Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder
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Kloster Flaran: Kunst im Schlafsaal

Wenige Kilometer außerhalb von Condom im Gers. Tauben verlassen ihren Turm, als sie meine Schritte auf dem Kies hören. Raureif bedeckt das Glas, lässt die Blätter der Platanen funkeln, die im weiten Rund den dahinter liegenden Bau nur ahnen lassen.

Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder
Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder

Ein Fluss, ein Kanal, eine Hofmauer: die Abbaye de Flaran hat sich gut geschützt, von der Welt abgeschottet. Denn der Sandsteinbau war eine Abtei der Zisterzienser. Und die karge, bis heute fast ein wenig abweisend wirkende Antwort auf Cluny.

Der Taubenturm von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder
Der Taubenturm von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder

Askese statt Prunk

Ende des 11. Jahrhunderts hatte sich der mächtige Orden der Benediktiner von Cluny mit Prunk im Abendland ausgebreitet. Als Reaktion auf den für ihn übertriebenen Reichtum gründete Robert de Molesme im Jahr 1098 die Abtei von Cîteaux.

Aufs Wesentliche reduziert: die Abteikirche von Flaran. Foto: Hilke Maunder
Aufs Wesentliche reduziert: die Abteikirche von Flaran. Foto: Hilke Maunder

Sie orientierte sich an den einfachen Regeln des Heiligen Benedikt. 1112 trat Bernard de Fontine (St. Bernhard) mit 30 burgundischen Edelmännern in den Orden ein: Das große Abenteuer der Zisterzienser begann.

Klosterkirche Flaran. Foto: Hilke Maunder
Detail der Klosterkirche Flaran. Foto: Hilke Maunder

Als St. Bernhard starb, gab es bereits 343 Zisterzienserabteien. Ende des 13. Jahrhunderts standen zwischen Süditalien und Skandinavien 1500 Abteien. Gegründet wurden sie alle von fünf französischen Mutterabteien: Cîteaux, Clairvaux, Pontigny, La Ferté und Morimond.

Kloster Flaran. Foto Hilke Maunder
Der Kreuzgang von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder

Abgelegen am Wasser

Die Mutterabteien suchten stets abgelegene Orte mit Zugang zu Wasser. Morimond fand sie nahe der kleinen Bastide von Valence-sur-Baïse, wo auch Ackerboden, Holz und Stein als Rohstoffe für eine Klostergründung vorhanden waren. 1151 wurde die Abtei von Flaran vollendet. Heute gilt sie als eine der besterhaltenen Klosteranlagen im Südwesten Frankreichs.

Am Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder
Am Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder

Der Grundriss der Klöster blieb immer gleich und entsprach der Schlichtheit und Reinheit der Benediktinerregeln. Werkstätten, Mühle, Schmiede und Kelter gehörten stets dazu, da die Anlagen sich selbst genügen mussten. Einen Architekturkanon gab es nicht.

Fachwerk und Stein paaren sich reizvoll im Kreuzgang von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder
Fachwerk und Stein paaren sich reizvoll im Kreuzgang von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder

Dennoch entwickelte sich ein eigener Stil, nüchtern, ohne überflüssigen Schmuck, selbst Blumen als Zierde gab es nur außerhalb der Klostermauern, nicht im Kreuzgang mit seinem kurzen Rasen im Zentrum. Sogar auf einen Glockenturm verzichteten die Zisterzienser.

Der Kreuzgang von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Ora et labora

Gebet und Armut waren Grundlagen ihres Lebens, aber auch ganz handfest gearbeitet wurde von den 25 Mönchen, die in ihrem Werk von 60 Handwerkern unterstützt wurden. Durch St. Bernhard hatte der „Hände Arbeit“ als Ausdruck von Sühne und Armut wieder neuen Sinn bekommen.

Blick auf das Kloster Flaran von seinem Garten. Foto: Hilke Maunder
Blick auf das Kloster Flaran von seinem Garten. Foto: Hilke Maunder

Ein Betätigungsfeld war der große Klostergarten – selbst jetzt, im Winter, eine wunderschöne Anlage. Und mit Sonnenuhr nahe der hinteren Beete!

1972 kaufte das Département Gers die Anlage, die nach der Französischen Revolution einige Wirren erlebt hatte, inklusive Brandstiftung wegen Versicherungsbetrug.

Der Klostergarten im Winter. Foto: Hilke Maunder
Der Klostergarten im Winter. Foto: Hilke Maunder

Seit dem Jahr 2000 ist das Kloster das offizielle Centre Culturel Départemental und fördert zahlreiche kulturelle Aktivitäten.

Dazu gehört eine der renommiertesten Privatsammlungen europäischer Kunst, die 2004 nach Flaran geholt werden konnte: die Kollektion von Michaël Simonow, eines russischen Immobilienmaklers mit Wohnsitz in Südafrika, der im Winter in seine Wahlheimat zurückkehrt, im Sommer in Frankreich lebt. Alle zwei Jahre werden die Bilder ausgetauscht.

Kleinod mit großer Kunst

Der Chor der Abteikirche zur Gartenseite. Foto: Hilke Maunder
Der Chor der Abteikirche zur Gartenseite. Foto: Hilke Maunder

Simonow war so begeistert von der Abtei von Flaran, dass er dem Kunstzentrum des Departements seine großartige Sammlung als Leihgabe anvertraut hat. Die Werke werden in thematischen Sonderausstellungen im Schlafsaal der Mönche, der wie auch die Abtei restauriert wurde, gezeigt.

Mehr als 300 Gemälde von Braque, Cézanne, Chagall, Courbet, Delacroix, Monet, Picasso, Renoir, Rodin, Rubens, Toulouse-Lautrec und Cocteau sowie anderen Meistern der europäischen Malerei vom 16. bis 20. Jahrhundert hat der Sammler Flaran als Leihgabe zur Verfügung gestellt.

Kloster Flaran im Winter. Foto: Hilke Maunder
Kloster Flaran im Winter. Foto: Hilke Maunder

Ende 2016 äußerte der britische Kunstsammler den Wunsch, seine Sammlung in Flaran um mit vierzig Werken des englischen Pastellmalers Ken Paine im Gesamtwert von rund einer Million Euro zu bereichern. Auch zwölf Porträts des 1926 im Londoner Stadtteil Lambeth Geborenen sind darunter. Ihr könnt sie jetzt im Vestibül des einstigen Schlafsaals der Mönche bewundern, das 2007-9 für 1,5 Millionen Euro saniert worden ist.

In den Boden eingelassen: die Sonnenuhr von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder
In den Boden eingelassen: die Sonnenuhr von Kloster Flaran. Foto: Hilke Maunder

Flaran: meine Reise-Infos

Abbaye de Flaran

Sept. – Juni 9.30 – 12.30, 14 – 18, Juli/Aug. 9.30 – 19 Uhr; erster Sonntag im Monat Eintritt frei; umfangreiches Veranstaltungsprogramm und interessante Sonderschauen; www.tourisme-condom.com

Was könnt ihr noch im Gers entdecken?

Der Gers ist eine Genussregion – folgt meiner Landpartie hier.

Bekanntester kulinarischer Botschafter des Gers ist die Foie Gras: Infos & Hintergrund gibt es hier.

Schwarze Schweine tummeln sich halbwild auf der Weide. Entdeckt das Porc Noir de Bigorre hier.

Für Kuchenfans habe ich aus dem Gers ein Rezept zum Nachbacken mitgebracht: Croustade – köstlich fruchtig wie herzhaft.

Jakobswege: Francis Dêche vom Château Millet. Foto: Hilke Maunder
Hat der Armagnac ausreichend gereift? Francis Dèche vom Château de Millet. Foto: Hilke Maunder

Auch in diesem Kuchen ist das Kellergold des Gers versteckt: Armagnac – meinen Kellerbesuch samt Rezept findet ihr hier.

Woher der Ausdruck „blaumachen“ kommt, und was er mit dem Gers zu tun hat, verrate ich hier.

Die rurale Renaissance im Gers hat auch Simorre erfasst. Lest mehr dazu hier.

Marciac feiert im Sommer Europas größtes Jazzfestival. Was ihr erleben könnt, erfahrt ihr hier.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Wynton Marsalis – ein Urgestein vom Jazzfestival in Marciac. Foto: Hilke Maunder

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