Fête de l’Ours: Bärenfest der Pyrenäen
Die Fête de l’Ours ist ein archaisches Spektakel. Seit 2022 gehört dieses Bärenfest der östlichen Pyrenäen zum Welterbe. Es ist tief in den Traditionen von drei Bergdörfern im Herzen der katalanischen Pyrenäen verwurzelt und sorgt dort im späten Winter an drei Sonntagen für Volksfeststimmung.
Die Fête de l’Ours der Pyrenäen ist eine Mischung aus Karneval und Dorffest und gehört seit Jahrhunderten untrennbar zur Kultur der katalanischen Dörfer in den Pyrenäen von Andorra und Frankreich. Arles-sur-Tech, Saint-Laurent-de-Cerdans und Prats-de-Mollo-La-Preste: drei Dörfer, drei Feste, drei ganz unterschiedliche Stimmungen an drei Sonntagen im Februar.
Die geraubte Schäferin
Als ältestes Bärenfest gilt die Fête de l’Ours von Prats-de-Mollo-la-Preste im Haut-Vallespir. Meist liegt noch Schnee im Hochtal des Tech. Kahl sind die Hänge des Costabonne- und Canigou-Massivs. Wehrhaft wacht das Fort Lagarde über das Grenzdorf zu Spanien.
Ausgehungert soll im Mittelalter einst hier ein Bär hinab ins Dorf gestiegen sein und eine Schäferin geraubt haben. Holzfäller, die in der Nähe arbeiteten, hörten die Hilferufe des jungen Mädchens. Nach intensivem Kampf mit dem Zotteltier konnte die junge Frau befreit werden. Bei der Diada de l’Os, wie die einheimischen Katalanen das Bärenfest nennen, lebt die Legende alljährlich wieder auf.
Am Morgen des Bärentages reiben sich drei junge Männer ihre Gesichter mit Öl und Ruß ein, verhüllen den Körper mit Schafsfellen, nehmen einen Stock in die Hand und rennen so durch die Gassen des Ortes, die Schäferin in ihren Fängen, Besucher und Dörfler hinterher. Wer sich ihnen in den Weg stellt, wird mit Ruß beschmiert.
Doch da kommen schon die barbiers, die „guten Retter“, allesamt Honoratioren der Gemeinde, mit mehlbestäubten Gesichtern und weißen Hemden und Hosen. Sie kesseln die Bären ein, legen sie in Ketten und zerteilen ihr Fell mit Äxten. Das Gute hat gesiegt. Prats-de-Mollo-la-Preste feiert den Trubel, ruß- und mehlverschmiert, ausgelassen bis spät nachts – mit Bärenbier seiner Brasserie de l’Ours.
Welch ein Theater: die Fête de l’Ours von Arles-sur-Tech


Jedes Dorf kennt seine eigene Choreographie bei der Fête de l’Ours. Den Auftakt der Bärenfeste macht jedoch stets Arles-sur-Tech am ersten Wochenende im Februar. Drei Tage lang dauert dort das Fest, und auch für die Kinder gibt es am Samstag eine eigene Fête de l’Ours. Diese Version des Bärenfestes hebt sich durch ihre theatralischen Elemente und festgelegten Rituale von anderen Dörfern ab.


Die Inszenierung erfolgt nach einem festen tradierten Zeitplan und beginnt am Sonntagvormittag nach dem morgendlichen Frühstück aller Teilnehmer um 9.30 Uhr auf dem Vorplatz der Festhalle. Währenddessen hat eine cobla, ein traditionelles katalanisches Ensemble, seine Blasinstrumente geputzt. Ihre stets wiederkehrende Melodie wird zum Leitmotiv des Tages und kündigt jede neue Handlung, jeden neuen Akt der Fête de l’Ours von Arles-sur-Tech an.


Im Mittelpunkt der Erzählung steht die alte Legende vom Bären, dem Fallensteller und Josette (in älteren Überlieferungen auch Roset(t)a genannt). Der Bär, Sinnbild für die ungebändigte Natur, lauert in seinem Versteck, während Josette, die Frau des Fallenstellers, als Lockvogel dient.
Dieser symbolische Kampf zwischen Natur und Zivilisation wird seit Generationen nachgespielt. Interessanterweise wurde die Rolle der Josette erst im 20. Jahrhundert eingeführt – ursprünglich war das Fest eine reine Männerangelegenheit.


Der gesamte Vormittag steht ganz im Zeichen der trobada dels Caçaires, dem Umzug der Jäger mit Josette und ihrem trappeur, die auf einer großen Runde durchs Dorf hin zur Place Barri d’Amont eilen, wo Bürgermeister David Planas feierlich eine symbolische Bärenpfote als Zeichen für die Traditionen des Vallespir in Empfang nimmt. Unterdessen macht sich die cobla bereit für den Abschluss des Vormittages und spielt auf zum katalanischen Reigentanz, der Sardane.


Nach der Mittagspause, in der sich der Bär mit typisch katalanischen Hackbällchen, den boles de picolat, stärkt und sich am Rand des Rugbyplatzes umzieht, beginnt die Grande chasse à l’Ours an der Fontaine des Buis am Ufer des Tech.

Sobald der Bär auftaucht, versucht er mehrfach, Josette zu ergreifen – eine Anspielung auf alte Mythen, in denen Bären Frauen entführen. Doch der Fallensteller und seine Gefährten, die die Kräfte der Ordnung und des menschlichen Widerstands repräsentieren, greifen immer wieder ein und ringen das Tier nieder.


Nach jeder Gefangennahme hält der Fallensteller eine leidenschaftliche Rede auf Katalanisch, in der er den Mut der Jäger lobt und vor der Stärke des Bären warnt. Doch jedes Mal entkommt das Tier, und die Jagd geht weiter – quer durch die Straßen von Arles-sur-Tech, begleitet von jubelnden und lachenden Zuschauern.

Dreimal wiederholt sich dieses Spiel an verschiedenen Orten im Dorf. Diese Wiederholung erinnert an mittelalterliche Mysterienspiele und uralte Riten zur Vertreibung des Winters, eine Verschmelzung vorchristlicher Bräuche mit den reichen Volkstraditionen des katalanischen Vallespir.

Im Parc de la Mairie wird der erschöpfte Bär schließlich gefangen, gezähmt und das wilde Tier symbolisch in einen Menschen verwandelt – ein Zeichen für die Rückkehr der Ordnung. Neben der Bühne stehen ein Bonbonstand und ein Imbisswagen mit Crêpes und churros, frittierten Gebäckstangen mit Sternquerschnitt.
Gleich daneben haben Ehrenamtliche mit Holzbrettern und Kisten eine Bar aufgebaut. Und während die Sonne langsam hinter den Bergspitzen des Vallespir versinkt, feiert Arles-sur-Tech das Ende der Fête de l’Ours mit einem geselligen Apéro.

Die Fête de l’Ours von Saint-Laurent-de-Cerdans
Traditionell am dritten Februarwochenende feiert Saint-Laurent-de-Cerdans seine Fête de l’Ours. Auch dieses Fest folgt einer festen Dramaturgie, zieht aber die Zuschauer stärker mit ein.
Neben dem Bären treten weitere emblematische Figuren auf, die das Spektakel bereichern. Besonders furchteinflößend ist die Monaca, eine unheimliche Gestalt mit zwei ineinander verschlungenen Körpern, die durch die Straßen zieht und die Zuschauer erschreckt. Jugendliche, als alte Menschen verkleidet, tragen den Escalfador durch die Straßen – ein Kupfergefäß mit brennenden Schweinehaaren, das einen beißenden Rauch verbreitet.
Doch alles folgt auch hier einer festen Dramaturgie: Der Bär wird an einem geheimen Ort vorbereitet, bevor er plötzlich in Erscheinung tritt. Die Monaca sorgt bereits im Vorfeld für Unruhe, indem sie durch die Gassen schleicht und Zuschauer das Fürchten lehrt.
Schließlich wird der Bär gefangen und durch das Dorf geführt, wo er seine wilden Kräfte entfaltet und sich mehrfach losreißt. Der Höhepunkt des Festes ist der rituelle Tanz, an dessen Ende die symbolische „Rasur“ des Bären steht – ein Zeichen für die Zähmung der wilden Natur und den Beginn eines neuen Jahreszyklus.
Das Kostüm des Bären wurde 1992 aus zusammengenähten Ziegenfellen gefertigt. Heute verwendet man ein echtes Bärenfell aus Kanada, das dem Schauspiel eine zusätzliche Authentizität verleiht.
Archaische Rituale
Die Bärenfeste basieren auf archaischen Riten und Vorstellungen, die viel über die damalige Gesellschaft und das bäuerliche Leben in den Bergen der Pyrenäen verraten. Sie erzählen von der winterlichen Bedrohung und ehren zugleich den Bären als Symbol von Mut und Stärke. Der Pyrenäenbär jedoch ist ausgerottet. Heute streifen Schwarzbären aus der Slowakei durch die Berge.
Die Fête de l’Ours ist zugleich ein archaischer Initiationsritus. Nur junge Männer, die gerade volljährig geworden sind, dürfen Bären sein – und eine Frau halten. Beim Bärenfest müssen sie nicht nur tanzen, sondern auch rituelle Mutproben ablegen, schwere Gewichte tragen und körperliche Anstrengungen aushalten, bei denen alle zusehen: eine gelebte Gemeinschaft, deren Traditionen die Bärenfeste für künftige Generationen bewahren. Welch ein faszinierendes Welterbe!

Die Fête de l’Our erleben
Die Bärenfeste der Pyrenäen sind inzwischen Besuchermagnete. Kommt daher früh! Wichtig, wenn ihr nach Prats-de-Mollo fahrt: Tragt Kleidung, die etwaige Flecken verträgt – denn das Publikum wird beim Spektakel gerne mit einbezogen und mit Ruß beschmiert oder mit Mehl bestäubt!
• www.sudcanigo.com
Die Bären der Pyrenäen

Der Bär ist das Symboltier der Pyrenäen. Er hat zahlreiche Legenden und die populären Sagen geprägt, ist mit den Gottheiten des pyrenäischen Pantheons verbunden und tief verwurzelt in archaischen Traditionen wie der Fête de l’Ours der Ostpyrenäen.
Ominpräsent sind die Bären der Pyrenäen in den vielen Ortsnamen, die von ihnen abgeleitet sind, wie das Vallée d’Ossau, das Vallée d‘ Onsera und das vom Fluss Ourse bewässerte Vallée de la Barousse, die Gipfel der Coumeille de l’Ours oder der Tute de l’Ours.
Bedrohte Bären
Braunbären gab es einst in vielen Bergregionen Europas – und auch in den Pyrenäen. Der Europäische Braunbär (ursus arctos) ist ein Allesfresser. Er vertilgt zu 85 bis 90 Prozent fast nur Pflanzen und Insekten. Andere tierische Nahrung macht nur rund zehn Prozent im Speiseplan aus.
Doch die zunehmende Erschließung, Besiedlung und wirtschaftliche Ausbeutung der Grenzberge zu Spanien zerstörten vielerorts seinen Lebensraum. Auch Jagd und Wilderei trugen dazu bei, dass der Braunbär stark dezimiert wurde.
Der letzte endemische Bär
In den Pyrénées-Orientales wurde 1846 der letzte wilde Bär des Départements gezielt bei einer zu diesem Zweck organisierten Jagd getötet. Auch in den anderen Ecken der Pyrenäen wurden die Bären, deren Population zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch fast 400 Tiere umfasste, massiv bejagt.
Erst 1962 wurde die Bärenjagd gesetzlich verboten. Damals gab es noch 60 Bären in den Pyrenäen. 1979 wurde der Pyrenäen-Braunbär in die Liste der geschützten Arten aufgenommen. 1984 folgte der erste Schutzplan. Damals gab es noch etwa fünfzehn Individuen. Mitte der 1990er Jahre waren es nur noch fünf.
Der letzte endemische Bär aus den Pyrenäen, Cannelle, wurde am 1. November 2004 von einem Jäger getötet und wird nun ausgestopft im Muséum von Toulouse ausgestellt. Heute ist Cannellito, der 2004 geboren wurde, der letzte noch lebende echte Pyrenäenbär. Zuletzt wurde er, zusammen mit seinem Vater Néré, isoliert in den westlichen Pyrenäen gesichtet – und mindestens 50 Kilometer vom nächsten Weibchen entfernt.
Seit 2017 gilt der Bär als verschwunden. Spermien von ihm wurden nicht gesammelt. Damit ist eine einzigartige Population, die spezifische genetische Merkmale und Anpassungen an die Umwelt der Pyrenäen aufwies, für immer ausgelöscht.

Neue Bären
1996 kehrten die Bären in die Grenzberge zu Spanien zurück. Am 19. Mai 1996 wurde der erste Bär slowenischen Ursprungs namens Živa freigelassen. Živa bedeutet „Leben“ auf Slowenisch und markiert den Neubeginn der Geschichte des Bären in den Pyrenäen. 2021 lebten bereits mehr als 60 Bären wieder in den Pyrenäen, 2023 fast 70. Dennoch gilt die Art noch nicht als gerettet.
Der Bären-Aktionsplan
2018 veröffentlichte Frankreich seinen plan d’actions Ours brun, sprich Braunbären-Aktionsplan, für die zehn Jahre von 2018 bis 2028. Er schreibt fest, dass alle Bären, die von Menschen getötet wurden, zu ersetzen sind. Im Jahr 2020 wurden drei Bären von Menschen niedergeschossen – doch Ersatz gab es bislang nicht. Die einzige konkrete Maßnahme des Aktionsplanes war die Freilassung zweier Bären, die 2018 in den westlichen Pyrenäen erfolgte, wo es seit 14 Jahren kein Weibchen mehr gab.

Für Schlagzeilen hatte bereits 2004 die Tötung der Bärin Canelle gesorgt. Ein Jäger hatte sie nach eigenen Aussagen aus Notwehr erschossen. Doch die Einschussstelle im Rücken zeigte deutlich: Das Tier war hinterrücks erschossen worden – und nicht frontal, wie es bei einer Verteidigung auf einen Angriff hätte sein müssen. 2010 wurde mit Camille erneut ein Weibchen erschossen.
Bereits ein Jahr nach Verabschiedung des Zehnjahresplans wurde im Jahr 2019 der Braunbären-Aktionsplan ersetzt durch den Plan „Pastoralismus und Bären“. Er gestattet zum Schutz der Herden den Einsatz von Bärenschrecken.
Die Bären der Pyrenäen: die Infos

Die Fête de l’Ours: meine Infos
Arles-sur-Tech
Ein Portrait von Arles-sur-Tech mit vielen Infos und Impressionen findet ihr hier.
Prats-de-Mollo-La-Preste
Das sehr sehenswerte Grenzstädtchen zu Spanien habe ich hier vorgestellt.
Saint-Laurent-de-Cerdans
In Saint-Laurent-de-Cerdans sind die berühmten Streifenstoffe der Toiles du Soleil daheim – und handwerkliche Espadrilles-Hersteller. Erfahrt hier mehr!
Bären erleben
Le Parc Ours
Sieben Hektar groß ist der Bärenpark in der Vallée d’Aspe des Béarn. Der Pyrenäenwanderweg GR 10, der die Pyrenäen von West nach Ost durchquert, führt direkt daran vorbei.
• Espace animalier, 64490 Borce, Tel. 06 01 73 46 09, https://parc-ours.fr

Bären pro und contra
Engagiert für die Bären
CAP Cours
Zusammenschluss von Verbänden mit unterschiedlichem Hintergrund der gesamten Pyrenäen aus Naturschutz, Kommunen, Züchtern, Guides u.a. Ihr Ziel: die Präsenz des Bären zu fördern durch Artenschutz und Akzeptanz dank Sensibilisierungsmaßnahmen und angepasstem menschlichen Wirtschaften.
Mitglieder
- Animal Cross, www.animal-cross.org
- Association Nature Comminges (ANC), www.nature-comminges.asso.fr
- Comité Ecologique Ariégeois (CEA), https://cea09ecologie.org
- Conseil International Associatif pour la Protection des Pyrénées (CIAPP), www.ciapp.fr
- FERUS Association nationale pour la conservation de l’ours, du loup et du lynx en France, www.ferus.fr
- France Nature Environnement, https://fne.asso.fr
- Fonds d´Intervention Eco-Pastoral (FIEP) Groupe Ours Pyrénées, www.fiep-ours.com
- Nature En Occitanie, https://natureoccitane.fr
- Pays de l’Ours – Adet, https://paysdelours.com
- Société d’Etude de Protection et d’Aménagement de la Nature dans le Sud Ouest – 64 (SEPANSO)
- Société Française d’Etude et de Protection des Mammifères (SFEPM), www.sfepm.org
- Société Nationale de Protection de la Nature (SNPN), www.snpn.com
- Sours, http://associationsours.over-blog.com
- WWF France, www.wwf.fr

Dialogbereite Viehzüchter
Groupe Pastoralisme et Ours (GPO)
• www.fiep-ours.com
Bären-Gegner
Hauptgegner der Bären sind die Züchter von Schafen, Ziegen und deren Lämmern in den Pyrenäen.
Fédération transpyrénéenne des éleveurs de montagne, www.pyrenees-pireneus.com/Associations-Pyrenees/ADDIP/FTEM
L’Association de la sauvegarde du pastoralisme dans le département, www.pyrenees-pireneus.com/Associations-Pyrenees/ADDIP/ASPP-65
Fédération Pastorale de l’Ariège, www.pastoralisme09.fr

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Vor Ort
Ress’Ours
Das erste Dokumentationszentrum zu den Bären der Pyrenäen.
• Maison des Associations, 31160 Arbas, Tel. 05 61 97 48 44, centre-documentaire@paysdelours.fr, https://ours-pyrenees.centredoc.fr
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Dem Thema Jagd in Frankreich widmet sich dieser Beitrag.
Im Buch
Hilke Maunder, Klaus Simon, Wild Places Frankreich*
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