Der Canal du Midi bei Castelnaudary auf Höhe der Écluse de Peyruque. Foto: Hilke Maunder
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Canal du Midi: Traumtörn im Hausboot

Der Canal du Midi gehört zu den schönsten Wasserwegen in Europa. Seine Wiege liegt in Okzitanien, wo Platanen geschmückte Treidelpfade, Sonnenblumenfelder, Herrenhäuser und gotische Glockentürme, Dörfer und Marktflecken das blaue Band des Südens begleiten.

Zu dritt haben wir ihn per Hausboot entdeckt: zwei Freundinnen und ein Kind. Wir träumten vom Leben im sanften Fluss. Und lernten doch rasch: Es wird sportlich. Jeder Tag verläuft anders als geplant, Und ist voller Überraschungen. Kommt mit an Bord und schippert mit!

Boot an Boot an Boot: die Kais des Canal du Midi von Castelnaudary. Foto: Hilke Maunder
Boot an Boot an Boot: die Kais des Canal du Midi von Castelnaudary. Foto: Hilke Maunder

Das blaue Band des Südens

Er ist der Weg des Sommers unter der warmen Sonne des Südens, die Sehnsuchtsstrecke der Hausbootfahrer in Frankreich. Auf 240 Kilometer Länge verbindet der Canal du Midi Toulouse mit dem Mittelmeer – als technisches Wunderwerk, das uns als Freizeitskipper staunen lässt. Und reichlich schwitzen.

Seine Schleusen, 63 an der Zahl, bringen immer wieder Abwechslung und Aufregung in die Ruhe des Dahingleitens, die Muße auf dem Wasser.

Canal du Midi: Écluse de Gay. Foto: Hilke Maunder
Rosengeschmückt: das Schleusenwärterhäuschen an der Écluse du Gay. Foto: Hilke Maunder

Hochbetrieb herrscht auch auf der höchstgelegenen Schleuse der Strecke, der Écluse de l’Océan auf der Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik westlich von Castelnaudary in Naurouze.

In vielen Orten die Paradestrecke für den Gassi-Gang: der Canal du Midi. Foto: Hilke Mander
In vielen Orten die Paradestrecke für den Gassi-Gang: die Treidelpfade und Promenaden am Canal du Midi. Foto: Hilke Mander

Vom Atlantik zum Mittelmeer

Schon die Römer hatten von einer Wasserstraße zwischen Mittelmeer und Atlantik geträumt. Mächtige und Macher versuchten sich an der Idee. Selbst Leonardo da Vinci scheiterte.

Bis ein Baron aus Béziers die Lösung fand, den Sonnenkönig Ludwig IV. überzeugte, und im Herbst 1667 in Toulouse den ersten Spatenstich wagte: Pierre-Paul Riquet (1609 – 1680).

Canal du Midi: der Obelisk von Naurouze.
Am Scheitelpunkt: der Obelisk von Naurouze. Foto: Hilke Maunder

Auf diese Weise bräuchten die Schiffe nicht mehr den gefährlichen und kostspieligen Umweg über die Meerenge von Gibraltar zu machen.

Canal du Midi: 62 Platanen, alle mehr als 40 m hoch, schmücken den Park an der Écluse de l'Océan. Foto: Hilke Maunder
62 Platanen, alle mehr als 40 Meter hoch, schmücken den Park an der Écluse de l’Océan. Foto: Hilke Maunder

1666 unterschrieb Ludwig XIV. das königliche Edikt zum Bau der damals Canal Royal genannten Schifffahrtsstrasse, die heute Canal du Midi heißt.

Die Frage, wie der Kanal, der auf seinem Weg 194 Höhenmeter überwindet, ständig mit Wasser versorgt werden könne, meisterte der Baron aus Béziers mit einem Geniestreich.

Canal du Midi: Rigole von Naurouze.
Sicherte gemeinsam mit dem Speicherbecken ganzjährig die Wasserzufuhr: die Rigole von Naurouze. Foto: Hilke Maunder

Die „Quelle“ des Canal du Midi

Er ließ am höchsten Punkt der Strecke in der Montagne Noire ein riesiges Staubecken anlegen, in dem das Wasser der gesammelt werden konnte.

Der Stausee Lac Férreol. Das Baden direkt an der Staumauer ist verboten, aber von den Uferstränden aus gestattet. Foto: Hilke Maunder
Der Stausee Lac Saint-Ferréol. Das Baden direkt an der Staumauer ist verboten, aber von den Uferstränden aus gestattet. Foto: Hilke Maunder

Vom Reservoir de Saint-Ferréol sorgt seitdem ein genau berechnetes System aus unterirdischen Wasserrinnen und Zuflüssen dafür, dass der Canal du Midi das ganze Jahr hindurch schiffbar ist.

Wie der Kanal, so galt auch der malerisch gelegene Stausee unter Zeitgenossen als Weltwunder. Mit 67 Hektar war er damals nicht nur das größte künstliche Gewässer der Welt, sondern besaß mit 36 Metern auch den höchsten Staudamm der Welt. Diesen Rekord hielt er 200 Jahre lang!

Auf der Staumauer des Lac Saint-Ferréol verläuft heute eine Promenade. Foto: Hilke Maunder
Auf der Staumauer des Lac Saint-Ferréol verläuft heute eine Promenade. Foto: Hilke Maunder

Das Kanal-Museum

Unterhalb des Stausees schießt in den Jardins du Canal du Midi eine Fontäne 30 Meter hoch in den Himmel. In ihrem Schatten picknicken Frauen. Der Nachwuchs tollt im Gras.

Die Männer haben sich ins ehemaligen Haus der Ingenieure verzogen, wo das Le Reservoir in sechs Räumen interaktiv die Geschichte des Kanals wieder aufleben lässt, der seit 1996 zum Weltkulturerbe gehört.

Canal du Midi: alte Steinbrücke. Foto: Hilke Maunder
Am Canal du Midi bei Castelnaudary findet ihr wenig südlich diese alte Brücke. Foto: Hilke Maunder

Das Mammut-Projekt

15 Jahre lang, nur mit Schaufel und Schubkarren, wurde das Kanalbett ausgehoben. Mehr als sieben Millionen Kubiktonnen Erde und Gestein räumten 12.000 Arbeiter, darunter 600 Frauen, fort.

Canal du Midi: Platanen säumen den Wasserweg. Foto: Hilke Maunder
Uralte Platanen, leider heute oft erkrankt, säumen den Kanal. Foto: Hilke Maunder

Bereits vier Jahre nach dem ersten Spatenstich, 1671, war der 52 km lange westliche Teil bis zum Scheitel bei Narouze fertig stellt. 1674 führte der Kanal bereits bis nach Castelnaudary. 1681 war der Étang de Thau erreicht.

42.000 Platanen, Pappeln und Zypressen wurden entlang der Treidelpfade gepflanzt, 328 Brücken, Dämme, Aquädukte und Schleusen gebaut – auf der nur 35 Kilometer langen Strecke zwischen Castelnaudary und Carcassonne allein 18.

Canal du Midi: Glücksbringer am Kanalwärterhäuschen der Écluse du Peyruque. Foto: Hilke Maunder
Lauter Hufeisen als Glücksbringer schmücken die Tür des Kanalwärterhäuschens nahe der Écluse du Peyruque. Foto: Hilke Maunder

Eindrucksvolle Wasserbauten

Und nicht, wie in anderen Revieren, gerade, kurze Schleusen mit einer Kammer und gelb markierten Schleusenbereichen. Sondern mehrere hunderte Meter lange Schleusentreppen mit vier, fünf, sechs, sieben und acht ovalen Kammern.

So wie die Schleusentreppen von Fonsérannes bei Béziers. Die écluses de Fonséranes ist die größte Frankreichs und überwindet auf einer Länge von 312 Metern einen Höhenunterschied von insgesamt 21,5 Metern!

Pas de soucis “, keine Sorge, meint Pierre nur, der eine Stunde lang die Freizeitskipper in die Technik und das Handling der MS Tango einführt, die im Grand Bassin von Castelnaudary in der Crown Blue Line-Marina vertäut liegt.

Canal du Midi: Grand Bassins von Castelnaudary. Foto: Hilke Maunder
Im Grand Bassin von Castelnaudary haben viele Hausbootvermieter ihre Basis. Foto: Hilke Maunder

Hallo, MS Tango!

Gut zwölf Meter misst das schwimmende Ferienheim für die nächsten Tage. Das Heck birgt zwei Doppelkabinen mit 80 Zentimeter breiten Betten, wenig Staufläche, aber Blick aufs Wasser.

Dusche, Waschbecken und WC sind im Gang zur Galley untergebracht, wo Innen-Steuerstand und Kombüse sich einen hellen, geräumigen Raum am Bug teilen. Der Kühlschrank nimmt die Einkäufe vom Wochenmarkt auf. Jeden Montag Vormittag verwandelt er Castelnaudary in ein Schlemmerparadies.

Canal du Midi: Große Wäsche in Castelnaudary. Foto: Hilke Maunder
Canal du Midi: Große Wäsche in Castelnaudary. Foto: Hilke Maunder

Eine kleine, steile Treppe führt an Deck mit Außensteuerstand und Panoramasitzecke. Sie wird rasch unser Lieblingsplatz: beim Frühstück in der Kühle des Morgens wie beim abendlichen Aperitif.

Am sommerlichen Himmel ballen sich Gewitterwolken und lassen die Altstadt dramatisch im Licht leuchten, als das Dreimädelstrio ablegt. Zwei Frauen und ein Kind. Oh, là là! Mit sichtlicher Neugier schauen die Passanten zu.

Canal du Midi: Écluse St-Roch. Foto: Hilke Maunder
Die Écluse Saint-Roch mit ihren vier Kammern ist für die Hausbootfahrer, die in Castelnaudary starten, die „Testschleuse“. Foto: Hilke Maunder

Schleusen, Schleusen, Schleusen…

Bis zur ersten Schleuse sind es 170 Meter. „Kommt mal hoch in den Turm“, ruft Schleusenwärter Jacques aus der geöffneten Fensterklappe. „Dann könnt ihr sehen, was ihr vor euch habt!“

Canal du Midi: Wer schleust, hat Zuschauer. Foto: Hilke Maunder
Wer schleust, hat Zuschauer. Foto: Hilke Maunder

Die Écluse Saint-Roch: vier Staustufen, zwölfeinhalb Höhenmeter, und zig Hausboote, die gleichzeitig auf und ab geschleust werden.

Trotz Bootsführerschein hat Claudia kleine Sorgenfalten auf der Stirn, als sie die nasse, schmale Leiter hinauf klettert, die Taue über die Schulter gelegt.

Canal du Midi: in der Écluse Saint-Roch. Foto: Hilke Maunder
In der Écluse Saint-Roch. Foto: Hilke Maunder

Lara springt sicherheitshalber an Land, nur der Skipper bleibt am Außenstand an Bord. Mit ungeheurer Kraft schießt das Wasser durch die geöffneten Schleusentore. Es will das Boot von der Wand wegdrücken, wo es an beiden Pollern beschlagen ist. Leinen halten es so vor und hinten am Kai.

Canal du Midi: Hilfe beim Schleusen wird gerne angenommen – hier bei der Écluse de St-Roch (4 Staustufen). Foto: Hilke Maunder
Hilfe beim Schleusen wird gerne angenommen – hier bei der Écluse de St-Roch mit ihren vier Staustufen. Foto: Hilke Maunder

Minuten später ist der Spuk vorbei, liegt die Tango wieder träge im Wasser und wird mit den Leinen per Hand über alte, gusseiserne Schleusenräder und Armaturen zur nächsten Schleusenkammer gezogen.

Nach 30 Minuten Anspannung die Erleichterung: Welch ein erhebendes Gefühl, die erste Schleuse gemeistert zu haben!

Canal du Midi: chillen am Anleger. Foto: Hilke Maunder
Sonnepause am Kanal: bei Villepente. Foto: Hilke Maunder

Schlag auf Schlag

Ernüchterung bringt ein Blick auf das Emailleschild am Schleusenwärterhäuschen: 1.533 Meter sind es bis zur nächsten Herausforderung, der doppelten Écluse de Gay, 1.653 Meter bis zur dreistufigen Écluse de Vivier. Danach bleibt kaum noch Zeit, einmal den Schweiß von der Stirn zu wischen.

418 Meter weiter folgt die Écluse de Guillermin, nur 523 m sind es danach bis zur Écluse de Saint-Sernin, die den Beginn entspannteren Schleusens markiert. Die nächsten elf Schleusen haben nur eine einzige Schleusenkammer.

Canal du Midi: Jedes Schleusenhäuschen verrät auf Schildern die Entfernung zur nächsten Schiffstreppe. Foto: Hilke Maunder
Jedes Schleusenhäuschen am Canal du Midi verrät auf Schildern die Entfernung zur nächsten Schleuse. Foto: Hilke Maunder

Die Show am Kai

Mittlerweile längst ein eingespieltes Team, ist das Trio darauf bedacht, an jeder Schleuse eine gute Vorstellung abzuliefern für die Radfahrer, Wanderer und Neugierigen, die das Schauspiel beobachten.

Canal du Midi: Écluse de Peyruque. Foto: Hilke Maunder
An der Écluse de Peyruque herrscht Hochbetrieb – wir müssen mit dem Schleusen warten. Foto: Hilke Maunder

Perfekt in der Schleusenmitte einfahren, das große Boot gaaaanz sanft zum Halt bringen, dann das zwölf Meter lange Schiff an den Kai ziehen, nicht den Bug beim Abschleusen an der Schleusenwand aufhängen lassen, nicht gegen die anderen Boote stoßen…

Das Interesse der Passanten ist stetig und ungebremst, an jeder Schleuse die gleichen Fragen. „Geht das wirklich ohne Führerschein?“ – „…ist es denn so einfach?“, „woher kommen Sie?“ – „und schaffen Sie das, so ohne Mann?“

Die Écluse de Sauzens am Canal du Midi. Foto: Hilke Maunder
Die Écluse de Sauzens am Canal du Midi. Foto: Hilke Maunder

Besonders die letzte Frage scheint auch die Schleusenwärter zu beschäftigen. So wirft Claudia dem Staatsdiener an der Écluse de Lalande mit einem charmanten Lächeln die beiden Taue entgegen und ruft: „Merci“.  Verdutzt und stolz zugleich zieht er den Flachkieler durch die Doppelschleuse,

„Achtet auf die Schleusenzeiten“, hatte uns vor uns der Einweiser auf der Hausbootbasis geraten. “Und nutzt die Pausenzeiten für Ausflüge!“ Morgens wird von 9 bis 12.30 Uhr geschleust, nachmittags ist je nach Reisemonat zwischen 17 und 19 Uhr Schluss. Nachtfahrten auf dem Kanal sind verboten.

Entlang des Canal du Midi verläuft ein Radwanderweg. Foto: Hilke Maunder
Wer nicht als Skipper unterwegs ist, folgt dem Kanal mit dem Fahrrad. Foto: Hilke Maunder

Die Rettung der Alleen

42.000 Bäume hatte Napoleon pflanzen lassen, um seine Soldaten beim Marschieren vor direktem Sonnenlicht zu schützen.  Doch die Idylle ist bedroht. Die Bäume sind von einem krankheitserregenden Pilz namens Ceratocystis platani befallen, besser bekannt als Platanenkrebs.

Um das Weltkulturerbe zu retten, wurden seit 2006 inzwischen 31.000 Bäume gefällt und 17.200 Bäume seit 2011 neu gepflanzt. Zurückgekehrt sind jedoch nicht die Platanen, sondern Eichen, Pinien, Zürgelbäume und Ahorn. Dieser bunte Artenmix soll helfen, dass sich bei einem erneuten Befall die Krankheit nicht auf alle Bäume ausdehnt. 60 Kilometer, und damit rund ein Viertel der Ufer, sind bereits gerettet.

Radelnd ins Umland

Alte Städte und malerische Dörfer säumen die Wasserstraße des Südens. Mit Rädern, die alle Bootsverleiher vermieten, geht es hinaus ins Umland

So entdecken wir charmante Dörfer wie Gardouch, Montgiscard und Ayguesvives, die ganz und gar aus orangerotem Backstein errichtet wurden. Wir radeln durch Raps- und Sonnenblumenfelder und erreichen Villefranche-de-Lauragais.

Im August blühen die Sonnenblumen am Canal du Midi. Foto: Hilke Maunder
Im August blühen die Sonnenblumen am Canal du Midi. Foto: Hilke Maunder

Die Pastell-Bastide

Die Bastide („neue Stadt“) des 13. Jahrhunderts war einst das Zentrum des Pastellhandels. Aus Pastell (Färberwaid) wurde begehrteste Farbe des Mittelalters gewonnen: Blau.

Vom einstigen Reichtum zeugen noch heute alte, kunstvoll verzierte Fachwerkhäuser und die rote Backsteinkirche Notre-Dame-de-l’Assomption mit ihrem monumentalen Glockengiebel, die sich neben einer alten Markthalle erhebt.

Cassoulet aus Toulouse, gefunden im Marché Victor Hugo. Foto: Hilke Maunder
Cassoulet gibt es auch fertig in der Dose – oder im Glas. Foto: Hilke Maunder

In Weckgläsern und Konservendosen gibt es dort den kulinarischen Klassiker der Region: Cassoulet.

Der weiße Bohneneintopf mit Würsten und Fleisch macht so glücklich satt, dass man an Deck abends die Beine hochlegt, noch ein wenig am Wein nippt, die Stille am Kanal genießt und sich wie Gott in Frankreich fühlt.

Canal du Midi: Lebensgenuss und grandiosen Landschaften gibt es zuhauf an der schönsten Wasserstraße durch den Süden. Foto: Hilke Maunder
Lebensgenuss und grandiosen Landschaften gibt es zuhauf an der schönsten Wasserstraße durch den Süden. Foto: Hilke Maunder

Dîner an Deck

Vorn scheint unbarmherzig die Sonne auf das Deck, in der flimmernden Luft liegt der Duft von Kräutern. Weit schweift der Blick über das Land, über Sonnenblumen- und Weizenfelder, hin zu den schneebedeckten Bergspitzen der Pyrenäen.

Am Canal du Midi stehen die Platanen Spalier. Foto: Hilke Maunder
Am Canal du Midi stehen die Platanen Spalier. Foto: Hilke Maunder

Jetzt sind alle Schleusentore geschlossen. Auch die Schleusenwärter gönnen sich nun bis halb zwei eine Pause. Morgens wird von 9 bis 12.30 Uhr geschleust, nachmittags ist je nach Reisemonat zwischen 17 und 19 Uhr Schluss, Nachtfahrten auf dem Kanal sind verboten.

Nach fünf weiteren Schleusen und sieben Kilometern Fahrt tanzen die Strahlen der tief stehenden Sonne zwischen den Baumreihen, lassen die Fluten in immer neuen Formen funkeln. Wasserlilien leuchten gelb am Ufer, Frösche quaken, Stille. Die „Tango“ liegt ruhig an einem kleinen Steg vertäut.

Canal du Midi: Unser Plätzchen für die Nacht – in Laufnähe zur Écluse de Peyruque. Foto: Hilke Maunder
Unser Plätzchen für die Nacht – in Laufnähe zur Écluse de Peyruque. Foto: Hilke Maunder

Shopping beim Kanalwärter

Ein verwittertes Holzschild informiert: La Boutique de l’Écluse, 1 km, artisanat, vin, pain, 9 – 21 heures. An den aufgestellten Holztischen sitzen Jean Louis Aillaud  und seine Frau Fréderique.

Canal du Midi: das nette Schleusenwärterpärchen der Écluse de Perruque. Foto: Hilke Maunder
Frédérique und Jean-Louis Aillaud, die netten Schleusenwärter der Écluse de Perruque. Foto: Hilke Maunder,

Beide haben sich in ihrer Heimat Île de Réunion kennen gelernt, in vielen Orten der Welt gearbeitet und hier ihre Wurzeln geschlagen: an der Écluse de Peyruque. Direkt am Canal du Midi verkauft Frédérique im Schleusenwärterhäuschen Selbstgetöpfertes, hausgemachte Marmelade, Honig der Region, Confit, Cassoulet und Croissants.

Canal du Midi: der kleine Verkaufladen der Écluse du Peyruque
Brot und Butter zu Familienfotos von einst: der kleine Schleusenshop der Écluse de Peyruque. Foto: Hilke Maunder

Abends genießen beide ein Glas Rotwein mit den Gästen, die mit den pénichettes den Kanal entlang schippern. Einsamkeit oder Langeweile kennen sie nicht: „Zu uns kommt die Welt.“

Canal du Midi: Pénichette bei der Schleuse von Montgiscard. Foto: Hilke Maunder
Péniche heißen die historischen Holzkähne, die einst Waren auf dem Kanal transportieren. Heute sind sie häufig Hausboote. Foto: Hilke Maunder

Gestern zwei Japaner mit Mountain Bikes, heute morgen eine Familie aus Melbourne, die im Hausboot unterwegs war, und jetzt das deutsche Trio. Es wird gelacht und getrunken, das Kind spielt mit den Hunden, die Uhr hat Urlaub.

Tolle Ausflüge ganz nah

Canal du Midi: Der Hafen von Bram ist ein Treff der Hausbootfahrer. Foto: Hilke Maunder
Der Hafen von Bram ist ein Treff der Hausbootfahrer. Foto: Hilke Maunder

Immer neue Tipps für Ausflüge und Abstecher fallen Frédérique und Jean Louis ein. „Nach dem nächsten „bief“müsst ihr festmachen und nach Villepinte bummeln. Bief? So nennen die Franzosen die Strecke zwischen zwei Schleusen auf dem Canal du Midi !

Dort könnt ihr im einstigen Keller der Wein-Kooperative Glaskunst angucken, danach in Bram angelegen, einer kleinen Stadt mit kreisrundem Grundriss.Da gibt es mit Eburomagus ein tolles gallo-römisches Museum und eine Ölmühle, die 25 verschiedene Bio-Olivenöle produziert!

Und wenn ihr zwischen Alzonne und Pezens seid, radelt doch einmal durch Weingärten der Cabardès an den Hängen der Montagne Noire. Und dann sind es nur noch vier Schleusen bis zur größten Festung Europas, der Cité von Carcassonne…“

Welterbe: die Cité von Carcassonne. Foto: Hilke Maunder
Die Cité von Carcassonne mit der Büste der Dame Carca neben der Porte Narbonnaise. Foto: Hilke Maunder

Doch wieder sind es die Schleusen, die den geplanten Reiseverlauf überraschend ändern. „Die staatlichen Schleusenwärter streiken“, flüstert es von Bord zu Bord. Donnerstag, vielleicht auch Freitag. Da heißt es dann schon Mittwoch: zurück zur Basis. Die vielen Schleusen? Pas de problème.

Canal du Midi: In Carcassonne findet ihr die Kanal-Schleuse am Bahnhofsvorplatz. Foto: Hilke Maunder
In Carcassonne findet ihr die Kanal-Schleuse am Bahnhofsvorplatz. Foto: Hilke Maunder

Am ersten Streiktag fahren die Frauen per Bahn zur imposanten Burg. Als sie den Bahnhofsvorplatz überschreiten, treffen sie wieder auf den Canal du Midi.

In der schmalen Schleuse drängen sich drei Boote. Lauter Männercrews, das Bier in der Hand, die Leine lässig auf der Schulter – bis sie plötzlich beim nächsten Schluck mit einem lauten Platsch ins Wasser fällt. Die drei Frauen blinzeln sich zu.

Canal du Midi: In Castelnaudray saniert dieser Monsieur seine Penichette. Foto: Hilke Maunder
In Castelnaudray saniert dieser Monsieur seine Penichette. Foto: Hilke Maunder

Hausboot-Törn auf dem Canal du Midi: Info

Anreise

Mit Eurowings, Lufthansa oder Air France nach Toulouse, Leihwagen oder SNCF bis Castelnaudary oder Toulouse, wo die Hausboottörns meistens im Sportboothafen Saint-Sauveur beginnen.

Hausbootvermietung

Le Boat, c/o Crown Blue Line GmbH, Theodor-Heuss-Str. 53-63, Eingang D, 61118 Bad Vilbel, Tel. 06101/55 791 75, www.leboat.de

Preise: Die „Tango“ kostet je nach Reisezeit ab 1.900 Euro pro Woche zuzügl. Nebenkosten für Betriebskosten (Wasser, Diesel, Gas), Liegegebühren, Versicherung. Tipp: Leihräder gleich mit mieten!

Canal du Midi: mit dem Hausboot unterwegs. Foto: Hilke Maunder
Unterwegs mit dem Hausboot auf dem Canal du Midi. Foto: Hilke Maunder

Souvenir

Die Köstlichkeiten der Region gibt es auch als Gourmet-Konserve: Cassoulet, Confit de Canard und Rillettes.

Flusstourismus – die schönsten Reviere

Canal du Midi

240 km zwischen Toulouse und Sète am Mittelmeer. Highlight: Toulouse, Lac de St-Ferréol, Lauragnais, Carcassonne; www.canalmidi.com

Canal de Garonne

193 km zwischen Toulouse und der Gironde-Mündung am Atlantik. Highlights: Schiffshebewerk Montech, Montauban mit dem Ingres-Museum, Moissac, Brückenkanal von Cacor; www.canal-et-voie-verte.com

Garonne

Toulouse von der Wasserseite – Highlights: Prairie des Filtres, Château d’Eau, Hôtel-Dieu, La Grave und Pont Neuf, die älteste Brücke der Stadt (1661).

Lot

75 km zwischen Larnagol und Luzech, 17 Schleusen. Highlights: Saint-Cirq Lapopie, Cahors mit dem Pont Valentré, die Weine von Cahors

Baïse

60 km zwischen Valence-sur-Baïse und Buzet-sur–Baïse. Highlights: Château Millet und die Weingärten von Armagnac, Condom, Abtei von Flaran.

Tarn

Früher war der Tarn zwischen Saint-Juéry bis zu seiner Mündung in die Garonne bei Moissac schiffbar. Heute könnt ihr von Creissels aus unter dem Viadukt von Millau hindurch neun Kilometer lang nach Peyre und retour euch schippern lassen.
• Place du 19 mars, 12100 Creissels, Tel. 05 65 59 12 41, www.bateliersduviaduc.com

In La Malène lädt die letzte französische Flussschiffer-Genossenschaft Confrérie de Bateliers zur Fahrt in Plattbodenbooten auf dem Tarn.
• Les Bateliers de la Malène, La Malène, Tel. 04 66 48 51 10, https://lamalene.fr/les-bateliers, Apr. – Okt.

Die Kais von Castelnaudary am Canal du Midi: Foto: Hilke Maunder
Die Kais von Castelnaudary am Canal du Midi: Foto: Hilke Maunder

Weiterlesen

Im Blog

Le Canal des deux mers

Erst mit dem Canal des deux mers wurde schließlich die schiffbare Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer Wirklichkeit. Denn in Toulouse endet der Canal du Midi. Und führt der Garonne-Seitenkannal weiter gen Westen. Alle Infos und viele Fotos gibt es hier.

Im Buch

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre  Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.

Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*

Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreich 2024 in der 10. Auflage erschienen.

Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.

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Canal du Midi: Einfahrt in das Grand Bassin von Castelnaudary. Foto: Hilke Maunder
Einfahrt in das Grand Bassin von Castelnaudary. Foto: Hilke Maunder

11 Kommentare

  1. Wunderbarer Reisebericht und herrliche Fotos! Félicitations! Mir blutet fast jedesmal das Herz, wenn ich in meiner Wahlheimat am Canal du Midi, wo ich „Mademoiselle Lilou, Crème Brûlée und Bolero Mortale“ geschrieben habe, entlanglaufe. Ohne die wohltuenden grünen Schattenspender hat er einiges von seinem Charme verloren und etliche Ersatzbäumchen sind wieder der Trockenheit zum Opfer gefallen. Aber: Weinfreunde, Leckermäulchen und Naturliebhaber kommen nach wie vor auf ihre Kosten, die Region (wenn man sich etwas von den Stränden wegbewegt) ist sich treu geblieben und die fliegenden Steaks Chez Bebelle in der historischen Markthalle von Narbonne am Seitenkanal La Robine – noch platanenbestanden! – sind ein kulinarischer Magnet. Amicalement Elli Sand

    1. Liebe Elli, ja, der Platanenkrebs und die Trockenheit… aber ich denke, das Welterbe ist stärker und wird Wege und Lösungen finden, seinen Charme zu bewahren. Bises, Hilke

  2. Hallo,

    die existierenden Peniches – die ehemaligen Transportboote – sind alle aus Metall – nurmehr ein Schiff aus Holz existiert – das wird in St. Jean de Losne restauriert….
    Und der Tarn ist bei Millau und Albi für Boote nicht schiffbar – nur bedingt auf kurzen Abschnitten bei Montauban und Moissac. Aber man kann auf dem Tarn mit Paddelbooten fahren

    1. Lieber Markus, ganz herzlichen Dank für Deine Infos! Viele Grüße! Hilke

  3. Wenige Kilometer ausserhalb von Béziers liegt der Kanaltunnel Malpas. Im Gegensatz zur berühmten Schleusentreppe ist der Tunnel nicht touristisch „erschlossen“ und frei zugänglich. Auf einem sehr schmalen Weg kann man ihn auch zu Fuss durchqueren.

  4. Sehr schöner und ausführlicher Bericht. Die einzige Anmerkung ist die Zahl der Platanen. Es sind 42.000 Platanen 😉 und diese werden die nächsten 15 bis 20 Jahre alle gefällt werden, weil Sie von einem Pilz befallen sind, der über das Kanalwasser übertragen wird. Sehr schade, es wird der Kulisse Ihren Reiz nehmen, dafür aber die Erinnerung vergolden. Ganz liebe Grüße aus Biscarosse 😉

    1. Hallo Claudia, danke für die Info – ich hatte neben den Platanen (42.000=) auch noch die Zypressen und Pappeln mitgezählt. Von den 42.000 Zypressen wurden seit 2006 schon rund die Hälfte gefällt aufgrund des Pilzes. Aber auch schon schon wieder mehr als 10.000 resistente Platanen neu gepflanzt. Es sind allesamt Bäume mit einigen Jahren auf dem Buckel. Denn die einzigartige Kulisse soll auch für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Bises! Hilke

  5. Sehr schöner Reisebericht und tolle Fotos! Die Schleusenwärterhäuschen gefallen mir gut. Macht richtig Lust auf eine Hausbootfahrt auf dem Canal – auch ohne Mann an Bord. Das Fischrestaurant ‚L’Ile aux Oiseaux‚ am Port de Bram ist übrigens sehr empfehlenswert im Sommer.

    1. Liebe Frau Wiese, danke für den tollen Tipp in Bram! Und klar, der Ort heißt Pezens – nicht Pézenas… hab ich gleich geändert! Das war Freud, pardon, Molière ;-))).
      Viele Grüße, Hilke Maunder

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