Georg Henker in Cosprons
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Mein Frankreich: Georg Henker

„Mein Frankreich“ ist nicht nur Titel meines Blogs, sondern auch Programm: Ich möchte möglichst viele von euch animieren, euer Frankreich vorzustellen. Mein Frankreich – was bedeutet das für euch? Diesmal antwortet Georg Henker. Er besitzt ein Häuschen in Cosprons bei Port-Vendres im Roussillon der Pyrénées-Orientales. Seit vier Dekaden verbringt er dort schöne Tage mit seiner Familie.


Meine Mutter wurde 1914 geboren. Bis zu meiner Geburt 1948 hatte sie keine Chance, ihren Traum, die Welt kennenzulernen, zu verwirklichen. Um für den Fall gerüstet zu sein, hatte sie in der Schule einen Französischkurs belegt. Damals unüblich.

So kam es, dass ich nach Englisch und Latein auch noch Französisch lernen musste. Konsequenterweise fuhr ich in den Sommerferien mit Hunderten deutscher Schüler nach Dijon. Ich würde bei einem netten Ehepaar, deren Sohn leider in Urlaub war, einquartiert. Sie wohnten in einem netten Haus mit einer Sommerküche.

Beschwipst in Burgund

Damit Madame dort kochen konnte, fuhr Monsieur schon in aller Herrgottsfrühe aufs Land, um „rrrrrrammasser des champignons et des escarrrrgots ». Mich faszinierte dieses Engagement fürs Essen. Da für Franzosen zum Essen auch getrunken werden muss, fuhren wir drei im offenen Peugeot mit durchgehender Sitzbank zum Winzer.

Es ging in einen tiefen Keller. Noch heute denke ich an diese Zeit, wenn ich einen Chardonnay mit Fassnote trinke. Auf der Heimfahrt klemmten meine Gasteltern mich auf der Sitzbank fest ein, da ich etwas wackelig war. Wie ich später erfuhr, erzielte mein Brief über dieses Erlebnis in der Heimat große Heiterkeit.

Bei Cospron im Roussillon

Nach dem Abitur bekam ich eine Praktikantenstelle in Labruguière zwischen Toulouse und Béziers am Rande der Montagne Noire. Ein Mitarbeiter der Firma holte mich ab. Seine Sprache kam mir unbekannt vor. Erst langsam erfuhr ich, dass es französisch in mehreren Varianten gibt. Ich musste mich also auf „ Langue d’oc“ umstellen. Es waren schöne sechs Wochen.

Ich wohnte in einem kleinen Hotel „Chez Marie-Lou“ mit Vollpension. Mittags ging ich zum Essen, danach ins Café und um 14 Uhr ging es wieder bis 18h zur Arbeit. Danach musste ich mit den Männern der Firma wieder ins Café zum Pastis. Schon glücklich, setzte ich mich dann an den Tisch zum Abendessen. Als das geschafft war, konnte man noch nicht ins Bett gehen. Also wieder Café.

Ein nettes Ausflugsziel von Cosprons aus: Banyuls.

 

Zu dieser Zeit kamen dann die jungen Leute. Als einziger Deutscher erregte man im Dorf natürlich Aufmerksamkeit, auch bei den Damen. Als Folge musste ich an den Wochenenden mit dem Bus der Feuerwehr zu allen Kermes der Umgebung. Die Jungs brachten mir bei, dass nur bei der Runde „Slow“ mit den Damen getanzt wird. Es war eine schöne Zeit.

L’Amour ….

Ich studierte dann auf Diplom-Handelslehrer. Bei der Studienberatung stellte mir ein unbedarfter Assessor (er machte dann seinen Doktor und beurteilte Referendare) die Wahlfächer vor. Geographie hasste ich noch von der Schule, Englisch könnte ich, Französisch hätte noch niemand gewählt. Ich nahm es deshalb. Später erfuhr ich warum. An Berufsschulen wird es nicht unterrichtet.

Im romanischen Institut gefiel es mir. Die Atmosphäre war lockerer als bei den Kaufleuten. Aus Angst vor der Prüfung belegte ich einen Kurs in der VHS. Meine Nachbarin war 82 und machte gewissenhaft ihre Hausaufgaben. Meine Lehrerin war eine hübsche Französin aus Banyuls-sur-mer. Sie stellte sogleich richtig, dass sie Katalanin sei. Sie unterrichtete mit großer Inbrunst und mit viel Gesang, bei dem ich leider schweigen musste.

Ferien in Banyuls

Nach bestandenem Examen heiratete ich, und unser erster Sohn kam 1976 zur Welt. Inzwischen hatten wir uns mit meiner Französischlehrerin und ihrem deutschen Mann angefreundet. Sie verbrachten ihre Ferien immer bei den Eltern in Banyuls. Ihre Einladung zu einem Besuch folgten wir gerne. Es war ein weiter Weg, noch dazu mit einem Baby.

Wir lebten dann einige Zeit mit Familienanschluss in Frankreich bzw. Katalonien. Vom Papa lernte ich das Grillen von Schnecken und Würsten auf Weinreben. Ich trank seinen Wein Rancio; er geht bis heute nicht an mich. Wir lernten, dass Banyuls ein katalanischer Name ist und nicht französisch ausgesprochen wird. Wir kosteten den Banyuls (vergleichbar dem Port) mit Roquefort oder Schokoladenkuchen.

In den Weinkellern rund um Cosprons lagert Rancio in den Fässern.

Strand mit Sprengkraft

An die Steinstrände mussten wir uns erst gewöhnen. Genossen haben wir das Wasser der traumhaften Buchten. Gestört haben uns ab und zu die Explosionen der nahe liegenden Dynamitfabrik. Nach deren Schließung gab es jahrzehntelange Spekulationen über die Verwendung des Geländes. Gesiegt hat die Vernunft. Jetzt ist es ein wunderbares Museumsgelände mit Strand.

Glücklich in Cospron: Georg Henker und Familie

Die Familie unserer Freundin besaß etwa 1 km oberhalb erwähnter Fabrik eine Halbruine, die vom deutschen Schwiegersohn liebevoll wieder hergestellt wurde. Dieses Häuschen war für den doch recht kühlen Winter dieser Gegend nicht geeignet. Als es dann uns zum Kauf angeboten wurde, nahmen wir es an. Das war vor fast 35 Jahren. Inzwischen sind wir, mit unseren zwei Söhnen, fester Bestandteil des Weilers (hameau).

Letztes Jahr trafen wir zufällig eine Familie mit zwei Kindern in einem Lokal in Banyuls. Wir konnten es kaum glauben, die Mutter war vor ca. 20 Jahren unsere Austauschschülerin aus Paris. Sie hatte in Montpellier Önologie studiert und macht jetzt den Wein aus den umliegenden Weinbergen. Jetzt werden unsere Aufenthalte noch angenehmer werden.


Der Beitrag von Georg Henker ist ein Gastartikel in einer kleinen Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran: 

• Keine PDFs.

• Text: per Mail in Word, Open Office oder per Mail. Denkt daran, euch mit ein, zwei Sätzen persönlich vorzustellen.

• Fotos: Bitte schickt nur eigene Bilder und jene möglichst im Querformat und immer in Originalgröße. Sendet sie gebündelt mit www.WeTransfer.com (kostenlos & top!)  – oder EINZELN ! – per Mail. Bitte denkt an ein Foto von euch – als Beitragsbild muss dies ein Querformat sein.

• Ganz wichtig: Euer Beitrag darf noch nicht woanders im Netz stehen. Double content straft Google rigoros ab. Danke für euer Verständnis.

Vor der Veröffentlichung erhaltet ihr euren Beitrag zur Voransicht für etwaige Korrekturen oder Ergänzungen. Erst, wenn ihr zufrieden seid, plane ich ihn für eine Veröffentlichung ein. Merci !

Ich freue mich auf eure Beiträge! Alle bisherigen Artikel dieser Reihe findet ihr hier.

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