Mit Greeter Albert durch Valence
Valence gehörte zu den Orten, die ich bislang auf dem Weg gen Süden immer um- oder durchfahren habe: entweder auf der Route du Soleil oder der rocade von Romans-sur-Isère hin zur A7. Doch nun hat mich die ViaRhôna mitten hinein ins Herz der Hauptstadt des Départements Drôme gebracht.
Unterwegs mit einem Greeter
Und hin zu einem Endsiebzigjährigen, hoch aufgeschossenen Herrn: Albert Cessieux. Monsieur arbeitet ehrenamtlich als Greeter und stellt kostenlos Besuchern die schönsten Ecken seiner Heimatstadt vor.
„Einfach nur Ruhestand, das ging nicht“, erzählt der sympathische Ingenieur. Ganz nebenbei ist Albert auch noch der Regionalvertreter der Association Françaises des Voies Vertes et Véloroute, kurz AF3V.
„Geschichte verdient es, erzählt zu werden“, sagt er, als wir die Avenue Pierre Sémard entlang bummeln. So wie diese.
Am Ende des 18. Jahrhunderts schickte Napoléon Bonaparte Papst Pius VI. ins Exil nach Valence, wo er verstarb. Bei der Parade der Schweizergarde des Papstes kam eine örtliche Bäckerin auf die Idee, die Uniformen der Soldaten nachzubacken. Seitdem findet man bei den Bäckern von Valence diesen als suisse bekannten kleinen Kerl aus Mürbeteig mit Orangenaroma und Knöpfen aus Korinthen.
Köstliches Backwerk: Suisses & Pognes
Spricht’s, zeigt aufs Schaufenster und geht mit uns zu Nivon. Unter dem Regal mit den suisses stapelt sich die zweite Spezialität der Pâatissiers: pogne, ein briocheartiges Brot, herrlich leicht, luftig und lecker.
Wer es nachbacken möchte, findet hier ein Rezept, das gelingt.
Der Liebes-Pavillon
Der Boulevard endet am sandigen Platz des Champ de Mars, den seit 1880 ein nostalgischer Musikpavillon schmückt. Unter seinem achteckigen Baldachin baumelt ein Herz. Raymond Peynet (1908-1999) hatte ihn immer wieder für seine berühmten Zeichnungen eines Liebespaars verewigt. Bis heute ist der Kiosque Peynet der Treffpunkt für Verliebte.
Parc Jouvet: Baumexoten & kleine Kanäle
Dahinter öffnet ein Eisentor den Zugang zum Parc Jouvet. Ein paar Treppen hinab, und ihr seid mitten in einer sieben Hektar großen grünen Oase zwischen Stadtzentrum und Rhôneufer – mit Spielplätzen und Minizug, Tiergehege und Bambusgarten.
Riesig sind die Gingko-Bäume, faszinierend fremdartig die Exoten aus aller Welt. Dazwischen plätschert und gurgelt es. Hier ein Brunnen, dort eine Grotte mit Wasserfall, da ein kleiner Kanal, den ein nostalgischer Steg überbrückt. 40 Kilometer lang sind die Kanäle, die Valence seit römischer Zeit durchziehen. 17 Kilometer sind, wie hier im Park, noch geöffnet.
Die Odyssee des Papstes
Genauso alt wie die Abteikirche von Cluny oder das Kloster Alpirsbach in Deutschland ist die Cathédrale Saint-Apollinaire von Valence. Bereits 1095 wurde sie geweiht, 150 Jahre vor dem Kölner Dom. Gebaut wurde sie, um spirituellen Beistand für den ersten Kreuzzug zu geben. Und Gelder für die Première Croisade zu sammeln…
Im Innern erinnerte eine Büste an Papst Pius VI., der am 29. August 1799 im Exil in Valence verstorben ist – die Französische Revolution hatte ihn dorthin vertrieben. Der Leichnam von Pius wurde geöffnet, balsamiert und in Valence in einen bleiernen Sarg gelegt. Die Bestattung jedoch wurde erst einmal verschoben. Der Vatikan wollte Pius nach Rom holen.
Als Napoleon 1799 auf der Rückreise aus Ägypten für 24 Stunden in Valence verweilte und forderte, dem Ansinnen des Heiligen Stuhls nachzugeben, musste er unverrichteter Dinge abreisen. Am 10. Dezember 1799 wurde Pius auf dem Friedhof der Heiligen Katharina in Valence begraben. Ein Grabstein wurde nicht gesetzt, und Gras begann, über die Sache zu wachsen.
Doch Rom blieb hartnäckig. Und hatte am 24. Dezember 1801 endlich Erfolg: Pius wurde in Valence ausgebuddelt und am 18. Februar 1802 in einem schlichten Ziegelsteingrab in den Vatikanischen Grotten begraben.
Als sie 1949 umgebaut wurden, zog Pius in einen antiken Sarg an der Südwand der Cappella della Madonna Condulmèr-Bardo um. Seine Praecordia, sprich Herz und Eingeweide, indes reisten zwischen Rom und Valence umher. Wo sie sich heute befinden? Der Himmel weiß es…
Treppenwege bringen uns zum lauschigen Platz der Côté Saint-Martin und zum einzigen städtischen Rebgarten der Cave de Tain. Durch die kleine Parzelle am Altstadthang darf gebummelt werden! Im protestantischen Temple Saint-Ruf erklingt Orgelmusik von Bach, als wir ihn betreten.
Geschmückte Häuser
Immer wieder begegnen uns unterwegs Fassaden, die auffallen. Mal im Stil des Art Deco, mal maurisch, mal mit feinstem Figurenschmuck im Stein versehen wie die Maison des Têtes, das Haus der Köpfe.
Dann wieder ist es ein Wandbild, das die Fassade groß und farbig schmückt. Dann ein Erker, Verzierungen unter dem Dach, Durchgänge und Stützstreben, die zugleich als Wasserleitungen fungieren. Valence zu entdecken, heißt: gute Schuhe und Kopf in den Nacken!
Kreuz und quer führt uns Albert durch die Stadt, und das seit Stunden. Seine wachsende Begeisterung überträgt sich auch auf uns.
Schnell noch zur Comédie, zum Rathaus, einmal durch die Shoppingstraße Grande Rue und zum Pendentif im Schatten der Kathedrale, ihr müsst das noch sehen! Als letzte Station hat Albert noch ein besonderes Highlight auf seiner Route geplant: das Musée d’Art et d’Archéologie.
Hausbesuch bei den Römern
Gleich neben der alten Kathedrale präsentiert es seit 1911 im ehemaligen Bischofspalast mehr als 400.000 Jahre Geschichte aus Stadt und Umland. Von den Steinritzungen der Vorzeit bis zum 20. Jahrhundert reicht die Bandbreite der Exponate im Musée de Valence.
Ungeheuer beeindruckt haben mich die Zeugnisse aus der Römerzeit. Sind die antiken Mosaiken nicht wunderschön?
Das zweite Highlight erhielt das Museum bei seiner umfangreichen Modernisierung: einen Belvédère. Als Terrasse mit 360°-Panorama schwebt er über der Esplanade du Champs-de-Mars. Die Ausblicke von hier oben solltet ihr nicht verpassen!
Meine Reisetipps: Valence
Shopping
Schlemmen
Pâtisserie Nivon
Pognes und suisses (Schweizergarde in Mini) sind die beiden legendären Backwerke, für die Valence berühmt ist. Keine bäckt sie so gut wie Nivon! Wer die Pognes nachbacken mächte, findet hier das Rezept.
• 17, avenue Pierre Sémard, 26000 Valence, Tel. 04 75 44 03 37, www.nivon.com
Georges
Feinkostladen und Traiteur mit Spezialitäten aus Armenien und dem Libanon.
• 12, Grande Rue, 26000 Valence, Tel. 04 75 60 93 98, www.facebook.com
Bistro des Clercs
Im Sommer stellt Loetitia, die für Michel Chabran das gemütliche Traditionsbistro führt, die Tische nach draußen auf den Platz der Fontaine Bonaparte. Im Winter serviert sie unter Kugelleuchten an Holztischen bodenständig-raffinierte Regionalküche, die auch das Herz wärmt. Ohne ein Loch ins Budget zu reißen…
• 48, Grande Rue, 26000 Valence, Tel. 04 75 55 55 15, https://chabran.com/pages/le-bistrot-des-clercs
La Table des Jeannes
„Bei uns heißen alle Jeanne – seit drei Generationen“, lacht Cécile Bouet, die mit ihrer Partnerin das sympathische Lokal in einer Seitenstraße des Zentrums führt, und stellt hausgemachte Caillette auf den Tisch, Hackknödel mit Spinat und Kräutern, zu denen es Mini-Ravioli gibt, die in der Drôme ravioles heißen.
• 17, rue Général Farre, 26000 Valence, Tel. 04 75 55 00 90, www.facebook.com
La Cachette
Eine schlichte Tür, ein kleines Schild, keine Webseite: Hätte Albert es uns nicht gezeigt – niemals hätte ich dieses Sternelokal von Masahi Ijichi gefunden! Was drinnen serviert wird? Im Sommer niedrig gegarter Lachs mit Sorbet und Gelee, im Winter Taube im Salmi-Jus und Wildschwein-Pastete mit Rotwein.
• 16, rue des Cévennes, 26000 Valence, Tel. 04 75 55 24 13, https://www.facebook.com
Anne Sophie Pic
Die Familie Pic gehört seit vier Generationen zu den bekanntesten Köchen Frankreichs. Vater und Großmutter von Anne-Sophie wurden bereits einst mit zwei Sternen prämiert, sie selbst wurde vor gut zehn Jahren als erste Frau Frankreichs mit drei Michelinsternen ausgezeichnet.
Zu ihrem Gastro-Imperium in ihrer Heimatstadt gehören neben dem Sternerestaurant Maison Pic mit angeschlossenem Fünfsternehotel und dem benachbarten Bistro André, das wir besuchten, das zeitgenössisch-schicke Bistrot 7, die Gourmet-Épicerie Le Daily Pic und die Kochschule Scook.
• 285, avenue Victor Hugo, 26000 Valence, Tel. 04 75 44 53 86, www.anne-sophie-pic.com/content/andre
Baptiste Poinot
Bei Michel Chabran hat er das Handwerk gelernt. Seit 2006 ist der junge Sternekoch mit dem Gourmetlokal Flaveurs vertreten. 2013 eröffnete er in der Nähe der Place Saint-Pierro mit der Épithèque sein schickes Bistro. „Hier teste ich neue Gerichte und Kombinationen, die dann vielleicht Eingang im Sternelokal finden“, erzählt Baptiste.
• Flaveurs: 32, Grande Rue, Tel. 04 75 56 08 40, Épithèque: 3, rue Pelleterie, beide: Tel. 04 75 56, www.baptiste-poinot.fr
Rad-Service
Carbone Zero
Fahrradhandel, -werkstatt und -verleih von zwei jungen Einheimischen, die selbst begeisterte – und überzeugte – Radfahrer sind: Valence Brice Roux und François-Xavier Dauphin.
• 24, rue Denis Papin, 26000 Valence, Tel. 04 75 56 99 06, www.carbone-zero.fr
Schlafen
Hôtel Les Négociants*
Top zentral gelegenes Zweisternehaus (nahe Bahnhof und Innenstadt) mit kleinen, recht komfortablen und ruhigen Kammern sowie Fahrradaufbewahrung – für Gruppen im Schuppen (300m), für Einzelgäste im Keller hinter den Waschräumen. Hier* könnt ihr das Hotel buchen.
• 27, avenue Pierre Semard, 26000 Valence, Tel. 04 75 44 01 86, www.hotel-les-negociants.com
Noch mehr Betten*
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Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
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… die Einfahrt mit dem Velo in Valence war etwas schiwerig, aber die Stadt belohnte uns sogleich mit vielen interessanten und historischen Sehenswürdigkeiten. Besonders Monsieur Albert Cessieux hat es geschafft uns die Stadt und deren Geschichte auf eine charmante Art und Weise näher zu bringen. Valence sollte auf jeden Fall bei der Planung der VIa Rhôna Tour berücksichtigt werden. Eine besondere Atmophäre herrschte beim so genannten „Liebes-Pavillon“ mit dem Blick auf den Park Jouvet. Hier konnten wir innehalten und die Stimmung der Stadt und des Parks auf uns wirklen lassen, bevor es dann für uns hieß, weiter gehts…
Fazit: Valence hat viele Facetten, die gesehen werden möchten.