Louvre-Lens: Kunst statt Kohle
Kunst statt Kohle: Le bassin minier, Frankreichs ehemals größtes Bergbaurevier, hat in den letzten Jahren einen beeindruckenden Strukturwandel hingelegt. Seit 2012 als Welterbe ausgezeichnet, gehört es heute zu den Hotspots für Kunst und Kultur. 2022 feierte das etwas andere Kunstmuseum seinen zehnten Geburtstag.
Vor den Toren von Lens hat das japanische Architekturbüro SANAA den Louvre-Lens als lichtdurchfluteten Kubus für Kunst auf eine alte Kohlengrube hingesetzt.
Die Gestaltung des 127 Millionen teuren Projekts übernahmen bei der SANAA die Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa. Sie haben schon das MOMA in New York oder die ETH in Lausanne gebaut.
Auf dem gebürstetem Aluminium ihres Baus spiegelt sich der von Catherine Mosbach angelegte Naturpark.
Glasflächen lassen die Grenzen von Innen und Außen verschwinden: Kunst im Dialog – mit der Umwelt, den Zivilisationen, der Zeit.
Der moderne helle Komplex wurde nach den neuesten Umweltstandards errichtet. Er wird mit Geothermie beheizt und ist daher mit dem Label HQE (Haute Qualité Environnemental) zertifiziert.
Vergleichende Zeitreise
Die Inneneinrichtung und Museografie betreute der junge Designer Adrien Gardère. Er sammelte in namhaften Museen wie dem ägyptischen Nationalmuseum in Kairo oder auch im Louvre in Paris seine Erfahrungen.
Antike, Mittelalter, Neuzeit: drei große Epochen, 205 Meisterwerke – locker komponiert und spannungsreich inszeniert präsentiert sie der große Saal der Galerie du Temps.
Ein 120 Meter langer Zeitstrahl vom Beginn der Schrift um 3.500 v. Christus bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts macht Techniken und Kulturen vergleichbar und erlebbar. Lens inszeniert Kunst im Dialog – mit der Umwelt, der Geschichte, den Besuchern.
Jährliche Rotation
Doch das Schönste: Die Galerie der Zeit erfindet sich dabei immer neu. Denn ein Fünftel der Werke aus dem Untergeschoss, wo große Glasscheiben den Blick auf die Arbeit der Konservatoren eröffnen, wird alljährlich ausgetauscht. Jedes Jahr ist der Besuch des Louvre-Lens daher ein neues Erlebnis und bietet immer wieder neue Entdeckungen.
Gen Osten verlängert der Pavillon de Verre den chronologischen Parcours der Galerie du Temps mit Wechselausstellungen, die sich alljährlich einem neuen Thema widmen.
Noch mehr Kunst entdecken
In der Lobby des Museums lädt eine hervorragende Bibliothek Kinder und Erwachsene gleichermaßen ein, sich intensiver mit Kunst der Kulturen aus aller Welt zu beschäftigen: mit Bilderbüchern und Bildbänden, Fachpublikationen und Büchern zu Spezialthemen, gemütlichen Leseecken und großen Arbeitstischen samt Steckdosen und WLAN.
Ebenfalls in der Lobby lädt eine gut bestückte Museumsboutique zum Shoppen. Café und Restaurant ergänzen den Komplex, der eingebettet ist in einen Landschaftspark. Er stellt das Erbe der Zeche vor. Dazu gehören einstige Minenschächte, die heute begrünt sind, die Transportwege der Kohlekarren und Infotafeln.
Auf dem Vorplatz zum Museum treffen sich gerne die Jugendlichen zum Breakdance und Skaten. Wenige Schritte entfernt hat der Louvre-Lens Liegestühle rund um einen Teich aufgestellt. Röhricht und Schilf tanzen in der sanften Brise, Wasserlilien blühen in Rosa, Weiß und Gelb auf den Fluten. Der Louvre-Lens zeigt auch Lebens-Kunst.
Künstler im Pfarramt
Ganz in der Nähe des neuen Nationalmuseums verwandelte Frankreichs Kunstmäzen François Pinault das alte Pfarramt von Saint-Théodore in eine Residenz für Künstler.
Im ersten Jahr arbeiteten die beiden New Yorker Künstler Melissa Dubbin und Aaron S.Davidson dort. Auch sie brachten frische Kreativität für eine Region im Aufwind, die Kultur auch an unerwarteten und überraschenden Orten inszeniert.
Kunst: heute dezentral
Im Rahmen der Dezentralisierung Frankreichs sollen die Kulturschätze des Landes nicht nur in Paris verfügbar sein, sondern auch in den Regionen. Bei der Ausschreibung um die Louvre-Dependance 2003 kandidierten neben Lens auch Städte wie Lyon und Montpellier.
Im November 2004 gab das Kulturministerium Lens den Zuschlag. Entscheidende Faktoren waren die gute Erreichbarkeit und das große Besucherpotenzial. 2010 begannen die Bauarbeiten auf einem ehemaligen Zechengelände. Bereits zwei Jahre später war Eröffnung. Seitdem hat der Louvre-Lens nichts von seiner Faszination verloren.
Louvre-Lens: meine Reisetipps
Louvre-Lens
Mehrere kostenfreie Großparkplätze umgeben das Museum in seinem Landschaftspark. Am Eingang erfolgen Taschen- und Personen-Scans. Es gibt Schließfächer für kleines Gepäck (keine Koffer).
Der Louvre-Lens ist mit dem Label Tourisme & Handicap ausgezeichnet und bietet einen barrierefreien Zugang für alle. Für Blinde gibt es Infotafeln mit Braille-Schrift und Reliefs.
• 99, Rue Paul Bert, 62300 Lens, Tel. 03 21 18 62 62, www.louvrelens.fr; Mi. – Mo. 10 – 18 Uhr
Schlemmen und genießen
Brasserie Saint-Théodore
Nicht schick, sondern bewusst bodenständig und lokal gibt sich diese Brasserie gegenüber vom Louvre-Lens. Auf der Karte stehen Gerichte, die tief im Terroir von Nordfrankreich verwurzelt sind: Carbonade Flamande und Potj’Vleesch aux trois viandes.
• 238, rue Paul Bert, 62300 Lens,, Tel. 03 21 28 59 60, https://saint-theodore.fr
Nichtverpassen
Rundherum
Der Louvre-Lens hat mit seiner Strahlkraft längst das Umland erfasst. Autour du Louvre Lens, kurz ALL, macht online Appetit auf all die Dinge, die es im Umkreis von 30 Kilometern zu entdecken gib – Belfriede und Brasserien, Sterneköche und Taubenzüchter, Weltkriegsstätten und Kohlebergwerke.
Terrils jumeaux
Vom Louvre-Lens sind sie bereits zu sehen: die beiden Abraumhalden von Loos-en-Gohelle. Als terrils jumeaux sind sie heute beliebte Aussichts- und Ausflugsziele. Hinauf zum Aussichtspunkt geht es auf einem recht steilen, aber festen Weg.
Der Wander- und Radweg ist zunächst asphaltiert, dann fest gepresst aus Schlacke. Von oben eröffneten sich 360-Grad-Rundblicke.
• https://tourisme-lenslievin.fr/monter-sur-les-terrils-jumeaux-de-loos-en-gohelle
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Georg Renöckel, 111 Orte, die man in Nordfrankreich gesehen haben muss*
Wisst ihr, wo Banksy an Nordfrankreichs Küste seine stencils hinterlassen hat? Wo ihr am besten salicornes sammeln könnt? Oder wo bis heute die Zeitung im Bleisatz gesetzt wird? Georg Renöckel kennt die ungewöhnlichsten, überraschendsten und außergewöhnlichsten Orte im Norden von Frankreich.
111 davon hat der Wiener Journalist (Jg. 1976), der u.a. in Paris studiert hat, für seinen Reiseführer 111 Orte, die man in Nordfrankreich gesehen haben muss* ausgesucht. Auch für Insider und gute Kenner der Region hält er noch so manche Entdeckung bereit.
Wer ausgiebig darin stöbert, erfährt auch, warum ein Zwerg die einst mächtigste Ritterburg der Welt zerstörte. Auf der Suche nach historisch, kulturell und legendären Orten hat Georg Renöckl nicht nur die Picardie, das französische Flandern, den Hennegau und den Artois besucht, sondern auch die Île-de-France. Heraus kam ein lesenswerter Band, der Lust macht auf Entdeckungen abseits eingetretener Pfade. Wer mag, kann den Reiseführer hier*online bestellen.
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren … oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.
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