Radeln auf Korsika: Biguglia – Saint-Florent
Radeln auf Korsika. War das eine gute Idee? Dicke Wolken haben sich an der Ostküste Korsikas über dem Étang de Biguglia zusammen gebraut. Nur einen Meter tief, erstreckt sich der 1.450 Hektar große Lagunensee an der Ostküste Korsikas, elf Kilometer lang und bis zu 2,5 Kilometer breit. Kormorane, Eisvögel und sogar Schildkröten sollen in der größten Lagune der Insel leben.
Doch dafür hat unsere Führerin keine Zeit. Sie will endlich los, hinauf ins Nebbiu radeln, das sich hinter Nebelschwaden versteckt. Das Nebbiu erstreckt sich im Nordosten Korsikas und grenzt im Norden mit Sandstränden und Felsküste an das Mittelmeer, im Osten an die Castagniccia, im Süden an die Déserts des Agriates und im Westen an die Balagne.
In weiten Kehren geht es bergauf. Mein E-Bike ist deutlich zu klein für norddeutsche Körpermaße, der Lenker zu niedrig. Werkzeug zum Verstellen? Fehlanzeige. Das war nicht vorgesehen beim Radeln auf Korsika.
Kleines Rad, große Leistung
Aber es geht auch so. Ich halte den Lenker nur mit einer Hand, rutsche beim Sattel ganz nach hinten – und strample bergauf. Nach den Erfahrungen der ViaRhôna schon Antriebsunterstützung gewohnt, bin ich doch erstaunt, wie leicht dieses E-Mountainbike die Straße nimmt, die eine durchschnittliche Steigung von 4,2 Prozent aufweist, stellenweise auch acht Prozent. Und das bereits bei der Schneckeneinstellung und der geringsten Motorleistung.
Wir radeln auf der D62, einer gewöhnlichen Landstraße. Als schmales Band bricht sie aus dem grünen und grauen Schiefer. Für Laster und Wohnmobile ist die Strecke tabu, aber selbst Auto fahren möchte ich hier nicht.
Schon mit dem Rad ist es eine Straßenführung mit leichtem Nervenkitzel. Markierte Radwege und ausgebaute Radrouten haben auf Korsika noch Seltenheitswert und sind vor allem um die Urlaubszentren an den Küsten zu finden.
Spektakuläre Schluchtenroute
Wir jedoch nähern uns flott dem Défilé de Lancone. 120 Meter tief hat sich der Bevinco in das Gebirgsmassiv eingeschnitten. Hinter einer Handvoll Häusern, laut Karte Casatorra, blicken wir zurück: erst der Étang de Biguglia, dann das Meer – schön!
Die spektakuläre Schlucht endet kurz vor dem Col de San Stefano. Fünf Straßen münden in den Kreisverkehr an der Passhöhe auf 368 Metern Höhe. Wir machen einen Abstecher von der Hauptroute und radeln weiter bis Murato. Unterwegs blicken wir aus 475 Metern Höhe jetzt auf die Westküste. Ganz unten entdeckte ich Saint-Florent, unser Ziel.
Im pittoreske Bergdorf Murato hatte einst Pasquale de Paoli vorübergehend sein Hauptquartier aufgeschlagen und führte dort die erste korsische Münze ein – geprägt wurde der Maurenkopf. Von April bis September und über Weihnachten könnt ihr in der Casa di l’Artigiani korsisches Kunsthandwerk kaufen.
Im Dorf wird auch Brot nach bester Bauerntradition gebacken: Scaccie, Scacettes und Miche heißen die knusprigen Spezialitäten. Käse und Erzeugnisse aus eigener Schlachtung gibt es bei Madama Vinci. Ruft vorher kurz auf dem Handy an, Tel. 06 10 56 76 88.
Galopp bei Gott
Berühmtes Wahrzeichen von Murato ist die etwas außerhalb liegende Église Saint-Michel. Die „schönste und eleganteste Kirche, die er auf Korsika gesehen habe“, nannte Prosper Mérimée das Gotteshaus.
1140 wurde die Kirche aus grünem Schiefer und hellem Kalkstein, in Streifen und Würfel geordnet, fertiggestellt.
Fast wie die Kirchen in Pisa sieht sie aus. Auch in Murato wurde heller und dunkler Marmor verwendet. Doch Alves Jade Moreiro hat dafür keine Augen. Im Galopp reitet sie mit ihrem Pferd um die Kirche, immer schneller, immer ausgelassener. Ihre Freundin kann kaum mithalten.
Erst als die Mädchen fortgeritten sind, wagen wir es, uns der Kirche zu nähern. Schöner als das schlichte Innere ist der Schmuck der Fassade mit Rädern und anderen geometrischen Mustern, Blättern und Tieren. Und der Versuchung Evas.
Romanik mit Streifen
Dem Figurenschmuck begegne ich wieder in der ehemaligen Kathedrale des Nebbiu oberhalb von Saint-Florent. Santa Maria Assunta ist das Überbleibsel der von den Sarazenen zerstörten alten Hauptstadt.
Das Gotteshaus, das heute als Musterbeispiel der pisanischen Romanik auf Korsika gilt, wurde 1140 auf den Fundamenten einer römischen Kultstätte erbaut.
Wie ebenmäßig ist ihr Mauerwerk aus weißen Kalksteinquadern! Eine Führerin schließt uns auf. Schlicht ist das Innere. Strahler beleuchten den Figurenschmuck der Säulen, die Haupt- und Seitenschiff trennen: Muscheln, Löwen und Schlange schmücken die Kapitelle.
Der römische Märtyrer
Aus einem gläsernen Sarkophag blickt mich eine Mumie an. Den Mund halb geöffnet, den Kopf mit einem kunstvollen Blüten-Kranz geschmückt. Seit 1771 liegt er dort, perfekt mumifiziert auf rotem Samt. Mir schaudert.
Der örtliche Bischof hatte Papst Klemens XIV. um die Reliquie gebeten. „Es ist Saint-Florent“, erzählt die Führerin, „ein römischer Soldat. Er starb um 303 n. Chr. den Märtyrertod während der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian.“
Radeln auf Korsika: meine Reisetipps
Leihräder & geführte Touren
europe active
Tel. 04 28 31 24 14 (Fahrradverleih Korsika), Tel. 04 95 44 49 67 (geführte E-Bike-Tour durch das Nebbiu-Tal, Juni – Sept.), Tel. 04 95 44 49 67 8 (allg. Auskünfte), www.europe-active.com
E-Bikes heißen im Französischen VAE = vélo à assistance éléctrique, Mountainbikes VTT = vélo tous terrains
APPeBIKE
Elektroräder auf Korsika zu mieten, ist mit dieser App kinderleicht. Sie listet Standorte, Vermieter, zusätzliche Angebote wie Führungen und bietet alle Räder zum Einheitspreis an.
• https://appebike.com
GT 20
Weitwanderer kennen auf Korsika die berühmte GR 20, die die Insel von Nord nach Süd durchkreuzt. Für Radwanderer wurde 2019 die Grande Traversée de Corse, kurz GT 20, eröffnet. Dank eines Systems von Ladestationen, das in Kooperation mit der Firma Bosch entstand, könnt ihr jetzt die Insel von Nord nach Süd auch mit dem E-Bike durchqueren. 1000 Kilometer vor grandioser Kulisse zwischen Meer und Gebirge.
Saint-Florent: meine Reisetipps
Schlemmen und genießen
Steakhouse Le Grill
Beliebtes Fisch- und Steak-Restaurant mit Gemüse aus eigenem Anbau, direkt am Hafen mit Blick auf die Jachten.
• Quai d’Honneur, 20271 Saint-Florent, Tel. 06 75 71 56 93, www.instagram.com/legrillstflorent
Hier könnt ihr schlafen
Hôtel Santa Maria
Modernes Hotel mit 27 Zimmer und drei Junior-Suiten, teilweise mit Balkon. Recht charmefreier Empfang und Service, aber sauberer Komfort und kostenloses WLAN.
• Lieu dit Cisternino, 20217 Saint Florent, Tel. 04 95 37 04 44, www.hotel-santa-maria.com
Noch mehr Betten*
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Im Blog
ViaRhôna
Vom Genfer See zum Mittelmeer: Zu dieser 815 km langen Radwanderroute gibt es das erste Rad-Special im Blog. Klickt mal hier.
Radwandern in Frankreich
Die schönsten Radwanderrouten in Frankreich stelle ich hier vor.
Im Buch
Jenny Hoch: Gebrauchsanweisung für Korsika*
33 Sommer hatte Jenny Hoch auf der Insel verbracht. Doch erst, seitdem sie quasi hier lebt, wird sie langsam von den Einheimischen ins Herz geschlossen und integriert, erzählt die Journalistin und Buchautorin, die heute mit ihrer Familie die Tradition ihrer Eltern fortsetzt. Seit sie vier Jahre alt war, sei sie jedes Jahr auf Korsika gewesen, als Kind, als Teenager, als Erwachsene. Immer am selben Ort, immer glücklich, gerade dort zu sein. „Ich weiß, wo am Strand der Rutschfelsen ist, wie die Wellen sich brechen”, erzählte sich bei einer Lesung im Feriendorf zum Störrischen Esel.
Ihre persönlichen Erfahrungen machen den Reiz dieses Bandes der insgesamt sehr zu empfehlenden Taschenbuchreihe im Piper-Verlag aus. Jenny Hoch hat sie hintergründig wie humorvoll zu Papier gebracht. Dazu noch ein paar Daten und Fakten: ein perfekter Einstieg, um sich mit der Insel zu beschäftigen. Besser kann keine Reiseplanung beginnen! Wer mag, kann das Werk hier* online bestellen.
Marcus X. Schmid: Korsika*
Der freie Reisejournalist Marcus X. Schmid hat für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, den besten Reisebegleiter verfasst: sachlich, mit viel Hintergrund, Insiderwissen und Tipps, und doch mitunter sehr unterhaltsam und humorvoll.
Ich kann seinen Führer aus ganzem Herzen empfehlen – er hat mich auf allen Erkundigungen nie im Stich gelassen und mir oft schöne, neue, unbekannte und überraschende Ecken gezeigt.
Der gebürtige Schweizer, Jahrgang 1950, hat in Basel, Erlangen und im damaligen Westberlin Germanistik, Komparatistik und Politologie studiert und lebt heute als Autor und Übersetzer in der französischsprachigen Schweiz. Ebenfalls im Michael-Müller-Verlag sind von Schmid die Reiseführer „Bretagne“ und „Südfrankreich“ erschienen sowie Führer zu italienischen Destinationen. Wer mag, kann den Reiseführer hier* online bestellen.
Hilke Maunder: Baedeker „Korsika“*
Mit blau lackierten Fingernägeln ordnet Madame auf dem Markt von Bastia in einem Bastkorb längliche Stangen. „Boutargues“, verrät das Schild. „Das ist echter korsischer Kaviar. Nur noch wenige Fischer entnehmen den Meeräschen den Rogen. Mein Mann ist einer davon.“ Die Rarität hat ihren Preis: 150 Euro das Kilo.
Der Nachbar-Händler sieht das erstaunte Gesicht und hält ein Holzbrett hin: “ Goûtez !“ Lasst euch mit meinem Baedeker Korsika* an Orte wie diesen (ver)führen. Genussmomente und einzigartige Erlebnisse: Sie machen den Band besonders. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.
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Schöner Post!
LG Tim
danke, Tim! Tolle Tour ;-))