Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
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Marciac: Frankreichs Woodstock des Jazz

Jazz! Damit hat sich Marciac sich gerettet. Mit dieser Musik hat die Bastide im Herzen des Gers eine unglaubliche Renaissance hingelegt: vom sterbenden Dorf zum Mekka des Jazz.

Marciac verdankt (fast) alles dem Festival. Sagt Jean-Louis Guilhaumon, Bürgermeister und Präsident von Jazz in Marciac.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Rurale Renaissance mit Kultur

Post, Polizeiwache, ein Dutzend Restaurants, zwei Hotels, eine résidence de vacances mit 350 Betten, Boutiquen, Galerien und Geschäfte: 1977 war davon nicht viel zu sehen. 1993 rettete die Einführung von Jazz-Klassen das Collège vor der Schließung.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Wynton Marsalis ist mit Gastkünstlern Stammgast in Marciac. Foto: Hilke Maunder

Auch einen Theatersaal mit 500 Plätzen, unterstützt vom Staat, sowie eine Mediathek gibt es heute in Marciac. 2014 spülte Jazz in Marciac bereits 20 Millionen Euro in die Kassen der Kommune. 1350 Einwohner leben wieder in Marciac – Tendenz steigend.

Dank des Festivals ist Marciac inzwischen ganzjährig ein Pilgerziel für Jazzfans. Die Immobilienpreise steigen.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Nachhaltig und hautnah dran

„Wir wollen kein Wachstum um jeden Preis. Wir sind hier Bauern, bedächtig, tief verwurzelt im Terroir. Wenn wir uns weiter entwickeln, dann nachhaltig und im Einklang mit unseren Traditionen, unserem Land, unserem Erbe. Hotelklötze und Großprojekte wird es hier nicht geben.“

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

„Marciac bleibt ein intimes Festival, persönlich und hautnah dran“, betont Jean-Louis Guilhaumon. Dann blickt er über den Sitzungstisch im Rathaus in die Augen eines Afroamerikaners, der seit Beginn mit dem Festival eng verbunden ist: Wynton Marsalis. „Unser Pate“, sagt Jazzfan Guilhaumon.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Abends holt Émile Parisien den 55-Jährigen als Überraschungsgast auf die Bühne. Wynton setzt die Trompete an, improvisiert. Mit seinen Augen kommuniziert er mit Vincent Peirani am Akkordeon, Joachim Khün am Piano und Michel Portal an der Klarinette.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Furiose Klänge erfüllen den Saal. Das Publikum steht auf, klatscht begeistert mit. Wynton Marsalis ist hinter dem Notenpult kaum zu sehen. „Es geht hier nicht um mich, sondern die Musik.“

Jazz in Marciac: Das könnt ihr erleben

Gratiskonzerte des Festival Bis

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Das Jazz-Zelt auf dem Marktplatz. Foto: Hilke Maunder

Auf der Freilichtbühne des Rathausplatzes treten von 11.30 bis 19.30 Uhr Künstler und Bands wie Conga Libre, Corsican Quartet oder Pinktown Quintet kostenlos auf.

Auf 500 Plätzen könnt ihr ohne Konsumzwang zugucken –- oder aber auch einen Kaffee oder ein Glas Wein zum Konzert genießen. Mittags stellt der Verband MoJAM auf der großen Freilichtbühne Künstler der Region vor.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Gut besucht: die Gratiskonzerte auf dem Marktplatz. Foto: Hilke Maunder

Gratiskonzerte in den Gassen

Straßenmusik vom Feinsten erklingt von früh bis spät in den Gassen der Bastide, und dies oft sehr spontan!

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
In vielen Gassen erklingt Musik während des Festivals. Foto: Hilke Maunder

Gratiskonzerte in den Lokalen

Mittags und abends wird in vielen Bars, Cafés und Restaurants das Speisen mit Livemusik verschönt – auch im J’Go, wo der kubanische Trompeter Jorge Vistel so gut aufspielte, dass ich das Essen fast vergaß.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Abendhimmel über dem Châpiteau. Foto: Hilke Maunder

Bezahlkonzerte @L’Astrada

Éric Legnini, Sant Andreu Jazz Band, Franck Tortiller und Yaron Herman jazzten bereits im kantigen Konzertsaal, der mit rund 50 Events die Pause bis zum nächsten Festival überbrückt.

Bezahlkonzerte @Châpiteau

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Am Rand der Bastide wird für das Festival das weiße Konzertzelt des Châpiteau aufgestellt. Es birgt neben dem Konzertsaal für rund 6000 Zuschauer auch eine Champagner-Bar, eine zweite Bar mit Bier, Champagner und anderen Getränken, ein Selbstbedienungscafeteria und ein Restaurant mit Service am Platz.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Produzentenmarkt

Die Place de l’Hôtel de Ville verwandelt sich während des Festivals nicht nur zur Bühne, sondern auch in einen Markt örtlicher Erzeuger und Kunsthandwerker. Hier findet ihr die Genüsse des Gers: Armagnac, Stopfleber, Würste, Käse, Honig und viele andere Köstlichkeiten!

Weinfest und Konzerte @Château de Sabazan

Château Sabazan. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Genossenschaftskellerei Cave Plaimont ist seit Anbeginn Partner von Jazz in Marciac. Während des Festivals lädt sie zu Weinfest, Konzert und gemeinsamem Schlemmen unter freiem Himmel. Ihr könnt die auch die Weingärten mit Tannat-Reben besuchen und Pate eines Weinstocks werden!

Château Sabazan. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Jazz in Marciac hors les Murs

Nicht nur das Château de Sabazan gehört zu den Außenstellen des Festivals. Auch in Montesquiou, Villefranque, Fourcès und Plaisance-du-Gers könnt ihr den Konzerten von Jazz in Marciac lauschen!

Gospel-Messe zu Mariä Himmelfahrt

Am 15. August wird um 11 Uhr in der Pfarrkirche der Bastide stets ein ganz besonderer Gottesdienst abgehalten. 2017 sind Tonya Beker und Band dabei!

Musée Les Territoires de Jazz

Entdeckt in zwölf Szenen, die  Ton und Bild beleben, die Geschichte des Jazz von seinen Ursprüngen in Afrika hin zum Louisiana Blues und bis zum europäischem Jazz.
• Place du Chevalier d’Antras, 32230 Marciac, www.coeursudouest-tourisme.com

Cine JIM 32

Zwischen 11 und 18 Uhr zeigt die Salle Emir Kusturica täglich drei bis vier Vorstellungen mit Bezug zu Jazz, Musiktheater und kulturellen Begegnungen.
• Place du Chevalier d’Antras, 32230 Marciac, Tel. 05 62 09 33 88

Ausstellungen

Briefkasten in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Ausgefallen bemalte Briefkästen, außergewöhnliche Fotos, Gemälde und sonstige Kunstarbeiten zeigen die Galerien open-air und drinnen während des Festivals. Auch die Salle des Fêtes ist ein Ausstellungsort!

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Kurse und Meisterklassen

Manuel Rocheman (Piano), Fabrice Moreau (Percussion, Schlagzeug), Chloé Cailleton (Gesang)und Stéphane Guillaume (Holz und Leder-Instrumente) gehören zu den Lehrern der sechstägigen Sommerkurse.

Marciac Jazz College

Émile Parisien gehört zu den berühmten Absolventen der Musikschule von Marciac, wo ihn berühmte Lehrer wie Pierre Boussaguet, Guy Lafitte und Christian „Tonton“ unterrichteten.
• 2, Chemin de Ronde, 32230 Marciac, Tel. 05 62 09 39 55

Marciac: meine Reisetipps

Schlafen

Die Zahl der Betten ist deutlich geringer als die wachsende Zahl der Gäste – viele wohnen daher außerhalb und stellen ihr Fahrzeug auf den Großparkplätzen am Rand der Bastide ab. Achtung: Die Gendarmerie kontrolliert die nächtlichen Pendler während des Festivals bei den spätnächtlichen Fahren zur Unterkunft. Bitte achtet auf Fahrweise und Alkohollevel!!

Domaine Arros

Das ausgedehnte Anwesen von Nathalie, die 15 Jahre lang ein Hotel auf Korsika betrieb und jetzt im Gers Gästezimmer, Tennis, Badepool und großen Garten bereithält, ist vorwiegend für Firmenevents und Hochzeiten gedacht. Da ihr Mann schwer erkrankt ist, will sie es 2018 verkaufen.
• Route de Saint-Sever (D 38), 32730 Montégut-Arros, Tel. 05 62 61 98 02www.domainearros.com

Arris B & B. Foto: Hilke Maunder
Der Domaine Arros. Foto: Hilke Maunder

Château Le Haget 

3*-Camping, Ferien-Chalets und Romantikzimmer? 25 Minuten von Marcia entfernt auf der Route des Bastides gibt es in diesem Nostalgieschloss aus dem 19. Jahrhundert Unterkünfte für jedes Budget – ideal, wenn ihr nicht nur das Festival besuchen wollt, sondern auch das Département entdecken möchtet. Im Restaurant kocht Marc mit Erzeugnissen der Region. Seine niederländische Frau Annemieka serviert die köstlichen Kreationen.
• Route de Mielan, 32320 Montesquiou, Tel. 05 62 70 95 80, https://lehaget.com

La Villa Toscane

Lust auf Luxus? Dann genießt die Lebensart des Midi in dieser 5*-Villa und erholt euch im Spa- und Wellnesscenter mit Hammam, Sauna und Jacuzzi.
• 41, Rue Saint-Pierre, 32230 Marciac, Tel. 05 62 08 22 22

Domaine Au Perisson

Ein traditionelles Steinhaus in einem hektargroßen Garten: Hier könnt ihr in drei Doppelzimmern mit Bad oder in einem Gäste-Cottage rustikal-edel logieren, in den Naturpool springen und in der Lounge zwischen 5000 Filmen und 500 Büchern wählen – auf Französisch, Englisch und anderen Sprachen.
• 32350 Le Brouilh-Monbert, Tel. 09 66 81 90 66www.auperisson.fr

Schlemmen

J’Go

Das ist vorbildlich: Gleich am Eingang verraten Postkarten, von welchen lokalen Produzenten das In-Lokal was bezieht. Während des Festivals gibt es Live-Musik von mittags bis spät zum Mahl im baumbestandenen Innenhof.
• Rue Notre-Dame Tel. 05 62 69 20 72, http://lejgo.com

Jazz in Marciac. Restaurant J'Go. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Table de Jazz

Das Restaurant im Festivalzelt „Châpiteau“ bietet drei Menüs, die tief im Terroir verwurzelt sind: Freut euch auf Foie Gras, Magret de Canard, Saibling und Falafel aus eckigen (!) Erbsen – dieses seltene Gemüse baut Jean-Christophe Bady in Ansan (Gers) an. Die begleitenden Weine stammen von der Cave Plaimont. Besonders lecker im Sommer: der Rosé d’Enfer!

 Weit weg & doch dabei

France Musique berichtet direkt aus Marciac: in der Matinale von 7-9 Uhr sowie beim Concert du soir von 20 – 1 Uhr. Hinzu kommen Sondersendungen.

Jazz in Marciac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Was könnt ihr noch im Gers entdecken?

Der Gers ist eine Genussregion. Folgt meiner Landpartie hier.

Die Hauptstadt des Gers, ist Auch. Hier könnt hier die Heimat von D’Artagnan entdecken.

Bekanntester kulinarischer Botschafter des Gers ist die Foie Gras: Infos & Hintergrund gibt es hier.

Schwarze Schweine tummeln sich halbwild auf der Weide. Entdeckt das Porc Noir de Bigorre hier.

Für Kuchenfans habe ich aus dem Gers ein Rezept zum Nachbacken mitgebracht: Croustade – köstlich fruchtig wie herzhaft.

Auch in diesem Kuchen ist das Kellergold des Gers versteckt: Armagnac. Meinen Kellerbesuch samt Rezept findet ihr hier.

Woher der Ausdruck „blaumachen“ kommt, und was er mit dem Gers zu tun hat, verrate ich hier.

Die rurale Renaissance im Gers hat auch Simorre erfasst – lest mehr dazu hier.

Die Abbaye de Flaran, das karge Kloster der Zisterzienser in Valence-sur-Baïse, birgt heute die hervorragende Simonov-Gemäldesammlung mit Meisterwerken des 17. – 20. Jahrhundert von Ronda, Monet, Steer, Courbet; alle Infos gibt es in diesem Blogbeitrag.

Auch am Gers. Foto: Hilke Maunder
Auch am Gers. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Gers vereint diese Kategorie.

Im Buch

Annette Meiser, Midi-Pyrénées*

Annette Meiser, die u.a. die ers­te müll­frei­e Schu­le Deutsch­lands mitbegründete, hat in Midi-Pyrénées ihre Wahlheimat. Dort lebt und arbeitet sie seit vielen Jahren und bietet erdgeschichtliche und kulturhistorische Wanderreisen an.

Ihre Expertise hat sie auf 432 Seiten zwischen die Buchdeckel eines Reiseführers gepackt. Ihr erstes Buch stellt eine Ecke Frankreichs ausführlich vor, die in klassischen Südfrankreich-Führern stets zu kurz kommt.

Für mich ist es der beste Reiseführer auf Deutsch für alle, die individuell unterwegs sind – sehr gut gefallen mir die eingestreuten, oftmals überraschenden oder kaum bekannte Infos. Wie zum einzigen Dorf Frankreichs, das sich in zwei Départements befindet: Saint-Santin liegt genau auf der Grenze von Aveyron und Cantal. Wer mag, kann den Band hier* direkt online bestellen.

Okzitanien abseits GeheimtippsHilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre  Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

Offenlegung

Bei meiner Recherche in Marciac und im Gers unterstützten mit das CRT Occitanie und Tourisme Gers mit Kost, Logis und unglaublich kenntnisreichen, hilfsbereiten und herzlichen Mitarbeitern von den Fremdenverkehrsämtern vor Ort.

Ihnen allen sage ich merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

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