
Das wird ja ein entspannter Ausflug nach dem langen Tag auf der Piste, dachte ich mir morgens beim Aufstehen. Doch eine Stunde später schlägt die Stunde der Wahrheit.
Zwei unförmige, gegitterte Schaufeln am Schuh, stapfe ich querfeldein durch ein winterliches Weiß, in das ich bis weit über die Knie einsacke.

Und auch die Stöcke verschwinden tief im Schnee, ehe sie Halt finden. Kristallklar die Luft, schneeverhangen der Himmel. Unter mir, Hunderte Meter tiefer im Tal: Chalets. Darüber: tief verschneite Tannen. Und dann: eisfunkelnde Bergspitzen. Wie ruhig es ist. Nur das Knirschen meiner Schuhe durchbricht die Stille.

Unterwegs am Mont Caly oberhalb von Les Gets, einem familiären Skidorf im Großraum Portes du Soleil der Haute-Savoie im Herzen der französischen Alpen. Randonnée en raquettes mit Sylvie (Jg. 1961) ist heute Programm, Schneeschuhwandern.
Wie in Wiesel durchschreitet die gebürtige Lyonerin, die seit 1993 in Les Gets mit ihren beiden Kindern lebt, den weiten Hang, geradeaus bergauf.
Auf 1.500 m Höhe sind wir gestartet. Und jetzt, bei der körperlichen Anstrengung, merke ich die Höhe – und die fehlende Akklimatisation.

Eine einzige kurze Nacht zwischen norddeutschem Flachland und hohem Berg reicht eindeutig nicht. Pro 80 Meter Höhenunterschied verringert sich der Luftdruck um ein Prozent, die Luft wird „dünner“.
Mein Puls beginnt zu rasen, meine Atmung wird schneller. Ich werde unkonzentrierter.

Wie eine Schnecke krieche ich durchs eine Landschaft, zum Träumen schön. Und nehme mir Zeit zum Schauen, während die Gruppe zügig voran schreitet. Ihr Ziel: eine alte Almhütte.
Pistenpfleger Michel Pellisson (Jg. 1963) verwandelte sie 1987 in ein urgemütliches Berglokal: Les Chevrelles Mont-Caly.
Von der Terrasse eröffnen sich – bei guter Sicht – Panoramablicke auf den Mont-Blanc. Heute jedoch versteckt sich Europas höchste Spitze hinter einer Wolkenwand.

Die Berghütte gehörten zu den beliebtesten Zielen von Schneeschuh-Wanderern in Les Gets: Dicht an dicht sind Schuhe und Stöcke an die Wände der Almhütte gelehnt.
Im Sommer führt eine geteerte Straße hinauf zum Lokal. Drinnen sind fast alle Holztische besetzt, und der würzige Duft von Tartiflette und Croûte erfüllt den Raum.

Doch Sylvie empfiehlt mir Diots de Savoie, eine in Wein gekochte große Wurst. Und danach einen génépi, den Kräuterschnaps der Berge. Hergestellt wird er aus der Edelraute, die auf über 1600 Metern Höhe wächst und unter Naturschutz steht.

Erlaubt ist jedoch, für den Eigenbedarf bis zu 40 Zweige zu pflücken. Und daraus macht Michel alljährlich seinen génépi.
Wie? „Ich lege die Zweige 40 Tage lang in 90-prozentigem Alkohol ein, füge dann 40 Würfelzucker hinzu, und fülle den Alkohol mit der gleichen Menge Wasser auf. Willst Du ihn mal probieren?“
Herb-süßlich und überraschend milde schmeckt der Schnaps, den Michel auch verkauft: als Génépi -Würfelzucker-Kombi im Achteckglas für 20 Euro. „Da hast Du gleich doppelt was von: den Zucker als Kick für den Kaffee, den génépi als Digestif…“

Les Chevrelles: die Infos
• Les Chevrelles, 999 Route du Mont-Caly, 74260 Les Gets, Tel. 04 50 79 83 40, www.lesgets.com
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