Aigues-Mortes: Juwel der Petite Camargue
1,6 Kilometer lang ragt sie aus dem sumpfigen Boden der Camargue auf. Wehrhaft, wuchtig, ein Bollwerk der Gotik: die Stadtmauer von Aigues-Mortes.
Damals endete sie direkt am Ufer einer großen Lagune. Kanäle verbanden sie mit dem Meer. Moore erstreckten sich ringsum.
Damals, im Jahr 1240, hatte Ludwig der Heilige das Land erworben und begonnen, dort eine Bastide zu errichten. Denn der französische König brauchte unbedingt eines: einen Hafen am Mittelmeer. Denn es war die Zeit der Tempelritter und der Kreuzzüge gen Jerusalem.
Später wurden die Weine aus dem Languedoc über den Hafen exportiert. Mit dabei war der berühmteste Wein des Landstrichs: der vin de sable der Camargue. Doch davon später mehr.
Das Land, das Ludwig in der Camargue kaufte, glich einem Keil zwischen zwei Machtblöcken. Die Provence gehörte zum Heiligen Römischen Reich, das Languedoc dem König von Aragón. Der französische König war dort machtpolitisch ein Winzling.
Doch seine Vision schuf Großes. Er ließ einen Damm aufschütten und darauf eine Straße anlegen. Sie bewachte die Tour Carbonnière.
Der Wachtturm erhebt sich mitten in den Salzmarschen an der Straße von Saint-Laurent-d’Aigouze nach Aigues-Mortes und eröffnet von seiner Aussichtsplattform herrliche Ausblicke auf die Petite Camargue.
Ludwigs neue Siedlung folgte dem Bauplan der südfranzösischen Bastiden, die überall im Mittelalter zur Grenzsicherung aus dem Boden schossen: mit rasterförmigem Straßennetz, zentralem Hauptplatz und schützenden Mauern.
Rauf auf die Stadtmauer ( remparts ) geht es neben der Tour de Constance. 30 Jahre war Frankreichs berühmteste Hugenottin dort im Dunkeln eingekerkert: Marie Durand.
Juwel im Salz-Reich
Die acht bis zehn Meter hohe Stadtmauer von Aigues-Mortes, die Ludwig IX. ab 1240 erbauen ließ, umschließt die gesamte Altstadt. 1,6 bis zwei Meter dick sind ihre Mauern aus weißem Kalkstein, der in der Umgebung abgebaut wurde.
20 Türme und 9 Turmeingänge, die alle im Laufe der Jahrhunderte restauriert und erweitert wurden, besitzt der eindrucksvolle Mauerring um die cité von Aigues-Mortes. Von ihrem Wehrgang eröffnen sich traumhafte Ausblicke auf die Altstadt, die Camargue und die Salzberge der Salins du Midi.
Seit März 2016 könnt ihr in Aigues-Mortes sogar einen Salzkegel besteigen und aus 20 Metern Höhe die Aussicht genießen – mit 60.000 Tonnen Salz unter den Füßen!
Die Salzberg-Besteigung ist eine der vielen Attraktionen der Salins du Midi und wird bei der Rundfahrt mit dem Petit Train angeboten.
Hinein in die ville close !
Durch die Porte de la Gardette gelangt ihr ins Innere der ville close, der befestigten Altstadt, und geradeaus direkt zur Place Saint-Louis mit dem Denkmal des Stadtgründers. Saint-Louis (=Ludwig IX.) regierte von 1226 bis zu seinem Tod im Jahr 1270.
In den Sommermonaten, und besonders zur Fête Saint-Louis, pulsiert das Leben hier bis in den frühen Morgen. Die Tische, Stühle und Sonnenschirme der Terrassencafés drängen sich hier so dicht, dass das Denkmal des Stadtgründers im Grün der Platanen fast verschwindet.
Direkt am Hauptplatz erhebt sich seit 1246 die Stadtkirche Notre-Dame-des-Sablons, in der auch Ludwig der Heilige gebetet haben soll, bevor er zum siebten Kreuzzug aufbracht.
Es sollte sein letzter sein. Mit seinem 10.000 Mann starken Heer traf er am 18. Juli 1270 in Tunesien ein, mitten in der Sommerhitze. Karthago war schnell erobert, doch in Tunis war der Widerstand stark.
Statt schneller Eroberung war Belagerung angesagt. Das Trinkwasser fing zu faulen an. Nachts schleuderten die Tunesier Tierkadaver ins Lager. Seuchen brachen aus. Auch Ludwig IX. erkrankte.
Am 25. August 1270 starb der Stadtgründer von Aigues-Mortes im Alter von 56 Jahren. 27 Jahre später sprach Papst Bonifatius VIII. den König heilig. Mit Aigues-Mortes hat er ein Juwel hinterlassen.
Im Sommer erdrückt es der Tourismus. Doch von September bis Mai könnt ihr das Städtchen ganz entspannt genießen!
Das Reich des vin de sable
Zwischen Aigues-Mortes und Saintes-Maries-de-la-Mer erstreckt sich das Reich des Sandweins, der einst über den Hafen von Aigues-Mortes in alle Welt verschifft wurde.
Er ist ein richtiger Sommerwein, der vin de sable. Elegant ist er, duftig, säurearm und garantiert ohne zugesetztes Schwefeldioxid. Seine Reben wachsen auf den sandigen Küstenebenen des Golfe de Lion. Dort ist der Boden resistent gegen die Reblaus.
In der Kühle der Nacht werden die Trauben für den Sandwein ab Mitte August geerntet. Im Keller werden sie sofort auf eine Temperatur unter zehn Grad Celsius gekühlt, gepresst, fermentiert und auf Flaschen gezogen. Als Grande Cuvée Blanc schimmert die Komposition aus Chardonnay, Sauvignon und Grenache Blanc goldgelb im Glas.
Poppig im Tetrapak
Berühmtester Sandwein ist der Pink Flamingo. Der lachsfarbene Rosé aus Grenache mit Carignan und Cinsault zur Abrundung stammt von Listel. Das größte Weingut der Region bietet auf seiner Domaine de Jarras ein komplettes Erlebnispaket zum Sandwein an.
Von der zweistündigen Zugfahrt durch die Rebgärten über die Besichtigung des Weinkellers bis zur anschließenden Verkostung könnt ihr den Sandwein mit allen Sinnen entdecken. Wer mag, kann auch bei der Lese mit anpacken.
Vom Salz bedroht
Doch in der Petite Camargue gefährdet immer stärker der wachsende Salzgehalt im Boden die Zukunft dieser Weine. Allein in diesem Sommer verschwanden 500 Hektar Weinberge auf der dem Meer abgewonnenen Sandinsel im Rhône-Delta.
Das sind schlechte Nachrichten für den IGP Sable de Camargue, der am 18. Oktober 2023 die offizielle Anerkennung als AOC erhalten hat – 14 Jahre nach der offiziellen Anfrage. Diese AOC umfasst Weine, die auf einem einzigartigen sandigen Terroir produziert werden, das sich durch seine Armut an Ton und Lehm auszeichnet und sich über 3.000 Hektar erstreckt. Nun soll die EU-weite AOP-Auszeichnung für den vin de sable folgen.
Insgesamt vermarkten die 103 Winzer und Erzeugerder Petite Camargue jedes Jahr 200.000 Hektoliter Sandweine. Rund 20 Millionen Euro beträgt ihr Umsatz. Doch wie lange noch, wenn die Böden nun versalzen.
500 Hektar Weinland weniger: Das entspricht dem Verschwinden von rund 20 Prozent der Weinberge. Sie bedecken dort 2800 Hektar. Noch. Denn der Sommer 2022 hat die jahrhundertelange Tradition infrage gestellt.
Sandwein degustieren
• Listel Quai Jarras, Route du Grau du Roi, Aigues-Mortes, Tel. 04 66 51 17 00, www.listel.fr
• Domaine du Petit Chaumont, Rond Point D 62, Aigues-Mortes, Tel. 04 66 53 60 63, www.petitchaumont.com
• Caveau Les Sablons, Maison du Terroir des Sables, Route d’Arles, Aigues-Mortes, Tel. 04 66 53 75 20, www.caveaulessablons.fr
• Caveau du Chêne, Mas du Petit Pin, Montcalm, Vauvert, D 58, Tel. 04 66 73 51 67
• Domaine de Montcalm, Montcalm, Tel. 04 66 73 51, https://www.facebook.com
• Domaine de Pive, Mas Le Pive, 30600 Montcalm, Tel. 04 67 88 80 00
Aigues-Mortes: meine Reisetipps
Schlafen & schlemmen
Hôtel Les Remparts*
Am einstigen Standort der Kavallerie betreiben Karine und Thomas Carrière ein charmantes wie ruhiges Hotel mit 12 Zimmern, die Komfort, Nostalgie und Moderne perfekt vereinen. Bei gutem Wetter könnt ihr draußen mit Blick auf die Stadtmauer speisen. Wer mag, bucht sein Bett hier*.
• 6, place Anatole France, 30220 Aigues-Mortes, Tel. 04 66 53 82 77, www.remparts-aiguesmortes.fr
Noch mehr Betten*
Nicht verpassen
La Maison du Grand Site de France de la Camargue Gardoise
Die Maison du Grand Site de France de la Camargue Gardoise stellt das Wirken des Heiligen Ludwig und anderer Menschen, die die Camargue geprägt haben, in der Ausstellung heraus. Auch hier gehört ein Entdecker-Pfad zum Komplex.
• Route du Môle, Aigues-Mortes, Tel. 04 66 77 24 72, www.camarguegardoise.com
Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.
Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.
Weiterlesen
Im Blog
Wie die berühmte Salzblume gewonnen wird, verrate ich in diesem Beitrag, der auch Adresse und Reisetipps rund ums Salz enthält.
Die Camargue gehört administrativ zu Arles. Mehr über die flächenmäßig größte Kommune Frankreichs erfahrt ihr hier.
In der Petite Camargue könnt ihr herrlich radeln! Eine Naturrunde zu Wein und Flamingo habe ich hier vorgestellt.
Aus der Camargue stammen die besten Kampfstiere Frankreichs. Gezüchtet werden sie von den manadiers. Hier gibt es Infos und Impressionen!
Seit 1933 bringt euch die Kabelfähre Bac du Sauvage ans andere Ufer des Petit Rhône hin nach Les Saintes-Maries-de-la-Mer. Was es dort zu erleben gibt, steht hier.
Im Buch
Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*
Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2024 in der 10. Auflage erschienen.
Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.
Hilke Maunder, Okzitanien:50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.
Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !
Interessanter Artikel über einen interessanten Ort!
Lieber Herr Uhlmann, ganz herzlichen Dank! Noch ein kleiner Tipp, den ich gestern von meiner Hamburger Bekannten Dagmar Winkelhofer-Bülow erhalten habe: Mittendrin hat der Künstler Mario di Maio seine Werkstatt! Er macht Vogelskulpturen aus Holz, sehen Sie sie doch einmal hier an: http://www.oiseaux-sculpture-mariodimaio.com. Viele Grüße! Hilke Maunder