La Petite Camargue: eine tolle Radel-Runde!
La Petite Camargue, die kleine Camargue: So nennt sich der Teil der Camargue, der noch in Okzitanien liegt – und damit westlich der Rhône-Mündung. Ihr zweiter Name Camargue Gardoise verrät die Lage im Département Gard, und auch dort prägen Sumpfgebiete, Salzseen, Lagunen und Schilfgürtel die Landschaft am Golfe du Lion.
Herrlich schön flach und nur mitunter ganz leicht geweillt ist dieser Landstrich – und damit perfekt geeignet zum Radeln. Folgt einmal dieser Radstrecke, die eine wunderschöne Tages- oder Wochenendtour ist. Von den Weingärten der Costière des Nîmes geht es ganz entspannt zu den Lagunenseen und einsamen Gehöften der Petite Camargue.
Eure Route durch die Petite Camargue
Ihr startet in Beauvoisin Richtung Générac und biegt kurz vor dem Dorfzentrum auf die Route de Franquevaux (D 197) ab. Am Horizont funkeln schilfgesäumte Lagunenseen in der Sonne. Doch erst einmal begleiten euch die Weingärten der Costières de Nîmes.
Die Appellation liegt ganz im Nordosten des riesigen Weinlandes des Languedoc und erstreckt sich südlich der Stadt Nîmes bis an den Nordrand der Camargue.
Geografisch gehört es noch zum Tal der Rhône – und bildet damit ein Übergangsgebiet zu den Anbaugebieten der südlichen Côtes du Rhône. Das zeigen auch die Aromen der Trauben und Weine.
Rotes Rebenmeer
Recht schottrig ist der Boden der Weinberge, die nur 20 bis 100 Meter hoch sind, und dicht hängen tiefrot die Trauben an den Stöcken von Carignan, Cinsault, Grenache, Mourvèdre und Syrah.
92 Prozent der Weine der Appellation sind rot oder roséfarben. Nur acht Prozent stellen Weißweine. Grenache Blanc, Marsanne blanche sowie Roussanne stellen das Gros der Trauben. Aber auch Clairette Blanche, Bourboulenc, Macabeo und Vermentino, der hier auch Rolle genannt wird, sind in der AOP zugelassen.
Weine ganz bio
Doch erst einmal lädt das Bioweingut Domaine de Bel Air la Côte zur Weinprobe. Mehr als 40 Jahre alt sind die Weinstöcke mit Grenache, Carignan und Syrah-Reben, die auf der Colline aux 4 Vents wachsen – und wahrhaft sonnendurchglühte Weine liefern.
Oder wartet mit eurem Aperitif bis zum Château Beaubois von Fanny und François Boyer. Für ihre Bioweine haben die Geschwister bereits etliche Auszeichnungen erhalten. Besonders köstlich: L’ Expression – ein Rosé.
Goûter am Kanal
Lust auf ein Picknick? Dann kauft zum Wein im denkmalgeschützten Dörfchen Franquevaux mit seiner alten Abtei etwas Proviant und setzt euch am Canal du Rhône à Sète ins Gras: im Rücken die Weingärten, vor euch die vielen Hausboote, die neben der Kanalbrücke vertäut haben, und dahinter ein amphibisches Grasland – malerisch!
Der 98 Kilometer lange Kanal zwischen Beaucaire und Aigues-Mortes bildet seit rund 200 Jahren die Verlängerung des Canal du Midi zur Rhône, und damit zur Autobahn der Binnenschiffe zwischen dem Mittelmeer und Metropolen wie Lyon.
Hausbootskipper, die entspannt schippern wollen, lieben die Wasserstraße. Denn auf der gesamten Strecke gibt es nur eine einzige Schleuse! Zudem ist das Land ringsum so flach, dass es sich herrlich mit dem Rad erkunden lässt, auch wenn man mit dem Boot unterwegs ist. Beginnt dann einfach eure Radelrunde in Franqueveaux!
Tipp
Direkt bei der Guinguette am Kanal starten Ausritte per Pferd. Mit festem Schuhwerk und langer Hose könnt ihr ein oder zwei Stunden lang die Umgebung des Dorfes auf weißen Camargue-Pferden entdecken – und euch davor oder danach im Ausflugslokal stärken. Jeden Donnerstagabend serviert Thomas Fougairolles moules frites, jeden Freitag ist Tapas-Zeit.
• www.facebook.com/laguinguettedefranquevaux
Geschichtsstunde in Franquevaux
In Franquevaux befand sich ab 1143 ein Zisterzienserkloster, von dem heute nur noch eine Steinmauer erhalten ist, die einst zur Kirche gehörte. Hauptaufgabe der Mönche war die Trockenlegung der großen Sümpfe ringsum und die Salzgewinnung.
Dazu arbeiteten die Mönche mit ihren geistlichen Kollegen der Abteien Psalmody und Saint-Gilles zusammen. Salz war das weiße Gold des Mittelalters. Die Folge: Das Kloster wurde mehrfach überfallen und geplündert.
Land der Stiere
So untrennbar wie das Salz gehören auch die Stiere zur Camargue. Nicht einmal einen Kilometer westlich vom mittelalterlichen Ortskern von Franquevaux werden sie von der Familie Fougairolles auf der Manade Martini gezüchtet. Um sich abzukühlen, baden im Sommer dort bis zu 20 Bullen gemeinsam im nahen Bach.
•(467, Route de Gallician, Tel. 04 66 73 30 17, https://coeurdepetitecamargue.fr
Wenn ihr im Juli dort seid, könnt ihr beim Dorffest von Franquevaux auch Gardians wie Emmanuel Rosier hoch zu Ross auf den weißen Pferden der Camargue sehen. Abends singt dann vielleicht auch Régine Pascal.
Sie ist die musikalische Botschafterin der Camargue. All ihre Lieder sind durchdrungen von ihrer Leidenschaft und Liebe zur Camargue, aber auch zur Provence.
Achtet auch einmal auf die Hauswände. Hier und da seht ihr Stempel mit Mustern und Jahreszahlen. Sie erinnern an einen schönen Brauch. Jedes Jahr im Sommer, vor den fêtes votives, zieht eine Gruppe junger Stempelmacher mit Musik von Haus zu Haus. Wer für ein Jugendprojekt spendet, erhält als Dankeschön einen Stempel mit Jahreszahl neben der Tür.
Rund um Franquevaux gibt es neben der Manade Martini noch weitere Stierzuchthöfe. Auf der Manade Espelly Blanc könnt ihr sogar heiraten!
Weiter gen Süden radelt ihr nun vorbei an dichten Schilfgürteln, die stille Wasserflächen verstecken, auf kleinen Landwegen links (!) herum um den Étang du Scamandre.
Ibis, Reiher und Flamingo
Der riesige Süßwassersee wurde einst von der Petit-Rhône mit Süßwasser versorgt. Heute übernimmt diese Aufgabe der Canal de Beaucaire à Aigues-Mortes, der das Wasser der Rhône zu ihm führt.
Auch diesen étang umgibt wieder ein dichter Schilfgürtel, und auch hier brüten wieder Rohrweihen und Rohrdommeln. Doch am berühmtesten ist dieses Natura-2000-Gebiet für seine sehr vielen Reiherarten.
Im Centre de Découverte de Scamandre könnt ihr sie beobachten – und kostenlos dieses faszinierende Naturjuwel entdecken. Sein Besucherzentrum stellt in vielen Facetten die Flora und Fauna der Petite Camargue vor. Danach könnt ihr auf Holzplankenwegen mitten durch den Weiher wandern und die gefiederten Gäste hautnah entdecken.
Das 146 Hektar große Naturschutzgebiet ist ein Paradies für Vogelfreunde. Neben großen Populationen von Ibissen lassen sich auch neun Reiher-Arten beobachten.
Die Landschaft ist unglaublich wild, weit und ursprünglich. Auf hohen Brutplätzen könnt ihr im Frühjahr auch die Störche beobachten, die hier ihren Nachwuchs aufziehen.
Schon vor rund 200 Jahren waren die Menschen von dieser wilden, ursprünglichen Natur ringsum faszinert. Jacques Meizonnet widmete dem Teich im Jahr 1825 ein Gedicht unter dem Titel Pouëma au sugié de la salada dé l’estan d’Escamandré situa sus li terraïré de Vouvert et dé San-Gillé und veröffentlichte es in der Sprache seiner Heimat, der Langue d’Oc.
In den Fluten sind auch Bisamratten (ragondins) daheim. Ihr Auftauchen erkennt ihr am laut hörbaren Gluckern. Vom Hauptweg aus führen immer wieder kleine Wege noch tiefer hinein in die amphibische Landschaft, hin zu Aussichtspunkten über den étang und zu versteckten Beobachtungsplätzen.
Gallician: Genießen beim Notar
Nach dem Besuch des Centre du Scamandre folgt ihr 5,5 Kilometer lang der D779, die mitten durch das Lagunenland führt: rechts der Étang du Crey, links der Étang du Charnier. Beide Seen umgibt ein dichter Schilfgürtel, in dem Rohrdommeln, Purpurreiher und andere Reiher heimisch sind.
Überquert wieder den Canal du Rhône à Sète: voilà der Hausboothafen von Gallician. Wer jetzt Lust auf einen guten Kaffee hat, legt im Café du Pont eine Pause ein. Oder schaut auf dem Bouleplatz den Spielern zu, die versuchen, ihre Kugel ganz nah ans Schweinchen zu legen.
• 344, Route des Étangs, 30600 Vauvert, Tel. 04 66 73 57 87
Weinlieberhaber sollten beim Mas du Notaire einen Stopp einlegen, Die Familie von Jean-Pierre Rambier vinifiziert nicht nur tolle Weine, sondern hält auch fünf bezaubernde Ferienwohnungen* bereit.
• Mas du Notaire: 30600 Vauvert, Tel. 04 66 35 03 00, buchbar u.a. hier*.
Durch Weingärten zurück nach Beauvoisin
Auf der D 779 verlasst ihr Gallician und folgt der Landstraße, bis rechterhand der Chemin des Salines abzweigt und euch zurück nach Beauvoisin bringt.
Ihr wollt noch bleiben? Dann quartiert euch bei Patricia Mijouin ein, die nahe der Mairie in einer Sandsteinvilla die vier Gästezimmer von Couleurs de Camargue eingerichtet hat, und lasst euch abends beim gemeinsamen table d’hôte aller Gäste kulinarisch verwöhnen (6, rue des Templiers, Tel. ß07 88 04 03 16, www.facebook.com).
In der Nähe
La Maison du Riz
Jacques Rozière stammt aus einer langen Reihe von Reisbauern in der Camargue. Auf 500 Hektar Land baut er vielerlei Reis an. Doch das Getreide allein ernährt ihn nicht mehr. So hat er gemeinsam mit seiner Frau Françoise auf seinem Mas de la Vigne fünf Ferienhäuser eingerichtet und die Maison du Riz mit Museum und Hofladen.
• Mas de la Vigne, 13123 Albaron, Tel. mobil 06 31 03 40 11, www.maisonduriz.com
Nicht verpassen
Le Centre du Scamandre
Mit seinen Salzwiesen und Schilfufern, Lagunenseen und Bohlenwegen ist das 146 Hektar große Naturschutzgebiet ein Paradies für Vogelfreunde. Neun Reiher-Arten sind dort daheim, ebenso zahlreiche Ibisse und Bisamratten.
• Route des Iscles Gallician, 30600 Vauvert, Tel. 04 66 73 52 05, www.camarguegardoise.com
Radelnd durch die Petite Camargue
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Weiterlesen
Im Blog
In Aigues-Mortes umschließt eine vollständig erhaltene Stadtmauer die historische ville close. Tipps, Infos und Impressionen zu dieser Perle der Camargue findet ihr hier.
In Les-Sainte-Maries-de-la-Mer tragen die Zigeuner die schwarze Sara ins Meer – und könnt ihr dem Klerus aufs Dach steigen. Klickt mal hier.
Die Camargue gehört administrativ zu Arles. Mehr über die flächenmäßig größte Kommune Frankreichs erfahrt ihr hier.
Durch die Camargue führt euch die letzte Etappe der Radwanderroute ViaRhôna vom Genfer See zum Mittelmeer. Hier gibt es mehr Infos und Impressionen.
Im Buch
Der Krimi zur Petit Camargue
Packt bei eurer Reise in diese Region einen Krimi mit ins Gepäck, den ich in nächtlichen Stunden verschlungen habe: Im Sumpf der Camargue* von Xavier-Marie Bonnot.
Der zweite Fall des Marseiller Kripomannes Michel de Palma, der vom Milieu seiner Heimat nur Le Baron genannt wird, gehört zu den besten französischen Krimis, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
Spannend, überraschend, kenntnisreich in der Region verwurzelt – ein Lesevergnügen bis zur letzten Seite! Wer mag, kann den Band hier* online bestellen
Den ersten Fall von Commissaire Michel de Palma habe ich euch in meinem Blogbeitrag zum Krimiland Frankreich vorgestellt.
Der Reisebegleiter vor Ort: Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*
Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights.
Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2024 in der 10. Auflage erschienen.
Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.
Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.
Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !
Danke für die Tipps! Die Radtour hört sich wunderbar an, wir planen sie fest ein für unseren nächsten Aufenthalt in dieser Gegend. Beim Nachschlagen der Tour auf google maps bzgl. der Vereinbarkeit mit dem Wohnmobil habe ich jedoch festgestellt, dass das Restaurant in Franquevaux dauerhaft geschlossen zu sein scheint. Das wäre schade!
Oh, danke für den Hinweis,liebe Frai Anslinger. Das aktualisiere ich gleich! Schönen Sonntag
Das liest sich wieder sehr interessant. Die Camargue auf dem Sattel des Velos zu erkunden und dabei die Langsamkeit des Seins zu genießen und an z.B. Flamingos vorbeizugleiten, das stelle ich mir sehr schön und entspannend vor. Der Tipp kommt gleich in meine Frankreich-Reise-Wunschliste.
Die Gegend, Ortschaften und das Centre Scamandre haben wir schon mit dem PKW besucht. Mit dem Rad stelle ich es mir noch schöner vor so mitten durch die Natur. Nur im Hochsommer sehr unangenehm, da kaum Schatten weit und breit.
Ja, das stimmt, liebe Renate – die schönste Zeit ist vor Mai und nach den heißen Tag im August. Viele Grüße! Hilke
Ein guter Vorschlag für eine Radtour – zum Glück hat es keine Berge, muss nur der Wind mitspielen. Ab in die Camargue!
Hallo Marcelle,
der Wind kommt hier meist von hinten – wenn er bläst, dann schiebt er Dich :-).Zumindest auf dem Großteil der Strecke…
Viel Spaß beim Nachradeln! Hilke