
Für Kunst findet Frankreich immer wieder ungewöhnliche Orte. Kultur und Kunst von heute verleihen altem Erbe neues Leben. Voilà drei Beispiele – einmal aus dem Norden, zweimal aus dem Süden des Hexagons.
Dunkerque: Kunst auf der Werft


In Dunkerque ist zum Ende des Kulturhauptstadtjahres 2013 der Fonds zur Förderung zeitgenössischer Kunst (Fonds régionaux d’art contemporain – FRAC) des Départements Pas de Calais in die ehemalige Schiffbauhalle AP2 gezogen. Seitdem fungiert sie als Schaufenster regionaler Kunst und Kultur.

Das Pariser Architektenbüro Lacaton & Vassal hat mit viel Pfiff und Respekt dafür die frühere Werft fast unberührt belassen. Ihr zur Seite stellte sie einen sechsstöckigen, transparent wirkenden Neubau.

Er ist der eigentliche Schauplatz. Mitten im ehemaligen Industriegebiet finden auf der revitalisierten Werft seitdem Performances, Konzerte und Workshops statt.
Hinzu kommen spannende Ausstellungen zur aktuellen Kunst. Sie verleihen dem regen kulturellen Leben der Region Ausdruck.

Dank des FRAC wandelten sich in ganz Frankreich ehemalige militärische oder industrielle Anlagen zu regionalen Zentren der Kunst. Das Ziel: die Dezentralisierung von Kultur zur Stärkung der Region.

Diese Idee steht auch hinter dem Louvre Lens. Mehr dazu findet ihr hier. Die französische Kunst von 1940 bis 1980 stellt in der Hafenstadt Dunkerque das Lieu d’Art et Action Contemporaine (LAAC) aus. Alle Infos zum FRAC findet ihr in diesem PDF: Dünkirchen_Kunst_frac

Nègrepelisse: Kunst in der Küche

Die Küche als Ort und Thema der Kunst? In Nègrepelisse, einem kleinen Städtchen in Tarn-et-Garonne, eröffnete Mitte Juni 2014 in einer wehrhaften Burg aus dem 13. Jahrhundert das Kunst- und Designzentrum La Cuisine.
NeM Architectes realisierte die kreative Küche in Kooperation mit RCR. Das katalanische Architektenbüro hat auch das Soulages-Museum in Rodez entworfen. 2017 wurde das Duo mit dem Pritzer-Preis ausgezeichnet.

Die Überreste des Schlosses ergänzt ein Neubau aus Beton. Thema der Kunst-Küche sind Ernährung und Tischsitten als Sujet von Kunst und Kultur. Daher gibt es auch drei Wohnungen für artists in residence. Ebenfalls zu La Cusine gehören ein Vortragssaal sowie eine 1.000 qm große Freifläche für Ausstellungen und Events.
Die gesamte Anlage ist eingebettet in einen Park am Ufer des Aveyron. Dort verleiht die Base Canoë Kayak Nègrepelisse Ein- und Zweisitzer-Kajaks sowie SUP-Boards für Touren auf dem Fluss.

Schon gewusst?
Le 1 % artistique
In Frankreich ist der 1 % artistique Pflicht bei jedem öffentlichen Bauprogramm. Das bedeutet, dass ein Prozent der Baukosten in zeitgenössische bildende Kunst investiert werden muss. Seit ihrer Einführung im Jahr 1951 hat der 1% artistique rund 12.400 Werke von 4000 Künstlern finanziert.
BBB Centre d’Art: bis heute elektrisierend!

Toulouse vibriert. Das zeigt sich auch in seiner kreativen Dynamik und seinem künstlerischen Schaffen. Neben großen Museen wie Les Abattoirs, das in einem umgenutzten Schlachthof am Ufer der Garonne residiert, fördern und zeigen Dutzende kleinerer Galerien und Kunstzentren das lokale Kunstschaffen. Zu diesen kleinen Katalysatoren mit großer Durchschlagskraft gehört das BBB Centre d’Art von Borderouge.
Kleiner Kunstraum mit Wirkung
Das BBB hat sein Domizil in der ehemaligen Fabrik für industrielle elektrische Spulen im Süden von Borderouge. Es ist weniger bekannt als andere Kunstzentren der Stadt. Und doch deutlich engagierter und einflussreicher in Politik und Gesellschaft. Seit 1994 unterstützt das BBB als Zentrum für zeitgenössische Kunst das aktuelle kreative Schaffen auf mehreren Ebenen von lokal bis international.
Es zeigt Ausstellungen in situ oder im öffentlichen Raum, bietet Kreativen aus aller Welt mit Künstlerresidenzen einen Ort auf Zeit zum Arbeiten und für Ausstellungen, finanziert neue Werke oder bedeutende Editionen, initiiert den künstlerischen Austausch und fördert die Vernetzung mit Fachveranstaltungen und institutionellen Partnerschaften.
Katalysator für junge Kunst
Jedes Jahr präsentiert daher das BBB auf 450 Quadratmetern vier Einzel- oder Gruppenausstellungen, die jeweils über mehrere Monate laufen. Zu sehen sind hauptsächlich aufstrebende Künstler, die im BBB oft zum allerersten Mal ihre Arbeiten in einer Einzelschau zeigen können. Oftmals leben und arbeiten die gezeigten neuen Talente als artists-in-residence im BBB Centre d’Art – oder waren es gewesen.
Das Programm der Ausstellungen ist so breit gefächert wie die Kreativität der Künstler. Fotografie, Malerei, Skulptur, gehören ebenso dazu wie Video- und Audioinstallation oder Performances, die kreative Techniken verbinden. Auch Veranstaltungen, die die Begegnung und den Austausch mit dem Künstler ermöglichen, sind Teil des Programms.
Ansehen und mitmachen
Konzerte, Vernissagen, Lesungen, Workshops sowie Führungen zum Thema Kunst in Toulouse ergänzen das kulturelle Aktionsprogramm. Wer Lust bekommt, selbst einmal kreativ zu werden, kann in Workshops künstlerische Techniken wie Malen und Zeichnen, Linol- und Holzschnitt oder das Arbeiten mit Ton erlernen.
Für Künstler und Fachleute ist das BBB zudem Ressourceplattform und Schnittstelle. Es berät, vermittelt, verteidigt die künstlerische Freiheit und verbindet alternative Szenen mit großen Institutionen.
Revival durch Kunst – noch mehr Beispiele

LUMA Arles
Die einstigen Bahnwerkstätten der SNCF in Arles haben sich in den letzten Jahren in den Parc des Ateliers verwandelt. In der Grande Halle werden Ausstellungen gezeigt, die immer wieder überraschen.


Bassins des Lumières
Im einstigen deutsche U-Boot-Bunker von Bordeaux zeigt seit 2022 Culturespaces digitale Kunst von klassisch bis experimentell. Umgenutzt als Präsentationsfläche für allerfeinste Pixel-Kunst mit Mulitmedia wurden auch eine Werkstatt in Paris und ein ehemaliger Steinbruch in den Alpilles. Klickt hier für mehr Infos.

Gefällt euch der Beitrag? Dann sagt merci mit einem virtuellen Trinkgeld. Denn Werbebanner oder sonstige Promotions sind für mich tabu. Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert. Unterstützt den Blog. Fünf Möglichkeiten gibt es.
Weiterlesen
Das ganze Land
Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren… oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.
Roadtrips Frankreich*
Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.
Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !
Hinterlasse jetzt einen Kommentar