Cité de la dentelle: die Spitze von Calais
Sie sind filigrane Gewebe aus Luft und Garn – und umhüllen in Calais den Eingang eines ganz besonderen Museums: die Cité de la dentelle et de la mode. Hinter seiner modernen Fassade erzählt das Museum am Quai du Commerce von Calais die Geschichte der Spitzen vom 16. Jahrhundert bis heute. Und damit auch eine wahrhaft europäische Karriere.
Sie begann im 15. Jahrhundert. In Flandern, Nordfrankreich, England und Italien wurde es in der Aristokratie Mode, die Kleidung mit luxuriösem Ornamentstoff zu verschönern, deren Aufgabe es einzig und allein war, Reichtum und Status offen zur Schau zu tragen.
Zwei Techniken entwickelten sich: die dentelle à l’aiguille (Nadelspitze), die mithilfe eines Trägerstoffes genäht wird, und die dentelle aux fuseaux, die Klöppelspitze. Zeitaufwendig und teuer waren beide. Oft wurden mehrere Einzelspitzen zusammengesetzt, um ausreichend Spitze für das Gewand zu erhalten.
Die Spitzentradition von Calais begann erst vor gut 200 Jahren mit der Industrialisierung. Von England, und dort besonders Nottingham, eroberte die Mechanisierung der Spitzenherstellung Europa.
Calais, Caudry und Lyon fertigten Maschinenspitze. Alle Textilfabriken vertrauten dabei einem Spitzenwebstuhl aus England: der Leavers machine von John Levers, der sie 1813 in Nottingham vorstellte. Für den Export nach Frankreich erhielt die Maschine ein „a“ in den Namen geschummelt, um den Franzosen die Aussprache zu erleichtern.
Fast 4000 Spitzenfabriken gab es um 1950 in Frankreich. 1390 Betriebe waren in Calais an der Spitzenherstellung beteiligt, 400 in Caudry und je 360 in Lyon und Saint-Quentin. 1955 erfand der Deutsche Karl Mayer eine Spitze, die Strickmaschinen herstellen konnten: die Raschel-Spitze. Um die Maschinenspitze von Calais von jener deutschen Spitze abzugrenzen, wurde sie noch im selben Jahr als Marke geschützt.
Bis heute hat edle Spitze ihren festen Platz in der Luxusschneiderei und Haute Couture, zeigt die Cité de la Dentelle et de la Mode. Sie gehört zu den wenigen französischen Museen, die regelmäßig Modeausstellungen präsentieren.
Berühmte Designer wie Cristóbal Balenciaga oder Hubert de Givenchy, aber auch zeitgenössische Modeschöpfer wie Iris van Herpen oder Anne Valérie Hash sind dort zu sehen. Und halten die Spitze lebendig. Auf zwei Etagen könnt ihr sie im Museum entdecken. Vorführungen der alten Textilmaschinen zeigen eindrucksvoll, wie die Spitze aus vielerlei Fäden deutlich hörbar entstand.
Die schönsten Spitzen aus Frankreich
Guipure-Spitzen (Nadelspitzen)
Von Norditalien, wo sie bereits im 15. Jahrhundert gefertigt wurden, eroberten Nadelspitzen Europa. Ludwig XlV. ließ in seinem Land für die Spitzen-Fertigung königliche Manufakturen einrichten und legte damit die Basis zu einem wichtigen Wirtschaftszweig der Luxusindustrie. Handgefertigte Nadelspitzen sind vom Arbeitsaufwand her die anspruchsvollsten Spitzen.
Point d’Alençon
Die Nadelspitze aus dem gleichnamigen normannischen Ort Alençon gilt als Königin der französischen Spitze und gehört zum Welterbe. Colbert, Finanzminister des Sonnenkönigs, hatte dort im Jahr 1665 eine königliche Spitzenmanufaktur gegründet – und die Herstellung des Point d‘Alençon zur geheimen Sache erklärt. Mehr zu Spitze und ihrer Stadt erfahrt ihr hier.
Klöppelspitzen
Leichter herzustellen waren geklöppelten Spitzen, die im 17. Jahrhundert populär wurden. Spitzen tragen zu können war nicht mehr nur ein Privileg von Adligen oder Reichen, sondern konnte sich auch das Volk zu besonderen Anlässen leisten.
Handgefertigte Klöppelspitzen werden bis heute meist in Écru, Weiß oder Schwarz aus Leinen, Baumwolle oder Seide hergestellt. In Flandern, Friesland und im Vogtland wurde genauso viel geklöppelt wie in Valenciennes und Torchon.
Dentelle de Chantilly
Typisch für diese Klöppelspitzen aus Seide, die im späten 18. Jahrhundert beliebt wurden, sind ihr feiner Tüllgrund, ihre Detailfülle und ihre zarten Blumen- und Schleifenmuster. Auch dieser Spitze ist ein Museum gewidmet.
• www.chantilly-dentelle.com
Die Cité de la dentelle et de la mode in Bildern
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Von Berck-sur-Mer bis Calais säumt die traumhaft schöne, wilde und weite Naturküste der Côte d’Opale das Land.
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Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
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