Bischof von Osma den Geistlichen ins Languedoc, um die Ausbreitung des Katharertums zu bekämpfen.

Von 1206 bis 1215 ließ sich Domingo Núñez de Guzmán in Fanjeaux nieder. Dort versuchte er mit seinen Predigten, den örtlichen Adel, der sich der Kirche der „Guten Christen“ angeschlossen hatte, wieder zur römisch-katholischen Kirche zurückzuführen.

Die Place de la Vierge. Foto: Hilke Maunder
Die Place de la Vierge. Foto: Hilke Maunder

Das Zeugnis der Flammen

Dabei kam es im Jahr 1207  zu einem legendären Wettstreit zwischen Dominikus und dem katharischen Bischof Guilhabert de Castres. Der Überlieferung zufolge wurden bei dieser Ordalie (Beweis durch Feuer) die Schriften der beiden Redner in die Flammen geworfen.

Die Texte von Guilhabert von Castres verbrannten. Das Pergament von Dominikus hingegen stieg dreimal über die Flammen auf, bis es schließlich oben auf einem Deckenbalken landete.

Wildes Idyll: ein Garten an der Place de la Vierge. Foto: Hilke Maunder
Wildes Idyll: ein Garten an der Place de la Vierge. Foto: Hilke Maunder

Den Balken dieses miracle du feu könnte ihr bis heute in der Pfarrkirche sehen. Er war  1820 feierlich dorthin gebracht worden, nachdem die Kapelle des Heiligen Dominikus an der Stelle des Wunders eingestürzt war.

Die Kirche wurde angeblich an der Stelle eines alten römischen Tempels errichtet, der Jupiter gewidmet war. Der Grundstein ist unter dem Eingangsportal eingemauert.

Das Erbe der Dominikaner

Mit Jakobsmuschel versehen: ein Türklopfer in Fanjeaux. Foto: Hilke Maunder
Mit Jakobsmuschel versehen: ein Türklopfer in Fanjeaux. Foto: Hilke Maunder

Als Pfarrer von Fanjeaux gründete Domingo Núñez de Guzmán dort den Dominikanerorden. Den Standort für sein erstes Kloster fand er genau dort, wo sich heute das Kreuz Le Seignadou strahlend weiß erhebt.

An klaren Tagen eröffnet sich von dort oben ein herrlicher Panoramablick auf die Montagne Noire, die Ebene des Lauragais und bis zu den Bergspitzen des Pic du Bugarach in den Corbières und den Gipfel des Canigou und des Mont Valier in der Pyrenäenkette.

Auch vom Städtchen aus sind die Pyrenäen immer wieder zu sehen. Foto: Hilke Maunder
Auch vom Städtchen aus sind die Pyrenäen immer wieder zu sehen. Foto: Hilke Maunder

Und genau hier will der Priester einen Feuerball gesehen haben, der auf Prouilhe fiel. Ein Zeichen Gottes, dachte er sich – und gründete dort sein erstes Kloster. Die ersten Nonnen waren neun katharische Frauen, die er bekehrt hatte.

Die Place du Marché. Foto: Hilke Maunder
Die Place du Marché. Foto: Hilke Maunder

Das Kloster wurde oft zerstört und immer wieder aufgebaut. Seine 1886 erbaute Basilika im römisch-byzantinischen Stil blieb unvollendet. Im Kloster lebt noch heute eine Gemeinschaft von rund 30 Dominikanerinnen aus aller Welt.

Sie haben große Pläne, wollen Kloster und Kirche sanieren und sogar ein Hotel eröffnen. Dafür sammeln sie Spenden auf ihrer Webseite: www.prouilhe.com.

Die einstige Schule, Foto: Hilke Maunder
Die einstige Schule. Foto: Hilke Maunder

Das einstige Dominikanerkloster

Ganz in der Nähe der beeindruckenden Markthalle von Fanjeaux befindet sich das einstige Dominikanerkloster, der Couvent des frères prêcheurs.

Das einstige Dominikanerkloster wurde 1358 fertiggestellt und bereits 1364 erweitert. Die Kirche soll erst um 1448 erbaut worden sein. Im Jahr 1793 sorgte die Französische Revolution für das Ende des Klosterlebens. Über Jahrhunderte war das Gebäude dem Verfall preisgegeben.

Das Dach der Markthalle. Foto: Hilke Maunder
Das Dach der Markthalle. Foto: Hilke Maunder

Ein monumentales Portal aus dem 18. Jahrhundert verkörpert den Eingang des Klosters. Die Kirche weist ein typisches architektonisches Ensemble der südlichen Gotik auf. Sie besteht aus einem Schiff, das Seitenkapellen flankieren, und einem flachen Chor. Der ehemalige Kapitelsaal wurde in eine Kapelle umgewandelt. Vom Kreuzgang aus rosafarbenem Backstein ist nur noch der Westflügel erhalten.

Die fünf Kongregationen der Dominikaner

Heute leben dort Nonnen der Kongregation der Heiligen Familie, deren Mutterhaus sich in Monaco befindet. In ihrem Gästehaus könnt ihr übernachten!

La Chouette Boutique nennt sich die Töpferei der Place du Marché. Foto: Hilke Maunder
La Chouette Boutique nennt sich die Töpferei an der Place du Marché. Foto: Hilke Maunder

Insgesamt gibt es noch fünf religiöse Gemeinschaften der Dominikaner in Fanjeaux. Zu ihnen gehören auch die Soeurs du Verbe Incarné, die Communauté de l’Agneau und die Frères dominicains.

Die Dominikanerbrüder trefft ihr den ganzen Sommer hindurch im Haus des Heiligen Dominikus in der Rue Saint-Domenge in Fanjeaux, wo sie Führungen anbieten.

Kunst begleitet den Weg zur Maison Saint-Dominique. Foto: Hilke Maunder
Kunst begleitet den Weg zur Maison Saint-Dominique. Foto: Hilke Maunder

Die Maison Saint-Dominique

Im kleinen Quartier Bourguet San Domenge findet ihr mit der Maison Saint-Dominique jenes Haus, in dem der Heilige Dominik während seiner Zeit in Fanjeaux gelebt haben soll.

Seine Glasfenster stammen von Jean Hugo, dem Urenkel des berühmten Schriftstellers. Sie zeigen sechs Episoden aus dem Leben des Geistlichen. Die Dominikaner von Toulouse haben in diesem Haus einen Ort des Gedenkens an ihren Ordensgründer eingerichtet.

Im alten Zentrum von Fanjeaux. Foto: Hilke Maunder
Im alten Zentrum von Fanjeaux. Foto: Hilke Maunder

Ein Dorf der Künstler

Doch nicht nur Dominikaner begegnen euch in Fanjeaux, sondern auch Künstler. Das Office de Tourisme hat einen Parcours artistique mit zehn Skulpturen und Bildern angelegt. Audioguides laden ein, unterwegs den Dialogen von Menschen zu lauschen, die die bewegte Geschichte des  Dorfes erlebt haben.

Foto: Hilke Maunder
Nicht nur Skulpturen, sondern auch diese Bilder gehören zum Kunstweg mit Werken von Loïc Tellier. Foto: Hilke Maunder

Der Kunstweg von Loïc Tellier

Die Werke  stammen von Loïc Tellier. Der 1966 geborene Künstler ist ein Tausendsassa. Er arbeitet als Grafiker und Illustrator für Verlage, zeichnet Comic-Bücher und schmückt als Maler Wände mit Trompe l’œil und erstellt Filmkulissen.

1997 das CAP für Metallarbeiten in der Tasche, begann er, mit Metall und Schrott bildhauerisch zu arbeiten. Nichts geht verloren, alles wird in seinen Werken recycelt. Im parcours artistique von Fanjeaux prallen in seinen Werken all seine Stile und Kunstrichtungen aufeinander.

Foto: Hilke Maunder
Kunst von Loïc Tellier. Foto: Hilke Maunder

Geschnitzte Steine

Arnaud Landroit ist ein gelernter Steinmetz. Zwei Jahrzehnte lang hat er das Traditionshandwerk unterrichtet. 2011 zeichnete ihn der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy als Meilleur Ouvrier de France (MOF) aus.

Arnaud Landroit bearbeitet voller Leidenschaft Steine. Foto: Hilke Maunder
Arnaud Landroit bearbeitet voller Leidenschaft Steine. Foto: Hilke Maunder

In der Rue des Fargues hat der Bildhauer Simon Fabre sein Atelier. Aus kantigen Form kreiert er fantasievoll Figuren, die Comic-Helden ähneln.

Blick durch das Schaufenster in die Werkstatt von Simon Fabre. Foto: Hilke Maunder
Blick durch das Schaufenster in die Werkstatt von Simon Fabre. Foto: Hilke Maunder

Michel  Nagati hat gegenüber der Markthalle 2019 sein Atelier für die Reproduktion von modillons eröffnet – und damit jener Fratzen, Monster und Tiere, die traditionell mittelalterliche Häuser schmückten.

Wunderschön: der Blumentopf der Töpferei. Foto: Hilke Maunder
Wunderschön: der Blumentopf der Töpferei La Chouette Boutique. Foto: Hilke Maunder

Bereits 1984 kam der gebürtige Pariser nach Fanjoux. In seinem Laden La Chouette Boutique verkauft er seitdem diese modillons als Dekoelement und Blumentöpfe in leuchtenden Farben.

Inspiriert wurde Michel beim Besuch von Mirepoix. Die dortige Maison des Consuls schmücken mehr als 70 modillons !

Von Mitte Juni bis Mitte September könnt ihr die örtlichen Künstler bei der Sommerausstellung in der Maison Gramont bei der Markthalle entdecken.

Immer wieder begegnen euch in Fanjeaux Katzen. Foto: Hilke Maunder
Immer wieder begegnen euch in Fanjeaux Katzen. Foto: Hilke Maunder

Fanjeaux: meine Reisetipps

Hinkommen

Grande Randonnée GR 78

Fanjeaux liegt an einer Route des Jakobsweges. Sie ist heute als Grande Randonnée GR 78 markiert und führt als Sentier de Piémont von Carcassonne nach Lourdes.

Mitunter wirkt Fanjeaux so, als sei das Mittelalter kaum vergangen – wie hier bei der Maison Saint-Dominique. Foto: Hilke Maunder
Mitunter wirkt Fanjeaux so, als sei das Mittelalter kaum vergangen – wie hier bei der Maison Saint-Dominique. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen und genießen

Cafés des Arts

Der Tabac-Presse von Fanjeaux.
• 3, Place du Treil, 11270 Fanjeaux, Tel. 04 68 24 70 68

La Table Cathare „Chez Angel“

Einfaches, sehr beliebtes Restaurant mit französischer und mediterraner Küche – freitags und samstags auch zum Mitnehmen.
• 7, Route de Mirepoix (D 119), 11270 Fanjeaux, Tel. 04 68 24 62 46, www.facebook.com

Hier könnt ihr schlafen*
Booking.com

Foto: Hilke Maunder

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Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt an den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

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Das Reise-Kochbuch: Le Midi*

Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportaits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

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