Domaine Rey: Nicolas Rey mit seinen Schweinen. Foto: Hilke Maunder
|

Porc Noir de Bigorre: die Schinken-Schweine

Unterwegs im Süden des Gers auf den Spuren des Porc Noir de Bigorre. Hier, in Loubersan, liegt die Heimat von halbwilden schwarzen Schweinen. Marie und Nicolas von der Domaine Rey lassen sie das ganze Jahr über die Hügel toben – selbst bei Schnee und Regen.

Eine einsame Landstraße führt zur Domaine Rey im Gers. Foto: Hilke Maunder
Eine einsame Landstraße führt zur Domaine Rey im Gers. Foto: Hilke Maunder

365 Tage im Jahr heißt es für sie: Outdoor. Die Strohbetten im Stall kennen nur die schwangeren Sauen und ihr Nachwuchs.

Als ich mich zwischen sie hocke, kommen sie angerannt, springen über meine Beine, sausen so schnell hin und her, dass ich sie kaum fotografieren kann.

Die Muttertiere ruhen sich, abgetrennt vom tobenden Nachwuchs, in einzelnen Stallkammern auf Stroh von der Geburt aus.

Domaine Rey. Verspielt: die jungen Ferkel der Rasse "Porc de Bigorre". Foto: Hilke Maunder
Verspielt: die jungen Ferkel der Rasse Porc Noir de Bigorre. Foto: Hilke Maunder

Fast vergessene Rasse

„Das Porc Noir de Bigorre ist eine alte, widerstandsfähige Rasse, die viel frisst und nur sehr langsam wächst“, erzählt Nicolas Rey, der 2010 mit der Zucht der Tiere begann. Das Land dazu hatte er von der Großmutter geerbt.

Jetzt hält er dort pro Hektar 20 Tiere, die vor Ort geschlachtet und weiterverarbeitet werden – zu Hartwürsten und Schinken voller Aroma, Blutwurst und Rillettes mit AOP-Auszeichnungl. Im September 2017 gab es das begehrte Qualitätssiegel.

Domaine Rey: Nicolas Rey mit einer Sau, die vor wenigen Tagen geworfen hat. Foto: Hilke Maunder
Nicolas Rey mit einer Sau, die vor wenigen Tagen geworfen hat. Foto: Hilke Maunder

Vor dem Krieg war der Verwandte des Ibérico-Schweins weit verbreitet und lebte wild oder halbwild in den Wäldern der französisch-spanischen Grenze. Dann jedoch geriet das Schwarzfußschwein der Pyrenäen in Vergessenheit. Sein Wachstum war zu langsam für die Nachfrage der Nachkriegsjahre, und zudem fressen sie mehr als andere Arten.

Es ernährt sich vorwiegend von Kastanien, Eicheln und Kräutern. Ausgewachsene Tiere bringen 170-190 Kilogramm auf die Waage. Das fein marmorierte Fleisch der sehr alten Rasse, die bereits auf prähistorischen Höhlenzeichnungen zu sehen ist, ist deutlich fettreicher als jenes der Industriekonkurrenz. 1981 war das Porc Noir de Bigorre fast ausgestorben. Bei den letzten Züchtern im Hochland der Hautes-Pyrénées gab es  nur noch rund drei Dutzend Säue und zwei Eber.

Porc noir de Bigorre: Hilke Maunder fotografiert die Ferkel.
Auf Tuchfühlung mit den verspielten Ferkeln… Foto: Hilke Maunder

Geschätzt seit der Antike

Die Outdoor-Spielwiese der Schinken-Schweine ist groß: 40 Hektar Wald und Weiden. 14 Monate lang rennen sie im Süden des Gers über die Hügel.

Sie wälzen ihre schwarzen Borsten im Gras oder Schlamm, grunzen, fressen, rennen. Kommt Nicolas aufs Feld, nähern sie sich ihm neugierig, schieben Hosenbeine mit ihrer Schnauze hoch oder hinten das Hemd.

Domaine Rey: Porc de Bigorre. Foto: Hilke Maunder
Ein Leben in freier Natur: das Porc Noir de Bigorre. Foto: Hilke Maunder

„Ich brauche den Kontakt zu Tieren“, sagt Nicolas, „Geflügel könnte ich nie züchten, da ist das Tempo viel zu hoch.“ 35 Sauen und vier Eber des Porc Noir de Bigorre tummeln sich auf dem Hügel, über den wir hin zum Futterstand in der Senke laufen.

Dort ergänzt Nicolas den Speiseplan der Natur mit Getreide (Gerste, Triticale, Weizen), Erbsen, Äpfeln und Wildfrüchten wie Eicheln, Kastanien und Mispeln. 300 kg bringt sein schwerster Eber auf die Waage. Die Hofkatze folgt ihm überall hin. Oder führt die Schweine an.

Domaine Rey: Die Hofkatze führt die Schweine an. Foto: Hilke Maunder
Die Hofkatze führt die Schweine an. Foto: Hilke Maunder

Outdoor-Schwein des Bigorre

Heute unter Rasseschutz, reichen die Wurzeln der halbwilden Bergschweine bis in die Antike zurück. Namensgeber wurde ihre hügelige Heimat. Die historische Provinz Bigorre erstreckt sich von Hautes-Pyrénées über den Gers bis nach Haute-Garonne.

Um Einhaltung der traditionellen Aufzucht kümmert sich das Consortium du Noir de Bigorre, das damit die Auflagen der geschützten Herkunftsbezeichnung AOC Jambon Noir de Bigorre und AOC Porc Noir de Bigorre überwacht.

Domaine Rey: Viel Platz, viel Auslauf für die Schweine. Foto: Hilke Maunder
Vor wenigen Jahren fast ausgestorben: die Schweinerasse „Porc Noir de Bigorre“. Foto: Hilke Maunder

Zarte Schinken & würzige Würste

Über einen Landweg, der sich auf halber Höhe an einem Hang entlang windet, erreichen wir die Hofstelle. Die Terrasse ist gen Süden ausgerichtet – mit Paradeblick auf die Pyrenäen, die hier im Süden des Gers fast immer zu sehen sind.

Bei Föhn sind sie zum Greifen nah. Der Föhn – und der Wechsel zwischen feuchten und sehr trockenen Phasen – sorgt dafür, dass der Schinken des Porc Noir de Bigorre in der Reifezeit ein ganz besonderes Aroma entwickeln kann.

20 Monate lässt Nicolas den Schinken nach dem Salzen, Ruhen und Trocknen reifen – andere Produzenten sogar bis zu 36 Monate. Ebenfalls aus dem Fleisch fertigt Nicolas saucisses und saucissons, würzige Würste und Dauerwürste unterschiedlicher Härte. Ins Glas kommen Paté, Rillettes und Boudin, Blutwurst.

Domaine Rey: Köstlich, der Schinken des Porc de Bigorre. Foto: Hilke Maunder
Köstlich, der Schinken des Porc Noir de Bigorre. Foto: Hilke Maunder

Hintergrund: Frankreichs Schweinerassen

Mehr als 700 Schweinerassen gibt es weltweit. Frankreich ist, gemessen an der Zahl der Schlachtschweine, der viertgrößte Schweineproduzent in der europäischen Union nach Deutschland, Spanien und Dänemark. In Frankreich liefern neben dem Porc Noir de Bigorre vor allem diese alten Sorten schmackhaftes Fleisch.

Cul Noir

Der Cul Noir Limousin ist eine  französische Schweinerasse aus Saint-Yrieix-la-Perche im Süden von Haute-Vienne. Sein Fell ist weiß mit großen schwarzen Flecken am Gesäß und Kopf. Die Zucht dieser iberische Schweinerasse wurde beim Boom der industriellen Schweinezucht zugunsten anderer Rassen aufgegeben, vor allem wegen seines geringen Wachstums und hohen Fettgehalts.

Nachdem der Cul Noir in den 1980er-Jahren nahezu verschwunden war, wurde der Limousin-Schwarzkiemer durch das Schutzprogramm des Institut Technique du Porc vor dem Aussterben gerettet.

Kintoa

Kintoa-Schweine. Foto: Hilke Maunder
Eine Kintoa-Bache mit Frischlingen. Foto: Hilke Maunder

Sehr ähnlich sieht ihm das Kintoa-Schwein. Das Bergschwein des Baskenlandes lebt nahezu wild in der Vallée des Aldudes. Klickt hier für mehr Infos.

Porc Blanc de l’Ouest

Das helle Porc Blanc de l’Ouest stammt ursprünglich aus der Normandie. Früher war es  in seiner Herkunftsregion recht beliebt. Mit der Massentierhaltung indes sank in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Nachfrage stark. Ohne die Rettung durch das  Erhaltungsprogramm für lokale Rassen des Institut Technique du Porc wäre dieses normannische Landschwein heute ausgestorben.

Porc de Bayeux

Foto: Hilke Maunder

Das Bayeux-Schwein oder Longué-Schwein ist eine der sieben französischen Schweinerassen, deren Ursprung auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Die Rasse ist eine Kreuzung zwischen Normandie- und Berkshire-Schweinen und entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark und stabil,  bevor ihr Bestand während der Landung der Alliierten in der Normandie stark dezimiert wurde.

1984 rief das Institut Technique du Porc daher ein Erhaltungsprogramm ins Leben. Seitdem steigen die nach wie vor bescheidenen Bestände leicht an.

Das Bayeux-Schwein ist ein großes, schwarz geflecktes weißes Schwein mit leicht hängenden Ohren. Es hat gute mütterliche Eigenschaften und ist gut für die Freilandaufzucht geeignet. In seiner Heimatregion Normandie, wo es nach wie vor beliebt ist, ist es die am häufigsten gezüchtete Schweinerasse, insbesondere für die Herstellung von Wurstwaren.

Korsische Wurst- und Fleischspezialitäten vom Wochenmarkt in Bastia. Foto: Hilke Maunder
Korsische Wurst- und Fleischspezialitäten vom Wochenmarkt in Bastia. Foto: Hilke Maunder

Porc de Corse

Nur auf Korsika findet ihr das Porc de Corse, das dort auch Porc Nustrale genannt wird. Das endemische, recht kleine schwarze Schwein mit recht robuster Statur wird dort meist im Alter von 18 bis 24 Monaten geschlachtet. Mehr zu der halbwilden Schweinen der korsischen Berge und ihrer köstlichen charcuterie erfahrt ihr hier.

Porc Noir Gascon

Auch das Porc Noir Gascon ist eine uralte Schweinerasse aus den Pyrenäen, die das Institut Technique du Porc Ende der 1970er-Jahren ebenfalls vor dem Aussterben rettete. Heute sind die schwarzen, sehr muskulösen Tiere vor allem im Südwesten Frankreichs verbreitet, genauer gesagt in den Départements Hautes-Pyrénées, Haute-Garonne und Gers.

Durch das sehr langsame Wachstum dank extensiver Haltung hat das Fleisch einen sehr aromatischen Geschmack und wird gerne für die Herstellung von Schinken, Speck und Wurstwaren verwendet.

Hättet ihr’s gewusst?

Früher war das Handwerk von boucher und charcutier streng getrennt. Der boucher verkaufte als Schlachter nur rohes Fleisch. Beim charcutier gab es ausschließlich verarbeitetes Fleisch wie Würste oder Schinken.

Die Kintoa-Schweine leben halbwild im Pays Quint. Foto: Hilke Maunder
Wildwechsel mal anders. Die Kintoa-Schweine leben halbwild im Pays Quint. Foto: Hilke Maunder

Schweine feiern

In Frankreich gibt es mehrere Gourmetfeste und Märkte, die die Schweinezucht und Verarbeitung von Schweinefleisch vorstellen.

La Pourcailhade

Das Schweinefest von Trie-sur-Baïse wurde 1975 von der Schweinebruderschaft gegründet, als Trie der größte Ferkelmarkt Frankreichs war. In den 1990er- und 2000er -Jahren kamen sogar südkoreanische Fernsehsender, um über das Schweinespektakel zu berichten.

Das Volksfest inszeniert reichlich Klamauk. Fest dazu gehört stets die französische Meisterschaft im Schweineschrei (Cri de Cochon). Jedes Jahr mit dabei die Noël Jamet, um seinen Titel zu verteidigen. Der LKW-Fahrer aus der Normandie hat seit 2008 sechsmal die französische Meisterschaft  im Schweineschrei, gewonnen – und ist seit 2019 auch Weltmeister in dieser Disziplin.

Fête de la Charcuterie

Lacaune feiert seine bekannten Wurstwaren und Schinken im Sommer meist Ende Juli einen Tag lang mit Umzug, Gourmetmarkt und kulinarischen Wettbewerben. Dabei werden nicht nur die besten Wurst- und Schinkenhersteller ausgezeichnet, sondern auch die schnellsten Schweine.

Foire au Jambon

Bereits seit 1462 findet in der baskischen Hauptstadt Bayonne die Foire au Jambon de Bayonne (Schinkenmesse) statt. Jedes Jahr werden dabei die besten Bayonne-Schinken ausgezeichnet. Nicht jeder Schinken darf sich Bayonner Schinken nennen. Nur solche, die aus südfranzösischer Aufzucht stammen und nachweislich im Adour-Becken gepökelt wurden und hier gereift sind, erhalten als Qualitätssiegel das baskische Lauburu-Wappen eingebrannt als Stempel.

Genussregion Gers

Besucht habe ich diesen Züchter: Domaine Rey, Marie und Nicolas Rey, La Caberte, 32300 Loubersan, Tel. 06 27 04 24 01, www.porcnoir-domainerey.com

Doch die Schinkenschweine des Bigorre sind nicht die einzigen kulinarischen Botschafter des Gers. Auch Foie gras und Croustade-Kuchen sind dort daheim.

Isabelle Ducourneau zieht den Teig vorsichtig hauchdünn auf dem Küchentisch aus. Foto: Hilke Maunder
Isabelle Ducourneau zieht den Teig für die croustade vorsichtig hauchdünn auf dem Küchentisch aus. Foto: Hilke Maunder

Folgt meiner kulinarischen Landpartie durch die historische Gascogne hier.

Bekanntester kulinarischer Botschafter des Gers ist der Foie gras.  Infos & Hintergrund gibt es hier.

Für Kuchenfans habe ich aus dem Gers ein Rezept zum Nachbacken mitgebracht: Croustade – köstlich fruchtig wie herzhaft.

Auch in diesem Kuchen ist das Kellergold des Gers versteckt: Armagnac. Meinen Kellerbesuch samt Rezept findet ihr hier.

Francis Dèche vom Armagnac-Keller Château Millet. Foto: Hilke Maunder
Francis Dèche vom Armagnac-Keller Château Millet. Foto: Hilke Maunder

Noch mehr Gers gibt es auch hier

Marciac feiert im Sommer Europas größtes Jazzfestival. Was ihr erleben könnt, erfahrt ihr hier.

Und woher der Ausdruck „blaumachen“ kommt, und was er mit dem Gers zu tun hat, verrate ich hier.

Weiterlesen

Im Blog

Der Retter des Kintoa-Schweins

Eine zweite alte Schweinerasse der Pyrenäen lebt in der Vallée des Aldudes des Baskenlandes. Pierre Oteiza und seine Mitstreiter haben dort das Kintoa-Schwein vor dem Aussterben bewahrt. Erfahrt hier mehr!

Im Buch

Hilke Maunder, Le Midi*

Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportraits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

 * Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Domaine Rey. Foto: Hilke Maunder
Nicolas mit seinen schwarzen Schweinen. Foto: Hilke Maunder