Sonne im Glas: die Vins Doux Naturels

chön verpackt: der natürliche Süßwein aus Maury. Foto: Hilke Maunder
Schön verpackt: der natürliche Süßwein aus Maury. Foto: Hilke Maunder

Würde ich die Augen schließen und vorher nicht aufs Etikett schauen, könnte ich sie für einen Portwein halten: die opulenten Vins Doux Naturels. Rund um Maury werden sie im Tal des Agly in den Pyrénées-Orientales aus roten Edel-Rebsorten wie Grenache hergestellt.

507 Hektar sind für die natürlichen Süßweine reserviert. Doch nur, wenn die Stöcke als gobelet – als „Trinkkelch“ – geschnitten sind, dürfen die Trauben für die AOC-Weine verwendet werden. Nur so können sie der Tramontane widerstehen. 200 Tage bläst der kalte Wind aus Nord und Nordwest und erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde.

Vallée de l'Agly zwischen Maury und Saint-Paul-de-Fenouillet. Foto: Hilke Maunder
Das Tal des Agly zwischen Maury und Saint-Paul-de-Fenouillet. Foto: Hilke Maunder

Ähnlich, aber anders

Doch anders als bei Portwein dürfen im AOC Maury nur zehn Prozent Eau de Vie hinzugefügt werden. Auch müssen die Grundweine mindestens 15 % Alkohol besitzen. Bei Portwein ist dieser Grundweinalkoholgehalt nicht festgelegt. Für ihn dürfen bis zu 20 Prozent Branntwein beigefügt werden.

Das Zufügen von reinem Alkohol stoppt den Gärprozess der Weine. Dadurch bleiben ein Teil des unvergorenen Zuckers, die natürliche Süße und die natürlichen Aromen der Traube erhalten.

Mas Amiel: In den Dames-Jeannes können die Süßweine atmen und oxidieren. Foto: Hilke Maunder
Mas Amiel: In den Glasballons Dame-Jeanne können die Süßweine atmen und oxidieren. Foto: Hilke Maunder

Natürlich süß: Vins Doux Naturels

Dieser Vorgang wurde bereits im Mittelalter entdeckt. Im Jahr 1285 übernahm Arnau de Vilanova, Rektor der Universität Montpellier und Hofarzt der Könige von Mallorca, von den Arabern die Kunst des Destillierens. Schnell bemerkte er, dass die Zugabe von Destillat die Gärung des Weinmostes stoppt. Die mutage, zu Deutsch „das Stummmachen“, war erfunden – im Königspalast von Perpignan!

Beim weiteren Experimentieren … und sicherlich reichlichem Verkosten … merkten die Winzer, dass diese neuen, kräftigen und alkoholreichen Weine immer besser wurden, je länger sie lagerten. So wurden die natürlichen Weine Jahrhunderte lang zum Bestseller und an Europas Höfen zum Hochgenuss. Bis heute werden die vins doux naturels ( VDN ) mit Luftkontakt in Holzfässern, Tanks oder Flaschen ausgebaut.

Mas Amiel: Der Süßwein oxidiert unter freiem Himmel. Foto: Hilke Maunder
Der Süßwein des Weinguts Mas Amiel oxidiert unter freiem Himmel. Foto: Hilke Maunder

Sonnengereift unter südlichem Himmel

Der Ausbau der vins doux naturels erfolgt vorwiegend in großen, bis zu 1000LIter fassenden Holzfässern oder 225 Liter fassenden Barriquefässern. Für die Geschmacksnote Rancio werden die jungen Weine Wind und Wetter ausgesetzt und reifen in großen Glasballons unter freiem Himmel.

Die Temperaturschwankungen und die Sonneneinstrahlung beschleunigen die Oxidation und damit den „Alterungs“-Prozess der Weine in den Demi-Johns (auch: Demi-Jeannes oder Dame-Jeannes eingedeutscht: Demions).

Neun bis zwölf Monate reifen die Weine im Freien. Danach werden sie auf Flaschen gezogen oder im Keller anderen, in Tanks oder im Holz gelagerten Weinen beigefügt, um langsam weiter zu reifen. Nach fünf Jahren darf solch ein AOC Maury den Zusatz hors age auf der Flasche tragen.

Das Vallée de l'Agly. Foto: Hilke Maunder
Die Vallée de l’Agly bei Maury. Foto: Hilke Maunder

Ambré, Grenat, Tuilé…

Welche Farbe der Süßwein hat, verraten die Bezeichnungen blanc, ambré, grenat oder tuilé.

Der AOC Maury Blanc und AOC Maury Ambré werden aus Grenache Gris, Grenache Blanc, Macabeu und maximal 20 Prozent Muscat komponiert. Überraschend frisch, mit zarten Aromen von Zitrusfrüchten, zeigt sich der Maury Blanc.

Die Ambré-Süßweine leuchten altgolden im Glas. Sie bergen Aromen von kandierten Früchten und werden gerne zum Dessert genossen. Die roten Maury-Süßweine enthalten mindestens 75 Prozent Grenache Noir und maximal zehn Prozent Macabeu sowie Grenache Gris oder Blanc.

Beim tiefroten Grenat wecken die Aromen Assoziationen an Kirschen, dunklen Beeren und tiefem Wald. Die ziegelfarbenen Tuilés prägen Aromen von Pflaume, Orange und Röstnoten, die in Richtung Kakao gehen. Le Maury: alle Farben der Sonne, vereint in einem Aperitif.

Herbst im Vallée de l'Agly. Foto: Hilke Maunder
Herbst in der. Vallée de l’Agly. Foto: Hilke Maunder

Vins doux naturels: meine Genuss-Tipps

Maury

Maury Grenat, Domaine Paul Meunier-Centernach, AOP Maury

Lucile Morin aus Saint-Arnac hat aus Grenache noir ein Meisterstück komponiert: handwerklich perfekt, mit viel Tiefe und schönen Tanninen.

Muscat de Noël

Auf den Weihnachtsmärkten und Hoffesten des Advents könnt ihr junge Muskatweine ais Rivesaltes kosten. Als Muscat de Noël dürfen sie bereits ab 1. November verkauft werden.

Sie gehören zum Weihnachtsfest im Roussillon einfach dazu! Der normale Muscat de Rivesaltes darf erst ab 1. Februar nach dem Erntejahr in den Handel kommen.

Apero: Muscat aus Rivesaltes. Foto: Hilke Maunder
Noch aus Emaille: das alte Reklameschild für den Muscat de Rivesaltes. Foto: Hilke Maunder

Rivesaltes

2008 Rivesaltes Ambré, Domaine Fontanel, AOP Rivesaltes Ambré

Die perfekte Harmonie von Grenache Gris und Grenache Blanc (50:50) – mein coup de cœur von Élodie und Mathieu Collet.

Grenat, Château Lauriga, AOP Rivesaltes

Jean-Claude Mas bewirtschaftet rund um Thuir auf 60 Hektar Land alte lokale Trauben und internationale Gewächse. Aus Grenache noir vinifiziert er einen grundehrlichen Süßwein.

Hors d’Age 12 ans, Terrassous, AOP Rivesaltes Ambré

Der Ambré aus Grenache blanc von Hervé Lassere aus Terrats ist flüssiges Glück.

Grand Reserve, Arnaud de Villeneuve, AOP Rivesaltes

20 Jahre alter Ambré aus Grenache blanc, Grenache gris und Macabeu. Auch sehr lecker, aber dreimal so teuer: die Collection Millesimes von 1970.

Bei Banyuls ist der Weinanbau bis heute kaum mechanisiert. Foto: Hilke Maunder
Bei Banyuls ist der Weinanbau bis heute kaum mechanisiert. Foto: Hilke Maunder

Banyuls

2017 Le Banyuls de Môman amphore Rouge, Bruno Duchêne

Bruno kommt von der Loire, war dort Champignonzüchter, kam 2002 ans Mittelmeer. Und gehört heute, 16 Jahre später, zu den ganz Großen der Naturweinszene Frankreichs. Seine vins doux naturels sind flüssige Träume, unkompliziert und verdammt süffig….

Domaine Madeloc, Robert Pagès, Banyuls

80 Prozent Grenache, 20 Prozent Grenache Gris: Samt, fast weihnachtlich mit Noten von Zimt und Lakritze – der Winter-Aperitif zum Kuscheln am Kamin!

Banyuls: Bruno Duchêne. Foto: Hilke Maunder
Bruno Duchêne. Foto: Hilke Maunder

Gefällt euch der Beitrag? Dann sagt merci mit einem virtuellen Trinkgeld. Denn Werbebanner oder sonstige Promotions sind für mich tabu. Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert. Unterstützt den Blog. Fünf Möglichkeiten gibt es.

Weiterlesen

Im Blog

Die Winzer des Vallée de l’Agly habe ich hier vorgestellt.

Ein ganz besonders genussreiches Weingut ist das Château de Jau. Das Weinerlebnis runden dort Kunstausstellungen und Schlemmerei unter freiem Himmel ab. Klickt mal hier!

Eines der größten wie modernsten Weingüter im Agly-Tal ist Mas Amiel. Vor dem Gut reift der Süßwein in riesigen Dames-Jeannes unter freiem Himmel. Mehr Infos gibt es hier.

Bereits Ende August beginnt die Weinlese im Vallée de l'Agly. Foto: Hilke Maunder
Bereits Ende August beginnt die Weinlese in der Vallée de l’Agly. Foto: Hilke Maunder

Im Buch

MARCO POLO Languedoc-Roussillon/Cevennen*

Diesen Titel habe ich nach Axel Patitz und Peter Bausch inzwischen seit sechs Ausgaben umfangreich erweitert und aktualisiert.

Strandvergnügen und Kultur, quirlige Städte und wildromantische Landschaften: Von den Cevennen über das Languedoc bis hin zum Roussillon findet ihr dort Highlights und Kleinode, Tipps für Entdecken und Sparfüchse – und Adressen, die ich neu entdeckt und getestet haben. Denn dieser Landstrich ist seit 2014 meine zweite Heimat.

Wandert rund um den Mont Lozére, radelt durch die Petite Camargue, schippert im Hausboot auf dem Canal du Midi, taucht mit der Zahnradbahn in die faszinierende Tropfsteinwelt der Cevennen ein oder entdeckt die Côte Vermeille bei einer Schnorchelwanderung. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.

Der Reisebegleiter vor Ort: Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*

Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2021 in 9. Auflage erschienen.

Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

Das ganze Land: MARCO POLO Frankreich*

Einfach aus dem Besten auswählen und Neues ausprobieren, ist das Motto der Marco Polo-Reiseführer. Den MARCO POLO Frankreich* habe ich vor vielen Jahren von Barbara Markert übernommen und seitdem umfassend aktualisiert und erweitert.

Freut euch auf neue Insidertipps und Reiseziele, frischen Hintergrund und viele Erlebnisvorschläge für Aktive und Entdecker – von der Lichterkunst in Bordeaux’ U-Boot-Basis bis zu Wanderungen unter Wasser.

Damit ihr Frankreich noch besser versteht, gibt es natürlich auch viel Hintergrund zu Frankreich und seinen Menschen. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.

* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und den Blog werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Merci fürs Teilen!

4 Kommentare

  1. liebe Hilke, schwelge in Deinen Infos und reise jetzt im September und Oktober in die Provence. Erst bin ich eine Woche bei einer Freundin in der Drome und dann habe ich noch ca. 2 Wochen vor mit um mich langsam auf den Rückweg in meine Heimat Bayern zu begeben. Vielleicht kannst Du mir Tipps geben wo ich Halt machen könnte. Vorliebe hätte ich für kleine Städte mit Chambre Dots um mich ein wenig im französischen Leben zu heimelig zu fühlen. Strand und Meer wären auch eine Option, bin Kennerin der Via Podiensis, also sehr gerne a pied unterwegs. Freue mich sehr wenn ich positive Nachricht erhalten könnte, alles Liebe und vielmals merci. Edith

    • Liebe Edith, wie schön! Schau mal auf der Startseite auf die Karte (bitte etwas scrollen, um sie zu sehen) und zoom sie Dir auf die Ecken auf, die Du besuchen möchtest. Da findest Du dann alle Beiträge aus der Ecke. Gute Reise! Hilke

  2. Danke Gründliche Hilde

    Nicht zu vergessen der Markt in Gang und das
    Größte Aperitif Fass mit 1 Millionen Liter Bir
    Und was weis die Hilde von der Kirche wo der Pfarre im Jahr 1883 das Leichentuch Jesus fand
    Sankt Andree de Mojaukoles ist auch so Hingucker

    Lieber Gruss Jörg Peter

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.