Fanjeaux: die Wiege der Dominikaner
360 Meter hoch thront es auf einem Hügel, reckt seine Stiftskirche in den Himmel und überragt eine Ebene mit Sonnenblumenfeldern und Weingärten, durch die sich ein kleiner Fluss schlängelt: Fanjeaux.
Die Falle
Piège heißt das Gewässer. Was für ein ungewöhnlicher Name! Eine Theorie besagt, dass der Name von dem lateinischen Wort picea stammt, was „pechig“ oder „klebrig“ bedeutet und sich auf die sumpfige Beschaffenheit der Flussufer beziehen könnte.
Eine andere Theorie besagt, dass der Name vom okzitanischen Wort pieja (felsig) stammt und damit das felsige Gelände schreibt, durch das der Fluss fließt.
Die am weitesten verbreitete Theorie besagt jedoch, dass der Name von dem französischen Wort piège stammt, was „Falle“ oder „Schlinge“ bedeutet. Denn einst stellten dort die örtlichen Fischer Fallen oder Schlingen im Fluss auf, um Aale und andere Fische zu fangen, und mit der Zeit wurde die Falle zum Namen des Flusses.
Im Herzen des Razès
Fanjeaux war einst einer der wichtigsten Orte im Razès. Mit sanften Hügeln, Weinbergen und malerischen mittelalterlichen Orten erstreckt sich die historische Region im Herzen des Département Aude von Okzitanien.
Die Hügel gehören zum Massif de Malepère, das den östlichen Teil des Razès einnimmt und an der Aude endet. Erst jenseits des Flusses beginnen die Corbières.
Hochburg der Katharer
Fanjeaux lag in gallorömischer Zeit an einem Kreuzpunkt wichtiger Handelswege. Sie sicherte ein Fanum Jovis, ein gallorömischer Tempel für Jupiter, den ein oppidum umgab, eine befestigte Stadt.
Unter dem Vicomte de Trencavel als Seigneur stieg Fanjeaux im 12. Jahrhundert zu einer mächtigen Burgstadt auf. Innerhalb der befestigten Siedlung unterhielt Guilhabert de Castres ein Haus der parfaits, wie sich die Katharer nannten. Im Schatten der Burg betrieben sie mehrere Weber-Werkstätten.
Die katholische Kirche betrachtete die Katharer als Ketzer – sie selbst sich hingegen als bonshommes, als reine, gute Menschen. Ihren Spuren könnt ihr auf dem Katharerweg folgen. Viele Katharerführer wurden damals in Fanjeaux ausgebildet. Ihnen trat ein Geistlicher aus Spanien entgegen, der weltberühmt wurde: der heilige Dominikus.
Der heilige Dominikus
Der heilige Dominikus wurde 1170 im Dörfchen Caleruega bei Burgos als Domingo Núñez de Guzmán geboren und starb 1221 in Bologna. Im Jahr 1234 sprach Papst Gregor IX. den Geistlichen heilig.
Im frühen 13. Jahrhundert schickte der Bischof von Osma den Geistlichen ins Languedoc, um die Ausbreitung des Katharertums zu bekämpfen.
Von 1206 bis 1215 ließ sich Domingo Núñez de Guzmán in Fanjeaux nieder. Dort versuchte er mit seinen Predigten, den örtlichen Adel, der sich der Kirche der „Guten Christen“ angeschlossen hatte, wieder zur römisch-katholischen Kirche zurückzuführen.
Das Zeugnis der Flammen
Dabei kam es im Jahr 1207 zu einem legendären Wettstreit zwischen Dominikus und dem katharischen Bischof Guilhabert de Castres. Der Überlieferung zufolge wurden bei dieser Ordalie (Beweis durch Feuer) die Schriften der beiden Redner in die Flammen geworfen.
Die Texte von Guilhabert von Castres verbrannten. Das Pergament von Dominikus hingegen stieg dreimal über die Flammen auf, bis es schließlich oben auf einem Deckenbalken landete.
Den Balken dieses miracle du feu könnte ihr bis heute in der Pfarrkirche sehen. Er war 1820 feierlich dorthin gebracht worden, nachdem die Kapelle des Heiligen Dominikus an der Stelle des Wunders eingestürzt war.
Die Kirche wurde angeblich an der Stelle eines alten römischen Tempels errichtet, der Jupiter gewidmet war. Der Grundstein ist unter dem Eingangsportal eingemauert.
Das Erbe der Dominikaner
Als Pfarrer von Fanjeaux gründete Domingo Núñez de Guzmán dort den Dominikanerorden. Den Standort für sein erstes Kloster fand er genau dort, wo sich heute das Kreuz Le Seignadou strahlend weiß erhebt.
An klaren Tagen eröffnet sich von dort oben ein herrlicher Panoramablick auf die Montagne Noire, die Ebene des Lauragais und bis zu den Bergspitzen des Pic du Bugarach in den Corbières und den Gipfel des Canigou und des Mont Valier in der Pyrenäenkette.
Und genau hier will der Priester einen Feuerball gesehen haben, der auf Prouilhe fiel. Ein Zeichen Gottes, dachte er sich – und gründete dort sein erstes Kloster. Die ersten Nonnen waren neun katharische Frauen, die er bekehrt hatte.
Das Kloster wurde oft zerstört und immer wieder aufgebaut. Seine 1886 erbaute Basilika im römisch-byzantinischen Stil blieb unvollendet. Im Kloster lebt noch heute eine Gemeinschaft von rund 30 Dominikanerinnen aus aller Welt.
Sie haben große Pläne, wollen Kloster und Kirche sanieren und sogar ein Hotel eröffnen. Dafür sammeln sie Spenden auf ihrer Webseite: www.prouilhe.com.
Das einstige Dominikanerkloster
Ganz in der Nähe der beeindruckenden Markthalle von Fanjeaux befindet sich das einstige Dominikanerkloster, der Couvent des frères prêcheurs.
Das einstige Dominikanerkloster wurde 1358 fertiggestellt und bereits 1364 erweitert. Die Kirche soll erst um 1448 erbaut worden sein. Im Jahr 1793 sorgte die Französische Revolution für das Ende des Klosterlebens. Über Jahrhunderte war das Gebäude dem Verfall preisgegeben.
Ein monumentales Portal aus dem 18. Jahrhundert verkörpert den Eingang des Klosters. Die Kirche weist ein typisches architektonisches Ensemble der südlichen Gotik auf. Sie besteht aus einem Schiff, das Seitenkapellen flankieren, und einem flachen Chor. Der ehemalige Kapitelsaal wurde in eine Kapelle umgewandelt. Vom Kreuzgang aus rosafarbenem Backstein ist nur noch der Westflügel erhalten.
Die fünf Kongregationen der Dominikaner
Heute leben dort Nonnen der Kongregation der Heiligen Familie, deren Mutterhaus sich in Monaco befindet. In ihrem Gästehaus könnt ihr übernachten!
Insgesamt gibt es noch fünf religiöse Gemeinschaften der Dominikaner in Fanjeaux. Zu ihnen gehören auch die Soeurs du Verbe Incarné, die Communauté de l’Agneau und die Frères dominicains.
Die Dominikanerbrüder trefft ihr den ganzen Sommer hindurch im Haus des Heiligen Dominikus in der Rue Saint-Domenge in Fanjeaux, wo sie Führungen anbieten.
Die Maison Saint-Dominique
Im kleinen Quartier Bourguet San Domenge findet ihr mit der Maison Saint-Dominique jenes Haus, in dem der Heilige Dominik während seiner Zeit in Fanjeaux gelebt haben soll.
Seine Glasfenster stammen von Jean Hugo, dem Urenkel des berühmten Schriftstellers. Sie zeigen sechs Episoden aus dem Leben des Geistlichen. Die Dominikaner von Toulouse haben in diesem Haus einen Ort des Gedenkens an ihren Ordensgründer eingerichtet.
Ein Dorf der Künstler
Doch nicht nur Dominikaner begegnen euch in Fanjeaux, sondern auch Künstler. Das Office de Tourisme hat einen Parcours artistique mit zehn Skulpturen und Bildern angelegt. Audioguides laden ein, unterwegs den Dialogen von Menschen zu lauschen, die die bewegte Geschichte des Dorfes erlebt haben.

Der Kunstweg von Loïc Tellier
Die Werke stammen von Loïc Tellier. Der 1966 geborene Künstler ist ein Tausendsassa. Er arbeitet als Grafiker und Illustrator für Verlage, zeichnet Comic-Bücher und schmückt als Maler Wände mit Trompe l’œil und erstellt Filmkulissen.
1997 das CAP für Metallarbeiten in der Tasche, begann er, mit Metall und Schrott bildhauerisch zu arbeiten. Nichts geht verloren, alles wird in seinen Werken recycelt. Im parcours artistique von Fanjeaux prallen in seinen Werken all seine Stile und Kunstrichtungen aufeinander.

Geschnitzte Steine
Arnaud Landroit ist ein gelernter Steinmetz. Zwei Jahrzehnte lang hat er das Traditionshandwerk unterrichtet. 2011 zeichnete ihn der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy als Meilleur Ouvrier de France (MOF) aus.
In der Rue des Fargues hat der Bildhauer Simon Fabre sein Atelier. Aus kantigen Form kreiert er fantasievoll Figuren, die Comic-Helden ähneln.
Michel Nagati hat gegenüber der Markthalle 2019 sein Atelier für die Reproduktion von modillons eröffnet – und damit jener Fratzen, Monster und Tiere, die traditionell mittelalterliche Häuser schmückten.
Bereits 1984 kam der gebürtige Pariser nach Fanjoux. In seinem Laden La Chouette Boutique verkauft er seitdem diese modillons als Dekoelement und Blumentöpfe in leuchtenden Farben.
Inspiriert wurde Michel beim Besuch von Mirepoix. Die dortige Maison des Consuls schmücken mehr als 70 modillons !
Von Mitte Juni bis Mitte September könnt ihr die örtlichen Künstler bei der Sommerausstellung in der Maison Gramont bei der Markthalle entdecken.
Fanjeaux: meine Reisetipps
Hinkommen
Grande Randonnée GR 78
Fanjeaux liegt an einer Route des Jakobsweges. Sie ist heute als Grande Randonnée GR 78 markiert und führt als Sentier de Piémont von Carcassonne nach Lourdes.

Schlemmen und genießen
Cafés des Arts
Der Tabac-Presse von Fanjeaux.
• 3, Place du Treil, 11270 Fanjeaux, Tel. 04 68 24 70 68
La Table Cathare „Chez Angel“
Einfaches, sehr beliebtes Restaurant mit französischer und mediterraner Küche – freitags und samstags auch zum Mitnehmen.
• 7, Route de Mirepoix (D 119), 11270 Fanjeaux, Tel. 04 68 24 62 46, www.facebook.com
Hier könnt ihr schlafen*
Booking.com
Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.
Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.
Weiterlesen
Im Netz
Die Dominikanerbrüder in Frankreich
Internationale Website des Predigerordens
Im Blog
Alle Beiträge aus dem Département Aude vereint diese Kategorie.
Im Buch
Hilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt an den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.
Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen.
50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
Hilke Maunder, Le Midi*
Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.
Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.
Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportraits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !