
Im Nordosten von Frankreich, nahe der Grenze zu Belgine, liegt Charleville-Mézières in der Großregion Grand Est. Die Stadt entstand 1966 durch den Zusammenschluss von Charleville und Mézières und ist international berühmt für ihr Marionettenfestival. Mitten im Herzen der Doppelstadt lädt seit 1995 das Musée Regional zur Zeitreise. Es gilt als bester Einstieg für Entdeckungen in diesem grenznahen Landstrich, der gerne durchsaust wird auf dem Weg zum Ziel. Lohnt sich der Besuch?
Regionalmuseen sind so eine Sache. Entweder sind sie so detailreich, dass auswärtige Besucher Mühe haben, die Ausstellungsstücke einzuordnen. So reich an Exponaten, dass sie mit ihrer Masse mich schlicht „erschlagen“.
Oder sie sind so plakativ, so reduziert auf eine Handvoll Kernaussagen und so multimedial angelegt, dass selbst meine Tochter nach zehn Minuten meint: fertig, hab alles gesehen.

Regionalgeschichte: spannend und vielfältig inszeniert
Das Museum der Ardennen indes schafft den Spagat. Der reiche Fundus ist klar strukturiert und so abwechslungsreich präsentiert, dass die Zeit wie im Fluge verging: von den Römern über die Merowinger bis zur Industrialisierung eine spannende Zeitreise!
Im modernen Komplex mit überdachten Passagen und Rampen lassen Schaukästen und Bleiglasfenster, Filme und Fotos, Uniformen und Modelle die Stadt-, Kultur-, Arbeits- und Sozialgeschichte lebendig werden.

Inszenierte Räume wie die Apotheke mit ihren 120 blau verzierten Fayence-Gefäßen oder ein original getreu eingerichtetes Landhaus der Ardennen gehören zu den Schätzen des Museums.

Die Mega-Marionette
Und seht auch einmal durch die Glaswand! Sie gewährt einzigartige Einblicke auf den Mechanismus der Grand Marionnettiste. Zur vollen Stunde tritt die Mega-Marionette im Nachbargebäude in Erscheinung, gülden und schlichtweg großartig! Der zehn Meter hohe Automat präsentiert zum Glockenschlag die lokale Legende der „Vier Söhne Aymons“. Jenen begegnet ihr auch bei Monthermé bei einer Wanderung, die ich später im Text noch vorstelle.

Charleville-Mézières rühmt sich als“Welt-Hauptstadt der Marionetten“und ist alle zwei Jahre Gastgeberin eines Internationalen Marionettenfestivals, das im September die Stadt zur Bühne von Puppenspielern aus aller Welt macht. Es gilt als größtes der Welt. Die Grande Marionnette ist die zentrale Figur und Symbol des Festivals.
In Charleville-Mézières befindet sich auch das IIM Institut International de la Marionnette, das Internationale Institut für Puppenspiel, ein Exzellenzzentrum mit dem weltweit größten Dokumentationszentrum für Puppenspiel.

Ebenfalls ansässig in Charleville-Mézières ist die einzige französischen Hochschule, die sich auf Puppenspielkunst spezialisiert hat: die ESNAM École Nationale Supérieure des Arts de la Marionnette, die alle drei Jahre etwa 15 Absolventen pro Jahrgang hervorbringt.
Die Place Ducale von Charleville-Mézières
Das Regionalmuseum liegt an einem Arkadenplatz, der als kleine Schwester der Pariser Place des Vosges gilt. Unter Charles de Gonzague, dem Herzog von Mantua und Nevers, entstand sie im 17. Jahrhundert im Stil der Renaissance.

Beide Plätze – die Place des Vosges und die Place Ducale – entwarf Clément Métezeau. Sie weisen daher ähnliche architektonische Merkmale auf: Beide Plätze rahmen beeindruckende Stadthäuser ein. Ihre Arkaden im Erdgeschoss bergen in beiden Städten Cafés, Restaurants und Boutiquen.
Doch die Place Ducale ist kleiner und intimer als die Place des Vosges. Bei der Place Ducale sind die Stadthäuser zudem meist zweistöckig, aus goldgelbem Sandstein erbaut und mit steilen Schiefer-Dächern versehen, auf denen sich der winterliche Schnee kaum halten kann.

Die Aussichtsfelsen der Maas
Nördlich von Charleville-Mézières windet sich die Maas, frz. Meuse, zwischen Givet und Sedan in vielen Mäandern durch die Felsen und Wälder der Ardennen. Atemberaubende Ausblicke auf ihre eindrucksvollste Flussschleife eröffnet ein sechs Kilometer langer Wanderweg zum Felschaos von Monthermé.
Er verbindet im Hangwald die beiden markanten Felsen Longue Roche und La Roche à Sept Heures. Der 7-Uhr-Fels verrät seine Besonderheit mit seinem Namen. Um sieben Uhr früh und sieben Uhr abends bescheint ihn die Sonne.

Legendäre Felsen
Die Ardennen sind ein Land der Legenden. Unter jedem Stein liegt eine Geschichte verborgen, sagt der Volksmund.
Imaginäre Wesen, wie die pie-pie van-van oder die nutons, die nachts die Schuhe besohlen oder die Töpfe flicken, arbeiten im Wald, bis heute ein mystischer Ort. Im Mittelalter stellte das Volk sich vor, dass Löwen und Drachen ihn bewohnten. Wer sich einmal darin verirrte, kam nie wieder heraus.
Wer im Felschaos von Monthermé wandert, entdeckt immer neue, bizarr geformte Steinkolosse, die Legenden und Märchen inspirierten. Der wild aufeinander gestapelte Roc de la Tour soll, so die Sage, der letzte Rest einer Burg sein, die der Teufel für einen verliebten Grafen bauen wollte.
Da er jedoch sein Werk nicht vollenden konnte, zerstörte er es. Auf dem Foto könnt ihr sogar noch den um seine Burg betrogenen Grafen erkennen. Voller Trauer lehnt er versteinert an der Ruine.

Die Haimonssöhne
Das Felsgewirr der 4 Fils Aymon erinnerte an eine ritterliche Heldenerzählung aus dem karolingischen Sagenkreis über die vier Söhne des Grafen Haimon von Dordogne und seiner Frau Aja: Renaut, Allart, Guichart und Richart. Als Kaiser Karl der Große ihren Onkel heimtückisch ermorden lässt, rebellieren die vier gegen ihn. Karl indes begegnet ihrem Zorn, in dem er die Söhne zu Rittern schlägt.
Doch am Nachmittag desselben Tages beschimpft Bertholet, der Neffe des Kaisers, den Haimonssohn Renaut, woraufhin jener ihn ermordet und ihm den Kopf abschlägt. Karl der Große ist voller Zorn. Die Brüder müssen fliehen.
Auf dem Riesenpferd Bayard springen sie in Monthérmé mit einem Satz über die Maas. Unten in der Stadt erinnert ein Denkmal an das Ereignis, oben im Wald erheben sich die Brüder als steinerne Wachen.
Fast schöner als im Sommer ist die Wanderung im Winter, wenn die Bäume kein Laub tragen. Dann habt ihr viel öfter weite und offene Blicke auf den Fluss. Die karge Schönheit der reduzierten Farben trägt zum mythischen Zauber dieser verwunschenen Landschaft ungemein bei, die sich hoch über der Maas auftut.
Picknickt doch einmal hier oben! Aussichtsreiche Naturtische gibt es genug. Und das Kraxeln auf den Felsen bringt nicht nur Kindern Spaß!
Wander-Infos
Direkt zum Roc de la Tour führt ein vier Kilometer langer Rundweg mit gelber Beschilderung. Sechs Kilometer lang ist der rot-weiß markierte Rundweg, der euch bis zur Roche à Sept Heures bringt.

Charleville-Mézières: meine Reiseinfo
Musée Régional
• 31, place Ducale, 08000 Charleville-Mézières, Tel. 03 24 32 44 60, www.charleville-mezieres.fr, Di. – So. 10.00 – 12, 14.00 – 18.00 Uhr
Schlemmen und genießen
La Table d’Arthur
Hier hast du zwei Optionen. Im Gewölbekeller gibt es traditionelle Hausmannskost wie Kalbshaxe mit getrockneten Aprikosen. Im Erdgeschoss serviert ein modernes Bistro französische Klassiker wie Steak Tartare.
• 9, Rue Pierre Bérégovoy, 08000 Charleville-Mézières, Tel. 03 24 57 05 64, www.latabledarthurr.fr
Amorini
Der kleine Italiener an der Place Ducale, dessen Wände Fresken aus der Villa der Mysterien in Pompeji schmücken, holt mit Antipasti, guter Pasta und italienischen Weine das dolce vita in die Ardennen. Im kleinen Delikatessengeschäft könnt ihr es während der Servierzeiten mit nach Hause nehmen.
• 46, Place Ducale, 08000 Charleville-Mézières, Tel. 03 24 37 48 80
Hier könnt ihr schlafen*
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Im Blog
In der Stadt beginnt eine Themenroute, die den Spuren der Dichter Rimbaud und Verlaine folgt. Mehr Infos gibt es hier.
Eine zweite Themenroute erschließt heiß umkämpfte Orte in den Ardennen. Mehr zur Route des Fortifications könnt ihr hier lesen.
Im Buch
Roadtrips Frankreich*
Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.
Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!
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