Col du Tourmalet: Mythos der Tour de France
Er gilt als schwerster Aufstieg der Tour de France: der Col du Tourmalet. Im Département Hautes-Pyrénées von Okzitanien verbindet der 2.115 Meter hohe Bergpass das Adour-Tal mit dem Tal des Gave de Pau.
Die ersten Radrennfahrer mussten den legendären Pass noch auf einem schmalen Pfad erklimmen. Heute könnt ihr als Freizeitradler auf einer gut ausgebauten Straße den Mythos des großen Radspektakels am eigenen Leib erfahren.
Drei Wochen lang im Sommer wird seit 1903 jährlich das härteste Radrennen der Welt ausgetragen. Streckenführung und Etappenorte der Tour de France wechseln jedes Jahr. Doch eines bleibt gleich: Die Entscheidung über den Toursieger fällt im Hochgebirge. Und das heißt nicht immer in den Alpen, sondern oft: an den Pässen der Pyrenäen.
Le Tourmalet, c’est un monstre qu’on doit vaincre.
Der Tourmalet ist ein Monster, das man besiegen muss.
Quelle: Le Figaro, 27. Juli 1949
Die „heiligen“ Pässe der Pyrenäen
Die Grenzberge zu Spanien steigen abrupt aus dem ebenen oder nur sanft gewellten Vorland auf. Schmal ist der gigantische Riegel aus Kalk und Granit, und steil sind seine Pässe. Zu den vier „heiligen“ Pass-Strecken gehört neben den Strecken über den Col de Portet, Col d’Aubisque und Col du Soulor auch die Passage über den 2.115 Meter hohen Col du Tourmalet.
Die Geburt einer Legende
Anlässlich ihres siebten Geburtstags wollten 1910 die Organisatoren der Tour neue Sensationen bieten. Henri Desgranges, der Gründer des Rennens, plante, auch die Pässe der Pyrenäen in das Programm aufnehmen. Er schickt seine Mitarbeiter auf Erkundungstour.
Entsetzt kamen sie zurück. Es gäbe keine Straßen, lauter wilde Tiere und ebenso wilde Bewohner, die statt Französisch fremde Laute von sich gäben – Gasconisch und Okzitanisch.
Le Tourmalet, c’est la clé du Tour de France.
Der Tourmalet ist der Schlüssel zur Tour de France.
Quelle: L’Équipe, 22. Juli 1973
Ihr seid Mörder!
Was für Herausforderungen, dachte sich Desgranges. Und plante die Pyrenäen mit ein in den Tourverlauf. Am 19. Juli 1910 starteten die Fahrer von Perpignan nach Luchon (289 km) und erklommen den Col de Port, den Portet d’Aspet und den Col des Ares. Am nächsten Tag ging es um 3.30 Uhr morgens in der Früh weiter Richtung Bayonne.
Auf der 325 Kilometer langen Etappe warteten die Pyrenäenriesen auf die Fahrer: Peyresourde, Aspin, Tourmalet und Aubisque. Am Col du Tourmalet stieg der Tagessieger Octave Lapize ab: Der Anstieg war zu steil. Er war am Ende seiner Kräfte.
Auch am Col d’Aubisque ging er zu Fuß den Berg hinauf. „Ihr seid Mörder“ warf er den Veranstaltern damals an den Kopf. Vierzehn Stunden später triumphierte er in Bayonne. Die Legende der Pyrenäen und des Col du Tourmalet war geboren.
Der alte Gallier
Ganz vorn hatte 1913 auch Eugène Christophe bei der Tour de France gelegen. Doch bei der Abfahrt vom Col du Tourmalet erlitt er einen Gabelbruch. Um ihn zu reparieren, musste er 14 Kilometer weit zu Fuß zur nächsten Schmiede gehen. Dort durfte er sich bei der Reparatur nicht helfen lassen. Mehr als zwei Stunden wertvoller Zeit verlor er so.
Der Rennradler bekam sogar noch eine Strafminute aufgebrummt, da ein Junge den Blasebalg für ihn bediente. Christophe soll danach getobt haben. Der Sieg war hin. Eugène Christophe musste sich mit Platz sieben begnügen. Und erhielt nach diesem Rennen seinen Spitznamen le vieux Gaulois. Auch 1919 beendete ein Gabelbruch seine Siegeshoffnungen. Dennoch schaffte er es auf Platz drei.
Strampeln wie die Profis
Geschichte schrieb auch 1969 der junge Belgier Eddy Merckx, der den Tourmalet mit acht Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten überquerte. Wer einmal selbst erleben will, welche Strapazen Jan Ullrich, Lance Armstrong, Alberto Contador & Co. auf sich genommen haben, kann mit dem eigenen Rad oder Leihrädern die Passstrecke selbst abstrampeln.
Kult unter Radbegeisterten ist es, sich dann auf dem legendäre Pass vor dem Denkmal des radelnden Octave Lapize fotografieren lassen. Der Bronzemedaillengewinner der Sommerspiele 1908 hatte 1910 trotz aller Hürden bei le tour den Col du Tourmalet als Erster erreicht.
Le Tourmalet, c’est l’Alpe d’Huez des Pyrénées.
Der Tourmalet ist der Alp d’Huez der Pyrenäen.Quelle: L’Équipe, 15. Juli 1986
18 Prozent Steigung!
Start der Etappe ist in Sainte-Marie de Campan in 847 Metern Höhe. Bis zum Pass überwindet die Departementsstraße D 918 auf 17,2 Kilometer Länge 1.268 Höhenmeter. Die ersten vier Kilometer steigt sie zunächst gering an. Zwei Prozent Steigung weist das Schild aus.
Doch dann lässt die Bergstrecke den Schweiß fließen. Erst mit 7,4 Prozent, dann zehn Prozent, auf den letzten 300 Metern sogar 18 Prozent! Kaum weniger anstrengend ist der Westanstieg zum Pass von Luz-Saint-Sauveur aus.
Klick-Klack! Souvenir-Foto
Auf der Passhöhe der wichtigsten Pässe über den Gaves-Tälern südlich von Lourdes – und vor allem bei Hautacam und Tourmalet – werden im Sommer Fotoautomaten aufgestellt, damit ihr beim Radfahren eure Leistung fotografisch festhalten können!
Elektrochips, oder genauer, Chips TIMTOO, ermöglichen euch, eure Zeiten zu stoppen. Die Chips könnt ihr gegen eine Kaution in einem Office de Tourisme ausleihen , z.B. in Argelès-Gazost. Auch die Passhöhen (oder Zielstätten) von Tourmalet, Luz Ardiden, Hautacam und Soulor verfügen über die entsprechenden Einrichtungen.
Euer Radel-Diplom!
Das brevet cycliste haut-pyrénéen macht sich gut gerahmt im Wohnzimmer und bezeugt eure radsportliche Leistung. Wie ihr das besondere Erlebnis festhalten könnt?
• Holt euch den Passeport cycliste in einer der Offices de Tourisme in den Tälern der Hochpyrenäen oder bestellt ihn beim Conseil départemental des Hautes-Pyrénées.
• Fahrt die gewählten Passrouten und lasst eure Leistung in den im Pass angegebenen Office de Tourisme abstempeln.
• Schickt den komplett ausgefüllten Pass an diese Adresse:
Hautes Pyrénées Tourisme et Environnement
11 ,Rue Gaston Manent, BP 9502
65950 Tarbes cedex 9
• Das Diplom kommt per Post zu euch nach Haus. Je nachdem, wie viel ihr geschafft habe, gibt es die Auszeichnung in Bronze (6 Passfahrten), Silber (7 bis 11 Passfahrten) oder in Gold (12 bis 15 Passfahrten).
Si tu passes le Tourmalet, tu passes tout.
Wenn du den Tourmalet bezwingst, kannst du alles bezwingen.Quelle: L’Équipe, 12. Juli 2002
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Das kleine Glück am Straßenrand
Auch die Corona-Pandemie konnte die Tour de France nicht stoppen. 2020 erlebte ich sie im Béarn an Bord der Werbekarawane, die jeder Tour vorausreist. Meine Eindrücke von dieser ganz besonderen Tour de France findet ihr hier.
Durch die Petite Camargue
Kinderleicht und wunderschön hingegen sind die Flachetappen der Tour de France durch Südfrankreich – zum Beispiel von Marseille nach La Grande Motte mitten durch die Camargue. Einen schönen Radtourtipp für dort gibt es hier im Blog.
Die schönsten Radrouten in Frankreich
Entlang der Küsten, aber auch kreuz und quer durch das Land führen Radwanderrouten, von denen zahlreiche ins Eurovelonetz integriert sind. Klickt hier für mehr Infos.
Vom Genfer See ans Mittelmeer
815 Kilometer lang ist eine Radwanderroute, die dem Lauf der Rhône vom Genfer See zum Mittelmeer folgt. Mit meiner Freundin Claudine bin ich die Radwanderroute ViaRhôna von Lyon aus bis Port-Saint-Louis-sur-Rhône geradelt. Voilà unsere Route und die einzelnen Etappen.
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Im Blog
Da meine zweite Heimat im Pyrenäenvorland liegt, habe ich die Grenzberge zu Spanien schon oft besucht – und bin immer wieder begeistert, was dort zu entdecken ist. Eine Auswahl findet ihr in dieser Kategorie. Lasst euch inspirieren!
Im Buch
Annette Meiser, Midi-Pyrénées*
Annette Meiser, die u.a. die erste müllfreie Schule Deutschlands mitbegründete, hat in Midi-Pyrénées ihre Wahlheimat. Dort lebt und arbeitet sie seit vielen Jahren und bietet erdgeschichtliche und kulturhistorische Wanderreisen an.
Ihre Expertise hat sie auf 432 Seiten zwischen die Buchdeckel eines Reiseführers gepackt. Ihr erstes Buch stellt eine Ecke Frankreichs ausführlich vor, die in klassischen Südfrankreich-Führern stets zu kurz kommt.
Für mich ist es der beste Reiseführer auf Deutsch für alle, die individuell unterwegs sind – sehr gut gefallen mir die eingestreuten, oftmals überraschenden oder kaum bekannte Infos. Wie zum einzigen Dorf Frankreichs, das sich in zwei Départements befindet: Saint-Santin liegt genau auf der Grenze von Aveyron und Cantal. Wer mag, kann den Band hier* direkt online bestellen.
Hilke Maunder, Okzitanien: 50 Tippsabseits der ausgetretenen Pfade*
Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.
Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren… oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.
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Salut, eins vorweg: Ich bin Radsportamateur.
Zur Tour de Farce, dem härtesten Radrennen der Welt, möchte ich verweisen auf Lachlan Morton. Nicht zuletzt, weil er auch immer für einen guten Zweck unterwegs ist ☺:
Wikipedia:
Nachdem Morton 2021 von seinem Team nicht für die Tour de France nominiert worden war, fuhr er hinter dem Feld alleine die gesamte Strecke inklusive der Transfers von den Ziel- zu den Startorten. Er legte dabei insgesamt 5.510 Kilometer und 65.500 Höhenmeter zurück, 2000 Kilometer mehr als die offiziellen Teilnehmer, und kam am 13. Juli 2021 in Paris an, also fünf Tage vor dem Ende der offiziellen Tour de France. Er sammelte dabei über 400.000 Euro Spenden für World Bicycle Relief.
Am 19. März 2022 startete Lachlan Morton in München auf eine 1000 Kilometer lange Nonstop-Tour mit dem Fahrrad via Tschechien und Österreich bis zur polnisch-ukrainischen Grenze mit dem Ziel, 50.000 Dollar für ukrainische Flüchtlinge zu sammeln. Seine Teamsponsoren unterstützten das Vorhaben mit einer Spende von zusätzlich 100.000 Dollar
Allein! Mit Gepäck! Ohne Masseur und Koch!
Lieber Peter, ganz herzlichen Dank für Deinen Hinweis – welch eine beachtliche Leistung! Merci für diese Info! Viele Grüße, Hilke
Erst mal vielen Dank für einen neuen Artikel zum Radsport, der in Frankreich natürlich große Bedeutung hat.
Den Tourmalet und den Ventoux habe ich selbst schon bezwungen. Wer das als Amateur schafft, darf sich gerne ein T-Shirt kaufen und sein lebenlang stolz sein.
Zu Lachlan Morton: Wer sich halbwegs auskennt, wußte dass das kein Spinner oder irgendein Clown ist. Auch wenn er aus „technischen Gründen“ zunächst in Badelatschen gestartet ist…
Wer vielleicht die Tour De France mitverfolgt, weiß, dass einige Spezialisten gut den Berg hochkommen, andere können gut sprinten usw. Lachlan Morten kann dafür sehr lange und weit fahren. Sehr weit! Und das auch abseits befestigter Wege.
Während er Tour 2022 hat er nicht viel Aufmerksamkeit in der Presse gehabt. Klar, wenn jemand das härteste, wichtigste Radrennen der Welt dermaßen in den Schatten stellt.. Bei seiner Ankunft in Paris im Morgengrauen – nach 550km nachts – waren keine zehn Leute anwesend.
Sein Tour-Tagebuch, das ich aufmerksam mit verfolgt hatte, finde ich leider nicht mehr im Internet.
Wir sehen uns im Oktober am Ventoux !
Merci, Stefan, für den Verweis auf Lachlan Morten – und den Infos, die ich noch nicht kannte. Viele Grüße! Hilke