
Außergewöhnlich stark haben die Abteien die Geschichte der Normandie geprägt – als Horte der Kultur und des Wissens, aber auch als Zentren der Macht. Bis ins 5. Jh. reichen die ersten Klostergründungen zurück.
Ihre Blütezeit erlebten sie unter den normannischen Herzögen im 11./12. Jahrhundert, als die Normandie der reichste und mächtigste Staat Europas war.
Später sorgte die Gunst und Großzügigkeit der französischen Könige für Meisterwerke, bis Religionskriege, Revolutionen und Säkularisierungen die Blüte der Abteien beendeten.
Juwel an der Abteien-Straße
Von den 120 Abteilen der Glanzzeit sind heute noch 84 vorhanden. Einige sind, wie Bec-Hellouin, noch spirituelle Zentren. Andere sind heute grandiose Ruinen. Besonders Hambye und Jumièges.
Hier fand im 9. Jahrhundert Bayernherzog Tassilo als Mönch Schutz. Damals lebten dort 900 Mönche und 1.600 Bedienstete.
Während der Französischen Revolution verließen die letzten Mönche Jumièges. Nur wenige Jahre später – 1793 – wurde sie bei einer öffentlichen Versteigerung einem Holzhändler aus Canteleu zugeschlagen.
Er nutzte Jumièges als Steinbruch und ließ die Laterne der Kuppel in die Luft sprengen. Doch der Zauber von Jumièges ist bis heute einzigartig. Nationaldichter Victor Hugo lag völlig richtig, als er von Jumièges schwärmte:
Sie ist die schönste Ruine von Frankreich!
Jumièges: Ruine im weiten Park
Wahrzeichen der Abtei, einst eine der reichsten Frankreichs, sind ihre 47 m hohen Doppeltürme. Das dachlose Hauptschiff lässt bis heute die Ausmaße der einst 120 m langen Kathedrale Notre Dame erahnen.
Der im spätgotischen Stil erbaute Kreuzgang ist teilweise zerstört. Charles Stuart. 1. Baron de Rothesay hatte einen Flügel gekauft und ihn in sein Schloss Highcliffe bei Bournemouth einbauen lassen. In der Mitte des restlichen Kreuzgangs erhebt sich eindrucksvoll eine 500 Jahre alte Eibe.
Eng mit der Abteikirche verbunden ist das Schicksal von Agnès Sorel. Sie war ab 1444 die erste offizielle Mätresse eines französischen Königs. Karl VII. gebar sie vier Töchter.
Sie revolutionierte die damalige Haartracht, machte eine hohe Stirn als Zeichen von Intelligenz eine und führte die Mode der unbedeckten Brust ein. Als sie 1450 mit dem jüngsten Kind schwanger war, ließ Karl VII. sie während eines Feldzugs gegen die Engländer in einem Lager in Jumièges zurück.
Kurz darauf erkrankte sie schwer und verstarb. 2004 untersuchte Philippe Charlier die Leiche. Der Paläopathologe wies nach, dass Sorel im siebten Monat schwanger gewesen war und Würmer hatte.
In den Knochen fand er eine große Menge an Quecksilber, damals ein Schönheitsmittel für edle Blässe. Starb sie daran – oder verabreichte jemand ihr eine tödliche Dosis Quecksilber? Bis heute wirft ihr Ableben Rätsel auf.
In der Peterskirche direkt neben der Hauptkirche sind Reste karolingischer Wandmalereien erhalten. Ein Bogen im Westwerk zeigt das typische Mäandermuster. Auf der Südwand ist ein Portrait zu sehen, am besten ist der Schopf zu erkennen. Wen es darstellt, ist nicht bekannt.
Pastorale Idylle
Hinter den Sakralbauten ist inmitten des Parks das Abtgebäude erhalten. Die 14 ha großen Grünanlage vereint einen englischen Landschaftsgarten, einen nur noch in der Grundform erhaltenen formellen französischen Garten und einen potager, einen historische Küchengarten. Ihn ergänzt ein Hain mit Apfelbäumen, in dem Schafe grasen.
Kunst, Konzerte & Fledermäuse
Jumièges könnt ihr heute auf viele Weisen erleben. Für Fans digitaler Entdeckungsreisen gibt es Tablets mit 3D-Führern und virtuellen Zeitreisen. Bei den Musicales de Normandie wird die Abtei zur Bühne für intime Konzerte.
Von April bis Dezember verwandelt sich das weitläufige Anwesen zu einem Open-Air-Skulpturenpark. Was in den Gewölben und Kellern der Klosterruine lebt, verraten im Sommer Führungen mit der Taschenlampe und die Nuit de la Chauve-Souris : Fledermäuse!
Schmuckes Örtchen
Bummelt nach dem Besuch der Ruine auch noch ein wenig durch das Örtchen mit seinen traditionellen Bauernhäusern, verspielten Belle-Époque-Häuschen aus Backstein mit weißen Holzschnitzereien und Häusern von heute. Wen ihr weiter hinaus lauft Richtung Seine, könnt ihr auf den Feldern mit etwas Glück Grau- und Silberreihe sehen. Und im Frühjahr auch Störche!
Jumièges: meine Reise-Infos
Route des Abbayes Normandes
Die Straße der normannischen Abteien verbindet zwischen Rouen und Fécamp die schönster Klöster der Normandie. Dort findet ihr in Saint-Martin-de-Boscherville auch das Kloster Saint-Georges mit seinem traumhaft schönen Klostergarten. Hier habe ich die Abtei vorgestellt.
Ebenfalls an der Abteienstraße liegen die im Blog bereits vorgestellten Klöster von Montivillers, Graville und Saint-Wandrille.
Schlafen
Direkt im Ort hatte ich zunächst über Booking.com Au fil de l’eau gebucht. Als ich jedoch dort eintraf, war ich entsetzt über den desolaten Zustand es Zimmers und dessen Lage, das in keiner Weise der Beschreibung der Inhaberin entsprach.
Der Kundenservice von Booking.com bestätigte meine Einschätzung, nachdem ich Fotos geschickt hatte und stornierte ruckzuck die Buchung. Im Ort war leider an jenem Abend alles ausgebucht. Ich kann daher für dort keine Empfehlung machen.
Le Relais du Passage de la Roche*
Nur wenige Kilometer außerhalb jedoch wurde ich fündig und fand ein grundsolides, sehr individuell eingerichtetes Haus direkt an der Seine. Schaut es euch hier einmal hier an.
Noch mehr Betten*
Booking.com
Schlemmen & genießen
Le Rocket
Françoise Rose betrieb bis 2018 in Jumièges eine einfache Bar/Brasserie. Sie führt seit 2018 die junge Köchin Marion weiter. Seitdem heißt das Lokal “Le Rocket” und überzeugt mit grundehrlichen Preisen und Speisen.
• 5, place de la Mairie, 76480 Jumièges, Tel. 02 35 81 45 70
L’Heures des Thés
Die Teestube gegenüber der Abtei bereitet nicht nur exzellenten Tee zu, sondern auch leckeres Mittagsgerichte und einen göttlichen Clafoutis aux Cérises zum Dessert!
• Place Martin du Gard, 76480 Jumièges, Tel. 02 76 67 16 00
Gefällt euch der Beitrag? Dann sagt merci mit einem virtuellen Trinkgeld. Denn Werbebanner oder sonstige Promotions sind für mich tabu. Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert. Unterstützt den Blog. Fünf Möglichkeiten gibt es.
Weiterlesen
Marco Polo Frankreichs Flüsse*
Seine, Loire, Rhône und Saône heißt das Quartett, das Flusskreuzfahrer träumen lässt. Die schönsten Erlebnisse und Zielorte habe ich – gemeinsam mit anderen Autoren – im Marco Polo Frankreichs Flüsse* vorgestellt. Natürlich kommen neben Aktiv- und Ausflugstipps auch die kulinarischen Hinweise nicht zur kurz.
“How to cruise” verrät euch, was ihr bei einer Kreuzfahrt alles beachten sollten. Dazu noch praktische Tipps und Karten: So seid ihr kompakt informiert. Oder lasst euch einfach inspirieren. Wer mag, kann den Reiseführer hier* bestellen.
Das ganze Land: MARCO POLO Frankreich*
Einfach aus dem Besten auswählen und Neues ausprobieren, ist das Motto der Marco Polo-Reiseführer. Den MARCO POLO Frankreich* habe ich gemeinsam mit Barbara Markert verfasst. Gleich zu Beginn geben wir unsere Insider-Tipps für Frankreich preis: vom größten Flohmarkt Europas in Lille bis zur Schwimmen in der Piscine Olympique in Montpellier.
Das Kapitel „Im Trend“ verrät, was es Neues zu erleben gibt im Hexagon: vom Skijöring in den Skigebieten bis zum Übernachten im Baumhaushotel. Alle Hintergrundinformationen zu Frankreich und seinen Menschen findet ihr unter Fakten, Menschen & News. Es folgen: Tipps für Bars und Boutiquen, Erlebnisse für Familien, Paare oder Alleinreisende. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.
* Durch den Kauf über den Referral Link kannst Du diesen Blog unterstützen und den Blog werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci!
Ich bin ein absoluter Weinliebhaber daher vielen Dank für den informativen Blog immer weiter so !
Gruß
Bernd