Le Malzieu-Ville: das verkannte Idyll
Im Norden der Lozère, im Süden des Massif Central, erhebt sich über der plätschernden Truyère ein Ort, der in kaum einem Reiseführer erwähnt wird – und höchstens als station verte, als Standort für Outdoor-Aktivitäten und Wanderungen, einen kleinen Satz erhält.
Le Malzieu ist ein verkanntes Juwel! Hinter seiner fast vollständig erhaltenen Stadtmauer hat der kleine Ort Ambiente und Architektur von Mittelalter und Renaissance bewahrt.
Stadt der sieben Türme
Sieben Türme in der Stadtmauer sicherten einst den Zugang zur Stadt. Am besten erhalten ist die Tour de Bodon, in der ihr das Office de Tourisme findet.
Das Fremdenverkehrsamt ( Office de Tourisme ) zeigt einstigen Saal der Wachen heute Wechselausstellungen. Die Spitze hat es als Aussichtsplattform geöffnet. Toll, der 360°-Rundblick über die Tondächer der alten Stadt hin zu den bewaldeten Kuppen ringsum!
Ins benachbarte Natursteinhaus ist die mairie (Stadtverwaltung) eingezogen. Die anderen Türme wurden durch Feuer, Krieg oder Naturgewalten nahezu zerstört.
Die Tour Jonas riss am 27. August 1656 ein Hochwasser des Galastre mit. Auch vom einstigen Château des Barons d’Apcher ist nur noch ein Turm erhalten – die Tour de Baude. Der beffroi, einst Gefängnis, dient heute als Uhrturm.
Höchste Spitze der Altstadt ist der Kirchturm der Église Saint-Hippolyte, einst Klosterkirche von Benediktinermönchen. Für die Frauen betrieben die Ursulinen zwei Jahrhunderte lang (1618 – 1792) ein Nonnenkloster.
Der harte Klosteralltag
Einblicke in den Alltag der gläubigen Frauen, deren Arbeitstag um vier Uhr morgens begann und erst abends um 21 Uhr endete, gewährt heute in den Klosterräumen ein Museum.
Die Ehrenamtlichen, die es mit viel Herzblut betreiben, freuen sich, euch mehr über das Kloster zu erzählen, das nach der Revolution auch als Gefängnis und Rathaus gedient hat.
Hohe Natursteinhäuser mit dunklen Fensterläden und schlichte Renaissancepalais wie die Maison Lestang säumen das Labyrinth der Gassen, die immer wieder auf stille Plätze münden.
Bei den sommerlichen vide-greniers indes drängen sich unter der Statue der Jungfrau auf der Place Eugène-de-Rozière die Flohmarktstände.
Stiller Charme in alten Gassen
Was schade ist: Cafés und andere Lokale fehlen völlig im centre historique. Einzig ein Bäcker, ein Schlachter, eine Friseurin und eine Töpferin haben hier noch Geschäfte. Sie sind zugleich Treff- und Tratschbörsen von Le Malzieu, in dem 1941 Hunderte Juden vor den Nazis Zuflucht fanden.
Auch davon erzählen die Tafeln des Stadtrundweges mit 28 Stationen. Das Begleitfaltblatt gibt es kostenlos im Office de Tourisme.
Wie aktiv die Résistance hier war, verrät auch eine Wanderung zum Mont-Mouchet. Dort erinnert ein Museum nicht nur an den Widerstand gegen den Faschismus, sondern auch an eine brutale Bestie: die Bête du Gévaudan.
Die Bestie von Gévaudan
Das haarige, wolfsähnliche Ungeheuer hat zwischen 1764 und 1767 in der historischen Provinz Gévaudan (heute: Lozère) mehr als 100 Kinder, Jugendliche und Frauen ermordet.
Mehr als 9.000 Livres setzen König und Bischof als Kopfgeld aus. Am Vormittag des 19. Juni 1767 erlegte Jean Chastel im Wald von Teynazére in den Bergen der Margeride ein männliches Raubtier, dessen Beschreibung bis heute Rätsel aufgibt.
War es ein aus der Gefangenschaft entkommener afrikanischer Löwe, wie National Geographic es glaubte, eine afrikanische Hyäne – oder ein Wolf-Hybrid?
Was für ein Stoff für Stories!
Die Bestie von Gévaudan hat Christophe Gans zu seinem Thriller Pakt der Wölfe* (2001) inspiriert. Gans interpretiert in seinem Film sehr frei die alte Legende. In La Bête du Gévaudan* (2003) mischt Regisseur Patrick Volson Tatsachen mit Aberglauben, Wirklichkeit und Wolfsmythos.
Hintergrund ist der Glaubenskrieg in Frankreich unter Ludwig XV. Die überwiegend katholische Bevölkerung findet in einem vermeintlich hugenottischen Schmied einen willkommenen Sündenbock. Ein junger Arzt glaubt als Einziger an dessen Unschuld.
Bis heute inspiriert der Mythos Film, Malerei und Literatur. 2017 feierte Le Malzieu-Ville den 250-jährigen Todestag der Bête du Gévaudan mit Wanderungen und Ausstellungen, Theater und reichlich Schießpulver.
Le Malzieu-Ville: meine Reisetipps
Schlafen & schlemmen
Hôtel des Voyageurs*
Die 15 geräumigen Zimmer haben teilweise Balkon, könnten aber mal renoviert werden. Doch der freundliche Empfang, die tolle Lage, die kostenlosen Parkplätze und die deftige, ehrliche Küche mit Klassikern aus Frankreich, die sonst eher selten auf den Tisch kommen, machen das kleine Manko mehr als wett.
Ich habe hier im Rahmen eines sehr günstigen Abendmenüs mit charcuterie zum Entrée und lokalem Käse zum Abschluss im Hauptgang Kalbskopf probiert. Einst war es das Leibgericht vom französischen Staatspräsident Jacques Chirac.
• Route de Saugues, 48140 Le Malzieu-Ville, Tel. 04 66 31 70 08, www.logishotels.com
Aktiv erleben
Mountainbiken & Wandern
380 Kilometer umfasst das markierte Wegenetz für Wanderer und Mountainbiker. Zwölf kürzere Wanderungen von zwei bis vier Stunden Länge hin zum Tor der Feen oder zum Gipfel des Mont-Mouchet enthält ein Topoguide, den es gegen Gebühr beim Office de Tourisme gibt.
Mitten durch den Ort führt auch der älteste Pilgerweg Frankreichs nach Santiago de Compostela. Die Via Podensis beginnt als GR 65 in Le Puy-en-Velay und führt von Le Malzieu weiter nach Aumont und Aubrac.
Die zweite Weitwanderstrecke, die Le Malzieu berührt, ist die Grande Randonnée (GR) 4 von Royan (Charente-Maritime) nach Grasse. Folgt der rot-weißen Markierung!
Les Tours de Margeride nennt sich ein Quartett von Rundwanderungen, von Malzieu, Aumont, Grandrieu und Langogne durch die Margeride führen. Auf der 46 km langen Schleife, die in Malzieu beginnt, könnt ihr Malzieu-Forain, Paulhac-en-Margeride, Julianges und Saint-Léger-du-Malzieu entdecken. Rechnet mit rund 14 Stunden Gehzeit!
Klettern & kraxeln
Nördlich des Dorfes liegen die Gorges de la Truyère (Verdezun). Dort könnt ihr nicht nur im Granit auf 80 Routen mit Seil klettern und einer Via Ferrata folgen, sondern auch im Juli und August mit der einzigen Zip-Line der Lozère 200 Meter weit durch die Schlucht mit ihren zerfurchten Felsen sausen.
Shopping
Ifoolki
Aus Schaf- und Kaninchenfell fertigt Ginger Gallois Kappen, Hüte und Puschen – von Ostern bis Weihnachten ist ihre Werkstattboutique geöffnet!
• Boulevard de Flers, 48140 Le Malzieu-Ville, Tel. 07 88 58 02 92, www.ifoolki.com
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