Postkarte aus … Fécamp
Fécamp erobert die Sinne. Salz liegt in der Luft, die Möwen schreien, die frische Brise belebt den Geist, macht frisch und neugierig. Neben der Hafeneinfahrt recken sich zu beiden Seiten die imposanten Kreidefelsen der Alabasterküste in den hohen Himmel.
Höher als das Cap Fagnet, das den Kieselstrand gen Norden begrenzt, ist keine Klippe der Côte d’Albâtre. 113 Meter hoch reckt es sich in den normannischen Himmel und eröffnet vom Aussichtspunkt herrliche Panoramablicke.
Bei klarer Sicht könnt ihr ab 2023 ihr auch die Turbinen des ersten französischen Offshore-Windparks, den Staatschef Emmanuel Macron 2022 rund 13 Kilometer vor der Küste einweihte. Seine 71 Windräder versorgen seitdem 770.000 Menschen mit Windstrom.
An der Promenade von Fécamp steht die Statue einer Fischersfrau, mit Holzschuhen, schweren Händen, den Blick zum weiten Meer gewandt. Sie wartet auf ihren Mann.
Ab dem 16. Jahrhundert war Fécamp Heimathafen einer bedeutenden Fangflotte. Sie fischte vor den weit entfernten Küsten Neufundlands nach Kabeljau. Die Überfischung schädigte schließlich nachhaltig diesen einst ertragreichen Wirtschaftszweig.
Aufs Foto gebannt: der Fischer-Alltag von Fécamp
Das Milieu der Hochseefischer fasziniert auch Jean Gaumy. 1970 zog der weltberühmte Fotograf der Bildagentur Magnum nach Fécamp. Dort hält er seitdem das Leben der örtlichen Fischer im Bild fest.
Und das nicht nur an Land, sondern auch auf See. 15 Jahre lang, von 1984 bis 1998, teilte er mit ihnen den häufig entbehrungsreichen Alltag an Bord eines Trawlers.
Die Neufundlandfischer
Am 8. Dezember 2017 eröffnete in der ehemaligen Kabeljau- und Heringsfabrik von Fécamp der Nachfolger des Museums der Neufundlandfahrer von Fécamp. Auf sieben Etagen und 4.700 Quadratmetern greift das Musée des Pêcheries die jahrhundertelange Geschichte der Neufundland- und Heringsfischerei von Fécamp auf.
Eine kleine, feine Gemäldesammlung entführt euch auch in jene Jahre, als die Impressionisten während der Entstehung der Seebäder nach Fécamp kamen.
Das Museum residiert im Hafen in einem bemerkenswerten Bau. In dem im Jahr 1950 gebauten Gebäude wurde bis in die 1970er-Jahre tonnenweise Kabeljau aus Neufundland getrocknet, weiterverarbeitet und bis nach Brasilien exportiert.
Ab den 1960er- bis in die 1990er-Jahre wurden dort Hering und Lachs geräuchert. Die industrielle Vergangenheit des Ortes wurde konsequent in die Ausstellung integriert. So könnt ihr beispielsweise alte Räucheröfen oder das stilvolle Büro eines Reeders besichtigen.
Was für Aussichten!
Doch zu Beginn erwartet euch erst einmal ein modernes Highlight. Ein Glasbau, der auf das historische Gebäude gesetzt wurde, eröffnet tolle 360°-Blick auf die Alabasterküste und die Fischerstadt Fécamp.
In der obersten Etage blickt ihr durch Glasfenster. Eine Etage tiefer könnt ihr die eine Terrasse betreten und im Freien den unverstellten Blick auf den Hafen und die Stadt genießen.
Das Innere des Museums gestalteten die Münchner Ausstellungsmacher von Die Werft. Neben der Seefahrtsgeschichte sind auch Zeugnisse der Alltagskultur des Pays de Caux ausgestellt. Integriert in das Museum ist das Musée de l’enfance.
Es erinnert an Docteur Dufour aus Fécamp, der den Verein Goutte de Lait gegründet hatte, um die Kindersterblichkeit zu senken. Er entdeckte, dass die langen Schläuche, die einst zur Kinderernährung eingesetzt wurden, wahre Bakterienherde waren – und erfand die moderne Nuckelflasche mit Sauger.
Segel-Törn mit Nostalgiebooten
Tante Fine und Mil’Pat heißen zwei Segelschiffe, auf denen ihr nach Herzenslust mit anpacken könnt – beim Segel hissen, Deck schrubben, Festmachen. Unter dem Kommando eines verschmitzten Skippers mit Asterixbart schippert ihr vor den Kreideklippen wahlweise für wenige Stunden oder gleich mehrere Tage durch die normannischen Gewässer.
Tante Fine wurde 1960 in Plouhinec gebaut und war lange Zeit vor den Küsten Mauretaniens und im Golfe de Gascogne zum Langustenfischen unterwegs. Danach ausgemustert, wurde sie 1991 von der AFDAM, einem Verein Fécamps zur Entwicklung und Förderung von maritimen Aktivitäten, entdeckt und wieder flottgemacht. Mehr als 1000 Stunden arbeiteten dafür Ehrenamtliche auf den öffentlichen Docks.
Der Einsatz hat sich gelohnt. Heute ist Tante Fine das Schmuckstück der Flotte. Eine feste Route für die Ausflugsfahrten entlang der Alabasterküste gibt es nicht. Bei Flaute unterstützt ein kraftvoller Hilfsmotor die 170 Quadratmeter große Segelfläche des 26 Meter langen Schiffes.
Seit 2009 gehört ein zweiter Holzsegler zur Flotte: der 22 Meter lange Langustenfänger Michel & Patrick, von der Crew liebevoll Milpat genannt. Das 1962 erbaute Holzschiff schipperte bis 1988 in der Irischen See. Danach diente es als Taucherboot, bis Ehrenamtliche es ab 2001 ebenfalls liebevoll restaurierten.
Himmlische Bluts-Tropfen
Dort, wo das Flüsschen Valmont eine Senke in die Klippen gefräst hat, schwemmte vor mehr als 1000 Jahren die See in einem Feigenbaumstamm eine Reliquie an den Strand, die Fécamp zum Tor des Himmels machte: einige Blutstropfen Christi.
Heute ruhen sie in einem Tabernakel aus weißem Marmor vor der spätgotischen Marienkapelle der ehemaligen Abteikirche Abbatiale de la Trinité, deren Ursprünge bis auf das 10. Jahrhundert zurück gehen. Hinter der Klosterkirche erstreckt sich rund um die Place des Halettes das bunte Altstadtviertel.
Köstliche Promille-Kräuter
Die anderen berühmten Tropfen im einstigen Wallfahrtsort sind hochprozentig: der würzige Kräuterlikör Bénédictine. Bruder Bernardo kam während der Renaissance als Mönch ins im Jahr 1001 gegründeten Benediktinerkloster, mitgebracht von Abt Bohier, der König François I. auf seinem Italienfeldzug begleitet hat. In Fécamp bereitete Dom Bernardo Vincelli im Jahr 1510 den berühmten Likör als Elixier aus 27 Kräutern erstmals zu.
Diese Rezeptur liegt bis heute dem köstlichen Getränk zugrunde. Mehr als sechs Millionen Flaschen des Likörs Bénédictine werden heute jährlich in alle Welt verkauft – und oft kopiert. Im Museum ist eine kleine Auswahl zu sehen.
Doch nur der Bénédictine in der typischen bouteille normande mit dem Zusatz D.O.M. (deo optimo maximo – dem besten und größten Gott geweiht) stammt wirklich aus Fécamp.
Dort wird er im Palais Bénédictine, den Firmengründer Alexandre Prosper Hubert Le Grand im 19. Jahrhundert vom Architekten Camille Albert als Stilmix aus Neugotik und Neorenaissance errichten ließ, vor euren Augen in riesigen Kupferkesseln gebrannt.
Der Palais ist nicht nur Produktionsstätte, sondern zugleich ein Museum der sakralen Kunst. Durch familiäre Verbindungen konnte Monsieur Le Grand zahlreiche Objekte der Abtei von Fécamp erhalten und bewahren.
Sie zeigt sein Museum im Palais Bénédictine, der in jedem seiner Räume einen anderen Stil zitiert – von der Gotik über die italienische bis zur französischen Renaissance.
Fassaden aus Feuerstein
Lasst euch nach dem Sightseeing einfach einmal durch das alte Fécamp treiben. Betrachtet dabei einmal genauer die Fassaden. Häufig finden ihr dort Feuerstein in Schwarz und Weiß im Wechsel mit Backstein. Diese Architektur ist typisch für das Pays de Caux!
Die Backsteine sind mal dunkler, mal heller gebrannt, flach gelegt oder aufgestellt zu geometrischen Mustern. Doch dort, wo die gebrannten Ziegel fast orangehell statt rot sind, weiß jeder Einheimische sofort: Diese Ziegel werden sehr schnell brüchig,
Fécamp: meine Reise-Tipps
Achtung beim Parken!
Wer nicht an den Kais oder am Strand parkt, sondern mitten in der Stadt oder in einem Wohngebiet von Fécamp: Es wechseln dort zum Monatsanfang und zur Monatsmitte die Straßenseiten, an denen geparkt werden darf.
Diese Info findet ihr allerdings nicht in den Straßen, sondern nur an den Einfahrten in den Ort. Und dort nicht groß als Schild, sondern klein integriert in eine Infotafel mit vielen Logos. Merkt euch: Ab 1. bzw. 16. eines Monats ist jeweils das Parken auf der jeweils anderen Straßenseite gestattet.
Schlemmen & genießen
Restaurant La Marée
Im Restaurant La Marée gibt es den Hafenblick gratis zum Fang des Tages. Das Restaurant befindet sich über der Fischhandlung La Nouvelle Vague.
• 77, quai Bérigny, 76400 Fécamp, Tel. 02 35 29 39 15
Le Rex
Die beliebte Weinbar ist ein Kneipen-Restaurant mit Terrasse, die ins einstige Kino gezogen ist.
• 17, Place Charles de Gaulle, 76400 Fécamp, Tel. 02 35 27 10 42
Le Bouquet Normand
Mathieu Lagarde ist in vierter Generation der Patron der letzten Heringsräucherei von Fécamp.
• 3, Rue de la Barricade, 76400 Fécamp, Tel. 02 27 30 28 95, www.lebouquetnormand.fr
Entdecken & erleben
Musée Découverte du Chocolat
Zur sinnlichen Entdeckungsreise rund um eine braune Bohne, die Naschkatzen begeistert, lädt das Musée Découverte du Chocolat, in dem reichlich probiert werden darf.
• Chocolats Hautot, 851, route de Valmont, Tel. 02 35 27 62 02, www.chocolatshautot.com
Aktiv
Das Erlebnisbad La Piscine (67, Rue Couturier). Wandern in Baumwipfeln, GPS-Spiele und anderen Outdoor-Fun findet ihr im Woody Park.
• 198, Avenue du Maréchal de Lattre de Tassigny, 02 35 10 84 83
Radwandern
La Vélomaritime
Seit 2021 führt der 1.500 Kilometer lange Küstenradweg Vélomaritime von der Nordsee über den Ärmelkanal bis zum Atlantik durch die Regionen Nordfrankreich, Normandie und Bretagne. Erste Abschnitte wurden bereits im September 2020 eingeweiht
Die normannische Küste präsentiert sich entlang der Vélomaritime in ihrer ganzen Vielfalt mit der beeindruckenden Steilküste zwischen Dieppe, Fécamp und Étretat, den Seebädern und Fischerdörfern wie Honfleur, Trouville oder Cabourg, den geschichtsträchtigen Landungsstränden, der wilden Halbinsel Cotentin und dem magischen Mont Saint-Michel.
Top: Die Vélomaritime ist angeschlossen an weitere Radwanderrouten der Normandie. Dazu gehören die Avenue Verte (Paris – London), die Vélo-Francette durch die normannische Schweiz, die Véloscénie von Paris zum Mont-Saint-Michel, die Route du Lin von Fécamp nach Dieppe und die Seine à vélo. www.lavelomaritime.com
Umgebung
Étretat
Rechts und links zwei eindrucksvolle Felsformationen der Alabasterküste, geradeaus das Meer, das die Kiesel gurgeln lässt, im Rücken ein Bilderbuchstädtchen mit normannischem Fachwerk. Wen wundert’s, dass sich hier schon früh die Künstler getummelt haben? Mehr zu diesem normannischen Idyll findet ihr hier.
Yport
Kreidefelsen umgeben auch das westlich gelegene Seebad Yport, das illustre Gäste wie Guy Maupassant oder Eugène Boudin willkommen hieß. Unter Genießern ist es für seine tarte au sucre berühmt. Am 15. August werden dort jährlich am Strand die Boote gesegnet.
Das Event
Im Juli 2020 setzte die Hafenstadt Fécamp mit ihrem ersten großen Segeltreffen Fécamp Grand Escale ihre Jahrhunderte alte maritime Tradition in Szene. Große Segelschiffe, kleinere Boote und Jachten bevölkerten den Hafen von Fécamp. Seemannsgesänge, (Foto-)Ausstellungen, Schiffsbesichtigungen, Straßenmusik, Verkostungen lokaler Produkte und Konzerte prägten das Programm des maritimen Festes, das nach dem großen Erfolg im Auftaktjahr seitdem jeden Sommer stattfindet.
Schlafen
Hôtel de la Plage*
Einfach und gut ist das schlichte Hôtel de la Plage. Die Inhaberin ist unglaulich nett und hilfsbereit; die Zimmer sind klein, sauber und ruhig – und in zweiter Reihe vom Strand gelegen. Achtung beim Parken!
• 87, rue de la Plage, 76400 Fécamp, Tel. 02 35 29 76 51, https://hotel-fecamp.com
Hôtel du Commerce*
22 moderne Zimmmer für bis zu vier Personen, einige davon auch behindertengerecht, in der Nähe von Hafen und Strand.
• 28, place Bigot, 76400 Fécamp, Tel. 02 35 28 19 28, www.hotelcommercefecamp.com
Château de Sassetot*
Kaiserin Sissi verbrachte 1875 ihre Ferien im Château de Sassetot. Hier logiert ihr feudal in 25 Zimmern und drei Suiten.
• Rue Elisabeth II d’Autriche, 76540 Sassetot-le-Mauconduit, Tel. 02 35 28 00 11, www.chateaudesissi.com
Noch mehr Betten*
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Glücksorte in der Normandie*
Steile Klippen und weite Sandstrände, bizarre Felslandschaften und verwunschene Wälder, romantische Fachwerkstädtchen und moderne Architektur – die Normandie hat unzählige Glücksorte zu bieten.
Gemeinsam mit meiner Freundin Barbara Kettl-Römer stelle ich sie euch in diesem Taschenbuch vor. Wir verraten, wo die schönste Strandbar an der Seine liegt, für welche Brioches es sich lohnt, ins Tal der Saire zu fahren, und wo noch echter Camembert aus Rohmilch hergestellt wird.
Unser Gemeinschaftswerk stellt euch insgesamt 80 einzigartige Orte vor, die oftmals abseits der eingetretenen Pfade liegen. Wer mag, kann es hier* bestellen.
Normandie: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Garantiert keine Massen trefft ihr bei meinen 50 Tipps. Sie sind allesamt insolite, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön.
Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern der Vallée du Dun, zu zottigen Bisons und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie.
Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter chaumières, und Störche brüten im Marais Vernier. Von den Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz und bis zur Mündung des Couesnan an der Grenze zur Bretagne. Hier* könnt ihr den handlichen Führer bestellen.
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Sehr schöner Bericht. Als Junglehrer war ich 1970 mit 30 Hauptschülern der Schiller Schule Rheinfelden dort und wurden großartig von der Gemeinde mit viel Cidre empfangen und mit großzügigen Ausflügen nach Rouen, Paris, Versailles usw. sehr verwöhnt.Mein größtes Problem war diese Hauptschüler im Alter von 14 Jahren nach einer ausgiebigen Benedictine Degustation heil in das Quartier zurück zu bringen. Alle Schüler, die bis dorthin nur tiefgekühlte Fischstäbchen als Fischgericht kannten wurden von einer hervorragenden und reizenden Köchin in vier Wochen zu leidenschaften Genießern von gedünstetem Kabeljau in üppiger Sahnesoße umerzogen!
Till Sachsenheimer
Lach, das kann ich mir gut vorstellen, lieber Till!
Liebe Heike,
sicher ist es nur ein Versehen, aber das erste Bild ist nicht auf der Promendae von Fécamp aondern in Etretat aufgenommen worde. Wir können es mit Bestimmtheit sagen, da wir nur 4,5 km von dort wohnen (in der Regel von April bis Oktober eines jeden Jahres seit 1999…) Herzliche Grüße aus dem Markgräfler Land
Familie Evelyne und Rainer Koch in Bad Bellingen
Ups, Sie haben recht – tausche ich sofort aus! Merci und viele Grüße, Hilke
Seit 1963 sind Fécamp und Reinfelden/Baden (bei Basel) verschwistert. Auch nach fast 60 Jahren finden regelmäßig zu den jährlichen Festen gegenseitige Besuche statt. Neben den jeweiligen Partnerschaftsvereinen sind auch zahlreiche private Verbindungen entstanden.
Ihre Beschreibungen von Fécamp ist zutreffed und detailliert. Nur beim „Überfischen der Kabeljau- und Heringsgründe“ haben Sie die (vorwiegend) japanischen Fabrikschiffe vergessen, die in den 60ern/70ern aufgekommen sind. Dort wurde gefangen und sofort bis zum Endprodukt verarbeitet. Da konnten nicht nur die Fischer aus Fècamp nicht mehr mithalten.
Lieber Herr Karrer, danke für die Info! Dies war mir nicht bekannt. Herzliche Grüße! Hilke Maunder