
Frankreich ist so nah, Land und Leute scheinen vertraut. Und doch ist vieles anders. Der Franzose: eine Baskenmütze auf dem Kopf, ein Baguette in der Hand. Die Französin: stets gestylt trotz dreier Kinder. Stereotypen und Klischees. Fast immer, wenn wir auf Frankreich blicken, ist auch immer ein Schuss Verklärung dabei.
Diese Bücher räumen ein wenig unser Bild von der Grande Nation zurecht. Auf unterhaltsame Weise entzaubern sie Mythen, sorgen für Aha-Erlebnisse auch bei Frankreich-Kennern und werfen einen neuen Blick auf das Land, dass ihr wie ich so liebt.
Reisend das Land erfahren
Philippe Gloaguan, DuMont Bildband: Atlas der Reiselust Frankreich*
Mit 50 Millionen Exemplaren in 45 Jahren gehören die Guides du Routard zu den Top 20 der meistverkauften Reiseführer der Welt. Verlagsgründer Philippe Gloaguen jedoch ist überzeugt: „Frankreich ist das schönste Land der Welt“. Und beweist es mit Voyages France*, das 2019 bei Hachette erschien. Es ist kein handlicher Reiseführer, sondern ein Reise-ver-führer – nicht koffergeeignet, aber umso schöner auf dem Sofa zu lesen.
Mit vielen Fotos und liebevollen Illustrationen, die Lust aufs Leben, Blättern, Schauen und Entdecken mache, stellt es 1001 Reisen und Erlebnisse vor, mit denen man das Land (neu) entdecken kann. Die schönsten Seen und Flüsse, tolle Radtouren und Roadtrips, Kulturerbe und Festivals, Städte und Dörfer, Streetfood und Haute Cuisine, Käse und Wein, Einzigartiges, Ausgefallenes und Besonderes.
Doch das Schönste: Der DuMont-Reiseverlag hat das Werk im April 2022 in deutscher Übersetzung mit 320 Seiten auf den Markt gebracht. Wer mag, kann es hier* online bestellen. Oder es in der Buchhandlung seines Vertrauens erhalten. Das französische, 384 Seiten dicke Original gibt es hier*.
Kay Walter: 111 Bauwerke in Paris, die uns Geschichten erzählen*
Vom Café de Flore bis zur Cité Napolé0n, vom Palais Beauharnais bis zur BnP: Kay Walter stellt neben den vielen berühmten Paris-Klassikern wie Palais Gaillard, Place Dauphine, Hôtel de Sens, Hôtel du Nord, Musée Rodin, Catacombes, Collège de France, Bataclan, Arènes oder Butte-aux-Cailles in seinem 234 Seiten dicken Werk auch geheimnisvolle Orte und verborgene Sehenswürdigkeiten in der Hauptstadt Frankreichs vor.
Dazu gehört die Kachelkunst eines Eckhauses in der Rue Belliard ebenso wie der Erker der Rue de Vaugirard, der selbst für Paris einfach einmalig ist. Und natürlich auch eine grünes Vorzeigeprojekt, das Paris auf die Industriebrache von Clichy-Batignolles gesetzt hat.
Kurzum: Unter den 111 Bauten finden selbst Paris-Kenner noch rund zwei Dutzend Adressen, die sie staunen lassen – und sicher noch nicht kennen. Wer mag, kann hier* den Reiseführer online bestellen.
Anke Steinemann, Jens F.Meyer: Im ersten Gang geht’s immer rauf*
Der R4, liebevoll auch La Quatrelle genannt, ist mit 34 PS und knapp 1000 Kubikzentimetern Hubraum, der perfekte Wagen für eine nostalgisch-entspannte Landpartie durch Frankreich.
Und genau dies haben Anke Steinemann und Jens R. Meyer mit der automobilen Legende gemacht. Was das Paar dabei unterwegs erlebte, hat es auf 255 Seiten in einem unterhaltsamen Reisetagebuch festgehalten, das Alltagsabenteuer und Reisetipps für Sehenswertes verbindet.
Und das besonders abseits bekannter Routen. So werden auch all diejenigen, die Frankreich bereits gut kennen, noch sicherlich den ein oder anderen Tipp erhalten. Das Duo war vornehmlich im Norden und Westen unterwegs.
Von den Ardennen bis zur bretonischen Atlantikküste, vom Burgund bis zu den Schlössern der Loire reist ihr beim Lesen mit auf der Rückbank ihres R4. Und erlebt in 34 Artikeln eine großartige Reise im Lehnstuhl, die Farbaufnahmen verschönern. Wer mag, kann ihren Reisebericht hier* online bestehen.
Manfred Hammes: Durch den Süden Frankreichs*
Für seine Bücher hat Hammes den Süden von Frankreich hin und her durchquert: 60.000 km kamen bei seinen Autotouren auf dem Tacho zusammen. Auf 6.000 Wanderungen entdeckte er zu Fuß durch Südfrankreich. Trotz der rund 1000 Restaurantbesuchen hat er bei seinen Recherchen nur fünf Kilogramm zugenommen.
Seine Entdeckungen, Erlebnisse und Anekdoten veröffentlichte Hammes 2008 in Erzähl mir vom Süden…: Ein literarischer Reiseführer durch den französischen Midi (Provence, Côte d’Azur, Languedoc-Roussillon*. Der Vorläufer ist nur halb so dick wie das Mammutwerk, das 2019 beim Schweizer Nimbus-Verlag erschienen ist.
Karten und nützlichenHinweisen, ein gute Orts- und Personenregister, Lesebändchen und mehr als tausend farbigen Abbildungen machen den Band nicht nur zu einem sehr unterhaltsamen, sondern auch sehr praktischen Führer durch den Süden von Frankreich.
Für alle, die noch mehr entdecken wollen, hat Manfred Hammes einen Blog ins Leben gerufen, auf dem er weiter reist durch den Süden: Lust auf Provence. Wer neugierig ist, kann hier im Blog mehr über den Autoren erfahren – Leben, Werk und Leseprobe inklusive. Wer mag, kann das Buch hier* direkt bestellen.
Julian Barnes: Tour de France*
Ob Charme oder Chanson, Kunst oder Küche, französische Lebensart oder Literatur – Julian Barnes weiß fast alles über Frankreich. Er ist schon als Junge mit seinen Eltern als Tourist nach Frankreich gereist.
Auf den Fahrten im Familienwagen durch die Provinz nahm er das Land auf der anderen Seite des Kanals jedoch anfangs mit der Überheblichkeit des typischen Inselbewohners wahr – eigenartig schmeckender Käse, blutiges Fleisch, undefinierbare Soßen, bitterer Kaffee und viele Kathedralen. Doch dieser hartgesottene junge Brite kann letztlich dem Zauber der französischen Zivilisation nicht widerstehen.
Auch das Cover passte zum Klappentext: ein kastiges britisches Auto von einst vor dem Klosterberg Mont-Saint-Michel. Neugierig begann ich zu lesen. Nahm wissbegierig Anekdoten und Infos zu Boris Vian, Jacques Brel und Georges Brassens auf, blickte tief in den Dopingsport der Tour de France, traf lesend die Filmemacher Godard und Truffaut.
Und verzog Julian Barnes so manche selbstverliebte Gefälligkeit und Ausschweifung. Doch auf Seite 97 war Schluss. Nur aus reinster Selbstdisziplin – ich lege nie ein einmal begonnenes Buch aus der Hand – quälte ich mich weiter bis zur Seite 319. Was geschah auf Seite 97? Und warum die Qual? Genau auf Seite 97 bricht das Konzept des Buches. Die gesammelten „Essays“, die – philologisch gesehen, den Titel „Essay“ nicht verdient haben – kennen nur noch ein Thema.
Das Lieblingsthema von Barnes. Gustave Flaubert. Ob Baudelaire oder Mallarmé, Victor Hugo oder Turgenjew: Alle fallen gegen den Säulenheiligen des Julian Barnes ab. Ab Seite 97 ist die vom Titel in Aussicht gestellte Tour de France nur noch eines: eine Hommage an Flaubert, schwärmerisch wie aufklärerisch, die Show des Bildungsbürgers Barnes.
Brav bringt der Brite sein Wissen unter die Leute. Ohne esprit oder intelligenter Geistesblitze. Sondern in Bandwurmsätzen, durch Semikolons abgesetzt, mit Anführungsstrichen durchsetzt und voll mit wiederkehrenden Zitaten von Woods. Keine Tour de France, sondern Tour de Force. Für Flaubert. Ihr wollt euch selbst überzeugen? Dann könnt ihr das Buch hier* online bestellen.
Mythos & Wahrheit
Ralf Nestmeyer: Alles Mythos*
Ralf Nestmeyer, Historiker und Nürnberger Autor vieler Frankreichführer, hat sich den Mythen und Wahrheiten der Grande Nation gewidmet, untersucht sachkundig 16 Stereotypen und Irrtümer, und sorgte immer wieder für „Aha“-Erlebnisse beim Lesen.
Oder wusstet ihr, dass die Tour de France von einem Redakteur der Zeitschrift L’Auto ins Leben gerufen wurde, um das Blatt vor der Insolvenz zu retten? Fast schon typisch französisch ist der Esprit, mit dem Ralf Nestmeyer das 214 Seiten dicke Bändchen vom Konrad Theiss Verlag verfasst hat. Schade nur, dass bei der Papierqualität des Einbandes gespart wurde…
Lesegenuss und Inhalt: einfach toll. Typo und Satz: ebenfalls gelungen, aber: Lektorat von Thomas Theise – naja (u. a. S. 92 Tourjubiläum, S. 179 Guiscard d’Estaing, fehlende Satzzeichen….). Dennoch: Das Buch von Ralf Nestmeyer ist ein Muss für Frankreichfans. Wer mag, kann den Band hier* online bestellen.
Günter Liehr: Frankreich: Eine Nachbarschaftskunde*
Mit „Anders Reisen“ von Günter Liehr im Gepäck bin ich Mitte der 1990er-Jahren durch Frankreich gereist. Mit Liehr habe ich Paris abseits eingetretener Pfade und die maghrebische Subkultur von Marseille entdeckt.
15 Jahre später hat mich der Deutschlehrer, Journalist und Sachbuchautor, der 1977 nach Paris ins 19e Arrondissement gezogen ist, erneut mit seinem Wissen über mein liebstes Nachbarland in den Bann gezogen.
„Frankreich. Eine Nachbarschaftskunde“ verlässt oft etablierte Pfade des Denkens, zieht Querverbindungen und überrascht mit Assoziationen und Einblicken, die auch Frankreich-Kennern ein „Aha“ entlocken.
Schade nur, dass das Bändchen nach 229 Seiten endet…. ich hätte gerne weitergelesen und noch viel mehr über la douce France erfahren. Wer mag, kann das Buch hier* online bestellen.
Henrik Uterwedde, Die deutsch-französischen Beziehungen*
Wer sich für die bilateralen Beziehungen interessiert, kennt seinen Namen: Prof. Dr. Henrik Uterwedde war viele Jahre lang der lang stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts (dfi) in Ludwigsburg.
Jetzt hat der Wissenschaftler eine kompakte Einführung vorgelegt, die auf 178 Seiten alle wichtigen Themen der deutsch-französischen Beziehungen umreißt: Wirtschaft, Euro, Gesellschaft, Kultur, Bildung und Wissenschaft.
Vorangestellt ist ein kurzer Abriss der “Geschichte einer spannungsreichen Nachbarschaft”. Sie führt von Germania und Romania über 23 deutsch-französische Kriege hin zum Deutsch-französischen Vertrag von 1963 und dessen Vertiefung und Ausweitung durch den Aachener Vertrag 2019.
Eingestreute Hintergrund-Infos und Themenschwerpunkte, beispielsweise zu den Hugenotten oder den norddeutschen Migranten in Bordeaux, werfen manch weniger bekannte Aspekte der gemeinsamen Geschichte auf. Zitate, Quellen und Literaturempfehlungen machen das Buch zu einer gut lesbaren und äußerst informativen Einführung. Wer mag, kann die kompakte Länderkunde hier* online bestellen.
Henrik Uterwedde: Frankreich – eine Länderkunde*
Am 7. Mai 2017 wurde Emmanuel Macrons zum Staatspräsidenten gewählt. Prof. Dr. Henrik Uterwedde, damals noch Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Stuttgart, nahm dies zum Anlass, eine Länderkunde zu unserem Nachbarn zu verfassen. Diese Bestandsaufnahme macht deutlich, wie weit die Tragweite der Reformen reicht, die Macron anstrebt.
Kurz und knapp zeigt Uterwedde die historische Entwicklung hin zum heutigen Staat auf. Er erklärt die Unterschiede der Demokratien von Frankreich und Deutschland und benennt die Probleme und Blockierer, die den Reformplänen entgegenstehen.
Medien, Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung und Außenbeziehungen sind neben Staatsverständnis, Parteienlandschaft und politischem System weitere Themen der Länderkunde. Schön: Sie verliert nie den großen Blick aufs Ganze – und den Blick über die Grenzen. Jedes Kapitel runden sorgfältig ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur ab. Wer mag, kann den Band hier * online bei Amazon bestellen.
Dietmar Hüser, Hans-Christian Herrmann (Herausgeber): Macrons neues Frankreich*
2022 wählt Frankreich wieder sein Staatsoberhaupt. Wird es wieder Emmanuel Macron – oder macht Marine Le Pen das Rennen? Die Halbzeit nach 30 Monaten zieht dieser Sammelband von Analysen, den Dietmar Hüser und Hans-Christian Herrmann am 7. Januar 2021 im transcript-Verlag herausgebracht haben.
Mein Gefühl: Jeder zehnte Franzose trägt Baguette mit sich rum.