Grande Terre: Neukaledoniens wilder Westen
Brousse, Busch, bedeckt die trockene Küstenebene im Westen der Hauptinsel Grande-Terre von Neukaledonien. Brahmousin-Rinder, gekreuzt aus Brahman & Limousin-Vieh, weiden auf weiten Steppen, die an ausgemergelten Bergen enden. Einige von ihnen gehören Émeric und seiner Familie.
26 Jahre jung, hat sich der tief im Land verwurzelte Familienvater nach dem Studium mit Gecko Evasion selbständig gemacht. Zwei Tage lang zeigt er uns mit seinem Allradwagen, zu Fuß und mit Partnern, zwischen Sarraméa und Bourail den wilden Westen der Hauptinsel Neukaledoniens.
Die Menschen von Grande Terre
„Wie die Rinder, die hier weiden, bin auch ich ein Mix“, lacht Émeric Amice, „ein Mestique. Während in Australien die Weißen abgeschottet lebten und es höchstens Bastarde aus Beziehungen mit den Aborigines gab, wurde hier auf Neukaledonien von Anbeginn an auch untereinander geheiratet. Ich habe französisches Blut und kanakisches Blut in mir“, erzählt Émeric stolz.
Ohne zu zögern, fügt er hinzu: „Das hat einen ganz großen Vorteil. Dank meiner dunkleren Haut brauche ich ich keinen Sonnenschutz.“ Gegen die kleinen Sandfliegen, Mücken und Ameisen, die gerne mal zubeißen, ist auch er nicht immun.
Doch dieses kleinen Plagegeister quälen uns erst, als wenige Stunden vor unserer Rückreise Regen aufzieht. Davor war von den Insekten nichts zu hören.
Umso intensiver war das Vogelgezwitscher, dass uns in Sarraméa begrüßte. Unter einem Bois Noir (Blackwood) hatten die Einheimischen einen Banner in den Farben der Kanaken an den Zaun gehängt.
Ihre Flaggen hängen auch in den Kronen der Bäume, an Hauswänden und an den hölzernen Verkaufsständen am Straßenrand, wo Papaya und andere tropische Früchte angeboten wurden. Ein kleiner Zettel informierte: „chèques pas acceptés“.
Sarraméa: Urnatur im Regenwald
Sarraméa ist ein kanakisches Dorf am Plateau de Dogny. Bis zu 1000 Meter hoch ragen die Berge ringsum auf. Einige zeigen in Gipfelnähe offen ihre Narben: Auf Neukaledonien wird Nickel im Tagebau abgebaut. Der Archipel besitzt rund 20 Prozent der weltweiten Nickelvorräte.
Doch die années glorieuses, in denen der Nickelabbau den Ausbau von Straßen, von Infrastruktur und einen gewissen Wohlstand sicherte, sind vorbei. Auch hier kauft sich China immer weiter ein und versucht, die Oberhand bei Rohstoff und Verarbeitung zu erhalten.

Um den Einnahmeeinbruch beim Nickelgeschäft auszugleichen, baut Neukaledonien seit einigen Jahren gezielt den Tourismus aus. An der Westküste von Grande Terre heißt dies: Naturerlebnisse und Outdoor-Aktivitäten.
Rund um Sarraméa erstreckt sich das Wanderland des Parc Provincial des Grandes Fougères. Seit November 2008 schützt der Nationalpark auf4 535 Hektar einen wilden tropischen Regenwald. Von seinen fast 500 Pflanzenarten sind 70 Prozent endemisch, sprich, nur hier zu finden.
Auch die Vogelwelt ist mit exotischen Vogelarten wie Cagou, Notou, Caledonian Warbler und Green Tigeon so einzigartig, dass sievon BirdLife International als Important Bird Area (IBA) eingestuft wurde.
Um sie zu erhalten, werden die von Europäern eingeschleppten Wildschweine und Java-Hirsche, die einst der Kolonie geschenkt worden waren, gezielt bejagt.
Die Heimat der Broussards
Weiter gen Norden die Westküste hinauf wird das Land zunehmend trockener. Hier liegt die Heimat der „stations“, der großen Viehfarmen, auf denen broussards und stockmen, neukaledonische Cowboys, auf den trockenen Savannen Rinder züchten.
Weniger als 1500 Millimeter Regen fallen hier pro Jahr, und damit deutlich weniger als an der Ostküste, wo sich die Passatwinde an der zentralen Bergscheide der neukaledonischen Hauptinsel abregnen.
Kurz hinter der Brücke über die Néra hält Émeric vor einem Gatter, öffnet es – und fährt hinab bis zum Fluss. Trübe wälzt er sich Richtung Meer. Flammenbäume leuchten feuerrot vor dem dunklen Fels, Blackwood und Araukarien, Opuntien und scharfes, trockenes Gras bedecken das Land.
Kein Verkehr stört die Stille. Émeric hält, klappt Tisch und Stühle auf, holt Kühlboxen und Konvektor heraus – und zaubert blitzschnell ein déjeuner en brousse, ein Mittagessen im Busch: mit Salat zum Auftakt, Schweinebraten und Kürbisgemüse zum Hauptgang – und feinster Apfeltarte zum Nachtisch.
Bourail: Trockenwald am Riff
So gestärkt, steigt Émeric mit uns kurz hinter einer case, einer Rundhütte des Pays d’Ara, die gegenüber der Kontrollschranke und des Infozentrums der Domaine de Déva aufgestellt wurde, einen Hügel hinauf.

Das fast 8000 Hektar große Naturschutzgebiet bei Bourail schützt eine aride Landschaft voller Vielfalt, die direkt ans Meer grenzt. Savannen mit scharfem Gras und struppigen Disteln folgen auf weite, lichte Nyaouli-Wälder, die einen ähnlichen Duft wie Australiens Eukalypten verströmen.
Weiter südlich folgt der 1.700 Hektar große Trockenwald von Gouaro. Mit 38 Vogel-, elf Echsen- und 58 Schmetterlingsarten birgt er eine überraschend reiche Fauna in einem auf den ersten Blick arg trockenem Gestrüpp. Wir folgen hier dem Sentier du Oua Koué.
Der 5,5 Kilometer lange Wanderweg mit 324 Metern Höhenunterschied führt euch in rund zwei Stunden durch diese wilde, trockene Landschaft. Schatten ist rar. Heiß sticht die tropische Sonne vom blauen Himmel. In der Ferne ballen sich ein paar dicke Wolken, Vorboten des Regens, der sich abends an der zentralen Bergscheide von Grande Terre ergießt.
Doch an der Küste ist der Blick noch weit und klar, und der Aufstieg auf Saumpfaden und Treppenwegen fast geschafft. Oben angekommen, entlädt sich ein visuelles Crescendo.
Denn was wir sehen, lässt uns wahrhaft staunen: die Korallenküste von Neukaledoniens weltgrößter Lagune. Mal türkisblau, dann gesprenkelt mit Korallen, dann an der Riffkante weiß schäumend, dann tiefblau bis an den Horizont, liegt sie uns zu Füßen.
Apéro mit Aussicht

Abends geht es noch höher hinauf – mit dem Allradwagen auf den höchsten Punkt des Familienlandes. Dort hat Émeric einen Unterstand samt Barbecue gebaut. Und überrascht uns dort mit einem köstlichen Apéro, während er das Dîner vorbereitet.
Zu Rotwein aus Frankreich gibt es Hirschwurst, Salami-Varianten und Blauschimmelkäse zum Baguette. Das lockt auch einen kleinen Gecko an, der alles neugierig beäugt – und einmal naschen darf.
Am nächsten Tag nimmt uns Fabien Perotto von Cap ULM Poé im winzigen Zweisitzer mit zu einem Rundflug über die weltgrößte Lagune. 24.000 Quadratkilometer ist sie groß – und in weiten Teilen vom Korallenmeer-Naturpark geschützt.
Lagune und Hochsee trennt das zweitgrößtes Barriereriff der Welt. 1.600 Kilometer lang säumt es die Lagune, und ist damit nur knapp ein Drittel kürzer als das australische Great Barrier Reef mit 2.300 Kilometer Länge.
Und zeigt – mitten im Weltnaturerbe – auf kleine, schwarze Punkte im endlos weiten Türkis. „Guckt mal, das sind Schildkröten!“ Beim Tauchen oder Schnorcheln kommt ihr ihnen im wilden Westen von Grande-Terre ganz nahe!
Der wilde Westen von Grande-Terre: meine Reise-Infos
Sarraméa
Schlafen & schlemmen
Seit der Schließung des Hôtel-Restaurants Évasion gibt es in Sarraméa nur noch einen einfachen Campingplatz zum Übernachten.
Speisen könnt ihr bei Aux Délices des Jumelles, das dienstags bis sonntags eine familiäre Lokalküche serviert.
• Tel. +687 43.46.65
Bourail
Schlafen & schlemmen
Einzige Unterkunft der Domaine Deva ist das luxuriöse Sheraton-Hotel, das auf seinem ausgedehnten Anwesen am Strand neben Doppelzimmern und Suiten beim 18-Loch-Golfplatz auch Rundhütten mit Doppelzimmern zum Strand hin besitzt.
• Sheraton New Caledonia Deva Spa & Golf Resort, Lot 33, Domaine de Déva, Route de Poé, BP 50, 98870 Bourail, www.marriott.com
Noch mehr Betten*
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Im Blog: Mein Neukaledonien-Special
Zur Einführung: Frankreich in der Südsee
Die Hauptstadt: Nouméa erleben: die Hauptstadt-Highlights
Nouméa: Die cases der Kanaken
Anse Vata: Das Longchamp von Nouméa
Îlot Maître: Die Spielwiese von Nouméa
Grande Terre: Der wilde Westen von Grande Terre
Grande Terre: PNR Rivière Bleue: das große Stauen
Île des Pins: Fast ein Paradies
Ouvéa: Bei den Kanaken
Neukaledonien: Das dürft ihr nicht verpassen!
Im Buch
Joseph Andras, Kanaky*
Dreimal hat bereits die südpazifische Inselgruppe Neukaledonien über ihre Unabhängigkeit von Frankreich abgestimmt. Bei jeder Abstimmung überwog knapp die Zustimmung zum Verbleib beim fernen Mutterland. Einer der führenden Figuren der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung war Alphonse Kahnyapa Dianou.
Er war einer der Anführer, die den Angriff militanter Kanak-Nationalisten auf die Gendarmerie von Fayaoué in Ouvéa am Freitag, dem 22. April 1988, geplant hatten. Die Aktion misslang. Sie führte zum Tod von vier Gendarmen, gefolgt von der Geiselnahme der anderen Gendarmen.
Alphonse Dianou und sein Bruder Hilaire flohen in den Norden und fanden schließlich Zuflucht in der „heiligen“ Höhle von Wateö, nicht weit vom Stamm der Gossanah entfernt. Dreizehn Tage später, am 4. Mai 1988, startete die Elite der Streitkräfte ihren Angriff, bei dem Dianou ums Leben kam. Seitdem ranken sich die widersprüchlichsten Legenden um dessen Tod.
Joseph Andras beginnt nachzuforschen, er reist an den Ort des Geschehens, trifft Dianous Witwe, Vertraute und Zeitzeugen. Die Erzählung beruht auf Aussagen der Kanak und stellt ihr Wort in den Mittelpunkt des Buches. Es besteht aus einem doppelten Erzählrahmen: 45 Kapitel berichten über die Suche anhand von Zeugenaussagen und werden von 14 chronologischen Sequenzen unterbrochen, die den Ablauf des Angriffs und der Geiselnahme vom 22. April bis zur Erstürmung der Höhle am 5. Mai 1988 rekonstruieren.
Die Sequenz der 13 Tage der Ereignisse (22. April bis 5. Mai) verwebt die Wiedergabe der Zeugenaussagen aus den 45 Kapiteln. Die Wahl der Komposition verleiht der Erzählung Intensität und Dichte. Der Schreibstil ist eng an die Realität angelehnt.
Seine Notizen, Gespräche und Begegnungen verbindet Andras zu einem fesselnden Text, der in den Kern eines hier nur wenig bekannten Konflikts dringt. Andras erzählt vom Widerstand gegen die Kolonialmacht, von einer verdrängten Kultur und von einem Land, zerrissen im Kampf für einen unabhängigen Staat: Kanaky. Wer mag, kann den Doku-Roman hier* bestellen.
Birgit Weidt, Das Lächeln der Vergangenheit*
Eine Maske aus Holz, die ihr Großvater einst aus Neukaledonien mitgebracht hatte, wird zum Auslöser für eine Reise, bei der Birgit Weidt nicht nur die Kultur der Kanaken von Neukaledonien, sondern auch sich selbst besser kennenlernen.
Die freie Journalistin, die u.a. für DIE ZEIT schreibt, lernt auf Grande Terre den Stammeshäuptling Bergé Kawa kennen, der ihr gestattet, in seiner Dorfgemeinschaft mit ihren Ritualen, Ahnen, Geistern und Traditionen kennenzulernen. Dort lernt sie, warum man fremden Menschen nicht in die Augen sehen soll und warum Frauen ihre Altersfalten wie Schmuck zur Schau tragen.
Das Leben der Ureinwohner im Einklang mit der Natur: Mit ihrem Taschenbuch seid ihr hautnah mit dabei. Wer mag, kann den Band hier* online bestellen.
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Offenlegung
Neukaledonien entdeckte ich auf einer Pressereise, die ATOUT France mit ihren Partnern Nouvelle-Calédonie Tourisme, Air France und Aircalin organisiert hatte. Ihnen allen sage ich dafür merci und herzlichen Dank.
Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

