Das neue Nantes: Le Bas-Chantenay
Zwischen der Butte Sainte-Anne und der Loire liegt das spannendste Stadtentwicklungsprojekt von Nantes: Le Bas-Chantenay.
„Ich stecke mittendrin. Mein Lokal hat die perfekte Lage!“ Hugues Trichart, Patron von Chez Hugo. 2020 musste er seine Weinbar schließen. Und eröffnete, nur wenige Meter, in Haus Nr. 41 seine Pizzeria L’Uccello an der Rue Bougainville.
Und damit mitten in Le Bas-Chantenay. Das einstige Industrie- und Werftgebiet zwischen dem Hügel Butte Sainte-Anne und der Loire ist der neue Hotspot der Stadtentwicklung.
Wandel im Werftviertel
Im engen Dialog mit den Bürgern hat Bernard Reichen das jüngste Entwicklungsprojekt von Nantes konzipiert. Seine fünf Zonen hat der städtische Stadtplaner cales genannt – in Anlehnung an die Trockendocks der Werften.
Das Problem des Projekts besteht darin, Wohnen, Aktivitäten, Industrie und Freizeit in einer attraktiven und angenehmen Nachbarschaft unter einen Hut zu bringen.
Ziel dieses Projekts ist es, das beste Gleichgewicht zwischen der gegenwärtigen und zukünftigen Nutzung dieses Bezirks zu finden.
Grün und stadtnah
Die Lage ist perfekt. Le Bas-Chantenay ist noch fußläufig zur Stadt. Und trotz des industriellen Erbes bereits ganz schön grün. Der Parc des Oblates hat mit alten Apfel- und Birnbäumen und einem Küchengarten das Landleben von einst in die Stadt geholt.
Belle-Île-Schafe halten dort das Gras kurz. Ein Spielplatz mit viel Holz, Klettergerüst und Nestversteck fördert die Fantasie beim Spielen und Toben. Und überall in den grünen Oasen habt ihr einen herrlichen Blick auf die Loire und die Stadt.
Der Jardin extraordinaire
Der Granitsteinbruch von Miséry ist seit Le Voyage à Nantes 2019 ein faszinierender Stadtpark. Drei künstliche Wasserfälle stürzen sich dort als feuchter Strahl von der bis zu 30 m hohen Steilklippe, die den Jardin Extraordinaire als Halbrund umgibt.
An der Ostseite des einstigen Steinbruchs soll sich ab dem Jahr 2027 der arbre aux hérons, der Reiherbaum der Machînes de l’Île, erheben.
Oberhalb dieser Baufläche hebt sich der Lunar Tree von Mrzyk & Moriceau zwölf Meter hoch und strahlend weiß vom Schwarz der Steilklippe und dem Blau des Himmels ab.
Die natürliche Struktur des nackten Baumes steht im krassen Kontrast zum nahen massiven Block in Blau. Er gehört zum CAP 44.
Die künftige Cité des imaginaires
Diese ehemalige Getreidemühle, 1895 von Les Grands Moulins de Loire erbaut, wird ebenfalls saniert. Warum denn das, werden manche fragen.
Schön ist der Bau nicht. Doch: Dieser Klotz gehört zu den ersten Gebäuden der Welt, die mit Stahlbeton gebaut wurden. 1895 wurde er erbaut. Sein Architekt: François Hennebique.
Die blaue Verkleidung, erst in den 1970er-Jahren vor den historischen Bau gehängt, soll verschwinden. Im Ostteil des Gebäudes werden mehrere Stockwerke abgerissen, um die Baumasse zu reduzieren und den Blick freizugeben.
Auch das Erdgeschoss wird transparenter werden und neue Ausblicke auf das Wasser eröffnen. Doch den besten Blick auf Nantes, die Loire und das Umland werdet ihr im Westteil haben. Dort soll die künftige Cité des imaginaires eine Aussichtsplattform aufs Dach bekommen! 2028 soll alles fertig sein.
Der Belvédère von Sainte-Anne
Wenig weiter folgt an der Promenade des 7 belvédères der nächste Aussichtspunkt: der Belvédère de l’Hermitage.
Als Vogelnest auf einem zehn Meter langen „Ast“, der über die Klippe ragt, entwarf ihn der japanische Künstler Tadashi Kawamata.
Sterneküche zum Loire-Blick
Holzplanken verdecken beim Zugang den Blick zum Nachbarn. Dieser kocht köstlich. Und dies bereits seit dem Jahr 1874. Ursprünglich hieß das Lokal L’Atlantide.
Im Jahr 2010 übernahm es Jean-Yves Guého, nannte es um in L’Atlantide 1874 und verhalf ihm zu neuer Größe. 2014 gab es den ersten Michelin-Sterne. Bis heute hat Guého ihn behalten und verwöhnt euch zum Weitblick über Stadt und Loire mit einer raffinierten wie ehrlichen Gourmetküche.
Einfach berauschend!
Textur, Geschmack und Ästhetik verschmelzen bei ihm zu Orgasmen der Sinne. Bereits das Lesen der Speisekarte lässt die Freuden ahnen.
chair d’araignée en gelée de caviar de France à l’aneth, écume de carcasse et fenouil | sole rôtie aux épices cantonaises, caramel de gingembre, gnocchis et pak-choï | soufflé flambé au Grand Marnier.
Seespinnen-Fleisch in französischem Kaviargelee mit Dill, Karkassenschaum und Fenchel | Gebratene Seezunge mit kantonesischen Gewürzen, Ingwer-Karamell, Gnocchi und Pok Choi | Flambiertes Soufflé mit Grand Marnier)
Gleich neben dem Lokal mit Terrasse und Garten könntet ihr weiterträumen. Dort entführt euch das Musée Jules Verne in fantastische Welten.
Kultiges Craft-Bier
Fantastisch ist auch, was weiter westlich bei der cale Dubigeon aus dem Hahn fließt. Ein franko-australisches Duo hat dort die Little Atlantique Brewery (LAB) auf die Beine gestellt.
Hinter der kultigen Craft-Bier-Brauerei stehen der australische Investor Greg Smith, der in Frankreich bereits eine andere Brauerei neu gegründet hat, und sein französischer Partner Jérôme Polie.
Am Boulevard de Chantenay 23 verwandelten sie gemeinsam eine baufällige Öl- und Seifenfabrik aus dem Jahr 1850 in einen 1400 Quadratmeter großen Treffpunkt der Nantaiser. Im Dezember 2019 war Eröffnung.
Gebraut nach deutschem Reinheitsgebot
Im Erdgeschoss birgt die LAB seit Dezember 2019 eine Bar. An ihrem Tresen könnt ihr zuschauen und erleben, wie Jonas Trummer und Arthur Pasquer die Biere ganz handwerklich brauen.
Ihr Lehrmeister war Braumeister Simon Hicher (32) aus dem Elsass, der streng nach dem deutschen Reinheitsgebot die Biere herstellte.
Sechs Sorten umfasst bislang das Sortiment. Auf einer riesigen Wandtafel sind die Sorten gelistet. Hefeweizen und Doppelbock – das schmeckt den Nantaisern!
Geplant sind weitere, auch saisonale, Biere. Bereits dabei ist ein Oktoberfestbier, das nur im Herbst aus dem Hahn fließt.
Schlemmen mit Aussicht
Neben der Küche und den Toiletten führt eine Beton-Treppe mit Blick auf den unsanierten Teil der friche hinauf zu weiteren Sitzplätzen im ersten Stock.
Dort könnt ihr auch speisen. Der zweite Stock ist für Empfänge reserviert. Ein Glasanbau vergrößert das Gebäude zum Fluss hin.
Rund um den Bau sind Tische und Stühle nach draußen gestellt. Ein paar bunt bemalte Boote, zwischen blühendes Grün gestellt, bilden einen kleinen Parc aux Bateaux.
Rechts und links seht ihr Bauten, Schiffe und Maschinen der Werften Dubigeon und Esclain. Wahrzeichen ist ein grauer Titan-Kran, den Joseph Paris 1942 in seiner Werkstatt erbaute. Er steht heute unter Denkmalschutz.
Angebunden an den Navibus
Direkt an der Loire führt eine Stahlrampe hinunter zu einem neu dort verankerten Ponton. Seit 2020 hält dort der Navibus. Und bringt euch von der Haltestelle Bas-Chantenay zur Île de Nantes.
Von dort könntet ihr weiterschippern – hin nach Trentemoult oder zurück zur Gare Maritime in der Innenstadt von Nantes.
Westlich des Brauereigeländes liegen weitere Entwicklungsgebiete. Der einstige Standort der Usine Électrique ist heute ein Gewerbe- und Industriegebiet für maritime Betriebe.
Seefahrt unter Wind
Seit Sommer 2019 findet ihr dort auch den Bootsbauer Black Pepper.Er baute jüngst für Armel Tripon ein Einrumpfboot. Mit ihm startete der französische Segler 2020 zur Vendée Globe. Die Einhandregatta rund um den Globus im Wind der Roaring Forties gilt als härtestes Bootsrennen der Welt.
Nachbar von Black Pepper ist das Unternehmen Airseas. Das Toulouser Start-up hat Segel entwickelt, die Schiffe über die Meere ziehen.
Die japanische K-Linie lässt bereits ihre Frachter mit solchen energiesparenden, automatisierten Segeln über die Ozeane schleppen. 2021 transportierten SeaWing-Segel Teile der A320 über den Atlantik.
Aufbruch mit Strahlkraft
Die Aufbruchsstimmung am Ufer der Loire sorgt auch für Bewegung im restlichen Viertel. Neue Bars und Restaurants machen auf. Bestehende Läden hübschen sich auf, erfinden sich neu. Lasst euch treiben und entdeckt dieses Viertel im Umbruch!
Und lauft auch einmal die kleine Straße der cale Crucy hinab zum Fluss. Dort könnt ihr mit den Füßen im Wasser stehen und die Aussicht genießen – bis hin nach Trentemoult direkt gegenüber am Südufer.
Le Bas-Chantenay: meine Reiseinfos
Informieren
Infos über die Bauvorschritte in Bas-Chantenay und weitere Projektvorhaben finden ihr hier: www.nantes-amenagement.fr
Schlemmen und genießen
L’Uccello
Nach seiner Weinbar eröffnete Hugues Trichart im Frühjahr 2024 seine Pizzerria in modernen, stilvoll-gemütlichen Ambiente. Es gibt auch Pasta.
• 41, rue Bougainville, 44100 Nantes, Tel. 02 28 06 33 30, www.facebook.com
A boire et à manger
Ein kleiner, heller Raum mit Steinwänden, gewachstem Betonboden und Möbeln aus hellem Holz: voilà die Speisestube, die besonders mittags Stammgäste des Stadtviertels anzieht. Kein Chichi gilt auch für die Karte, die lokal verwurzelt ist und saisonal wechselt.
Auch bei den Weinen liebt man hier die Weine von vor der Haustür: Weiße der AOP Muscadet. Besitzerin Karine betreibt mit ihrer Schwester Gwen noch ein zweites In-Lokal im Viertel: Les Frangines.
• 16, rue de la Marseillaise, 44100 Nantes, Tel. 02 40 58 05 10, www.facebook.com
Chez ta mère
Bei deiner Mutter, so der Name, könnt ihr nicht nur am Tour de Bretagne im Herzen von Nantes speisen, sondern auch in Chantenay. Auf der Karte steht gerne Deftiges von Ossobuco bis Poulet Basquaise, Huhn nach baskischer Art.
• 4, rue des 2 Ponts, 44000 Nantes, Tel. 09 83 78 73 66, www.facebook.com
Les Usines
Eine riesige Krake umschlingt die Fassade der Bar des Usines. Wo sich mittags die Arbeiter und Angestellten der umliegenden Firmen treffen, könnt ihr auch immer wieder lokale Kunst entdecken. Auf der Karte steht ordentliche Hausmannskost.
Les Frangines
Frangines heißt umgangssprachlich Schwestern, und mit diesem Namen wurde das französische Folk-Pop-Duo Anne Coste und Jacinthe Madelin bekannt. Und auch die bar à copains, die die beiden Schwestern Karine und Gwen Anfang 2019 in Chantenay eröffneten, bringt Seiten zum Klingen.
Mittags mit typischen Bistro-Gerichten wie hausgemachter Terrine, Gemüse-Velouté, Rugail-Wurst oder Bavette mit Pommes frites und zarter Schokomousse faite maison zum Dessert. Abends mit Tintenfisch-Tapas, knusprigen Accras, Camembertbissen, Quiches und Croques. Und schokogefüllten Churros für Naschkatzen.
• 4, boulevard de l’Egalité, 44100 Nantes, Tel. 02 40 58 54 04, www.facebook.com
Little Atlantique Brewery
Kultige Craft-Bier-Brauerei mit Biergarten direkt am Navibus-Anleger Le Bas Chantenay.
• 23, boulevard de Chantenay, 44100 Nantes, https://little-atlantique-brewery.fr
Ansehen
La Fabrique (Olympic Cinema)
La Mano Negra, Muse, Ben Harper, Sonic Youth, The Roots, M, Elliott Smith, Noir Désir oder Arcade Fire: Das sind nur einige der Künstler, die im 1927 erbauten Ex-Kino auf der Bühne standen. Seit den 1980er-Jahren ist das Olympic der Nantaiser Konzertsaal für aktuelle Musik.
War dies einst vor allem Rock, sorgt heute der Verein Songo dort dafür, das alle Spielarten zeitgenössischer Musik und digitale Kunst dort präsentiert werden.
• 30, Boulevard de la Liberté, 44100 Nantes, www.iledenantes.com/operations/la-fabrique
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Ein sehr interessanter Beitrag mit vielen guten Tipps
Das freut mich, liebe Brita! Schönes Wochenende! Bises, Hilke