Col de Pailhères: Sommervieh beim Enzian
Stolze 2.001 Meter ist er hoch, der Col de Pailhères (auch: Port de Pailhères). Das macht den Grenzpass zwischen Aude und Ariège zum östlichsten der vier 2000er-Pässe in den Pyrenäen. Und zu einem echten Quäl-Dich-Pass für die Radprofis der Tour de France.
Von Norden her beginnt der 32,5 Kilometer lange Aufstieg zum Col de Pailhères bei Usson-le-Bains im Donezan des Départements Aude. Der Donezan ist das Klein-Kanada Okzitaniens. Hier habe ich es vorgestellt.
Kurven zum Sommervieh
Ist die Passstraße anfangs noch auf die normale Standard-Landstraßenbreite ausgelegt, wird sie hinter der Schutzhütte von Mijanès deutlich schmaler. Mijanes ist die einzige Skistation des Donezan und im Sommer ein beliebter Startpunkt für Bergwanderungen.
Steil und in vielen Kehren geht es bergauf. Eng sind die Serpentinen der Ostanfahrt an den Hang geklebt: purer Fahrspaß! Hinab nach Ax-les-Thermes geht es via Ascou, einer bekannten wie beliebten Skistation mit traumhafter Kulisse.
Überhaupt: die Landschaft! Bilderbuch wäre untertrieben. Sie ist so, wie man sich Hochgebirge erträumt: mit Sommerweiden, auf denen das Vieh – Pferde und Kühe – frei grasen kann.
Ohne auf den Verkehr zu achten, marschieren plötzlich ein paar Milchkühe mit ihren Jungtieren über die Fahrbahn und ziehen weiter hin zum Pic de Tarbezou (2.364 m) im Südosten. Motorrad- und Autofahrer stoppen abrupt, zücken Handys und Kameras.
Unter Strom
Beim Versuch, in den Parkplatz des Col de Pailhères einzufahren, bleiben die meisten zögernd vor der Schranke stehen. Die schlanke, schwarz-gelb gummierten Metallstange vor der Zufahrt steht, deutlich sichtbar, unter Strom.
„Einfach durchfahren“, sagt da plötzlich ein Einheimischer. „Sie sitzen doch im Faradayschen Käfig. Nur so können wir die Tiere von den Fahrzeugen fernhalten!“
Wer Passfahrten liebt, sollte am Col de Pailhères im Westen in die parallel nach Norden abgehende Passstraße zum Col du Pradel und Col de Chioula fahren.
Das Reich des gelben Enzians
Im August ist der Col du Pradel ein gelbes Blütenmeer. Dann blüht der gelbe Enzian. Die wilde Bergpflanze wird in den Pyrenäen seit Jahrhunderten gesammelt, für ihre medizinischen Eigenschaften geschätzt – und als Schnaps genossen – als Gentiane und Suze.
Doch intensive Rodungen und wachsende industrielle Nutzungen haben in den Pyrenäen, aber auch im Zentralmassiv und den Alpen, zu einem massiven Rückgang des einst allgegenwärtigen Gelben Enzians geführt.
Um die Ausbeutung dieser Ressource zu stoppen und ihren Erhalt zu sichern, rief das Conservatoire botanique national des Pyrénées et de Midi-Pyrénées von 2016 bis 2019 Einheimische und Gäste auf, jeden Standort des gelben Enzians in den Pyrenäen zu melden.
Bedrohte Bergpflanze
Ihre Ergebnisse flossen in diesen Bericht ein: Exploiting and preserving: towards a sustainable management plan for the Yellow Enzian in the Pyrenees.
Mitglieder im interregionalen Konsortium sind die Region Occitanie, die Départements Hautes-Pyrénées und Pyrénées-Atlantiques, der Gemeindeverbund Haute-Bigorre und die Stadt Bagnères-de-Bigorre. Partner beim Pilotprojekt waren das Consorci de Ciència i Tecnologia Forestal de Catalunya (CTFC), der Parc naturel régional des Pyrénées catalanes (PNRPC) und der Verband Gentiana lutea.
Die Arbeit fasst zusammen, was das Konservatorium im Rahmen des EU-Programms ValuePAM –Valorisation of wild aromatic and medicinal plants“ durchgeführt hat: eine nachhaltige Bewirtschaftung des Gelben Enzians.
Heraus kamen Empfehlungen, wie die Biodiversität in den Pyrenäen aufgewertet – und der gelbe Enzian bewahrt und geschützt werden kann. Denn der Gelbe Enzian braucht Zeit, um zu wachsen und sich zu vermehren. Dafür kann er dann bis zu 60 Jahre alt werden.
Doch die Industrie ist hungrig, und das langsame Wachstum bedroht die Pflanze stärker als je zuvor. Es ist besonders die Wurzel, die die Industrie lockt. Aus ihr werden Aperitifs wie Avèze, Salers, Suze hergestellt und andere bittere Aperitifs wie Picon, Suze, Byrrh, Dubonnet, Pikina oder Saint-Raphaël.
Vom Col de Pailhères zum Canigou
Östlich könnt ihr dem Tal der Aude mit den Gorges de Saint-Georges folgen und von dort gen Süden den Col de Jau erklimmen. Und zum Abschluss noch über den fast 1.000 Meter hohen Col de Roque Jalère sausen. Vorbei an den Orgeln von Ille-sur-Têt erreicht ihr das Tal der Têt im Schatten des Canigou, des heiligen Berges der Katalanen. Wenig weiter stürzen sich die letzten Ausläufer der Pyrenäen steil ins Mittelmeer.
Col de Pailhères: meine Reisetipps
Wandern
Am Pass beginnen herrliche Bergwanderungen. Eine mittelschwere Wanderung führt zum Gipfel des Pic de Tarbesou. Dort könnt ihr herrliche Panoramen über den Étang Noir und Bleu sowie die Teiche von Rabassoles und Bauzeille genießen!
Schlemmen und genießen
Picknickt am Pass – denn es gibt keinerlei Infrastruktur dort.
Hier könnt ihr schlafen*
Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.
Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.
Weiterlesen
Im Blog
Die schönsten Pässe der Pyrenäen verbindet die Route des Cols. Hier gibt es Infos und Impressionen.
Die schönsten Panoramastrecken und corniches in Frankreich habe ich hier vorgestellt.
Im Buch
Hilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt. Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte.
Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !
was mich ja seit fast 20 Jahren immer wieder in der Region überrascht: Diese Vielfältigkeit der Natur. In kurzer Zeit ist man am Mittlemeer – oder im Hochgebirge – oder im Mittelgebirge mit der Montagne Noir und dem Haut Languedoc. Auf ganz wenigen Quadratkilometern eine vielfältige Natur- und Kulturlandschaft. Danke für diesen „alpinen“ Tip
Hallo Reiner, das begeistert mich auch immer wieder! Hab heute eine Salzquelle entdeckt… darüber kommt auch bald etwas. Wird Dich freuen: war in Aude!