Rocroi: Blick von der Befestigung auf die Stadt. Foto: Hilke Maunder
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Rocroi & la Route des Fortifications

Wie eine Filmkulisse taucht Rocroi aus der Hochebene des Plateau des Hautes-Vignes auf. Seit der Antike ist das Tal der Meuse (Maas) Grenz- und Durchgangsland. Hier wurden wirtschaftliche und religiöse Streitigkeiten ausgetragen, zankten sich Fürsten und französische Könige.

Durch das Freilichtmuseum der Militärarchitektur inmitten der waldreichen Ardennen führt die 570 Kilomter lange Route des Fortifications mit 22 Etappen nach Wahl. Endete sie früher in Frankreich, schließt sie heute auch Abschnitte in Belgien ein.

Rocroi: Bollwerk zur Champagne

Rocroi: die Häuser bei den Kasematten. Foto: Hilke Maunder
Rocroi: die Häuser bei den Kasematten. Foto: Hilke Maunder

Ein ganz besonderes Juwel der Militärarchitektur hat das Städtchen Rocroi bewahrt. Heinrich II. hat es als Bollwerk zur Champagne und Gegengewicht zu Charlemont, das Karl V. zur Festung ausgebaut hatte, errichtet. Zwei Umwallungen und fünf Bastionen schützen seinen alten Kern.

1675 baute Vauban die Festung aus. Als Stern mit zehn Zacken liegt sie hinter dem Marais de Saint-Gobert. Sumpf und Plateau: Geschickt nutzten der Festungsbaumeister des Sonnenkönigs Rocrois geografischen Vorteile.

Blick über die Kasematten von Rocroi. Foto: Hilke Maunder
Blick über die Kasematten von Rocroi. Foto: Hilke Maunder

Vom zentralen Paradeplatz führen sämtliche Straßen strahlenförmig zur Umwallung. Einst gewährten nur zwei Stadttore Einlass: die Porte de Bourgogne und die Porte de France. Die mächtigen Steine der Festung wurden aus dem Vallée de la Misère heran geschafft.

Die alten Verteidigungsanlagen könnt ihr das ganze Jahr hindurch ansehen und kostenfrei besichtigen. Sie bilden einen offenen Grünzug. Auch durch die alten unterirdischen Gänge könnt ihr laufen. Mitunter tropft es von der Decke, oder es haben sich Pfützen auf dem Boden gebildet. Da kann man es sich besonders gut vorstellen, wie ungemütlich es bei den Kämpfen gewesen sein muss.

Der Eingang zu den Kasematten. Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zu den Kasematten. Foto: Hilke Maunder

Tipp: Le Musée de la Bateille

Frankreich im Jahr 1643: Richelieu und Ludwig XIII. sterben. Der künftige Herrsscher Ludwig XIV. ist erst vier Jahre alt. Welche ein Chance für die Spanier. Aus den Spanischen Niederlanden marschieren sie unter dem Kommando von Francisco de Melo drang 1643 in Nordost-Frankreich ein. Ihr Ziel: bis nach Paris vorzustoßen und  den französischen König Ludwig XIV. zur Aufgabe zu zwingen.

Rocroi lag auf dem Weg nach Paris. Am 19. Mai 1643 kam es zur Schlacht. Die französische Armee unter dem Kommando von Louis II. de Bourbon, dem Prince de Condé setzte jedoch auf eine neue Taktik. Statt mit der Kavallerie, wie sonst üblich, antwortete Frankreich mit einer gut aufgestellten Infanterie.

Obgleich zahlenmäßig weit unterlegen, konnte sie die spanische Armee erfolgreich zurückdrängen und schließlich in die Flucht schlagen. Der Sieg von Rocroi war ein Wendepunkt im Krieg und führte dazu, dass Frankreich immer mehr an Boden gewinnen konnte. Davon erzählt dieses Museum.
• Place de Luxembourg, 08230 Rocroi, Tel. 03 24 54 58 65, www.cc-valleesetplateaudardenne.fr

Die Burg von Montcornet

Von Rocroi könnt ihr gen Süden auf der Themenroute weiterfahren nach Montcornet. Betrachtet einmal die Fassade seiner mittelalterlichen Burg genau. An ihren Schießscharten lässt sich der Fortschritt der Waffen erkennen. Die kleinen Öffnungen, die einst für die Armbrust genügten, mussten im Lauf der Zeit für den Einsatz von Kanonen verbreitert werden.

Doppelt gut: Charleville-Mézières

Die Place Ducale von Charleville-Mézières im Winter. Foto: Hilke Maunder
Die Place Ducale von Charleville-Mézières im Winter. Foto: Hilke Maunder

Mit verwinkelten Gassen, schiefergedeckten Häusern und mittelalterlicher Stadtmauer schmiegt sich Charleville-Mézières an eine Schleife der Maas. 1966 hat sich Mézières mit dem von Charles de Gonzagues auf dem Reißbrett entworfenen, klassizistischen Charleville zusammengeschlossen.

Der Doppelort ist frankreichweit berühmt ist für sein Internationales Marionettentheaterfestival. Seit 2011 wird es nicht mehr nur alle drei Jahren, sondern aufgrund seiner Beliebtheit seitdem alle zwei Jahre im September ausgetragen.

Die Bauernstube des Regionalmuseums von Charleville-Mézières. Foto: Hilke Maunder
Die Bauernstube des Regionalmuseums von Charleville-Mézières. Foto: Hilke Maunder

Wahrzeichen des Festivals ist eine Marionette in XXL, die heute in den großen Komplex des sehr sehenswerten Regionalmuseums integriert ist. Neugierig, was ihr dort entdecken könnt? Dann klickt mal hier.

Warum die Place Ducale von Charleville so sehr der Pariser Place des Vosges ähnelt, habe ich euch hier verraten. Ebenfalls mit Charleville-Mézières eng verbunden ist der Name von Rimbaud, dem dort ebenfalls ein Museum und die Rimbaud-Verlaine-Themenroute gewidmet sind. Mehr darüber erfahrt ihr hier.

Folgt nun von Charleville-Mézières weiter der Route des Fortifications bis nach Sedan.

Die große Marionette. Foto: Hilke Maunder
Die große Marionette. Foto: Hilke Maunder

Die Schmach von Sedan

Die „Schmach von Sedan“ ist bis heute im kollektiven Gedächtnis der Franzosen tief verankert und die Erinnerung noch immer lebendig. Am 1. September 1870 hatte Napoléon III. im Deutsch-Französischen Krieg in Sedan kapituliert und kurz danach abgedankt.

83.000 französische Soldaten waren in preußische Gefangenschaft geraten. Das Zweite Kaiserreich war Vergangenheit. Schauplatz des geschichtsträchtigen Ereignisses war Europas größtes Feudalschloss: das Château Fort de Sedan.

Mit 35.000 Quadrametern gehört die Festung zu den größten Europas. Évrard de la Marck baute sie ab 1424 am einstigen Standort einer karolingischen Kirche auf. Ursprünglich aus dem Rheinland stammend, waren die Seigneurs von La Marck Vasallen des französischen Königs. Daher mussten sie, um die Ostgrenze Frankreichs zu sichern, ihre Burg beständig ausbauen.

Der Eingang zum Hotel in der Burg von Sedan. Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zum Hotel in der Burg von Sedan. Foto: Hilke Maunder

Unabhängig von der katholischen Krone

Einer der Nachfahren von Evrard, Henri-Robert de la Marck, konvertierte in den 1550er-Jahren zum Calvinismus. Marck ernannte seinen Heimatort Sedan zum unabhängigen protestantischen Königreich und sich selbst zum Prinzen von Sedan. Doch der Titel blieb nicht lange bei der Familie…

König Henri IV. verheiratete Henri-Roberts Tochter Charlotte 1591 kurzerhand im jungen Alter von 16 Jahren mit seinem engen Freund Henri de la Tour d’Auvergne. Prompt hatte dessen Familie einen Prinzentitel. Charlotte starb drei Jahre später, 19 Jahre alt, im Kindbett.

 Symbolpreis für Sedan: 1 FF

Durch die Jahrhunderte hinweg hat die Festung von Sedan eine bewegte Geschichte erlebt. Im ersten Weltkrieg war sie in der Hand der deutschen Armee und Gefängnis für französische Soldaten, im Zweiten Weltkrieg erneut schwer umkämpft und Kriegsknast. 1962 kaufte die Kommune die Festung zum symbolischen Preis von einem Franc und öffnete den Bau für Besucher.

Ein Zimmer im Burghotel. Foto: Hilke Maunder
Ein Zimmer im Burghotel. Foto: Hilke Maunder

Audiotour durch die Burg

Mit Audioführern könnt ihr seitdem auf zwei Rundtouren in die Lebenswelt des 15. und 16. Jahrhunderts eintauchen. In einem Flügel ist seit 2004 ein komfortables Dreisternehotel mit 54 Zimmern untergebracht, das zur Gruppe Hôtels Historiques gehört. Gibt es eine passendere Unterkunft beim Mittelalterfest, das Sedan Mitte Mai feiert?

Dann geben sich Ritter und Gaukler beim Burgfest ein Stelldichein, und wie einst ertönt Lanzenklirren. Das Schlachtgeschehen vom 1. September 1870 hat Louis Braun auf seinem Panorama de Sedan detailgetreu auf die Leinwand gebannt – als 11,5 m langes und 1,57 m hohes Monumentalbild.

Kriegerdenkmal in den Ardennen. Foto: Hilke Maunder
Kriegerdenkmal in den Ardennen. Foto: Hilke Maunder

Die letzte Patrone von Bazeilles

Weiter auf dem Südarm der Themenroute erreicht ihr Bazeilles. Dort erinnert die Maison de la Dernière Cartouche, das „Haus der letzten Patrone“,  an die Kämpfe von 1870/71. Brigaden der blauen Division der Marinetruppen unter General de Vassoigne standen damals zwei Tage lang den bayrischen Soldaten unter dem Befehl des Generals von der Tann gegenüber.

Als der Ort bereits völlig zerstört war und brannte, verschanzten sich die letzten Soldaten der französischen Marineinfanterie in das letzte Haus am Ortsrand. Es war damals eine bescheidene Herberge mit zwei Obergeschossen. Dort verteidigten sie sich vier Stunden lang, bis die Munition ausging. Die letzte Patrone verschoss Hauptmann Aubert aus dem Schlafzimmerfenster.

2.700 Franzosen starben während der Gefechte um Bazeilles. Fast doppelt so hoch waren die Verluste der bayrischen Truppen. Steht Sedan für Schmach, ist Bazeilles bis heute Symbol des Widerstandes.

Genusspause in Carignan

In Carignan ist es Zeit für eine Rast. Eine repräsentative, 1890 erbaute Stadtvilla der Familien D’Huard und Lécluse, die während der Weltkriege als Hospital diente, haben Nathalie und Thierry Gérard in La Gourmandière verwandelt, eine gemütliche Auberge mit guter Küche. Gemüse und Obst stammen aus eigenem Anbau.

Oder füllt euren Picknickkorb mit regionalen Spezialitäten: kräftigem Ardenner Schinken, der mit Kräutern und Salz mindestens neun Monate an der Luft getrocknet wurde, würzigem Chaource (AOC) oder magerem Rocroi-Käse, Bauernbrot und Ardwen-Bier und sucht euch ein nettes Plätzchen am Fluss.

Die Maginot-Linie

Bei La Ferté-sur-Chiers habt ihr die Maginot-Linie erreicht, die als Band aus Bunkern Frankreichs Ostgrenze vor der Wehrmacht schützen sollte. Am 18. Mai 1940 griffen die Deutschen mit 22 Artillerieabteilungen und einer Flakbatterie mit insgesamt 259 Geschützen an.  Beim Einschlag der letzten Granate erfolgte der Sturmangriff.

Durch die  aufgesprengten Panzeröffungen wurden neben weiterem Sprengstoff auch Nebelkerzen geworfen. Über den Sog in den Treppenhäusern gelangten die Brandgase in den 35 Meter tief gelegenen Verbindungsgang zwischen den beiden Kampfbunkern.

107 französische Soldaten starben in jener Nacht in der Ruine. Ihr Schicksal erwecken eine emotional packende Führung durch die Kasematten und der Todesgang. Zehn Kilometer weiter kommt ihr nach Williers. Es gehört zu den kleinsten Dörfern Frankreichs – und liegt direkt an der belgischen Grenze.

Diagonale der Leere: in den Ardennen bei Jarnac. Foto: Hilke Maunder
In den Ardennen. Foto: Hilke Maunder

Die Bollwerke der Nordroute

Gen Norden bringt euch von Rocroi die Route des Fortifications nach Vireux, um 260 n. Chr. die Grenze des Römerreiches. Nördlich hausten die wilden Germanen, vor deren Einfällen ein Castrum schützen sollte. Nur wenige Kilometer weiter endet der französische Part der Route des Fortifications an einem weiteren wuchtigen Bollwerk.

Das nach Karl V. genannte Fort Charlemont scheint noch immer uneinnehmbar. Seit 1555 wacht die imposante, später von Vauban verstärkt Burg auf einem Felsvorsprung über Givet. Toll, der Blick von oben auf die Stadt und ihre Befestigungen am Ufer der Meuse!

Umweltfreundlich auf Festungstour

Zwischen Charleville-Mézières und Givet schlängelt sich die Eisenbahn im Tal der Maas entlang. Während der Ferienmonate Juli und August gibt es besonders günstige Tagestickets.

In den Zügen dürfen Fahrräder mitgenommen werden – perfekt, um auf dem 83,5 Kilomter langen Maas-Radweg zu radeln!

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Mehr Infos zum Welterbe „Festungsbauten Vaubans in Frankreich“ gibt es in diesem Beitrag.

Wehrhaftes Welterbe: die Festungen von Vauban

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Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes. 

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