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Paris: Auf den Spuren der Revolution

Kein Volksaufstand hat die Welt so verändert wie die Französische Revolution, und keine Stadt hat nach einem Aufstand der Bürger ihr Gesicht so verändert wie Paris. Für die Zeitreise durch das Paris der Jahre 1789 bis 1794 mietet ihr euch am besten ein Vélib-Stadtrad.

Sämtliche Ziele sind auch mit der Métro zu erreichen. Und wer sich alles ganz genau anschauen möchte, sollte für diese Tour nicht nur einen, sondern besser zwei Tage einplanen.

Los geht’s am Palais Royal

Paris, Blick auf de Palais Royal. Foto: Hilke Maunder
Paris, Blick auf den Palais Royal. Foto: Hilke Maunder

Die Geburtsstunde der Revolution schlug im Palais Royal (Métro: Louvre), in dessen Cour d’Honneur Daniel Buren 1986 seine berühmten colonnes aufstellte. Louis Philippe d’Orléans hatte die einstige Residenz des Sonnenkönigs Ludwig XIV. im Jahr 1784 für Händler und Wirten geöffnet

Binnen kürzester Zeit wandelte sich der Palais zu einer damals äußerst populären Vergnügungsstätte – wohl auch, da die Polizei dort keinen Zutritt hatte.

Paris: Die Säulen von Daniel Buren im Innenhof des Palais Royal verführen Kinder zum Klettern. Foto: Hilke Maunder
Paris: Die Säulen von Daniel Buren im Innenhof des Palais Royal verführen Kinder zum Klettern. Foto: Hilke Maunder

In den Galerien untergebracht war das Café Foy. Dort trafen sich regelmäßig die Jakobiner. Und sprang am 13. Juli 1789 der junge Journalist/Anwalt Camille Desmoulins auf den Tisch und rief die Gäste zum Widerstand und Sturm auf die Bastille auf.

Kurz darauf rückte die Nationalgarde an und stürmte das Kaffeehaus, das später als Chez Bignon Treff der Literaten wurde, heute jedoch nicht mehr existiert.

Der Sturm auf die Bastille

Die Oper am Bastille-Platz von Paris. Foto: Hilke Maunder

Die Aufständischen waren jedoch längst Richtung Bastille unterwegs, um am 14. Juli 1789 erfolgreich das Staatsgefängnis zu stürmen. Seinen einstigen Standort markiert heute die Colonne de Juillet.

Paris, Bastille-Viertel, Bar. Foto: Hilke Maunder
Eine typische Café-Terrasse im Bastille-Viertel. Foto: Hilke Maunder

Lasst euch durch die Gassen östlich der Place de la Bastille treiben, vorbei an Bars und Boutiquen, und entdeckt den Charme des einstigen Bastoche-Viertels, das in den 1980er-Jahren von der neobürgerlichen Bohème erobert wurde und das Ende des volkstümlichen Pariser Ostens einläutete.

Paris: Ein Handwerkerhhof der Faubourg Saint-Antoine. Foto: Hilke Maunder
Ein Handwerkerhof des Faubourg Saint-Antoine. Foto: Hilke Maunder

Filmreifes Staatsgefängnis

Wie das Staatsgefängnis Bastille einst ausgesehen hat, erfahrt ihr, wenn ihr mit der Métro zum Château de Vincennes fahrt. Die befestigte Residenz, in der gleichen Zeit erbaut wie die historische Bastille, ähnelt ihr sehr.

Der Donjon des Château de Vincennes. Foto: Hilke Maunder
Der Donjon des Château de Vincennes. Foto: Hilke Maunder

Vincennes ist daher eine beliebte Kulisse für Filme über die Revolution. Und wie die Bastille diente auch Vincennes als Stadtgefängnis, wo während der Wirren der Revolution der Marquis de Sade im Kerker saß.

Château de Vincennes: die Schlosskapelle. Foto: Hilke Maunder
Château de Vincennes: die Schlosskapelle. Foto: Hilke Maunder

Den stürmischen Umbrüchen von 1789 folgte die gemäßigte Phase der Revolution. Gute Ernten, ein neues Wahlrecht und die Erklärung der Menschenrechte beruhigten das Volk.

Der Donjon überragt die gesamte Schlossanlage von Vincennes. Foto: Hilke Maunder
Der Donjon überragt die gesamte Schlossanlage von Vincennes. Foto: Hilke Maunder

Zeit für ein Picknick!

1790 feierte es den Jahrestag der Erstürmung mit einem Föderationsfest auf dem Champs de Mars gemeinsam mit 60.000 Nationalgardisten (Métro: École Militaire).

Das Marsfeld ist heute ein beliebter Platz für große und kleine Events. Franzosen lieben es, hier mit Blick auf den Eiffelturm zu picknicken: Macht es wie sie!

Der Eiffelturm, vom Trocadéro aus gesehen. Foto: Hilke Maunder
Der Eiffelturm, vom Trocadéro aus gesehen. Foto: Hilke Maunder

Strandvergnügen an der Seine

Nur wenige Schritte westlich vom Wahrzeichen der Seinemetropole holt ihr euch an der Place Sydney wieder ein Vélib. Radelt dann entlang der Berges de Seine ins Jahr 1791, in dem Frankreich seine neue Verfassung erhielt: eine konstitutionelle Monarchie mit einer vom Volk gewählten Nationalverfassung.

Der König war entsetzt und ersann für sich und seine Familie Fluchtpläne aus jenem Schloss, in dem sie seit dem vom Volk erzwungenen Umzugsvon Versailles nach Paris residierten: im Palais des Tuileries.

Die Nationalversammlung (<em>assemblée nationale</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Nationalversammlung (Assemblée nationale). Foto: Hilke Maunder

Die grüne Oase

An das königliche Stadtschloss der französischen Herrscher, das sich einst rund 500 Meter von der königlichen Residenz des Louvre befunden hatte, erinnern heute nur noch Arkadenreste im wunderschönen Park Jardin des Tuileries. Früher verbanden große Flügelbauten beide Teile.

Die Flucht der königlichen Familie endete am 21. Juli 1791 nahe der belgischen Grenze in Varennes. Ihre Rückführung ins Tuilerienschloss war in Paris ein Mega-Event. Besonders Neugierige waren damals sogar auf die Dächer geklettert, um das Spektakel zu sehen.

Der Louvre von Paris. Foto: Hilke Maunder
Der Louvre von Paris. Foto: Hilke Maunder

Ab in den Kerker!

Doch der erneute Hausarrest für die Herrscherfamilie genügte dem Volk diesmal nicht. Am 10. August 1792 stürmten Aufständische das Schloss. Ludwig XVI., sein Gattin Marie-Antoinette und ihre Kinder kamen ins Temple-Gefängnis an der Rue du Temple im Marais.

Die Librairie du Temple ist auf Judaica spezialisiert. Foto: Hilke Maunder
Die Librairie du Temple ist auf Judaica spezialisiert. Foto: Hilke Maunder

Am 21. September 1792 wurde der König offiziell entthront und die Republik ausgerufen. Neun Wochen später wurde dem Herrscher in der einstigen königlichen Reithalle Salle de Manège der Prozess gemacht.

Heute erinnert eine Plakette, die am Tuileriengatter auf Höhe der Rue de Rivoli 23 angebracht ist, an den 1803 zerstörten historischen Ort.

Königlicher Trödel

Wer jetzt Lust auf exquisites Shopping hat: In der Ladenpassage Louvre des Antiquaires verkaufen unzählige Händler auf drei Ebenen französische Lebensart – Möbel, Stoffe, Silberwaren, Textilien und Gemälde.

Die Zelle von Marie-Antoinette

Mehr als 1200 Gefangene saßen mitunter gleichzeitig in der Conciergerie auf der Île de la Cité ein und warteten im Untergeschoss des Justizpalastes auf ihren Prozess. Oder ihr Ende.

Ein Top-Highlight von Pairs: die Conciergerie. Foto: Hilke Maunde
Die Conciergerie am Ufer der Seine. Foto: Hilke Maunder

Klassenlos ging es dabei jedoch nicht zu, zeigt im Zellentrakt die Unterkunft der Königin, die atmosphärisch echt nachgestaltet wurde.

Ihre tatsächliche Zelle befand sich eine Etage höher und wurde zur Restaurationszeit in eine Sühnekapelle umgebaut.

Paris, Conciergerie. Foto: Hilke Maunder
Die große Halle der Conciergerie war einst der Saal der Wachen. Foto: Hilke Maunder

Am Vormittag des 21. Januars 1793 wurde der französische König, der anfangs den Zielen der Revolution recht offen gegenüber gestanden hatte, unter dem bürgerlichen Namen Louis Capet vom Henker Charles Henri Sanson auf dem Revolutionsplatz enthauptet. Am 16. Oktober des gleichen Jahres wurde auch seine Frau Marie-Antoinette guillotiniert.

Die blutige Bühne der Revolution

Schmuckvoll: die Leuchten der Place de la Concorde. Foto: Hilke Maunder
Schmuckvoll: die Leuchten der Place de la Concorde. Foto: Hilke Maunder

1300 Köpfe rollten insgesamt auf der heutigen Place de la Concorde. Geköpft wurden nicht nur die verhassten Adligen und Aristokraten, sondern auch Robespierre und Danton. Die Revolution fraß ihre Kinder.

1795 endeten, sehr zum Bedauern der Bevölkerung, die Enthauptungen. Der größte Pariser Platz erhielt seinen heutigen Namen: Platz der Eintracht.

Paris: Place de la Concorde, nachts. Foto: Hilke Maunder
Die Place de la Concorde bei Nacht. Foto: Hilke Maunder

Meine Reisetipps für Revoluzzer

Schlafen

Delavigne

Die Julirevolution 1830 inspirierte Casimir Delavigne (1793 – 1843) zu euphorischen Zeilen. Genauso euphorisch könnte ich das Hotel im Herzen von Saint-Germain-des-Prés rühmen mit seinen 34 nostalgisch-komfortablen Zimmern.
• 1, rue Casimir Delavigne, Tel. 01 43 29 31 50, www.hoteldelavigne.com, Metro: Odéon (250 m)

Schlemmen

Procope

Marat, Danton und Robespierre tafelten in den Revolutionstagen gerne beim ältesten Italiener der Hauptstadt – bereits 1686 hat es der Sizilianer Francesco Procopio dei Coltelli eröffnet, und seitdem ist Tête de Veau der Klassiker der Karte!
• 13, rue de l’Ancienne Comédie, Tel. 01 40 46 79 00, www.procope.com, Metro: Odéon

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Der Traum der Vernunft

Michael Schneider: Der Traum der Vernunft

Michael Schneider, Der Traum der Vernunft*

Eulogius Schneider (1756-1794) war Franziskaner und Hofprediger, Professor der Wissenschaften und streitbarer Aufklärer.

Farbig und historisch exakt, erzählt Michael Schneider in seinem korrekten Zeitbild die turbulente Lebens- und Liebesgeschichte eines gebürtigen Franken und Jakobiners, der vom Vorkämpfer der großen Freiheits- und Gleichheitsideale zu einem furchtbaren Vollstrecker und öffentlichen Ankläger des Straßburger Revolutionsgerichts wird.

Und schließlich am eigenen Leibe erfährt, wie die Revolution ihre Kinder frisst. Auch Eulogius Schneider wird von Saint-Just schließlich auf das Schafott geschickt.

Ein sensibler, literarisch gebildeter Politiker als ‚Gewaltidealist‘ gerät wider Willen in den Mahlstrom eines Geschehens. Die Revolution fraß ihre Kinder.

Parallelen zu den Pariser Studentenrevolten und deren Akteuren sind vom Autor durchaus gewollt. Wer mag, kann den Band hier* direkt bestellen.

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6 Kommentare

  1. Guten Tag Frau Maunder

    Gemäß https://fr.wikipedia.org/wiki/Joseph_Ignace_Guillotin war es der Arzt J.M.V. Guillotin aus Lyon (nicht verwandt mit Joseph Ignace Guillotin) der hingerichtet wurde. Joseph Ignace Guillotin starb eines natürlichen Todes.

    „C’est également sous la Terreur qu’un médecin lyonnais, J.M.V. Guillotin (sans lien avec Joseph Ignace), est exécuté par la guillotine: cette coïncidence a contribué à répandre la légende selon laquelle Guillotin aurait lui-même été exécuté par « sa » machine. Joseph Ignace Guillotin est en réalité mort de causes naturelles.“

    Was Ihre Aussage „Am Standort des königlichen Stadtschlosses, 1871 beim Aufstand der Pariser Kommune zerstört, erstreckt sich heute der wunderschöne Park Jardin des Tuiléries.„ betrifft, finde ich diese stark irreführend.

    Wie auf diesem zeitgenössischen Stich http://www.tuileries.org/?rub=historique&ssrub=exterieur zu sehen ist, befand sich der Tuilerienpalast zwischen den beiden Endtürmen des heute U-förmigen Louvre und hat den Louvre zu einem Rechteck geschlossen.

    Der „Jardin des Tuiléries“ befand sich schon damals an derselben Stelle wie heute, wie man am unteren Bildrand des Stiches gut sehen kann.

    mfG

    Pierre LaGrange

    1. Lieber Herr LaGrange, ganz herzlichen Dank für Ihre Erläuterungen – da bin ich doch zwei Fehlern aufgegessen. Ich habe sie im Beitrag korrigiert un hoffe, das stimmt jetzt so. Ganz herzlichen Dank! Beste Grüße, Hilke Maunder

  2. Guten Tag,Frau Maunder.Sie schreiben“…Geköpft wurde nicht nur Danton..und der Arzt Joseph Ignace Guillotin..“Wurde Guillotin wirklich hingerichtet ? Gruß. Reinhold Schmelzle

    1. Lieber Herr Schmelzle,
      danke für Ihre Frage. Es gibt tatsächlich zwei Antworten darauf, denn der Tod ist nicht genau geklärt. Die einen Quellen besagen, dass dder Arzt, der sich auch für sauberes Trinkwasser für Paris eingesetzt hatte, die Exzesse der Revolution beklagt habe, und daher auch Opfer der Guillotine geworden se, heißt es dort. Andere Überlieferungen besagen, dass er an den Folgen eines Karbunkels starb. Wirklich gesichert ist nur, dass er seine letzte Ruhestätte auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise gefunden hat. Das hätte ich vielleicht dezidierter ausführen sollen…
      Beste Grüße, Hilke Maunder

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